tag:blogger.com,1999:blog-47574776735723827942024-03-13T16:04:57.000+01:00ScholastikerNeue Scholastik des 21. JahrhundertsScholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.comBlogger321125tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-66238430848431618342024-03-13T14:57:00.001+01:002024-03-13T16:04:24.877+01:00Der Papst und der Ukraine-Krieg<p><span style="font-family: helvetica;"></span></p><table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: left;"><tbody><tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi2a7JxjHq6xvAhsEsDda7ovqcltesk375-4gZmNmWyYGeKMWHniuE3oyVTIFqNYkzuZH2obFP0Nep61wqlbBU68eT61C7NUYbZ_c9l_QJipQ321xWNOL8VuUDJviwF0jtQ2MGQ6f0JVYnaZvx8e8bhZC6otQYP4KEP77A6gfKR61-KEjlvU8PBMda4FPEA/s1000/Hl.%20Augustinus.jpg" style="clear: left; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" data-original-height="803" data-original-width="1000" height="257" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi2a7JxjHq6xvAhsEsDda7ovqcltesk375-4gZmNmWyYGeKMWHniuE3oyVTIFqNYkzuZH2obFP0Nep61wqlbBU68eT61C7NUYbZ_c9l_QJipQ321xWNOL8VuUDJviwF0jtQ2MGQ6f0JVYnaZvx8e8bhZC6otQYP4KEP77A6gfKR61-KEjlvU8PBMda4FPEA/s320/Hl.%20Augustinus.jpg" width="320" /></a></td></tr><tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Augustinus war einer der ersten <br />Theoretiker des gerechten Kriegs</td></tr></tbody></table><span style="font-family: helvetica;"><br />Vor einigen Tagen wurde in nahezu allen Medien über ein
Interview des Papstes mit dem italienischsprachigen Fernsehen der Schweiz
berichtet, das vollständig erst am 20. März ausgestrahlt wird. Es wurden aber
einige Auszüge aus dem Interview veröffentlicht, die zu einer heftigen
Diskussion geführt haben. Dem Papst werden Vorwürfe gemacht, weil er angeblich
die Ukraine zur Kapitulation aufgefordert habe. Wie oft in kriegerischen Zeiten
wird auch hier mit Lügen operiert, denn der Papst hat nichts anderes gesagt,
als dass die Ukraine und Russland verhandeln sollten.</span><p></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Es ist allgemein bekannt, dass der Papst in den vergangenen
Jahren häufiger Äußerungen von sich gegeben hat, die der überlieferten Lehre
der Kirche deutlich widersprechen. In diesem Fall steht er aber in vollem
Einklang mit der Lehre der Kirche vom „gerechten Krieg“.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> <span></span></span></o:p></p><a name='more'></a><p></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die Antwort des Papstes erfolgt auf die direkte Frage des
Interviewers, ob es zum Hissen der weißen Fahne nicht auch Mut brauche.
Woraufhin der Papst tatsächlich sagt, dass derjenige stärker sei, der den Mut
aufbringe, die weiße Fahne zu hissen und zu verhandeln. Das Hissen der
weißen Fahne ist völkerrechtlich nicht das Symbol für die Kapitulation, sondern
für die Bereitschaft zu Verhandlungen. Der Papst kann sich mit dieser Antwort
auf die Jahrhunderte alte Lehre der Kirche vom gerechten Krieg berufen, die
auch im aktuellen Katechismus der katholischen Kirche (KKK Nr. 2309) nachzulesen
ist. Eine der ersten Theologen die die Theorie des gerechten Kriegs entwickelt
haben, was Augustinus (unser Bild). Wenn man die Bedingungen für einen
gerechten Krieg betrachtet, dann kann in der derzeitigen Situation daraus nur
der Schluss gezogen werden, den der Papst daraus zieht.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Werfen wir kurz einen Blick auf die vier Bedingungen die
erfüllt sein müssen, damit man von einem gerechten Krieg sprechen kann. Vorher
sei bemerkt – um Missverständnisse zu vermeiden -, dass der Angriff Russlands
auf die Ukraine völkerrechtswidrig ist und natürlich damit auch kein gerechter
Krieg sein kann, selbst dann nicht, wenn man die Rechtfertigungen und Argumente
Russlands für den Angriff anerkennen würde. Nun zu den vier Bedingungen für
einen gerechten Krieg:<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein gerechter Krieg als Verteidigungskrieg ist
ausschließlich dann gerechtfertigt, wenn vier Bedingungen erfüllt sind: Erstens
muss der Angriff, der abgewehrt werden soll, tatsächlich zu einem
schwerwiegenden und dauerhaften Schaden aufseiten des Angegriffenen oder der
Völkergemeinschaft führen. Zweitens müssen sich alle anderen Mittel, um den
Krieg zu beenden, als wirkungslos herausgestellt haben. Drittens muss der
Verteidigungskrieg mit Aussicht auf Erfolg geführt werden können. Und viertens
dürfen durch die Verteidigung nicht größere Schäden angerichtet werden als
durch den Angriff. Schon ein oberflächlicher Blick auf diese
Bedingungen zeigt, dass zumindest die beiden letzten Bedingungen nicht erfüllt
sind, denn schon seit Monaten hat sich der Krieg zu einem Stellungskrieg
entwickelt, bei dem es auf beiden Seiten kaum noch Veränderungen in den
Stellungen gibt und bei Fortsetzung des Krieges nehmen die Schäden und vor
allem die Todesopfer in erheblichem Maße zu. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Zum zweiten Punkt könnte man sagen, dass es vermutlich
durchaus die Möglichkeit gibt, den Krieg auf andere Weise zu beenden, nämlich
durch Verhandlungen, auch wenn von den Bellizisten wie Kiesewetter,
Strack-Zimmermann oder Baerbock das Gegenteil behauptet wird. Zumindest
könnte man den Versuch machen und Russland zu Verhandlungen auffordern um zu
sehen, ob Russland dazu bereit ist.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Mit Blick auf diese traditionelle Lehre der Kirche konnte
der Papst, wenn er nicht gegen die kirchliche Lehre verstoßen wollte, nichts
anderes sagen als das, was er gesagt hat.</span><o:p></o:p></p>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-51813020043239773622024-03-13T11:23:00.003+01:002024-03-13T11:55:51.155+01:00 Avicenna, Thomas von Aquin und Leibniz über das Kontingenzargument<p><span style="font-family: helvetica;"></span></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj0wbxv09EXMZqLPH-DOndLHE5dMUJyhW7XikCGa4UlbWYaWYzppxCNvq5DaoZQe4Ggy11fHV2MgqDvE-ng7Z7bbkiHbhEnBxD20uGGxnCbpa2pNHnTx1CySKKdQUrnkCyOzYL7I4y_5JDpcrvMqOTnYbCDczadv6zFDw-DRCS5kFIhYEcbALSMfjQb24D2/s320/024.gif" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="145" data-original-width="320" height="145" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj0wbxv09EXMZqLPH-DOndLHE5dMUJyhW7XikCGa4UlbWYaWYzppxCNvq5DaoZQe4Ggy11fHV2MgqDvE-ng7Z7bbkiHbhEnBxD20uGGxnCbpa2pNHnTx1CySKKdQUrnkCyOzYL7I4y_5JDpcrvMqOTnYbCDczadv6zFDw-DRCS5kFIhYEcbALSMfjQb24D2/s1600/024.gif" width="320" /></a></div><br />Avicenna, Aquin und Leibniz legen alle jeweils eine Version
dessen vor, was man heute als Kontingenzargument aus der für die Existenz eines
notwendigen göttlichen Wesens bezeichnet.<span style="font-family: helvetica;">
</span><span style="font-family: helvetica;">Ihre Versionen sind interessanterweise unterschiedlich, obwohl Thomas
von Aquin deutlich von Avicenna beeinflusst wurde und Leibniz mit Thomas von Aquin
vertraut war.</span><span style="font-family: helvetica;"> </span><span style="font-family: helvetica;">Ich denke, dass alle drei
gute Argumente sind, obwohl ich sie hier nicht verteidigen werde.</span><span style="font-family: helvetica;"> </span><span style="font-family: helvetica;">Das Argument von Avicenna habe ich in einem
früheren Beitrag diskutiert.</span><span style="font-family: helvetica;"> </span><span style="font-family: helvetica;">Ich
verteidige das Argument von Thomas in meinem Buch </span><i style="font-family: helvetica;"><a href="https://www.amazon.de/Aquinas-Beginners-Guide-Guides/dp/1851686908/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=37P66V4KI4L6Z&dib=eyJ2IjoiMSJ9.7XxTUuenZYcn5S-CkYOxKMVe9V4TJkajRxmex0Mrw3Phm-V9mrSdgg1oSDnoqIstDxdyuSFXDQxao9zmYfhc80OKnpR-7awH8mOh-hGKW3dZjGfI9_J_LLYINQw3_mmMEPUVnh8CaxRvnZyTss8v4yn_RZIePF4n3tdKdGuD2b7jFF2Z4WRWQiA3cZaeqCiL2viHaUF1GIooMbLn03H8LOjIhfCCkKUOmWC1W7FTQ9E.uFEcRiZRsz4j3C9x0FFwxzR2cHnT_mDrOfT5mgTGEcA&dib_tag=se&keywords=Edward+Feser%2C+Aquinas&qid=1710321758&sprefix=edward+feser+aquinas%2Caps%2C179&sr=8-" target="_blank">Aquinas</a></i><span style="font-family: helvetica;">, </span><a href="https://www.amazon.de/Aquinas-Beginners-Guide-Guides/dp/1851686908/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=37P66V4KI4L6Z&dib=eyJ2IjoiMSJ9.7XxTUuenZYcn5S-CkYOxKMVe9V4TJkajRxmex0Mrw3Phm-V9mrSdgg1oSDnoqIstDxdyuSFXDQxao9zmYfhc80OKnpR-7awH8mOh-hGKW3dZjGfI9_J_LLYINQw3_mmMEPUVnh8CaxRvnZyTss8v4yn_RZIePF4n3tdKdGuD2b7jFF2Z4WRWQiA3cZaeqCiL2viHaUF1GIooMbLn03H8LOjIhfCCkKUOmWC1W7FTQ9E.uFEcRiZRsz4j3C9x0FFwxzR2cHnT_mDrOfT5mgTGEcA&dib_tag=se&keywords=Edward+Feser%2C+Aquinas&qid=1710321758&sprefix=edward+feser+aquinas%2Caps%2C179&sr=8-1" style="font-family: helvetica;">1</a><span style="font-family: helvetica;">
auf den Seiten 90-99.</span><span style="font-family: helvetica;"> </span><span style="font-family: helvetica;">Das Argument von
Leibniz verteidige ich in Kapitel 5 meines Buches </span><i style="font-family: helvetica;"><a href="https://www.editiones-scholasticae.de/artikel/fuenf-gottesbeweise/" target="_blank">Fünf Gottesbeweise</a></i><span style="font-family: helvetica;">. </span><span style="font-family: helvetica;"> </span><span style="font-family: helvetica;">Hier möchte ich die Argumente lediglich
vergleichen und gegenüberstellen.</span><p></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> <span></span></span></o:p></p><a name='more'></a><p></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Da ich mich auf das konzentrieren möchte, was ich für die
Hauptaussage jedes der Argumente halte, und mich nicht in exegetischen Details
verlieren möchte, werde ich meine eigenen Paraphrasen der Argumente anbieten
und nicht direkt aus den Texten dieser Denker zitieren.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Hier sind die drei Argumente.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Das von Avicenna stammt aus dem Najāt und
kann wie folgt umschrieben werden:<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><i><span style="font-family: helvetica;">Wenigstens ein Ding existiert.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es muss entweder notwendig oder kontingent
sein.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wenn es notwendig ist, dann gibt
es ein notwendiges Wesen, und unsere Schlussfolgerung ist bewiesen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Aber nehmen wir an, es ist kontingent.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Dann braucht es eine Ursache.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Nehmen wir an, diese Ursache ist ein weiteres
kontingentes Ding, und dieses weitere kontingente Ding hat wiederum ein anderes
kontingentes Ding als seine eigene Ursache, und so weiter bis ins
Unendliche.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Dann haben wir eine Sammlung
von kontingenten Dingen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Diese
Ansammlung ist selbst entweder notwendig oder kontingent.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Aber sie kann nicht notwendig sein, da ihre
Existenz von der Existenz ihrer Mitglieder abhängt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die Ansammlung muss also kontingent sein, und
in diesem Fall muss auch sie eine Ursache haben.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Diese Ursache ist entweder selbst Teil der
Sammlung oder sie liegt außerhalb der Sammlung.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Aber sie kann nicht Teil der Sammlung sein, denn dann wäre sie als
Ursache der gesamten Sammlung die Ursache ihrer selbst.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Und nichts kann sich selbst verursachen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Also muss die Ursache der Sammlung von
kontingenten Dingen außerhalb der Sammlung liegen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wenn sie aber außerhalb dieser Ansammlung
liegt, muss sie notwendig sein.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es gibt
also ein notwendiges Wesen.<o:p></o:p></span></i></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die Version von Thomas von Aquin ist der dritte seiner
berühmten <i>Fünf Wege</i> in der <i>Summa Theologiae</i>.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Sie kann wie folgt umschrieben werden:<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><i><span style="font-family: helvetica;">Manche Dinge sind von Natur aus kontingent, wie sich aus
der Tatsache ergibt, dass sie entstehen und vergehen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Solche Dinge können nicht ewig existieren,
denn alles, was kontingent ist und somit nicht mehr existieren kann, wird auch
irgendwann nicht mehr existieren.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wenn
also alles kontingent wäre, dann hätte irgendwann nichts mehr existiert.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Aber wenn es jemals eine Zeit gab, in der
nichts existierte, dann würde auch jetzt nichts existieren, da es in diesem
Fall nichts gäbe, was neue Dinge ins Leben rufen könnte.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Aber die Dinge existieren jetzt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Also kann nicht alles kontingent sein, und es
muss ein notwendiges Wesen geben.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Nun
könnte ein solches Wesen seine Notwendigkeit von einem anderen Wesen ableiten,
oder es könnte seine Notwendigkeit aus seiner eigenen Natur heraus haben.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Aber es kann keinen Regress von Dingen geben,
die ihre Notwendigkeit von etwas anderem ableiten, es sei denn, er endet in
etwas, das seine Notwendigkeit aus seiner eigenen Natur hat.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es muss also etwas geben, das seine Notwendigkeit
aus seiner eigenen Natur heraus hat.<o:p></o:p></span></i></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Leibniz' Version findet sich in der <i>Monadologie</i>.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Sie könnte wie folgt umschrieben werden:<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><i><span style="font-family: helvetica;">Für alles, was existiert, muss es einen hinreichenden
Grund für seine Existenz geben.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Im Fall
der kontingenten Dinge, aus denen das Universum besteht, kann dieser Grund
nicht durch den bloßen Verweis auf andere kontingente Dinge gefunden werden,
selbst wenn die Reihe der kontingenten Dinge, die durch andere kontingente
Dinge verursacht werden, ohne Anfang in die Vergangenheit zurückreichen
würde.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Denn in diesem Fall bräuchten wir
immer noch einen hinreichenden Grund, warum die Reihe als Ganzes existiert. <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Aber die Reihe als Ganzes ist nicht weniger
kontingent als die Dinge, aus denen sie sich zusammensetzt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die Erklärung kann also nicht in der Reihe
selbst liegen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Eine vollständige
Erklärung oder ein hinreichender Grund kann nur gefunden werden, wenn es ein
notwendiges Wesen gibt, das die Quelle der Welt der kontingenten Dinge
ist.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es muss also ein solches
notwendiges Wesen geben.<o:p></o:p></span></i></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Jeder dieser Denker argumentiert weiter, dass bei einer
Analyse gezeigt werden kann, dass das notwendige Wesen die wichtigsten
göttlichen Eigenschaften haben muss und daher Gott ist.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Aber ich möchte mich hier nur auf die
Argumente konzentrieren, die jedes Argument für die Existenz eines notwendigen
Wesens liefert.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Und auch hier werde ich
die Argumente nicht verteidigen, sondern nur vergleichen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Ich werde mich also nicht dazu äußern, wie
die Argumente weiter ausgeführt oder die Argumentation gestrafft werden könnte,
wie verschiedene Einwände beantwortet werden könnten usw.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Was haben die Argumente gemeinsam?<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Erstens beruhen sie natürlich alle auf der
Unterscheidung zwischen kontingenten und notwendigen Wesen und argumentieren,
dass es nicht sein kann, dass alles in die erste Klasse fällt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Zweitens führen sie alle kausal auf das
notwendige Wesen als Quelle von allem anderen als sich selbst zurück.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Drittens haben sie aus diesem Grund alle
zumindest eine minimale empirische Komponente, insofern sie sich auf die
kontingenten Dinge berufen, die wir aus der Erfahrung kennen, und von deren
Existenz auf die eines notwendigen Wesens schließen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Eine vierte Gemeinsamkeit besteht darin, dass alle drei
Denker die Art der Notwendigkeit des notwendigen Wesens in der Unterscheidung
zwischen Wesen und Existenz begründen.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Wie meine Umschreibungen zeigen, handelt es sich dabei jedoch um einen
eigenen Schritt, der in den Argumenten selbst nicht genannt wird und auch nicht
genannt werden muss.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Außerdem tun unsere
drei Philosophen dies nicht auf die gleiche Weise.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Avicenna und ihm folgend Thomas von Aquin
gehen davon aus, dass die Ursache der Dinge, in denen Wesen und Existenz
unterschieden sind, ein notwendiges Wesen sein muss, in dem sie nicht
unterschieden sind.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Leibniz hingegen
sagt nicht, dass Gottes Wesen seine Existenz ist, sondern dass sein Wesen die
Existenz einschließt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>(Diese Art, die
Dinge zu formulieren, hat viele zeitgenössische Diskussionen beeinflusst – und
das nicht zum Besseren, denn sie verschleiert die Implikationen für die
göttliche Einfachheit, die durch Avicennas und Thomas‘ Redeweise deutlich
werden.)<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Eine fünfte Gemeinsamkeit besteht darin, dass keines der
drei Argumente voraussetzt oder behauptet, dass das Universum einen Anfang
hatte.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Alle drei Argumente besagen, dass
die Existenz eines notwendigen Wesens auch dann festgestellt werden kann, wenn
wir annehmen, dass die Welt der kontingenten Dinge schon immer da war.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Eine sechste Gemeinsamkeit besteht darin, dass jedes der
Argumente von einer Behauptung über kontingente Dinge, die individuell
betrachtet werden, zu einer Behauptung über kontingente Dinge, die kollektiv
betrachtet werden, übergeht, wenn auch auf unterschiedliche Weise.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Für Avicenna erfordert ein einzelnes
kontingentes Ding eine Ursache, so wie auch die Gesamtheit der kontingenten
Dinge eine Ursache erfordert.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Für den
Aquinaten ist es so, dass ebenso wie die einzelnen kontingenten Dinge
irgendwann nicht mehr existieren können, auch die Gesamtheit der kontingenten
Dinge irgendwann nicht mehr existieren kann, zumindest wenn es kein notwendiges
Wesen gäbe.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Für Leibniz bedarf die
Gesamtheit der kontingenten Dinge ebenso wie die einzelnen kontingenten Dinge
einer Erklärung außerhalb von ihnen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Wie unterscheiden sich die Argumente?<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Zunächst einige
Hintergrundinformationen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Scholastische
Philosophen unterscheiden oft zwischen physischen und metaphysischen Argumenten
für die Existenz Gottes.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Physische
Argumente sind solche, die von Fakten über die konkrete physische Welt
ausgehen, die im Lichte der Naturphilosophie interpretiert werden.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>So wird z. B. der <i>Erste Weg</i> von Thomas
von Aquin gemeinhin als physisches Argument interpretiert, weil er von der
Realität der Bewegung ausgeht, wie sie im aristotelischen Sinne verstanden
wird.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Metaphysische Argumente sind
solche, die von abstrakteren Überlegungen ausgehen, die nicht an die physische
Welt an sich gebunden sind.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Thomas von Aquins
Beweis für die Existenz Gottes in <i>De Ente et Essentia</i> geht zum Beispiel
von der Tatsache aus, dass es Dinge gibt, deren Wesen und Existenz
unterschiedlich sind, und argumentiert, dass diese Dinge eine Ursache
benötigen, deren Wesen die subsistente Existenz selbst ist.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Da es bei den Engeln ebenso wie bei den
materiellen Dingen einen Unterschied zwischen Wesen und Existenz gibt, hängt
das Argument nicht von Fakten über das Physische an sich ab. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Von den drei Argumenten, die wir hier betrachten, ist das
von Thomas stärker physisch geprägt als das von Avicenna und Leibniz.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Denn die Beobachtung, dass materielle Dinge
entstehen und vergehen, und die Behauptung, dass materielle Dinge individuell
und kollektiv mit der Zeit vergehen würden, spielen eine große Rolle in dem
Argument, und das sind Punkte, die das Physische qua Physikalischem betreffen. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Im Gegensatz dazu sind die Argumente von Avicenna und
Leibniz eher metaphysisch geprägt.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Selbst wenn wir davon ausgehen, dass sie sich zumindest auf physische
Dinge beziehen, geht es in ihnen eher um die Kontingenz dieser Dinge als um
etwas spezifisch Physisches.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Und Engel,
die immateriell sind, sind in gewissem Sinne auch kontingent, insofern als es
in ihnen einen Wesens-/Existenzunterschied gibt und somit die Notwendigkeit einer
Ursache, die ihnen Existenz verleiht.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>(Freilich sind Engel für Thomas von Aquin auch in gewissem Sinne
notwendige Wesen, denn wenn sie einmal existieren, gibt es in der
Schöpfungsordnung nichts, was sie zerstören könnte.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Dennoch müssen sie von Gott geschaffen
werden, der sie auch vernichten könnte, wenn er es will.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Daher haben die Engel nur eine abgeleitete
Notwendigkeit und keine strikte Notwendigkeit.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Aus diesem Grund haben sie auch eine Art von Kontingenz).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Es scheint also, dass man aus den Argumenten von Avicenna
und Leibniz jeden Bezug auf das Physische als solches entfernen könnte, ohne
ihre Grundaussage zu verändern.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Man
könnte sogar jeden Bezug auf bestimmte kontingente Dinge entfernen und einfach
argumentieren, dass, wenn es kontingente Dinge gibt (unabhängig davon, ob es
sie wirklich gibt oder nicht), sie aus den von Avicenna und Leibniz genannten
Gründen nicht die einzigen Dinge sein können, die existieren.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Der <i>Dritte Weg </i>des Thomas von Aquin
hingegen wäre eine ganz andere Art von Argument, wenn die physikalischen
Behauptungen, die er aufstellt, wegfallen würden.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein zweiter Unterschied besteht darin, dass der Begriff der
Erklärung und damit das Prinzip vom zureichenden Grund (PZG) in Leibniz'
Argumenten eine explizite Rolle spielen, nicht aber in denen von Avicenna und Thomas.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Damit soll nicht geleugnet werden, dass
Avicenna und Thomas von Aquin zumindest implizit dem PZG verpflichtet sind und
dass es im Hintergrund ihrer Argumente lauert. Aber dies wird in ihren
Argumenten nicht thematisiert, wie es bei Leibniz der Fall ist.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Dies spiegelt Leibniz' ausgeprägt
rationalistischen Ansatz in der Metaphysik wider.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Hier ist eine Möglichkeit, den Unterschied zu
verstehen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die Scholastiker
unterscheiden mehrere "Transzendentalien", Attribute, die für alle
Dinge gleich welcher Kategorie gelten – Sein, Wahrheit, Güte und so
weiter.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Diese werden als
"konvertibel" betrachtet, d. h. als ein und dieselbe Sache, die aus
verschiedenen Blickwinkeln betrachtet wird.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Zum Beispiel wird die Wahrheit als verständlich und das Gute als
wünschenswert betrachtet.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>(Über die
Transzendentalien sage ich in diesem Artikel noch mehr.) <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die Argumente von Avicenna und Thomas von Aquin betrachten
die Realität im Wesentlichen unter dem Deckmantel des transzendentalen
Attributs des Seins.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Das Sein der
kontingenten Dinge, so argumentieren sie, muss sich kausal aus dem Sein von
etwas ableiten, das auf absolut notwendige Weise existiert.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Leibniz' Argument hingegen betrachtet die
Wirklichkeit im Wesentlichen unter dem transzendentalen Attribut der
Wahrheit.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die Intelligibilität der
kontingenten Dinge setze ein notwendiges Sein voraus, das aus sich selbst
heraus und nicht durch Bezugnahme auf etwas anderes verständlich sei.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein dritter Unterschied besteht darin, dass die
Unmöglichkeit eines unendlichen Regresses einer bestimmten Art im <i>Dritten
Weg</i> Thomas von Aquins eine Rolle spielt, die in den Argumenten von Avicenna
und Leibniz keine Parallele findet.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wie
ich bereits sagte, schließt keines der drei Argumente die Möglichkeit eines
unendlichen zeitlichen Regresses aus – eines Regresses von Ursachen, die Thomas
als "akzidentell geordnet" bezeichnen würde und die in die
Vergangenheit zurückreichen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Keines
dieser Argumente setzt voraus oder versucht zu beweisen, dass die Welt einen
Anfang hatte.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Aber Thomas von Aquins
Argument beinhaltet die Prämisse, dass eine Reihe von Wesen, die ihre
Notwendigkeit von etwas anderem ableiten, in etwas enden müsste, das seine
Notwendigkeit aus seiner eigenen Natur hat oder in sie eingebaut ist.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Und hier beruft er sich auf die Unmöglichkeit
einer unendlichen Reihe von Ursachen, einer, wie er es nennt, "wesentlich
geordneten" Art, auch bekannt als <i>hierarchische</i> Kausalreihe.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>(Ich erörtere den Unterschied zwischen diesen
beiden Arten von Kausalreihen an vielen Stellen, unter anderem in <i>Aquinas</i>
und den Fünf Gottesbeweisen).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Alle weiteren Unterschiede zwischen den drei Argumenten
spiegeln meines Erachtens diese drei grundlegenden Unterschiede wider.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Und die Unterschiede sind wichtig, sowohl
weil sie unterschiedliche Aspekte der Realität erfassen, als auch weil sie zur
Folge haben, dass einige Einwände, die gegen eine Version des
Kontingenzarguments zu gelten scheinen, nicht notwendigerweise auf andere
Versionen zutreffen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>(Obwohl ich, wie
ich angedeutet habe, denke, dass jede Version erfolgreich gegen Einwände
verteidigt werden kann.)</span><o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><br /></span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><b>Quelle: <a href="http://EdwardFeser.blogspot.com">EdwardFeser.blogspot.com</a></b></span></p>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-46625382819104521852024-02-09T11:15:00.003+01:002024-02-09T11:15:53.678+01:00Voluntarismus in „Das Verschwinden“<p><span style="font-family: helvetica;"></span></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><span style="font-family: helvetica;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhN5EKn8XEQTPVE5YNPsjaFdsw9vKEuTWV5S2BVelJodyEktI93ajXF5Tz4RIsfdeCpDbk6Wi0YnK2iwzhTg6WLzKLhPvG-BaEMwxAJBUxTGMaF7bchKv8rzu8p5FBg5TShlETtA6bdnlj2-ubo_BpLMMxFT64HqyGZsI52AV2K97Tk1h9_bNxX-qtmrGAq/s199/004.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="199" data-original-width="137" height="199" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhN5EKn8XEQTPVE5YNPsjaFdsw9vKEuTWV5S2BVelJodyEktI93ajXF5Tz4RIsfdeCpDbk6Wi0YnK2iwzhTg6WLzKLhPvG-BaEMwxAJBUxTGMaF7bchKv8rzu8p5FBg5TShlETtA6bdnlj2-ubo_BpLMMxFT64HqyGZsI52AV2K97Tk1h9_bNxX-qtmrGAq/s1600/004.jpg" width="137" /></a></span></div><span style="font-family: helvetica;"><br />Der Ruf von <i>The Vanishing</i> (1993) hat gelitten, weil
die Kritiker ihn als minderwertig gegenüber dem niederländischen Film von 1988
beurteilen, von dem er ein Remake war.
Aber für sich betrachtet ist er ein solider kleiner Thriller. Jeff Bridges ist in der Rolle des kauzigen
Familienvaters und Kinderfängers Barney Cousins wirklich unheimlich. Ich hatte neulich Grund, mir den Film noch
einmal anzusehen, und dabei fiel mir auf, was ich für ein unterschwelliges
Thema halte, nämlich den Kontrast zwischen voluntaristischen und intellektualistischen
Vorstellungen vom menschlichen Handeln.</span><p></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> <span></span></span></o:p></p><a name='more'></a><p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Vereinfacht ausgedrückt ist der Intellektualismus im
fraglichen Sinne die Auffassung, dass der Intellekt vor dem Willen steht,
während der Voluntarismus davon ausgeht, dass der Wille vor dem Intellekt
steht.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Das heißt, für den
Intellektualisten will der Wille immer nur das, was der Intellekt zuerst als
irgendwie gut beurteilt; für den Voluntaristen hingegen will der Wille das, was
er unabhängig vom Intellekt tut, und der Intellekt folgt ihm dabei auf dem
Fuße.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Der Streit geht also darum, ob
letztlich der Intellekt oder der Wille "am Steuer" des menschlichen
Handelns sitzt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Natürlich sind die Dinge
komplizierter als das, aber für den gegenwärtigen Zweck reicht diese
Charakterisierung aus.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Auf die Fragen des freien Willens und der moralischen
Verantwortung angewandt, läuft der Streit zwischen Voluntarismus und
Intellektualismus auf den Unterschied zwischen dem hinaus, was der Theologe
Servais Pinckaers die "Freiheit der Gleichgültigkeit" und die
"Freiheit zur Vortrefflichkeit" nennt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Nach der ersten, mit Ockham verbundenen
Auffassung des freien Willens ist der Wille von Natur aus gleichgültig
gegenüber den verschiedenen Zielen, die er verfolgen könnte, und ist daher
insofern freier, als er jederzeit in der Lage ist, sich für alles zu
entscheiden.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Daraus folgt, dass ein
Wille, der stark dazu neigt, eher das Gute als das Böse zu wählen, weniger frei
ist als ein Wille, der in keine der beiden Richtungen tendiert.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Im Gegensatz dazu ist der Wille nach dem
Konzept der Willensfreiheit als "Freiheit zur Vortrefflichkeit", das
mit Thomas von Aquin in Verbindung gebracht wird, von Natur aus auf das Gute
gerichtet, in dem Sinne, dass das Streben nach dem Guten sein letzter Grund
ist.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Daraus folgt, dass der Wille in dem
Maße frei ist, in dem es ihm leicht fällt, das Gute zu wählen, und in dem Maße,
in dem er dies nicht tut, weniger frei ist.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Inwiefern ist dies für <i>The Vanishing</i> relevant?<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Beginnen wir mit einer kurzen Zusammenfassung
der Handlung.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>(Für alle Leser, die den
Film noch nicht gesehen haben, lasse ich die wichtigsten Spoiler weg.)<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Der Film beginnt damit, dass Barney eine
Entführung plant, aus Gründen, die erst später enthüllt werden und die
besonders schwer nachzuvollziehen sind, da er ansonsten wie ein normaler,
liebender Vater und Ehemann aus der Mittelschicht wirkt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>In der Zwischenzeit lernen wir den
Schriftsteller Jeff Harriman und seine Freundin Diane (gespielt von Kiefer
Sutherland bzw. Sandra Bullock) kennen, die im Urlaub sind und an einer großen
und belebten Tankstelle halten, wo Diane in den Imbiss geht, um Nachschub zu
holen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Nachdem sie ungewöhnlich lange im
Auto gewartet haben, macht sich Jeff auf die Suche nach Diane, kann sie aber
nirgends finden.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die Angestellten, die
Kunden und die Polizei erweisen sich als keine Hilfe bei der Suche nach ihr,
und sie ist spurlos verschwunden.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Der Film springt dann drei Jahre zurück, und wir erfahren,
dass Jeff während dieser ganzen Zeit erfolglos nach Diane gesucht hat.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Er hat in der ganzen Umgebung der Tankstelle
Flugblätter mit Dianes Foto aufgehängt, ist im Fernsehen aufgetreten, um über
den Fall zu sprechen, ist jeder Spur nachgegangen, die er finden konnte, und
hat die Polizei immer wieder bedrängt – alles ohne Erfolg.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die Suche ist zu einer Obsession geworden und
hat ihn erschöpft.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Als er eine neue
Beziehung mit einer Kellnerin namens Rita (gespielt von Nancy Travis) beginnt,
scheint es, als könne er die Suche endlich aufgeben.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Doch dann beschließt Barney, der den Fall in
dieser Zeit verfolgt hat, Jeff zu kontaktieren und zu enthüllen, dass er
derjenige ist, der Diane entführt hat.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Er verspricht Jeff, dass er endlich herausfinden kann, was genau mit ihr
passiert ist, aber nur, wenn er sich bereit erklärt, das zu erleben, was sie
getan hat – angefangen damit, dass er Barney erlaubt, Jeff mit Chloroform zu
betäuben, so wie er Diane betäubt hatte. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ich überlasse es dem interessierten Leser, sich den Film
anzusehen und herauszufinden, was passiert.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Die Relevanz für den Voluntarismus ist die folgende.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Als Barney Jeff erklärt, warum er getan hat,
was er getan hat, beginnt er mit der Beschreibung von Handlungen, die er im
Laufe seines Lebens ausgeführt hat, obwohl sie gefährlich waren.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Eine davon war die Rettung eines ertrinkenden
Mädchens, was Barney in den Augen seiner Tochter zu einem Helden machte.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Doch anstatt Barney zu erfreuen, beunruhigte
ihn die Bewunderung seiner Tochter.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Er
befürchtete, dass er nicht würdig sein könnte, von ihr für einen guten Menschen
gehalten zu werden, wenn er nicht ebenso fähig war, Böses wie Gutes zu tun.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Und so beschloss er, sich selbst zu beweisen,
dass er zu solchem Bösen fähig war, indem er einer anderen Person das
Schlimmste antat, was er sich vorstellen konnte – was sich als Diane
herausstellte (und wo wir am Ende des Films genau herausfinden, was er ihr
angetan hat).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Barneys Geschichte offenbart erstens eine Fixierung auf die
Macht des Willens.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Er erzählt, dass er
als Junge von einem Dach gesprungen ist, obwohl er wusste, dass es gefährlich
war und er sich dabei sogar den Arm gebrochen hat.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Während des gesamten Films ist er fast immer
unerschütterlich, selbst in Momenten der Not, wenn er z. B. eine schwere
Schlägerei mit Gleichmut erträgt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Aber
das wirklich voluntaristische Element ist seine offensichtliche Überzeugung,
dass eine lobenswerte Handlung nur aus etwas entstehen kann, was Pinckaers die
"Freiheit der Gleichgültigkeit" nennt - das heißt, aus einem Willen,
der in keiner Weise mehr auf das Gute als auf irgendetwas anderes gerichtet
war, sich aber trotzdem dafür entschied.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Dies scheint mir der beste Weg zu sein, um Barneys Behauptung zu
verstehen, dass er für seine gute Tat, das Mädchen zu retten, nur gelobt werden
kann, wenn er zu einer bösen Tat wie der, die er Diane antut, nicht weniger
fähig wäre.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die Entführung war in der
Tat seine Art, sich selbst zu beweisen, dass er tatsächlich die "Freiheit
der Gleichgültigkeit" besitzt.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Hätte er sich nicht dazu durchringen können, so etwas Böses
zu tun, und hätte er das kleine Mädchen aus einem Hang zum Wohlwollen gerettet,
wäre dies vollkommen im Einklang mit dem, was Pinckaers die "Freiheit zur
Vortrefflichkeit" nennt, und wäre nach dieser Auffassung von Freiheit
moralisch lobenswert gewesen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Barneys
Unzufriedenheit mit sich selbst zeugt von einer impliziten Ablehnung dieses
Konzepts und seiner Implikationen in Bezug auf das, was eine Person lobenswert
macht.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Seine Handlungen sind jedoch
weder auf einen positiven Hang zum Sadismus noch auf eine Ablehnung moralischer
Normen zurückzuführen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Er wird im
Allgemeinen als ein angenehmer Mensch dargestellt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Und er erkennt an, dass es gerecht ist, wenn
Jeff will, dass Barney für das, was er getan hat, geschädigt wird.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Er zeigt nie das geringste Vergnügen daran,
anderen Schmerzen zuzufügen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Alle seine
Handlungen erfolgen auf die unblutige Art eines wissenschaftlichen Experiments
(und tatsächlich stellt sich heraus, dass Barney ein Chemieprofessor ist).<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Er will einfach aus seinem Willen etwas
machen, das zu allem fähig ist. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Nur eine gute Handlung, die aus einem solchen Willen
hervorgeht, ist seiner Meinung nach lobenswert, und der Grund dafür scheint
darin zu liegen, dass er glaubt, dass nur diese Art von Handlung aus der
schieren Willkürfreiheit des Willens hervorgeht und nicht aus einem natürlichen
Gefühl des Wohlwollens oder aus der Achtung rationaler Kriterien.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Dies ist sicherlich eine merkwürdige
Auffassung von Freiheit und moralischem Wert und aus der Sicht eines
Intellektualisten wie Thomas von Aquin ziemlich pervers (ja, verwerflich).<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Aber wenn man Barney so liest, dass er sich
implizit einer Auffassung von Freiheit als "Freiheit der
Gleichgültigkeit" verschrieben hat, wird verständlich, was andernfalls als
einfach bizarre und inkohärente Motivation erscheinen würde.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Wenn Barney die voluntaristische Betonung des Willens auf
die Spitze treibt, kann man auch sagen, dass die andere Hauptfigur, Jeff, die
intellektualistische Betonung des Intellekts auf die Spitze treibt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Seine neue Freundin Rita ist zunehmend
frustriert über seine Unfähigkeit, seine Besessenheit, Diane zu finden, zu
überwinden.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Sie ist vor allem
eifersüchtig auf diese verlorene frühere Freundin, mit der sie konkurrieren
muss.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Jeff erklärt, dass Rita diejenige
ist, die er liebt, und dass die romantische Sehnsucht nichts mehr mit seiner
Besessenheit, Diane zu finden, zu tun hat.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Es ist das Nichtwissen, das ihn beunruhigt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Er gibt zu, dass er, wenn er die Wahl
zwischen zwei Szenarien hätte, einem, in dem Diane irgendwo lebt und glücklich
ist, er aber nie herausfindet, was passiert ist, und einem, in dem er es zwar
herausfindet, sie aber tot ist, letzteres vorziehen würde.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Während Barney sich selbst zu einem blinden
Willen gemacht hat, der vom Intellekt und seinen Maßstäben für Wahrheit und
Güte losgelöst ist, hat Jeff sich selbst zu einem Intellekt gemacht, der davon
besessen ist, ein bestimmtes Wissen zu erlangen, und der nicht will, was
tatsächlich gut ist. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"><i> Deutsche Übersetzung eines <a href="https://edwardfeser.blogspot.com/2024/01/voluntarism-in-vanishing.html" target="_blank">Blogbeitrags von Edward Feser</a></i></span></o:p></p>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-70172486064819588582024-02-09T11:11:00.005+01:002024-02-09T11:13:04.360+01:00Der fliegende Mann von Avicenna<p><span style="font-family: helvetica;"></span></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><span style="font-family: helvetica;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgeIF8QLrl0Jl2u3v5FLXe-t5O49HiActyKtm45fnxUTOR8VMnhDny3j-muA4eUz8iSXS4JBc64ZNdKtUQQolBUALujBzfSj9L9JDycCIsi64Ioy7LmBepBHuwcEekt8hE60et-MLVuBepBE9Qu_1vdFC4gw1J6KSBe9fhyyYfdkEQyRWYOLGS1Ohu3gjUs/s227/003.jpg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="227" data-original-width="170" height="227" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgeIF8QLrl0Jl2u3v5FLXe-t5O49HiActyKtm45fnxUTOR8VMnhDny3j-muA4eUz8iSXS4JBc64ZNdKtUQQolBUALujBzfSj9L9JDycCIsi64Ioy7LmBepBHuwcEekt8hE60et-MLVuBepBE9Qu_1vdFC4gw1J6KSBe9fhyyYfdkEQyRWYOLGS1Ohu3gjUs/s1600/003.jpg" width="170" /></a></span></div><span style="font-family: helvetica;"><br />Das neue Buch von <a href="https://www.amazon.de/Ibn-S%C4%ABn%C4%81-Avicenna-Introduction-Introductions-ebook/dp/B0CB1P1LGN/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=S78YXJPZUUNL&keywords=Peter+Adamson%2C+Ibn+S%C4%ABn%C4%81+%28Avicenna%29%3A+A+Very+Short+Introduction&qid=1707473417&sprefix=peter+adamson+ibn+s%C4%ABn%C4%81+avicenna+a+very+short+introduction%2Caps%2C113&sr=8-1">Peter Adamson, <i>Ibn Sīnā (Avicenna): A
Very Short Introduction</i></a> ist eine hervorragende Einführung in den großen
islamischen Philosophen des Mittelalters.
Nach einem biografischen Kapitel behandelt es Avicennas Ansichten über
Logik und Erkenntnistheorie, philosophische Anthropologie, Wissenschaft und
natürliche Theologie und schließt mit einer Diskussion über seinen Einfluss auf
die spätere Philosophie und Theologie.
Nützlich für den Leser ist unter anderem die Diskussion von Avicennas
berühmtem Argument des "fliegenden Mannes". Werfen wir einen Blick darauf.</span><p></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Das Gedankenexperiment des fliegenden Mannes ist eines der
Mittel (nicht das einzige), mit denen Avicenna die Immaterialität der
menschlichen Seele nachweisen will.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Er
stellt es am Ende des ersten Kapitels seiner Behandlung des Themas der Seele in
seinem Werk <i>Die Heilung</i> vor.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Eine
Stelle, an der man die entsprechende Passage finden kann, ist Jon McGinnis und
David C. Reismans Sammelband <i><a href="https://www.amazon.de/Classical-Arabic-Philosophy-Anthology-Sources/dp/0872208710/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=1TPJP48E3RPU4&keywords=Classical+Arabic+Philosophy&qid=1707471864&sprefix=classical+arabic+philosophy%2Caps%2C172&sr=8-1">Classical Arabic Philosophy</a></i>, in dem sie wie folgt übersetzt wird:<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> <span></span></span></o:p></p><a name='more'></a><p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Um die Existenz der Seele zu begründen, muss man sich
vorstellen, dass einer von uns in einem einzigen Augenblick ganz erschaffen
wird, aber sein Blick ist daran gehindert, die Dinge der äußeren Welt direkt zu
sehen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Er ist so geschaffen, als ob er
in der Luft oder im Nichts schweben würde, aber ohne dass die Luft ihn so
stützt, dass er sie spüren müsste, und die Glieder seines Körpers sind
ausgestreckt und voneinander entfernt, so dass sie sich nicht berühren oder
aneinander stoßen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Dann überlegt er, ob
er die Existenz seines Selbst behaupten kann.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Er hat keine Zweifel daran, sein Selbst als etwas zu behaupten, das
existiert, ohne dass er die Existenz eines seiner äußeren oder inneren Teile,
seines Herzens, seines Gehirns oder irgendetwas Äußerem behaupten [muss].<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Er wird in der Tat die Existenz seines Selbst
behaupten, ohne zu behaupten, dass es Länge, Breite oder Tiefe hat, und wenn es
ihm in einem solchen Zustand sogar möglich wäre, sich eine Hand oder eine
andere Extremität vorzustellen, würde er sie sich nicht als einen Teil seines
Selbst oder als eine notwendige Bedingung seines Selbst vorstellen...<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Das Selbst, dessen Existenz er behauptet, ist
also sein einziges Merkmal...<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Das,
worauf [der Leser] aufmerksam gemacht wurde, ist also ein Weg, auf die Existenz
der Seele als etwas aufmerksam zu machen, das nicht der Körper ist – und
eigentlich auch kein Körper. (S. 178-79)<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die Grundidee des Gedankenexperiments lautet wie folgt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Ein Mensch, der unter den bizarren Umständen,
die Avicenna beschreibt, ins Dasein tritt, würde keine sinnlichen Erfahrungen
machen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Zum einen schwebt er von Anfang
an irgendwie in der Luft, und zwar auf eine Weise, bei der nicht einmal die
Luft gegen ihn drückt – vielleicht durch wundersames göttliches Handeln.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Daher hat er nie erlebt, dass äußere
physische Objekte Druck auf seine Haut ausübten.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Da seine Arme, Beine, Finger usw. alle weit
voneinander entfernt sind, hat er auch nicht gespürt, dass seine eigenen
Körperteile gegen ihn drücken.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Da er
verschleiert ist (vermutlich auf eine Weise, bei der der Schleier nicht mit
seinem Körper in Berührung kommt), hat er nie etwas gesehen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Vermutlich werden auch seine Ohren, seine
Nase und seine Zunge von keinerlei Reizen beeinflusst.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Folglich hat er kein Bewusstsein für
irgendein physisches Objekt, nicht einmal für seinen eigenen Körper.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wie Adamson anmerkt, könnte man zwar
einwenden, dass ein solcher Mann immer noch propriozeptive Erfahrungen mit
seinen Gliedmaßen machen würde, aber es ist nicht schwierig, das
Gedankenexperiment so zu erweitern, dass dies verhindert wird.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wir könnten uns zum Beispiel vorstellen, dass
die wundersame Aufhebung der normalen Funktion der betreffenden Nerven ein
weiterer Teil der Situation ist. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Avicenna behauptet, dass der Mensch dennoch ein Bewusstsein
von sich selbst hätte.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Er wüsste, dass
er existiert, auch wenn er nicht wüsste, dass sein Körper existiert, und er
wüsste auch nicht, dass überhaupt eine physische Welt existiert.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>In diesem Fall muss er jedoch von seinem
Körper und von allem Körperlichen unterschieden sein.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Denn wenn er körperlich wäre, wie könnte er
wissen, dass er existiert, ohne zu wissen, dass etwas Körperliches existiert?<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Parallelen zu
Avicenna?<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ich werde auf einige der Bemerkungen Adamsons zu diesem
Argument zurückkommen, aber lassen Sie mich zunächst einige eigene
Beobachtungen machen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Avicennas Argument
mag ähnlich erscheinen wie die Argumente, die später in der Tradition des
kartesischen Dualismus entwickelt wurden.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>So argumentiert Descartes in seiner Sechsten Meditation, dass er
prinzipiell auch ohne seinen Körper existieren könnte, wenn Gott ihn auf diese
Weise erschaffen wollte.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Und in seinem
Buch <i>Engines of the Soul</i> <a href="https://www.amazon.de/Engines-Soul-Cambridge-Studies-Philosophy/dp/0521107695/ref=sr_1_2?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=2ZUW6SE9HS92F&keywords=Engines+of+the+Soul&qid=1707472146&sprefix=engines+of+the+soul%2Caps%2C133&sr=8-2">https://www.amazon.de/Engines-Soul-Cambridge-Studies-Philosophy/dp/0521107695/ref=sr_1_2?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=2ZUW6SE9HS92F&keywords=Engines+of+the+Soul&qid=1707472146&sprefix=engines+of+the+soul%2Caps%2C133&sr=8-2</a>
argumentiert W. D. Hart, dass es prinzipiell möglich ist, dass eine Person
visuelle Erfahrungen macht, obwohl sie keinen Körper hat, und dass es in diesem
Fall möglich ist, dass eine Person ohne einen Körper existiert.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Avicennas Argumentation unterscheidet sich jedoch in
mehrfacher Hinsicht erheblich.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Erstens
betont Avicenna, dass der Mann in seinem Gedankenexperiment überhaupt keine
sensorischen Erfahrungen gemacht hat.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Im
Gegensatz dazu geht es in Harts Argumentation um eine körperlose Person, die
solche Erfahrungen macht.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Und zumindest
zu einem früheren Zeitpunkt in den Meditationen, in Meditation Eins, deutet
Descartes an, dass es für jemanden möglich ist, sensorische Erfahrungen zu
machen, auch wenn es weder einen Körper noch eine materielle Welt gibt, wenn
ein cartesianischer Dämon einen körperlosen Geist zu Halluzinationen
veranlasst. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Zweitens ist die Schlüsselprämisse von Avicennas Argument
epistemisch, während die Schlüsselprämissen der genannten kartesischen
Argumente ontologisch sind.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Descartes
und Hart gehen von der Idee aus, dass es möglich ist, dass das Selbst ohne den
Körper existiert, und schließen daraus, dass das Selbst vom Körper verschieden
ist.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Avicenna geht von der Vorstellung
aus, dass man das Selbst kennen kann, ohne den Körper zu kennen, und folgert
daraus, dass das Selbst vom Körper verschieden ist.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Drittens, und damit zusammenhängend, setzen die
Gedankenexperimente, auf die sich Descartes und Hart berufen, voraus, dass das
Selbst tatsächlich unabhängig vom Körper existieren kann, während Avicennas
Gedankenexperiment dies nicht tut.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Das
soll nicht heißen, dass Avicenna nicht glaubt, dass das Selbst ohne den Körper
überleben kann, sondern nur, dass dies eine weitere Schlussfolgerung des
Arguments wäre und nicht eine Voraussetzung des Arguments. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Diese Unterschiede sind deshalb so wichtig, weil sie
Avicennas Argument gegen bestimmte Einwände immun machen, die gegen Descartes
und Hart vorgebracht werden könnten.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Erstens könnte man die Annahme in Frage stellen, dass Sinneserfahrungen
tatsächlich ohne einen Körper möglich sind.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Wenn diese Annahme falsch ist, dann wird Harts Argument scheitern (ob
Descartes' Argument scheitern würde, hängt davon ab, wie ernst Descartes das
kartesische Dämonenszenario nehmen will).<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Avicennas Argument geht jedoch nicht von einer solchen Annahme aus. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Zweitens könnte man Descartes und Hart vorwerfen, dass sie
die Frage aufwerfen, weil sie voraussetzen, dass es möglich ist, dass das
Selbst unabhängig vom Körper existiert.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Sie versuchen, von der Möglichkeit, dass das Selbst unabhängig vom
Körper existiert, zur tatsächlichen Unterscheidung zwischen Selbst und Körper
zu gelangen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Ein Kritiker kann jedoch
einwenden, dass die Behauptung, es sei möglich, dass das Selbst unabhängig vom
Körper existiert, voraussetzt, dass es eine Unterscheidung zwischen Selbst und
Körper gibt, und dass man sich daher kaum stichhaltig darauf berufen kann, um
eine solche Unterscheidung zu begründen.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Avicenna ist für einen solchen Einwand nicht offen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Wenn wir nach Argumenten aus der Tradition suchen, die denen
von Avicenna ähneln, so scheint mir eine plausiblere Parallele in einigen
Argumenten zu finden zu sein, die älter sind als die von Avicenna und von
Augustinus in <i>Über die Trinität</i> entwickelt wurden.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Augustinus vertrat die Auffassung, dass der
Geist sein eigenes Wesen mit Gewissheit erkennen kann, aber nicht mit
Gewissheit weiß, dass die Körperlichkeit Teil seines Wesens ist.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Daraus folgert er, dass die Körperlichkeit
nicht Teil des Wesens des Geistes ist.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Er vertrat auch die Ansicht, dass der Geist sich selbst ohne die
Vermittlung von Bildern erkennen kann, dass er aber materielle Dinge auf diese
Weise nicht erkennen kann, und schloss daraus, dass der Geist nicht materiell
sein darf.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die Argumente von Augustinus und Avicenna ähneln sich also
insofern, als sie von dem ausgehen, was der Geist über sich selbst und über
materielle Dinge weiß oder nicht weiß, und von dieser erkenntnistheoretischen
Prämisse aus eine Schlussfolgerung über den Unterschied zwischen dem Geist und
allem Materiellen ziehen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Der
entscheidende Unterschied besteht darin, dass Avicenna sich auf ein neuartiges
Gedankenexperiment beruft, um seinen Standpunkt zu dem, was der Geist weiß,
darzulegen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Einige Einwände<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Wie Adamson bemerkt, könnte man gegen Avicennas Argument
einwenden, dass der fliegende Mann nicht wirklich von seiner eigenen Existenz
weiß oder wissen kann.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Man könnte die
Ansicht vertreten, dass der Geist erst nach einigen Wahrnehmungserfahrungen
durch die Reflexion über diese Erfahrungen zur Selbsterkenntnis gelangt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es sei darauf hingewiesen, dass man dies auf
der Grundlage des gemäßigten Empirismus von Aristoteles und Thomas von Aquin
annehmen kann, ohne sich auf den extremeren modernen Empirismus von Locke und
seinen Nachfolgern festzulegen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Und wie angedeutet,
könnte man dies annehmen, ohne Avicennas Schlussfolgerung, dass der Geist
unkörperlich ist, abzulehnen, sondern nur die besondere Art und Weise, in der
das Argument des fliegenden Mannes zu dieser Schlussfolgerung kommt.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Adamson weist auch darauf hin, dass Avicennas Argument im
Lichte seiner umfassenderen erkenntnistheoretischen Verpflichtungen verstanden
werden muss, zu denen auch die These gehört, dass sich das Selbst immer
zumindest stillschweigend seiner selbst bewusst ist.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Ich halte diese umfassenderen Verpflichtungen
für zweifelhaft, will aber für den gegenwärtigen Zweck nur anmerken, dass die
Notwendigkeit, sie zu verteidigen, um das Argument des fliegenden Mannes
zumindest in Gang zu bringen, es zu einem wesentlich weniger schlagkräftigen
Argument macht, als es auf den ersten Blick erscheinen mag.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein weiterer Einwand, den Adamson anführt, ist, dass das
Wissen um das eigene Selbst, ohne den eigenen Körper zu kennen, an sich nicht
bedeutet, dass das Selbst sich vom Körper unterscheidet, genauso wenig wie die
Tatsache, dass Lois Lane weiß, dass Clark Kent im Daily Planet ist, ohne zu
wissen, dass Superman dort ist, bedeutet, dass Clark Kent sich von Superman
unterscheidet.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Adamson schlägt vor, dass
eine Möglichkeit, wie Avicenna darauf antworten könnte, darin bestünde, zu
argumentieren, dass die Kenntnis des Wesens einer Sache insbesondere die
Kenntnis ihrer wesentlichen Bestandteile erfordert.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wenn wir sagen, dass der fliegende Mann sein
Wesen kennt, aber nichts über seinen Körper weiß, dann kann der Körper nicht zu
den wesentlichen Bestandteilen des Selbst gehören.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Diese Interpretation des Arguments unterstreicht seine
Parallelen zu den Argumenten von Augustinus.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Ich verweise den Leser auf meine Diskussion dieser Argumente, die nicht
unsympathisch ist, auch wenn sie nicht meine bevorzugte Art ist, die
Immaterialität des Geistes zu beweisen. <o:p></o:p></span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Deutsche Übersetzung aus das <a href="https://edwardfeser.blogspot.com/2024/01/avicennas-flying-man.html" target="_blank">Blog von Edward Feser</a></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-20968662658430585532023-12-05T14:23:00.002+01:002023-12-05T14:23:32.912+01:00Idealismus, Konstruktivismus, Dekonstruktivismus. Der philosophische Hintergrund der gegenwärtigen Krise in Politik, Kultur und Kirche. Teil 2<p><b><i><span style="font-family: helvetica;"></span></i></b></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><b><i><span style="font-family: helvetica;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhjkpJ-tAoIpnX6Z-hK97r7pOMhHDODO0Qnh28oFe74lt9QZCK97G-5Fp17AVaMoHOh5FxAM7QrJ1gSM9rB83FMS_UFhEIiM5JryJ5L34gjKesAtg9iqttB3r3LRhb0LW6a2uUvvvNdxEl135p57-eI0wcbRrbar6MUgptav6TFXZf780-rGlas8eCaKDW-/s840/Beat_the_Whites_with_the_Red_Wedge.webp" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="672" data-original-width="840" height="256" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhjkpJ-tAoIpnX6Z-hK97r7pOMhHDODO0Qnh28oFe74lt9QZCK97G-5Fp17AVaMoHOh5FxAM7QrJ1gSM9rB83FMS_UFhEIiM5JryJ5L34gjKesAtg9iqttB3r3LRhb0LW6a2uUvvvNdxEl135p57-eI0wcbRrbar6MUgptav6TFXZf780-rGlas8eCaKDW-/s320/Beat_the_Whites_with_the_Red_Wedge.webp" width="320" /></a></span></i></b></div><b><i><span style="font-family: helvetica;"><br />Dekonstruktivismus
in Politik, Kultur und Kirche</span></i></b><p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><span style="font-family: helvetica;"><o:p> </o:p>Wenn man die hier nur in ganz
groben Zügen vorgestellten Theorien oder besser gesagt Ideologien liest, fällt
einem sofort auf, dass sich diese in den verschiedensten Gebieten der
gegenwärtigen Welt wiederfinden.</span></p><p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><span style="font-family: helvetica;"><span></span></span></p><a name='more'></a><span style="font-family: helvetica;"><br /></span><p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Beginnen
wir mit einer dekonstruktivistischen Theorie, die sich heute in allen Bereichen
des gesellschaftlichen Lebens wiederfindet und in der Politik, der Kultur, in
den Medien und auch in der Kirche ihren Niederschlag gefunden hat. Ich meine
die Gendertheorie, die inzwischen an vielen Universitäten Deutschlands gelehrt
wird und etabliert ist. Diese Theorie geht vor allem zurück auf Judith Butler.
Die Kernthese von Judith Butler ist, dass Geschlecht nicht als eine vorgegebene
biologische Tatsache betrachtet werden sollte, sondern als ein soziales
Konstrukt, das durch wiederholte „Performanz und Inszenierung“ erzeugt wird.
Butler argumentiert, dass Geschlechteridentitäten und -ausdrücke nicht
natürlich oder angeboren sind, sondern vielmehr durch gesellschaftliche Normen
und Erwartungen geprägt werden, die durch wiederholte Handlungen und
Interaktionen in der Gesellschaft aufrechterhalten werden. Butler betont auch,
dass Geschlecht mit anderen sozialen Kategorien wie Rasse, Klasse und
Sexualität verbunden ist und dass das Verständnis von Geschlecht durch diese „Intersektionalität“
beeinflusst wird. Butler hat mit ihren Ideen die feministische Theorie und
Queer-Theorie maßgeblich beeinflusst und die Debatte über Geschlechteridentität
und Geschlechterkonstruktion erweitert. Die Theorie Butlers hat inzwischen
Eingang gefunden in die Gesetzgebung, so dass in mehreren Ländern, so auch in
Deutschland, jeder sein Geschlecht selbst festlegen kann. Zudem wird der
Unterschied zwischen biologischem und sprachlichem Geschlecht nivelliert. Eine
objektive Grundlage für die geschlechtliche Identität, die im Wesen oder der
Natur des Menschen verankert ist und biologische Ausprägungen hat, wird
geleugnet. Durch einen Willensakt entscheidet jeder selbst über sein Geschlecht
und identifiziert sich mit dieser selbstgewählten „Rolle“ für eine gewisse
Zeit.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Dass die Gendersprache
einen nominalistischen Hintergrund hat, wird durch folgende Überlegung
deutlich. Das generische Maskulinum, dass sich in nahezu allen Sprachen findet
und seit Beginn der deutschen Sprache nachweisbar ist, stellt eine Abstraktion
dar. Es abstrahiert von allen individuellen Merkmalen und Eigenschaften von
Personen, wie Hautfarbe, Herkunft, Alter und auch vom Geschlecht. Für einen
Nominalisten ist eine solche Abstraktion inakzeptabel und er versucht diese
rückgängig zu machen, indem er in die Sprache diese Abstraktion beseitigt, um
auf diese Weise das Geschlecht oder andere Eigenschaften von Personen sichtbar
zu machen. Natürlich würde dies die Sprache enorm verkomplizieren, was an der
Gendersprache sichtbar wird. Man kann vermuten, dass aufgrund der aktuellen
Debatte über Antirassismus künftig auch Versuche unternommen werden, die
Herkunft und Rasse in die sprachliche Kommunikation aufzunehmen. Auf Dauer wird
damit Kommunikation mehr und mehr unmöglich. Das sind allerdings eher
praktische oder pragmatische Einwände gegen die Gendertheorie.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Natürlich
hat die dekonstruktivistische Philosophin Judith Butler Argumente für ihre
Position, die sich allerdings als schwach erweisen. Ein zentrales Argument ist
sprachwissenschaftlicher Natur, das sogenannte <i>performative Argument</i>.
Das Argument stützt sich auf J. L. Austins Begriff der „performativen Äußerung“,
d. h. einer Äußerung, durch deren Vollzug etwas der Fall werden kann.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>So kann zum Beispiel die Äußerung eines
Richters „Ich verurteile Sie zu zehn Jahren Gefängnis“ unter den richtigen
Umständen dazu führen, dass ein Straftäter tatsächlich zu zehn Jahren Gefängnis
verurteilt wird.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Selbstverständlich ist
ein solches Urteil sozial konstruiert.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Es ist nur eine Frage der Konvention, dass eine Person, die als Richter
handelt, unter bestimmten Umständen dafür sorgen kann, dass ein Straftäter eine
solche Strafe erhält.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Das
performative Argument besagt nun nach Butler, dass die Äußerung eines Arztes
„Es ist ein Junge“ eine solche Aussage ist.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Die Idee dabei ist, dass der Arzt, wenn er dies sagt, im Grunde genommen
aussagt, dass das Baby, von dem er spricht, ein Junge ist, so wie der Richter
durch seine Äußerung aussagt, dass ein Straftäter eine Strafe erhalten hat.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><span style="font-family: helvetica;">In einer Kritik hat der amerikanische
Philosoph Alex Byrne betont, dass ein Problem bei diesem Argument darin besteht,
dass performative Äußerungen nicht fehleranfällig sind, solange die
entsprechenden Bedingungen erfüllt sind<a href="https://d.docs.live.net/12ef14ccd7008e63/Desktop/Theol%2011-12%20(2023)%20H%C3%BCntelmann%20Konstruktivismus.docx#_ftn1" name="_ftnref1" style="mso-footnote-id: ftn1;" title=""><span class="MsoFootnoteReference"><span style="mso-special-character: footnote;"><!--[if !supportFootnotes]--><span class="MsoFootnoteReference"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;">[1]</span></span><!--[endif]--></span></span></a>.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wenn der Richter die fragliche Äußerung unter
den richtigen Umständen macht, hat er den Straftäter notwendigerweise zu zehn
Jahren verurteilt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Er mag einen Fehler
in dem Sinne gemacht haben, dass er diese Strafe nicht hätte aussprechen
dürfen, aber der Punkt ist, dass er sie tatsächlich erfolgreich ausgesprochen
hat, unabhängig davon, ob er es hätte tun sollen oder nicht, und selbst wenn er
sie später widerrufen kann.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Im Gegensatz
dazu ist die Erklärung des Arztes fehleranfällig.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Der Arzt berichtet, was er glaubt
herausgefunden zu haben, und versucht nicht, etwas zu beweisen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Um Byrnes
Einwand zu ergänzen, hat Edward Feser angemerkt<a href="https://d.docs.live.net/12ef14ccd7008e63/Desktop/Theol%2011-12%20(2023)%20H%C3%BCntelmann%20Konstruktivismus.docx#_ftn2" name="_ftnref2" style="mso-footnote-id: ftn2;" title=""><span class="MsoFootnoteReference"><span style="mso-special-character: footnote;"><!--[if !supportFootnotes]--><span class="MsoFootnoteReference"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;">[2]</span></span><!--[endif]--></span></span></a>, dass die Behauptung, die
Erklärung der Arztes „Es ist ein Junge“ aus dem Baby einen Junge macht, genauso
unsinnig ist wie die Behauptung, die Erklärung eines Arztes „Es ist Krebs“ bewirke,
dass ein Patient Krebs hat. (Sollte ein solcher Patient den Arzt verklagen,
weil er ihn krank gemacht hat?<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Könnte
der Arzt auch sagen, „Sie haben keinen Krebs“, wodurch der Patient dann keinen
Krebs hat?)<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Genauso gut könnte man
sagen, dass ein Hühnerzüchter die Zahl der Hühner eines Landwirts erhöhen kann,
indem er einfach erklärt, dass alle Küken, die er heute findet, weiblich sind.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Byrne
befasst sich mit einem zweiten Argument Judith Butlers, das er das <i>Zuweisungsargument</i>
nennt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die Idee dabei ist, dass in
Fällen, in denen ein Baby mit bestimmten Missbildungen der Genitalien geboren
wird, die Ärzte dem Baby ein bestimmtes Geschlecht zuweisen, und dass
Überlegungen darüber, was die Gesellschaft als paradigmatisch männlich oder
weiblich betrachtet, teilweise bestimmen, wie dies geschieht.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Daher, so die Schlussfolgerung, ist das
Geschlecht tatsächlich sozial konstruiert.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Byrne
weist zu Recht darauf hin, dass bei diesem Argument die Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Klasse mit der tatsächlichen Zugehörigkeit zu dieser Klasse
verwechselt wird.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die Tatsache, dass die
Ärzte einem Baby ein bestimmtes Geschlecht zuweisen, bedeutet noch lange nicht,
dass das Baby auch wirklich zu diesem Geschlecht gehört.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Auch in diesem Fall könnte der Arzt einfach
einen Fehler machen (auch wenn es in solchen Fällen schwierig ist, den Fehler
zu erkennen).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Man kann
auch darauf hinweisen, dass es ein Fehler ist, vorschnell zu verallgemeinern,
wenn man annimmt, dass das, was für ungewöhnliche Fälle wie die, die das
Zuweisungsargument anführt, gilt, für alle Fälle gilt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die Tatsache, dass es einige wenige Fälle
gibt, in denen Ärzte die Notwendigkeit sehen, einem Baby ein Geschlecht
zuzuweisen, bedeutet nicht, dass das Geschlecht, dem ein Baby angehört, immer
eine Frage der Zuweisung eines Geschlechts durch den Arzt ist.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Wie bei
anderen metaphysischen Fragen ist es auch hier ein Trugschluss anzunehmen, dass
das Vorhandensein von Grenzfällen bedeutet, dass die Zugehörigkeit einer Sache
zu einer bestimmten Klasse nicht gegeben ist. Das vernünftige Verfahren besteht
darin, mit den eindeutigen Fällen zu beginnen und die Grenzfälle im Hinblick
auf diese zu bewerten, und nicht umgekehrt.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Wie das Zuordnungsargument zeigt, ist die fragliche Unbestimmtheit in
den von ihm angeführten Fällen lediglich epistemologisch und nicht metaphysisch.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Das
dritte Argument, das Byrne diskutiert, nennt er das <i>Erklärungsargument</i>.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Dieses Argument beruht auf der Prämisse,
dass, wenn eine bestimmte Kategorie in erster Linie zur Erklärung sozialer und
nicht natürlicher Tatsachen dient, diese Kategorie wahrscheinlich sozial
konstruiert ist.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Das Argument besagt,
dass die Kategorien männlich und weiblich in erster Linie dazu dienen, soziale
Tatsachen zu erklären, so dass diese Kategorien als sozial konstruiert
angesehen werden können.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Byrnes
Haupteinwand besteht hier darin, dass er darauf hinzuweist, dass es Kategorien
geben kann, die in erster Linie zur Erklärung sozialer Tatsachen dienen, aber
dennoch eindeutig natürlich und nicht sozial konstruiert sind.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>So ist es beispielsweise plausibel, dass wir
die Kategorie Gold in erster Linie in Kontexten anwenden, die verschiedene
soziale Tatsachen betreffen (z. B. Tatsachen über Schmuck oder die industrielle
Verwendung von Gold), aber Gold ist gleichwohl eine natürliche Art und keine
sozial konstruierte Kategorie.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Es gibt
auch natürliche und nicht sozial konstruierte Tatsachen, die wir durch die
Verwendung der Kategorien männlich und weiblich erklären.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Zum Beispiel sind Fakten über
Schwangerschaft, Geburt und dergleichen in dieser Weise verfasst.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>(Ganz zu schweigen von Fakten über Tiere, wie
in dem Beispiel mit dem Hühnergeschlecht).<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Byrne geht selbst nicht auf diesen Punkt ein, sondern stellt fest, dass
ein Verfechter des Erklärungsarguments behauptet, dass diese reproduktiven
Tatsachen durch physiologische Beschreibungen und nicht durch Kategorien wie
männlich und weiblich erklärt werden können.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Allerdings
ist dies kein beeindruckendes Gegenargument.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Zum einen könnten wir zwar theoretisch versuchen, einen Weg zu finden,
die fraglichen reproduktiven Tatsachen zu erklären, ohne die Kategorien
männlich und weiblich zu verwenden, aber die Tatsache, dass wir diese Kategorien
in der Realität üblicherweise verwenden, um diese Tatsachen zu erklären, reicht
aus, um das Erklärungsargument ernsthaft in Zweifel zu stellen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Zum anderen muss der Verfechter des
Erklärungsarguments uns genau sagen, wie wir die relevanten physiologischen
Prozesse spezifizieren können, ohne die Begriffe männlich und weiblich implizit
einzuschmuggeln.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Und es ist keineswegs
offensichtlich, dass dies möglich ist.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Wie sollen wir zum Beispiel die Fortpflanzungsprozesse charakterisieren,
ohne auf ihre Funktion zu verweisen, kleinere Gameten mit größeren
zusammenzubringen – wobei der Verweis auf diesen Unterschied in der
Gametengröße genau der Verweis auf die Unterscheidung zwischen männlich und
weiblich ist?<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Lassen
wir es bei diesen Argumenten gegen die Gendertheorie, die die logische
Inkonsistenz und Irrationalität der Gendertheorie verdeutlichen.
Selbstverständlich lassen sich diese Argumente auch verallgemeinert auf den
Konstruktivismus bzw. den Dekonstruktivismus anwenden.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Ein
besonders deutliches Zeichen für die Vorherrschaft des Konstruktivismus bzw.
Dekonstruktivismus in der Kultur ist die sogenannte „<i>Wokeness</i>“, ein
Wort, das nur schwer ins Deutsche zu übersetzen ist. Das Wort bezeichnet so
etwas wie die „Erwachten“ oder die „Wachen“ und erinnert damit die antike
Gnosis. Dieser Vergleich ist nicht an den Haaren herbeigezogen, denn die Woken
teilen die gesamte Welt ebenfalls in Gut und Böse ein und moralisieren alle
politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Bezüge. An die Stelle von
Argumenten treten moralische Beurteilungen, wodurch jeder Diskurs von
vornherein unterbunden wird. Auf dieses Problem und damit verbundene Gefahr des
Totalitarismus hatte bereits in den 1980-er Jahren Hermann Lübbe mit seinem
Buch über den politischen Moralismus hingewiesen<a href="https://d.docs.live.net/12ef14ccd7008e63/Desktop/Theol%2011-12%20(2023)%20H%C3%BCntelmann%20Konstruktivismus.docx#_ftn3" name="_ftnref3" style="mso-footnote-id: ftn3;" title=""><span class="MsoFootnoteReference"><span style="mso-special-character: footnote;"><!--[if !supportFootnotes]--><span class="MsoFootnoteReference"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;">[3]</span></span><!--[endif]--></span></span></a>. Wenn man Wokeness
definieren wollte, könnte man dies folgendermaßen tun: „Wokeness ist eine
paranoide, wahnhafte, hyper-egalitäre Denkweise, die dazu neigt, Unterdrückung
und Ungerechtigkeit dort zu sehen, wo sie nicht existieren, oder sie dort, wo
sie existieren, stark zu übertreiben.“<a href="https://d.docs.live.net/12ef14ccd7008e63/Desktop/Theol%2011-12%20(2023)%20H%C3%BCntelmann%20Konstruktivismus.docx#_ftn4" name="_ftnref4" style="mso-footnote-id: ftn4;" title=""><span class="MsoFootnoteReference"><span style="mso-special-character: footnote;"><!--[if !supportFootnotes]--><span class="MsoFootnoteReference"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;">[4]</span></span><!--[endif]--></span></span></a>. Die Wokeness ist der
derzeitige Gipfel dessen, was man auch als „postfaktisches Zeitalter“
bezeichnet und philosophisch betrachtet eine Folge des Dekonstruktivismus.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">„Beispiele
hierfür wären: Die Charakterisierung von Verhaltensweisen als rassistische ‚Mikroaggressionen‘,
die in Wirklichkeit entweder völlig harmlos oder schlimmstenfalls einfach nur
unhöflich sind; die Verurteilung bestimmter wirtschaftlicher Ergebnisse als
rassistische ‚Ungerechtigkeit‘, obwohl es keinerlei empirische Beweise dafür
gibt, dass sie auf Rassismus zurückzuführen sind; die Verurteilung der
Anerkennung der vernünftigen und wissenschaftlichen Tatsache, dass Geschlecht
binär ist, als ‚transphob‘; die Verurteilung der Ansicht als ‚rassistisch‘,
dass die öffentliche Politik farbenblind sein sollte und dass
Rassendiskriminierung falsch ist, unabhängig von der Rasse der diskriminierten
Personen; die Verurteilung der Ansicht als ‚homophob‘, dass es für Grundschulen
nicht angemessen ist, Fragen der Sexualität im Klassenzimmer ohne elterliche
Zustimmung zu behandeln, und so weiter.“<a href="https://d.docs.live.net/12ef14ccd7008e63/Desktop/Theol%2011-12%20(2023)%20H%C3%BCntelmann%20Konstruktivismus.docx#_ftn5" name="_ftnref5" style="mso-footnote-id: ftn5;" title=""><span class="MsoFootnoteReference"><span style="mso-special-character: footnote;"><!--[if !supportFootnotes]--><span class="MsoFootnoteReference"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;">[5]</span></span><!--[endif]--></span></span></a> <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Die von
Feser als „Wahn“ bezeichnete Wokeness könnte man auch als eine Folge des
Dekonstruktivismus bezeichnen, denn der Wahn besteht in einem massiven
Realitätsverlust. Wenn die Realität unserer Welt aber selbst konstruiert ist,
dann gibt es keine Realität, die unabhängig von uns besteht. Dann sind Begriffe
wie „Rasse“ oder „Geschlecht“ nicht etwas, dass sich auf eine von uns
unabhängige Realität bezieht, sondern Konstruktionen, die dazu dienen,
Herrschaftsverhältnisse zu zementieren.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><br /></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><i><span style="font-family: helvetica;">Emotionalisierung</span></i></b></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Ein weiterer wichtiger Punkt, der
zu den Folgen des Dekonstruktivismus gezählt werden sollte, ist die
Emotionalisierung aller Aspekte des Lebens. Die Gefühle bestimmen, wie wir die
Wirklichkeit interpretieren und diese emotionale Interpretation wird dann als
die eigentliche Realität aufgefasst. Die immer weiter voranschreitende
Verabschiedung der Rationalität ist eine Folge. Ein Blick in die aktuellen
Fernsehprogramme reicht aus, um diese Emotionalisierung der Gesellschaft
empirisch feststellen zu können. Egal zu welchem Thema berichtet wird, werden
Personen gefragt, was sie empfinden oder persönlich darüber denken, als ob dies
für die Tatsachen, die berichtet werden, eine zentrale Bedeutung hätte. Nicht
die objektiven Tatsachen selber stehen im Mittelpunkt der Berichte, sondern die
individuellen, persönlichen Gefühle und Erlebnisse mit diesen Tatsachen. In
Bezug zur Wokeness schreibt Edward Feser dazu: <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">„Sie
lehrt beispielsweise emotionales Denken, indem sie persönliche ‚Narrative‘ von
Unterdrückung gegen die Ideale von Rationalität und Objektivität ausspielt und
indem sie die subjektiven Reaktionen beleidigter Menschen zum Maßstab dafür
macht, ob sie Opfer von ‚Mikroaggressionen‘ sind. Es fördert
Schuldzuweisungen, indem es Anschuldigungen über Mikroaggressionen und andere
Missstände so behandelt, als könnten sie niemals vernünftigerweise als Folge
von Überempfindlichkeit oder Paranoia der beleidigten Person angesehen werden.
Sie übt sich in negativer Filterung und der Abwertung von Positivem, indem sie
Begriffe wie ‚Rassismus‘, ‚Sexismus‘, ‚Transphobie‘, ‚Homophobie‘ und
dergleichen willkürlich so weit definiert, dass alles als rassistisch,
sexistisch, transphob oder homophob gelten kann, selbst das, was in der
Vergangenheit als paradigmatisch egalitäre Politik galt (wie farbenblinde oder
rassenneutrale Politik und Ablehnung jeglicher Rassendiskriminierung).“<a href="https://d.docs.live.net/12ef14ccd7008e63/Desktop/Theol%2011-12%20(2023)%20H%C3%BCntelmann%20Konstruktivismus.docx#_ftn6" name="_ftnref6" style="mso-footnote-id: ftn6;" title=""><span class="MsoFootnoteReference"><span style="mso-special-character: footnote;"><!--[if !supportFootnotes]--><span class="MsoFootnoteReference"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;">[6]</span></span><!--[endif]--></span></span></a><o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><i><span style="font-family: helvetica;">Dekonstruktivismus
in der Kirche</span></i></b></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Wohl nirgendwo zeigen sich die
Folgen des Konstruktivismus und der Dekonstruktion in der Kirche deutlicher als
im sogenannten „synodalen Weg“ der deutschen katholischen Kirche. Die Kirche
hat eine zweitausendjährige Geschichte, in deren Verlauf der Glaube der Kirche
eindeutig definiert und festgelegt wurde. Änderungen sind dementsprechend,
zumindest in den definierten Texten, den Dogmen, nicht möglich. Und für alle
anderen Lehren der Kirche gilt, dass jede Änderung nur insoweit möglich ist,
als dass sie der überlieferten Lehre nicht widersprechen darf. Für einen
Dekonstruktivisten kann dies aber nicht gelten. Nach dieser Theorie sind alle
Lehren der Kirche menschliche Konstrukte, deren letzte Basis die Machtausübung
ist: Macht von Priestern über die Gläubige, Macht von Bischöfen über die
Priester, Macht des absolutistischen Papstes über die Bischöfe und über die
gesamte Kirche usw. Mit dieser Theorie werden alle Grundpfeiler der Kirche,
einschließlich der Sakramente dekonstruiert und somit in Frage gestellt. Ein
objektiver Glaube wird damit vollständig beseitigt und alles in die
Beliebigkeit des Gewünschten umgedreht, so dass die „Identität“ der Kirche eine
andere und mit dem Zeitgeist kompatibel wird. Leider wird dieser
dekonstruktivistische Hintergrund von den Verantwortlichen in der Kirche,
insbesondere von den Bischöfen, nicht erkannt. Denn wenn dieser Hintergrund
offenbar würde, ließen sich die „Argumente“ der Dekonstrukteure leicht
widerlegen und die dahinterstehende Ideologie würde offensichtlich werden. Der
Dekonstruktivismus hat tatsächlich keine Argumente für seine Position. Dass in
allen Bereichen des menschlichen Lebens die Macht eine Rolle spielt muss man nicht
bestreiten. Doch diese ist in vielen oder den meisten Fällen so wenig von
Bedeutung, dass Macht faktisch kaum eine Rolle spielt. Man kann die Familie
dekonstruieren und dann hat man nur noch Machtbeziehungen übrig: Die Macht des
Vaters über die Mutter, die Macht der Eltern über die Kinder, die Macht des
ältesten Kindes über die Jüngeren usw. Doch das ist keine Familie, sondern ein
reduktionistisches Skelett. Wer allerdings Wesenheiten negiert und bestreitet,
dass es objektive Tatsachen gibt, die sich in objektiven Definitionen
niederschlagen, für den lässt sich ein Mann als eine Frau definieren und für
den sind kirchliche Definitionen, Dogmen und Lehrentscheidungen jederzeit zu
ändern. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Es wäre
m.E. wünschenswert, wenn die Auseinandersetzung mit dem „synodalen Weg“ den
philosophischen Hintergrund aufdecken würde und man in eine Debatte über diesen
philosophischen Hintergrund eintreten könnte. Ob die Akteure dazu bereit sind,
wird sich zeigen.<o:p></o:p></span></p>
<div style="mso-element: footnote-list;"><!--[if !supportFootnotes]--><span style="font-family: helvetica;"><br clear="all" />
</span><hr align="left" size="1" width="33%" />
<!--[endif]-->
<div id="ftn1" style="mso-element: footnote;">
<p class="MsoFootnoteText"><span style="font-family: helvetica;"><a href="https://d.docs.live.net/12ef14ccd7008e63/Desktop/Theol%2011-12%20(2023)%20H%C3%BCntelmann%20Konstruktivismus.docx#_ftnref1" name="_ftn1" style="mso-footnote-id: ftn1;" title=""><span class="MsoFootnoteReference"><span style="mso-special-character: footnote;"><!--[if !supportFootnotes]--><span class="MsoFootnoteReference"><span style="font-size: 10pt; line-height: 107%;">[1]</span></span><!--[endif]--></span></span></a> <span lang="EN-GB" style="font-variant: small-caps;">Alex Byrne</span><span lang="EN-GB">, <i>Is
sex socially constructed?</i> </span>In
Arc Digital (December 1) 2018; weitere Hinweise bei <a href="http://www.alexbyrne.org/popular-pieces.html">http://www.alexbyrne.org/popular-pieces.html</a>.<o:p></o:p></span></p>
</div>
<div id="ftn2" style="mso-element: footnote;">
<p class="MsoFootnoteText"><span style="font-family: helvetica;"><a href="https://d.docs.live.net/12ef14ccd7008e63/Desktop/Theol%2011-12%20(2023)%20H%C3%BCntelmann%20Konstruktivismus.docx#_ftnref2" name="_ftn2" style="mso-footnote-id: ftn2;" title=""><span class="MsoFootnoteReference"><span style="mso-special-character: footnote;"><!--[if !supportFootnotes]--><span class="MsoFootnoteReference"><span style="font-size: 10pt; line-height: 107%;">[2]</span></span><!--[endif]--></span></span></a> <span lang="EN-GB" style="font-variant: small-caps;">Edward Feser</span><span lang="EN-GB">,
<i>Byrne on why sex is not a social construct</i>, in
http://edwardfeser.blogspot.com/2018/12/byrne-on-why-sex-is-not-social-construct.html,
13.12.2018.<o:p></o:p></span></span></p>
</div>
<div id="ftn3" style="mso-element: footnote;">
<p class="MsoFootnoteText"><span style="font-family: helvetica;"><a href="https://d.docs.live.net/12ef14ccd7008e63/Desktop/Theol%2011-12%20(2023)%20H%C3%BCntelmann%20Konstruktivismus.docx#_ftnref3" name="_ftn3" style="mso-footnote-id: ftn3;" title=""><span class="MsoFootnoteReference"><span style="mso-special-character: footnote;"><!--[if !supportFootnotes]--><span class="MsoFootnoteReference"><span style="font-size: 10pt; line-height: 107%;">[3]</span></span><!--[endif]--></span></span></a> <span style="font-variant: small-caps;">Hermann
Lübbe</span>, <i>Politischer Moralismus. Der Triumpf der Gesinnung über die
Urteilskraft</i>, Berlin 1987; Neuauflage Münster 2019.<o:p></o:p></span></p>
</div>
<div id="ftn4" style="mso-element: footnote;">
<p class="MsoFootnoteText"><span style="font-family: helvetica;"><a href="https://d.docs.live.net/12ef14ccd7008e63/Desktop/Theol%2011-12%20(2023)%20H%C3%BCntelmann%20Konstruktivismus.docx#_ftnref4" name="_ftn4" style="mso-footnote-id: ftn4;" title=""><span class="MsoFootnoteReference"><span style="mso-special-character: footnote;"><!--[if !supportFootnotes]--><span class="MsoFootnoteReference"><span style="font-size: 10pt; line-height: 107%;">[4]</span></span><!--[endif]--></span></span></a> <span lang="EN-GB" style="font-variant: small-caps;">Edward Feser</span><span lang="EN-GB">,
<i>How to define “wokeness”</i>, In </span><a href="http://edwardfeser.blogspot.com/2023/03/how-to-define-wokeness.html"><span lang="EN-GB">http://edwardfeser.blogspot.com/2023/03/how-to-define-wokeness.html</span></a><span lang="EN-GB">,
28.3.2023. </span>Deutsche
Übersetzung: <i>Wie definiert man „Wokeness“?</i>, <a href="http://scholastiker.blogspot.com/2023/04/">http://scholastiker.blogspot.com/2023/04/</a>, 7.4.2023.<o:p></o:p></span></p>
</div>
<div id="ftn5" style="mso-element: footnote;">
<p class="MsoFootnoteText"><span style="font-family: helvetica;"><a href="https://d.docs.live.net/12ef14ccd7008e63/Desktop/Theol%2011-12%20(2023)%20H%C3%BCntelmann%20Konstruktivismus.docx#_ftnref5" name="_ftn5" style="mso-footnote-id: ftn5;" title=""><span class="MsoFootnoteReference"><span style="mso-special-character: footnote;"><!--[if !supportFootnotes]--><span class="MsoFootnoteReference"><span style="font-size: 10pt; line-height: 107%;">[5]</span></span><!--[endif]--></span></span></a> Ebenda.<o:p></o:p></span></p>
</div>
<div id="ftn6" style="mso-element: footnote;">
<p class="MsoFootnoteText"><span style="font-family: helvetica;"><a href="https://d.docs.live.net/12ef14ccd7008e63/Desktop/Theol%2011-12%20(2023)%20H%C3%BCntelmann%20Konstruktivismus.docx#_ftnref6" name="_ftn6" style="mso-footnote-id: ftn6;" title=""><span class="MsoFootnoteReference"><span style="mso-special-character: footnote;"><!--[if !supportFootnotes]--><span class="MsoFootnoteReference"><span style="font-size: 10pt; line-height: 107%;">[6]</span></span><!--[endif]--></span></span></a> Ebenda.</span><span style="font-family: Times New Roman, serif;"><o:p></o:p></span></p>
</div>
</div>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-62041818602580523732023-12-05T14:20:00.004+01:002023-12-05T14:20:55.880+01:00Idealismus, Konstruktivismus, Dekonstruktivismus. Der philosophische Hintergrund der gegenwärtigen Krise in Politik, Kultur und Kirche. Teil 1<p><span style="font-family: helvetica;"></span></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><span style="font-family: helvetica;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhEvRbPoJN3BsRV0NxAqa0uPvPsFRvU2G_CJX1IPzfJ_XnkC7lXbt_hYxW78834QNLxEXz1UdHD49WVYmBQ8moGPGhmtguKVK2PBzasuNB2ry52YpA_ntsSS5gzxH7c4WMLp2rXU3CUNBBrkIMW2UnOFrfChPrNylLEWK4bmd4b3hsEGo2ebsYxoF6P3n-Z/s840/Beat_the_Whites_with_the_Red_Wedge.webp" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="672" data-original-width="840" height="256" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhEvRbPoJN3BsRV0NxAqa0uPvPsFRvU2G_CJX1IPzfJ_XnkC7lXbt_hYxW78834QNLxEXz1UdHD49WVYmBQ8moGPGhmtguKVK2PBzasuNB2ry52YpA_ntsSS5gzxH7c4WMLp2rXU3CUNBBrkIMW2UnOFrfChPrNylLEWK4bmd4b3hsEGo2ebsYxoF6P3n-Z/s320/Beat_the_Whites_with_the_Red_Wedge.webp" width="320" /></a></span></div><span style="font-family: helvetica;"><br />Der folgende Beitrag wurde zuerst
veröffentlicht in der Zeitschrift THEOLOGISCHES. Katholische Monatsschrift, Jg.
52, Nr. 09/10, 2023. Der umfangreiche Artikel wird hier in voller Länge
wiedergegeben, allerdings in zwei Teilen. Hier folgt der 1. Teil.</span><p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Im Folgenden möchte ich dafür
argumentieren, dass die gegenwärtige Krise in Politik, Kultur und in der Kirche
einen philosophischen Hintergrund hat, der insbesondere in der Philosophie des
Konstruktivismus bzw. im Dekonstruktivismus liegt. Dies wird in den aktuellen
Debatten häufig übersehen. Daher scheint mir eine Auseinandersetzung mit diesen
philosophischen Positionen hilfreich zu sein, um eine tiefere
Auseinandersetzung mit den aktuellen Problemen der Gegenwart anstoßen zu
können.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> <span></span></span></o:p></p><a name='more'></a><p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><i><span style="font-family: helvetica;">Kant
und der Deutsche Idealismus</span></i></b></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Der Konstruktivismus, der im 20.
Jahrhundert entsteht, hat seinen Ursprung in der idealistischen Philosophie des
19. Jahrhunderts, also insbesondere in der Philosophie Immanuel Kants und des
deutschen Idealismus. In diesen philosophischen Systemen wird bestritten, dass
wir einen epistemischen Zugang zu der realen Welt haben, und behauptet, dass
all das, was wir wahrnehmen oder erkennen, durch das Bewusstsein hervorgebracht
wird. Nach Kant gibt es zwar eine „Außenwelt“, zu der wir aber keinen direkten
Zugang haben. Vielmehr werden unsere Sinnesdaten durch die transzendentalen
Strukturen des Bewusstseins, also über den Einzelnen hinausgehenden
Bewusstseinsstrukturen, so konstruiert, dass wir alles so wahrnehmen, wie wir
es tun. Wir nehmen Dinge mit Eigenschaften wahr, die nacheinander in Raum und
Zeit erscheinen. Ob dies der „Außenwelt“ entspricht, können wir nicht mit
Gewissheit sagen. Der deutsche Idealismus, der im Unterschied zu Kant, dessen
Philosophie eine Synthese von Rationalismus und Empirismus versucht, einen
rationalistischen Hintergrund hat, verschärft diese kantische Position weiter.
Die Außenwelt wird komplett gestrichen und der absolute Geist selbst ist das
Einzige, was existiert. Dieser absolute Geist vollzieht sich gewissermaßen
evolutionär durch die einzelnen Individuen vom primitiven und naiven Realismus
bis zum absoluten Geist, der sich selbst als Ursprung seiner selbst und der
gesamten Welt begreift.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Für den
Konstruktivismus des 20. Jahrhunderts spielt die Philosophie Kants eine größere
Rolle als der deutsche Idealismus, und er versucht nicht mehr die von Kant
angestrebte Synthese von Empirismus und Rationalismus weiter zu verfolgen,
sondern ist eindeutig empiristisch und nominalistisch. Unter philosophischem
Nominalismus versteht man die Theorie, dass ausschließlich eigenschaftslose
Individuen existieren und das alles andere, was wir wahrnehmen bzw. erkennen,
durch unsere Wahrnehmung beeinflusst und hervorgebracht wird. So bestreitet der
Nominalismus, dass es in der Realität irgendetwas Allgemeines gibt, aber er
bestreitet auch, im Unterschied zum Konzeptualismus bzw. Rationalismus, dass es
überhaupt Allgemeinbegriffe gibt. Was wir als Begriffe bezeichnen, sind für den
Nominalismus nichts anderes als Worte, die man auf einen Aktenordner schreibt,
um darin bestimmte Objekte ablegen zu können. Begriffe oder Worte haben
keinerlei Bezug zur Realität. Die Realität besteht nur aus nackten,
partikulären und eigenschaftslosen Individuen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><i><span style="font-family: helvetica;">Scholastische
Philosophie<o:p></o:p></span></i></b></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Der Nominalismus setzt sich damit
deutlich von der aristotelischen Philosophie des Hochmittelalters ab, die
besonders von Albertus Magnus und Thomas von Aquin bestimmt wird. Die
hochmittelalterliche Philosophie, insbesondere die thomistische Scholastik, stellt
eine gelungene Synthese dar, nach der Kant erfolglos gesucht hat. Demnach
besteht die Wirklichkeit als solche tatsächlich aus Individuen und
individuellen Wesenheiten und Eigenschaften. Jedes Individuum hat eine
individuelle Wesenheit, die aber nicht nur diesem Individuum zu eigen ist,
sondern allen Individuen der gleichen Art. Diese Wesenheit kann von uns erkannt
werden und zwar genau so, wie sie tatsächlich ist, wenn auch unvollständig.
Dies geschieht mit Hilfe des Abstraktionsvermögens des menschlichen Verstandes,
durch den wir alle Bestimmungen eines Individuums weglassen, die zufällig sind.
Die allgemeinen Wesenheiten der Dinge existieren zwar nicht als solche in der
realen Welt, sondern nur im menschlichen Verstand, aber diesen allgemeinen
Wesenheiten entspricht etwas in der Realität. Diese Entsprechung besteht darin,
dass die Wesenheit z.B. eines Huhns in allen Hühnern „instanziiert“ ist, um
einen modernen Begriff zu verwenden. Das bedeutet, dass jedes einzelne Huhn
eine Instanz, ein Vorkommnis der allgemeinen Wesenheit des Huhns ist und genau
deshalb können wir diese Wesenheit in der Erkenntnis aus dem einzelnen Huhn
abstrahieren. Das Entsprechende gilt natürlich auch für die Akzidenzien. Die
Farbe Rot ist in allen roten Gegenständen instanziiert und deshalb sehen wir
rote Gegenstände und können diese Farbe aus den roten Gegenständen abstrahieren
und im Begriff „rot“ erfassen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Schon in
der Spätscholastik wird diese aristotelische Theorie in Frage gestellt, zum
Teil bereits bei Duns Scotus und besonders bei William von Occam. Die beiden
Hauptströmungen der Neuzeit, der Rationalismus und der Empirismus entspringen
letztlich beide aus dem Nominalismus, der damit als ontologische Grundlage der
gesamten neuzeitlichen Philosophie bezeichnet werden kann. Und dies trifft auch
in besonderer Weise auf den Konstruktivismus des 20. Jahrhundert zu.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><i><span style="font-family: helvetica;">Konstruktivismus</span></i></b></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Der Konstruktivismus entsteht
zunächst nicht als philosophische Theorie, sondern in verschiedenen
Geisteswissenschaften, wie in der Pädagogik und den Sozialwissenschaften. Konstruktivismus
ist zunächst eine Theorie und Philosophie des Lernens, die besagt, dass Wissen
nicht einfach aufgenommen und gespeichert wird, sondern dass es von Individuen
aktiv konstruiert wird, basierend auf ihren Erfahrungen und Interaktionen mit der
Umwelt. Die Grundannahme des Konstruktivismus ist, dass Menschen ihr Wissen
durch ihre eigene Erfahrung und Reflektion aufbauen und dass dieses Wissen
kontextabhängig ist. Konstruktivisten glauben, dass Wissen nicht objektiv und
unabhängig von unserer Wahrnehmung der Welt existiert, sondern dass es von
individuellen Interpretationen abhängt.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Im
Konstruktivismus ist Lernen ein aktiver Prozess, bei dem Wissen nicht einfach
vermittelt wird, sondern von den Lernenden selbst hervorgebracht wird. Das
bedeutet, dass die Lernenden die Möglichkeit haben, ihr Verständnis und Wissen
auf der Grundlage ihrer eigenen Erfahrungen und Ideen aufzubauen.
Konstruktivistische Ansätze wurden und werden heute in vielen Bereichen der
Bildung angewendet, einschließlich der Gestaltung von Unterricht, der
Entwicklung von Lehrmaterialien und der Bewertung von Lernergebnissen. Um ein Beispiel
für die praktische Bedeutung dieses pädagogischen Ansatzes zu nennen, könnte
man auf die sogenannte lautsprachliche Schrift verweisen. Die Kinder sollen die
Worte zunächst so schreiben, wie sie diese hören. Rechtschreibfehler wurden
damit nicht mehr als solche bezeichnet und korrigiert. Dies hat dazu geführt,
dass Kinder die korrekte Rechtschreibung nicht mehr richtig lernen konnten, da
sie nach der Gewöhnung an die lautsprachliche Rechtschreibung in späteren
Schuljahren Probleme hatten, die richtige Rechtschreibung zu erlernen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Der
philosophische Konstruktivismus ist eine Position in der Philosophie, die
besagt, dass Wissen nicht unabhängig von unserem Geist und unseren Erfahrungen
existiert, sondern dass es von uns konstruiert wird. Gegen diese allgemeine
Formulierung muss man nicht Einwände erheben, denn dies ist eine alltägliche
Erfahrung. Für das, was wir wahrnehmen bzw. erkennen, spielen Interessen und
der Wissenshintergrund eine große Rolle, was aber nicht ausschließt, dass es
eine objektive Erkenntnis der Realität gibt. Der Konstruktivismus geht aber
weit darüber hinaus. Die Konstruktivisten in der Philosophie argumentieren,
dass die Welt nicht einfach „da draußen“ existiert, sondern dass wir durch
unsere Wahrnehmungen und Interpretationen der Welt aktiv an ihrer Konstruktion
beteiligt sind, ja, dass wir diese Welt aktiv erst hervorbringen. Es gibt keine
von unseren Konstruktionen der Welt unabhängige Welt, die sich objektiv, d.h.
unabhängig von unseren Wahrnehmungen und Erkenntnissen erfassen lässt. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Der Konstruktivismus
in der Philosophie wird heute auf verschiedene Bereiche angewendet,
einschließlich der Philosophie des Geistes, der Sprachphilosophie und der
Erkenntnistheorie. In der Philosophie des Geistes geht es darum, wie unser
Geist und unser Bewusstsein entstehen und wie wir unser Wissen über die Welt
aufbauen. In der Sprachphilosophie geht es darum, wie wir Bedeutungen von
Wörtern und Ausdrücken konstruieren. In der Erkenntnistheorie geht es darum,
wie wir Wissen erlangen und wie wir entscheiden, was wahr oder falsch ist. Dies
bedeutet, dass es keine objektive Wahrheit oder Falschheit geben kann, sondern
dass etwas nur für uns wahr oder falsch ist. Es mag sein, dass viele Menschen
mit uns übereinstimmen, aber dies liegt nicht daran, dass die gemeinsame „Erkenntnis“
an einem objektiven Maßstab gemessen wird, sondern dass diese Übereinstimmung eher
zufällig ist, oder durch bestimmte Faktoren, wie einen gemeinsamen historischen
oder kulturellen Hintergrund, determiniert wird.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Der
Konstruktivismus in der Philosophie ist eng mit anderen philosophischen
Strömungen wie dem Pragmatismus und dem Poststrukturalismus verbunden, die
ähnliche Ansätze verfolgen und die Idee betonen, dass unsere Wahrnehmungen und
Interpretationen der Welt von unseren Erfahrungen und sozialen Kontexten
abhängen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Man muss
aber betonen, dass der Konstruktivismus keine einheitliche Theorie bzw. keine
gemeinsame philosophische Schule ist. Es gibt eine ganze Reihe sehr
unterschiedlicher konstruktivistischer Theorien. Dies gilt nicht nur für den
Konstruktivismus allgemein, sondern auch für den philosophischen
Konstruktivismus in der Erkenntnistheorie. Die meisten Varianten des
Konstruktivismus gehen aber davon aus, dass ein erkannter Gegenstand vom
Betrachter selbst durch den Vorgang des Erkennens konstruiert wird. In der
Fachsprache der Philosophie ausgedrückt, nehmen sie damit eine nominalistische Position
zum Universalienproblem ein. Inwiefern? Im Unterschied zur aristotelischen
Tradition der Philosophie, bei der einem Willensakt eine Erkenntnis vorhergeht,
ist dies im Nominalismus umgekehrt. Da für den Nominalismus die Gegenstände
eigentlich der Erkenntnis nicht zugänglich sind, ist es der Wille, der etwas
als gut erfasst und danach dem Erkenntnisvermögen als zu erkennenden Gegenstand
vorstellt. Der Nominalismus ist daher von Anfang an eine voluntaristische
Theorie. Und dies wird ganz besonders im Konstruktivismus deutlich. Kurz
gesagt, wenn die Wahrnehmung und Erkenntnis durch uns bestimmt wird, dann kann
dies nur durch den Willen geschehen. Üblicherweise nimmt man an, dass sich die
Erkenntnis nach den Gegenständen richtet, diese also die Erkenntnis bestimmen,
während der Wille die Gegenstände bestimmt. Bereits Kant hatte in der
Einleitung zur <i>Kritik der reinen Vernunft</i> gesagt, dass er dieses
Verhältnis umkehren wolle, dass also die Vernunft (er meint dabei den Willen)
die Gegenstände bestimmt. Diesen Gedanken nimmt der erkenntnistheoretische
Konstruktivismus auf.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Während
im <i>Radikalen Konstruktivismus </i>die menschliche Fähigkeit, objektive
Realität zu erkennen, mit der Begründung bestritten wird, dass jeder Einzelne
sich seine Wirklichkeit im eigenen Kopf „konstruiert“, glauben Anhänger des <i>Erlanger
Konstruktivismus</i> an eine gemeinsame Konstruktionsweise, das heißt, dass es
mit Hilfe einer besonderen Sprach- und Wissenschaftsmethodik möglich sei, „das
naive Vorfinden der Welt“ zu überwinden und durch „methodische Erkenntnis- und
Wissenschaftskonstruktion“ zu ersetzen. Ob dieses gemeinsam Konstruierte auch
unabhängig von seiner Konstruktion existiert oder bloß einen Konsens belegt,
ist dagegen ein anderes Problem. Der <i>Relationale Konstruktivismus</i>
hingegen teilt zwar den erkenntnistheoretischen Ausgangspunkt des Radikalen
Konstruktivismus, legt dann aber den Fokus nicht nur auf das erkennende
Subjekt, sondern gerade auch auf die sozialen und materiellen Relationen, unter
denen dessen kognitiven Konstruktionsprozesse vollzogen werden. Der Erlanger
Konstruktivismus ist wesentlich angeregt von der Konstruktiven Mathematik. Für
den Relationalen Konstruktivismus ist die Erweiterung der
erkenntnistheoretischen Grundlagen um sozialtheoretische Perspektiven (insbesondere
zur Kommunikations- und Machttheorie) kennzeichnend. Dieser Relationale
Konstruktivismus wird dann im Dekonstruktivismus bestimmend</span></p><p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;"><br /></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><i><span style="font-family: helvetica;">Dekonstruktivismus</span></i></b></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Der Begriff „Dekonstruktion“ ist
die „grammatische Bezeichnung für eine Störung im Satzbau“ <a href="https://d.docs.live.net/12ef14ccd7008e63/Desktop/Theol%2011-12%20(2023)%20H%C3%BCntelmann%20Konstruktivismus.docx#_ftn1" name="_ftnref1" style="mso-footnote-id: ftn1;" title=""><span class="MsoFootnoteReference"><span style="mso-special-character: footnote;"><!--[if !supportFootnotes]--><span class="MsoFootnoteReference"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;">[1]</span></span><!--[endif]--></span></span></a>. Zudem wird der Begriff
auch im Maschinenbau verwendet für die Zerlegung einer Maschine in ihre
Einzelteile. Der Dekonstruktivismus ist, ganz allgemein gesagt, eine
philosophische und kulturelle Strömung, die in den 1960-er Jahren aufkam und
sich gegen die Vorstellung einer stabilen und einheitlichen Wahrheit richtet. Der
Begriff „Dekonstruktion“ stammt von Jacques Derrida. Es handelt sich dabei um
einen kritischen Ansatz, der versucht, die unterliegenden Annahmen und
Hierarchien in der Sprache und Kultur zu enthüllen, um zu zeigen, dass
Bedeutungen und Identitäten nicht fest und unveränderlich sind, sondern dass
sie sich im Laufe der Zeit verändern und vielfältig sind. Dieser Grundansatz,
der zunächst auf die Sprach- und Kulturphilosophie begrenzt war, wurde im
weiteren Verlauf auf immer weitere Gebiete ausgedehnt.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">Dekonstruktivisten
argumentieren, dass Bedeutungen und Identitäten in Sprache und Kultur immer
vage und widersprüchlich sind und dass es keine klare, einheitliche
Interpretation gibt. Sie betonen, dass Sprache und Kultur von
Machtverhältnissen und Hierarchien geprägt sind und dass es wichtig ist, diese
Hierarchien aufzudecken und zu dekonstruieren, um eine gerechtere und
inklusivere Gesellschaft zu schaffen. Bei der Dekonstruktion handelt es sich um
einen zweiphasigen Ansatz. Zunächst wird in der Kritik gezeigt, dass Sprache,
Kultur und auch Wahrheiten nichts anderes sind als vom Menschen hervorgebrachte
Konstrukte, die auf bestimmte Machtverhältnisse beruhen. In einem zweiten
Schritt werden dann diese Bestandteile neu zusammengesetzt und so neue
kulturelle, soziale, politische oder sprachliche Konstrukte geschaffen, die
gerechter, freier, liberaler, inklusiver usw. sein sollen. Faktisch geht es vor
allem um Machtverhältnisse.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; text-indent: 35.4pt;"><span style="font-family: helvetica;">In der
Philosophie ist Jacques Derrida einer der wichtigsten Vertreter des
Dekonstruktivismus. Vorläufer ist unter anderen Michel Foucault. Derrida hat
die Idee der Dekonstruktion entwickelt und angewendet, um die versteckten
Annahmen und Hierarchien in Sprache, Kultur und Philosophie aufzudecken. Andere
wichtige Vertreter des Dekonstruktivismus in der Philosophie sind Michel
Foucault, Judith Butler (im Bereich Gender und Feminismus) und Richard Rorty
(im Bereich politische Philosophie und Sozialphilosophie).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><span style="font-family: helvetica;"><b>Anmerkungen</b></span></p><p class="MsoNormal" style="line-height: normal;"><span style="font-family: helvetica;"><span class="MsoFootnoteReference"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;"><!--[if !supportFootnotes]--><span class="MsoFootnoteReference"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;">[1]</span></span><!--[endif]--></span></span><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;"> H.J. Sandkühler (Hg.), <i>Enzyklopädie Philosophie</i>, Bd. 1, Hamburg
2021, S. 358.</span></span></p><div style="mso-element: footnote-list;"><div id="ftn7" style="mso-element: footnote;">
</div>
</div>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-89461927651615168912023-11-08T09:02:00.001+01:002023-11-08T09:02:31.707+01:00Nancy Cartwright über den Reduktionismus in der Wissenschaft<p><span style="font-family: helvetica;"></span></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><span style="font-family: helvetica;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiBtZ6N1gIPMPb7nxAq1KHTTLyEF-1OvPUAw2FQwQZEBJdqGm1DpF3dtb-4BW9-Bg1S2vYweDRv8YeSEV8l5vXBKfPGt9FWh8ZMDv5EAUWeFgRpzDZ-xefD6lRdv16MnPVorVyDWJQvi5W6SbPYiTwC4UHDa1dqNW1Tv3GU-ZzySbiYOTPktLX99v9s65q0/s371/089.JPG" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="371" data-original-width="257" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiBtZ6N1gIPMPb7nxAq1KHTTLyEF-1OvPUAw2FQwQZEBJdqGm1DpF3dtb-4BW9-Bg1S2vYweDRv8YeSEV8l5vXBKfPGt9FWh8ZMDv5EAUWeFgRpzDZ-xefD6lRdv16MnPVorVyDWJQvi5W6SbPYiTwC4UHDa1dqNW1Tv3GU-ZzySbiYOTPktLX99v9s65q0/s320/089.JPG" width="222" /></a></span></div><span style="font-family: helvetica;"><br />In ihrem ausgezeichneten neuen Buch <i><a href="https://www.amazon.de/Philosopher-Looks-at-Science/dp/1009201883/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=37QRPY3LIRH9Q&keywords=A+Philosopher+Looks+at+Science&qid=1699428998&sprefix=a+philosopher+looks+at+science+%2Caps%2C316&sr=8-1" target="_blank">A Philosopher Looks at Science</a></i> greift Nancy Cartwright einige der langjährigen Themen ihrer Arbeit in der
Wissenschaftsphilosophie wieder auf. In
einem früheren Beitrag habe ich erörtert, was sie im ersten Kapitel über
Theorie und Experiment zu sagen hat.
Schauen wir uns nun an, was sie in ihrem zweiten Kapitel über den
Reduktionismus sagt, dem sie seit langem kritisch gegenübersteht.</span><p></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> <span></span></span></o:p></p><a name='more'></a><p></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Der Reduktionismus hat in der Wissenschaftsphilosophie nicht
mehr ganz denselben Einfluss wie früher, da er nicht nur von Cartwright,
sondern auch von Paul Feyerabend, John Dupré und vielen anderen heftig
angegriffen wurde.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>(Ich bespreche die
antireduktionistische Literatur im Detail in <i><a href="https://www.amazon.de/Aristotles-Revenge-Metaphysical-Foundations-Biological/dp/3868382003/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=2ENVE79TYX7A9&keywords=Aristotle%E2%80%99s+Revenge&qid=1699429090&sprefix=aristotle+s+revenge%2Caps%2C129&sr=8-1" target="_blank">Aristotle’s Revenge</a></i>.)<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Dennoch übt die Vorstellung, dass
das, was wirklich ist, letztlich nichts anderes ist als das, was im Prinzip in
der Sprache einer abgeschlossenen Physik beschrieben werden kann, auf viele
einen starken Einfluss aus.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Cartwright
nennt James Ladyman und Don Ross als Anhänger dieser Ansicht, und Alex
Rosenberg ist ein weiterer prominenter Verfechter.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wie Cartwright anmerkt, ist die Verlockung
des Reduktionismus in der zeitgenössischen Wissenschaftsliteratur besonders
deutlich in Diskussionen über die angeblichen Auswirkungen der
Neurowissenschaften auf Themen wie den freien Willen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Cartwright bereitet die Bühne für ihre Diskussion, indem sie
eine berühmte Passage aus dem Buch <i><a href="https://www.amazon.de/Nature-Physical-World-Masterpieces-illustrated-ebook/dp/B00IMJCXBA/ref=sr_1_2?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=TQE2B57UE0FG&keywords=The+Nature+of+the+Physical+World&qid=1699429194&sprefix=the+nature+of+the+physical+world+%2Caps%2C167&sr=8-2" target="_blank">The Nature of the Physical World</a></i> des Physikers Sir Arthur Eddington zitiert:<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><i><span style="font-family: helvetica;">Ich habe mich an die Aufgabe gemacht, diese Vorträge zu
schreiben und habe meine Stühle an meine beiden Tische gestellt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Zwei Tische!<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Ja, es gibt Duplikate von jedem Gegenstand um mich herum - zwei Tische,
zwei Stühle, zwei Stifte...<o:p></o:p></span></i></p>
<p class="MsoNormal"><i><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></i></p>
<p class="MsoNormal"><i><span style="font-family: helvetica;">Eines von ihnen ist mir seit frühester Kindheit
vertraut.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es ist ein alltägliches Objekt
der Umgebung, die ich die Welt nenne.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Wie soll ich es beschreiben?<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Er
hat eine Ausdehnung; er ist relativ beständig; er ist farbig; vor allem ist er
substanziell... [I]m Falle, dass Sie ein einfacher Mensch mit gesundem
Menschenverstand sind, der sich nicht zu sehr um wissenschaftliche Skrupel
sorgt, werden Sie sicher sein, dass Sie die Natur eines gewöhnlichen Tisches
verstehen...<o:p></o:p></span></i></p>
<p class="MsoNormal"><i><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></i></p>
<p class="MsoNormal"><i><span style="font-family: helvetica;">Tisch Nr. 2 ist mein wissenschaftlicher Tisch... Er
gehört nicht zu der zuvor erwähnten Welt - jener Welt, die spontan um mich
herum erscheint, wenn ich meine Augen öffne... Mein wissenschaftlicher Tisch
besteht hauptsächlich aus Leere.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>In
dieser Leere sind zahlreiche elektrische Ladungen spärlich verstreut, die mit
großer Geschwindigkeit umher eilen; aber ihre Gesamtmasse beträgt weniger als
ein Milliardstel der Masse des Tisches selbst...<o:p></o:p></span></i></p>
<p class="MsoNormal"><i><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></i></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><i>An meiner zweiten Tabelle ist nichts Substantielles.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Sie besteht fast nur aus leerem Raum - einem
Raum, der zwar von Kraftfeldern durchdrungen ist, die aber der Kategorie der
"Einflüsse" und nicht der "Dinge" zugeordnet werden.</i>
(S. xi-xiii)<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Der Reduktionismus geht davon aus, dass der erste Tisch in
gewissem Sinne "nichts anderes als" der zweite Tisch ist - oder
sogar, dass der erste Tisch streng genommen gar nicht wirklich existiert,
sondern nur der zweite Tisch (obwohl Philosophen die letztere Art von Ansicht
üblicherweise eher als eliminativistisch denn als reduktionistisch bezeichnen).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Reduzierter
Reduktionismus<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die erste Überlegung, die Cartwright anstellt, um zu
verdeutlichen, wie problematisch der Reduktionismus ist, betrifft die Art und
Weise, wie die Reduktionisten in den letzten Jahrzehnten immer wieder ihre
Behauptungen relativieren mussten.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die
Ambitionen des Reduktionismus sind, wenn man so will, stark reduziert
worden.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Der kühne Typ-Reduktionismus
wich zunächst einem schwächeren Token-Token-Reduktionismus und dann noch
schwächeren Supervenienz-Theorien. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Reduktionistische Theorien des Typs besagen, dass jede Art
von Merkmal, die auf einer höheren Wissenschaftsebene beschrieben wird, mit
einer Art von Merkmal identifiziert werden kann, die auf einer niedrigeren
Wissenschaftsebene und schließlich auf der Ebene der Physik beschrieben
wird.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die vielleicht bekannteste Theorie
dieser Art ist die ursprüngliche Geist-Gehirn-Identitätstheorie, die besagt,
dass jede Art von psychologischem Zustand (der Glaube, dass es regnet, der
Glaube, dass es sonnig ist, der Wunsch nach einem Cheeseburger, die Angst, dass
der Aktienmarkt zusammenbricht usw.) mit einer bestimmten Art von Gehirnprozess
identifiziert werden kann.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Ein Beispiel
aus den physikalischen Wissenschaften wäre die Behauptung, dass die Temperatur
mit der mittleren kinetischen Energie identisch ist.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Wie Cartwright anmerkt, besteht ein Problem bei dieser
Sichtweise darin, dass es schwierig ist, plausible Fälle erfolgreicher
Typenreduktionen jenseits solcher Standardbeispiele zu finden.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Ein weiteres Problem ist, dass die
Standardbeispiele selbst nicht wirklich unproblematisch sind.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>"Reduktions"-Behauptungen scheinen
in Wirklichkeit doch eliminativistische Behauptungen zu sein.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Bei der so genannten Reduktion der Temperatur
geht es beispielsweise nicht darum, dass das, was wir bisher als Temperatur
verstanden haben, in Wirklichkeit nur eine mittlere kinetische Energie
ist.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es geht darum, dass das, was wir
schon immer als Temperatur verstanden haben, gar nicht real ist (oder nur als
Quale unserer Erfahrung der physikalischen Welt existiert, anstatt als etwas,
das in der physikalischen Welt selbst existiert), und alles, was wirklich
existiert, stattdessen mittlere kinetische Energie ist.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein Problem bei der Annahme, dass dies nicht der Fall ist,
besteht darin, dass die Gesetze, die für die Merkmale einer Beschreibung auf
höherer Ebene gelten, und die Gesetze, die für die Merkmale einer vermeintlich
entsprechenden Beschreibung auf niedrigerer Ebene gelten, zu widersprüchlichen
Vorhersagen führen können.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Eine
Möglichkeit, darüber nachzudenken - auch wenn es nicht Cartwrights eigenes
Beispiel ist -, ist Donald Davidsons Ansicht, dass Beschreibungen auf der
psychologischen Ebene nicht in der Weise durch Gesetze geregelt werden, wie der
Materialist annimmt, dass Beschreibungen auf der neurologischen Ebene es
sind.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Selbst wenn also ein Hirnereignis
eines bestimmten Typs streng vorhersehbar ist, ist es das entsprechende mentale
Ereignis nicht.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>In Anbetracht dieser
Diskrepanz ist der Reduktionist gezwungen, die Beschreibung auf höherer Ebene
als nicht strikt wahr zu betrachten.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Eine besonders einflussreiche Überlegung, die Philosophen
dazu veranlasste, den Typ-Typ-Reduktionismus aufzugeben, ist das Problem der
"multiplen Realisierbarkeit" - die Tatsache, dass Merkmale auf
höherer Ebene in mehr als einem Typ von Merkmalen auf niedrigerer Ebene
"realisiert" werden können, so dass es keine klare Zuordnung von
Typen auf höherer Ebene zu Typen auf niedrigerer Ebene gibt, wie sie ein
ehrgeiziges reduktionistisches Projekt anstrebt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Im Fall der Geist-Gehirn-Identitätstheorie
besteht das Problem darin, dass ein und derselbe geistige Zustand (z. B. die
Überzeugung, dass es regnet) bei verschiedenen Personen oder sogar bei ein und
derselben Person zu verschiedenen Zeiten mit verschiedenen Arten von
Gehirnprozessen verbunden sein könnte.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Oder denken Sie daran, wie eine wirtschaftliche Eigenschaft wie ein
Dollar in Papierwährung, in Metallwährung oder als elektronische Aufzeichnung
des eigenen Kontostands realisiert werden kann. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Dies führte dazu, dass Philosophen weniger ehrgeizige
Token-Token-Reduktionstheorien aufstellten.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Die Idee dabei ist, dass, auch wenn die Arten von Merkmalen auf einer
höheren Ebene nicht reibungslos mit den Arten von Merkmalen auf einer
niedrigeren Ebene korreliert werden können, dennoch jedes Token oder jede
individuelle Instanz eines Merkmals auf der höheren Ebene mit einem Token oder
einer individuellen Instanz eines Merkmals auf einer niedrigeren Ebene
identifiziert werden kann.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>So ist z. B.
diese besondere Ausprägung der Überzeugung, dass es regnet, identisch mit
dieser besonderen Ausprägung einer bestimmten Art von Gehirnprozess.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Wie Cartwright anmerkt, führen Token-Reduktionen in der Tat
dazu, dass eine Art von Typenreduktion behauptet wird.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Ein Beispiel wären disjunkte Typen auf der
unteren Beschreibungsebene.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>So kann eine
tokenreduktionistische Sichtweise der Geist-Gehirn-Beziehungen zur Folge haben,
dass ein Typus eines mentalen Zustands wie der Glaube, dass es regnet,
identisch ist mit einem "Typus" einer neuronalen Eigenschaft, die
definiert ist als ein Hirnzustand des Typs B1 ODER ein Hirnzustand des Typs B2
ODER ein Hirnzustand des Typs B3 ODER... Und dies wiederum eröffnet die
Möglichkeit eines Konflikts zwischen den Gesetzen, die die Beschreibung auf
höherer Ebene regeln, und den Gesetzen, die die Beschreibung auf niedrigerer
Ebene regeln.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Der Einwand, dass disjunkte "Typen" der eben
beschriebenen Art künstlich erscheinen, ist sicherlich plausibel.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Aber das Problem ist, wie Cartwright anmerkt,
dass dies zeigt, dass die Bestimmung dessen, was als plausibler Typus gilt,
eine detaillierte metaphysische Analyse erfordert und nicht, wie der
Reduktionist annimmt, aus der Wissenschaft abgelesen werden kann.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Auf jeden Fall wich der Token-Token-Reduktionismus wiederum
der Rede von <i>Supervenienz</i>.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Der
Grundgedanke dabei ist, dass Phänomene auf einer höheren Beschreibungsebene A
Phänomene auf einer niedrigeren Beschreibungsebene B überlagern, nur für den
Fall, dass es keinen Unterschied in dem, was auf Ebene A geschieht, ohne einen
entsprechenden Unterschied in dem, was auf Ebene B geschieht, geben kann. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Aber worauf genau das hinausläuft, ist nicht offensichtlich,
und die Diskussion über die Bedeutung von Supervenienz war, wie Cartwright
beklagt, ein größeres Anliegen der Philosophen als die Erklärung, warum
überhaupt jemand an sie glauben sollte.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>(Dazu gleich mehr.) Wie seine Unbestimmtheit zeigt, beinhaltet
Supervenienz eine noch schwächere Behauptung als die
Token-Token-Reduktion.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Allerdings wurde
in den letzten Jahren viel über "<i>grounding</i>" diskutiert, das,
wie Cartwright anmerkt, stärker ist als Supervenienz.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die Idee ist, dass alle Tatsachen in den
Tatsachen "geerdet" sind, die auf der Ebene der Physik beschrieben
werden, in dem Sinne, dass alles, was auf den höheren Ebenen geschieht, auf das
zurückzuführen ist, was auf der niedrigeren, physikalischen Ebene
geschieht.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Aber auch hier stellt sich
die Frage, warum dies der Fall sein soll.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Grundloses Grounding<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Für die Behauptung, dass alles auf der von der Physik
beschriebenen Ebene abläuft, gibt es laut Cartwright drei grundlegende Gründe,
von denen keiner gut ausgearbeitet oder überzeugend ist.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Erstens gibt es einen Sprung von der
Tatsache, dass die von der Physik beschriebenen Merkmale auf niedrigerer Ebene
das Geschehen auf höherer Ebene beeinflussen, zu der Schlussfolgerung, dass
diese Merkmale an sich das Geschehen auf höherer Ebene vollständig bestimmen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Das ist einfach ein n<i>on sequitur.</i><o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Zweitens wird von der Annahme, dass in einer Handvoll von
Fällen erfolgreiche Reduktionen durchgeführt wurden, der Schluss gezogen, dass
der Reduktionismus generell wahr ist.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Aber auch dies ist ein <i>non sequitur</i> (und obendrein ist die
Prämisse fragwürdig).<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Drittens wird
behauptet, dass der physikalische Reduktionismus in der Tat die in der
Wissenschaft angewandte Methode ist.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Doch dies, so Cartwright, entspricht einfach nicht den Tatsachen der
tatsächlichen wissenschaftlichen Praxis.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">"Erdende" Darstellungen der Reduktion gehen davon
aus, dass die von der Physik beschriebene Ebene die einzige Ursache für das
ist, was auf den höheren Ebenen geschieht, und dass sie selbst in keiner Weise
durch das verursacht wird, was auf den höheren Ebenen geschieht.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Auch diese Behauptungen, argumentiert
Cartwright, werden durch die tatsächliche wissenschaftliche Praxis nicht
gestützt.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Dabei beruft sie sich zum Teil auf neuere Arbeiten in der
Philosophie der Chemie, in denen zwei allgemeine Argumentationslinien gegen die
Reduktion entwickelt wurden.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die erste
und ehrgeizigere Argumentationslinie besagt, dass die Chemie als Disziplin auf
klassifikatorischen und methodologischen Annahmen beruht, die einfach <i>sui
generis</i> sind und die Merkmale der Welt, die sie aufdeckt, nicht auf die der
Physik reduzierbar machen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Der zweite
schließt Reduktionen nicht von vornherein aus, sondern argumentiert von Fall zu
Fall, dass angebliche Reduktionen in der Tat nicht erfolgreich durchgeführt
worden sind.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>(Ich bespreche diese Arbeit
in der Philosophie der Chemie auf S. 330-40 von Aristotle’s Revenge).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Aber es ist nicht nur so, dass die Chemie und andere höhere
Wissenschaften letztendlich nicht "nur Physik" sind.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wie Cartwright betont, "ist auch die
Physik nicht nur Physik".<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Zum einen
umfasst "Physik" eine Reihe von Zweigen, Theorien und Praktiken, die
sich nicht alle auf die grundlegendsten Theorien reduzieren lassen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Zum anderen sind selbst die grundlegenden
Theorien nicht vollständig miteinander vereinbar, wobei die berüchtigte
Unvereinbarkeit zwischen der Quantenmechanik und der allgemeinen Relativitätstheorie
ein langjähriges und immer noch ungelöstes Problem darstellt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Sie fügt hinzu:<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><i>Der dritte und für mich wichtigste Punkt ist, dass die
Physik in der realen Wissenschaft über reale Systeme in der realen Welt für
Vorhersagen und Erklärungen selbst der reinsten physikalischen Ergebnisse mit
einer bunten Ansammlung von anderem Wissen aus anderen Wissenschaften, Technik,
Wirtschaft und dem praktischen Leben zusammenarbeiten muss.</i> (p. 110)<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Cartwright beschreibt dann ausführlich das Stanford Gravity
Probe B Projekt als ein Beispiel für die enorme Menge an theoretischem Wissen
und praktischem Know-how, die notwendig sind, um eine abstrakte physikalische
Theorie anzuwenden und zu testen, die aber selbst nicht auf eine solche Theorie
reduziert werden kann.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Dies
rekapituliert ein langjähriges Thema in Cartwrights jahrzehntelanger Arbeit,
nämlich dass die mathematischen Modelle und Gesetze der Physik idealisierte und
vereinfachte Abstraktionen von der konkreten physikalischen Realität sind und
selbst keine konkrete physikalische Realität darstellen oder erfassen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Kurzum, der Reduktionismus, so Cartwright, ist schlecht
definiert und schlecht argumentiert.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Sein anhaltendes Prestige ist unverdient. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ich habe Cartwrights Argumente hier im Wesentlichen nur
zusammengefasst, da ich mit ihnen sympathisiere und sie die Argumente ergänzen,
die ich in <i>Aristotle’s Revenge</i> entwickelt habe.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Sie liefern uns jedoch nur ihre Argumente
gegen die Ansichten, die sie ablehnt, und nicht die positive Darstellung, die
sie an deren Stelle setzen würde und die später im Buch beschrieben wird.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Mehr dazu in einem späteren Beitrag.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Quelle: <a href="http://EdwardFeser.blogspot.com">EdwardFeser.blogspot.com </a></span><o:p></o:p></p>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-26509387967988105292023-11-06T11:39:00.000+01:002023-11-06T11:39:02.363+01:00Ein wenig Logik ist eine gefährliche Sache<p><span style="font-family: helvetica;"></span></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><span style="font-family: helvetica;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh-IdTi-atcYdEw_cu3l3x1sqiWlPtLAzcIXKg-GUNlp3AXWkuKjMKq_HkxVqSFDVwbXG3VIagrgOeIUc6926SJLnz4KKkMToHsofBE5iGNE4OWNdt5AS7ce_V9jaq7NMRnzMybq26WXysab5WDOrFGPkectGm7Jqo1c6kj0Flt5VH6I-TzwWq_10iP9m9n/s198/009.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="165" data-original-width="198" height="165" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh-IdTi-atcYdEw_cu3l3x1sqiWlPtLAzcIXKg-GUNlp3AXWkuKjMKq_HkxVqSFDVwbXG3VIagrgOeIUc6926SJLnz4KKkMToHsofBE5iGNE4OWNdt5AS7ce_V9jaq7NMRnzMybq26WXysab5WDOrFGPkectGm7Jqo1c6kj0Flt5VH6I-TzwWq_10iP9m9n/s1600/009.jpg" width="198" /></a></span></div><span style="font-family: helvetica;"><br />Einige berühmte und schöne Zeilen aus Alexander Pope's
"An Essay on Criticism" in denen er beobachtet:</span><p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein wenig Lernen ist eine gefährliche Sache;<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Trinke tief, sonst schmeckst du die pieridische Quelle
nicht.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Dort berauschen seichte Schlucke das Gehirn,<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Und das Trinken macht uns weitgehend wieder nüchtern.<o:p></o:p></span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Denken Sie an den Menschen, der ein Buch über ein Thema gelesen hat und plötzlich glaubt, alles zu wissen.</span><span style="font-family: helvetica;"> </span><span style="font-family: helvetica;">Oder an den Anfänger in der Philosophie, der nach einer oberflächlichen Begegnung mit skeptischen Argumenten leugnet, dass wir irgendetwas wissen können.</span><span style="font-family: helvetica;"> </span><span style="font-family: helvetica;">Eine tiefer gehende Untersuchung würde in jedem Fall zu einem ausgewogeneren Urteil führen, wenn sie denn durchgeführt würde.</span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> <span></span></span></o:p></p><a name='more'></a><p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ähnliche Kompetenzwahnvorstellungen plagen oft diejenigen,
die ein wenig Logik studiert haben.</span><span style="font-family: helvetica;"> </span><span style="font-family: helvetica;">An
anderer Stelle habe ich über die falsche Strenge gesprochen, die oft mit der
Anwendung formaler Methoden verbunden ist.</span><span style="font-family: helvetica;">
</span><span style="font-family: helvetica;">Hier geht es mir jedoch um den Missbrauch eines elementareren Teils der
Logik - das Studium der Trugschlüsse (d. h. der üblichen Denkfehler).</span></p><p class="MsoNormal">
</p><p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Der Grundsatz der
Nächstenliebe<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Wenn Logikstudenten zum ersten Mal die Trugschlüsse lernen,
denken sie oft, dass sie sie überall erkennen können - genauer gesagt, überall
in den Argumenten von Leuten, mit deren politischen oder religiösen Ansichten
sie nicht übereinstimmen, aber nicht so sehr in den Argumenten von Leuten auf
ihrer eigenen Seite.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>(Wie stehen die
Chancen?) Ein guter Lehrer wird sie darauf hinweisen, dass die Kenntnis der
Trugschlüsse in Verbindung mit dem so genannten "Prinzip der
Nächstenliebe" angewendet werden muss.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Dieses Prinzip besagt, dass wir, wenn ein Argument, das als Trugschluss
interpretiert werden könnte, auch auf eine andere Weise plausibel interpretiert
werden kann, davon ausgehen sollten, dass die letztere Interpretation die
richtige ist.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Bei diesem Grundsatz geht es nicht nur oder auch nur
hauptsächlich darum, nett zu sein.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es
geht vielmehr darum, dass es beim Studium der Logik letztlich um die Suche nach
der Wahrheit geht und nicht darum, eine Debatte zu gewinnen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wenn wir ein Argument zu schnell abtun, weil
wir eine wohlwollendere Interpretation nicht in Betracht gezogen haben, könnten
wir eine wichtige Wahrheit verpassen – vielleicht eine Wahrheit, die wir nur
ungern lernen wollen, gerade weil sie von jemandem kommt, den wir nicht mögen. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Aber es ist nicht nur ein Versagen bei der Anwendung des
Prinzips der Nächstenliebe, das dazu führen kann, dass jemand einen anderen
fälschlicherweise eines Trugschlusses bezichtigt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Manchmal verstehen die Menschen die Natur
eines bestimmten Fehlschlusses einfach nicht richtig. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Ad hominem?<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Betrachten wir einige gängige Beispiele, beginnend mit dem
Ad-hominem-Fehlschluss.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Bei der
Bewertung eines Arguments kommt es darauf an, ob die Prämissen wahr sind und ob
die Schlussfolgerung wirklich aus den Prämissen folgt, entweder mit deduktiver
Gültigkeit oder zumindest mit erheblicher Wahrscheinlichkeit.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Und das ist alles, was logisch gesehen
zählt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Der Charakter der Person, die das
Argument vorbringt, ist dabei völlig unerheblich.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Ad-hominem-Fehlschlüsse sind Fehlschlüsse,
die diese Tatsache vernachlässigen – die vorgeben, dass man durch einen Angriff
auf eine Person das Argument dieser Person oder die Wahrheit einer Behauptung,
die sie aufgestellt hat, in Zweifel gezogen hat.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie dies geschehen
kann.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die gröbste Art ist der
beleidigende ad hominem-Fehlschluss, bei dem man, anstatt sich mit den Vorzügen
eines Arguments der Person zu befassen, diese einfach beschimpft -
"Rassist", "Faschist", "Kommunist" oder was auch
immer - und so tut, als würde man seine Aussage anzweifeln, wenn man ihm ein
solches Etikett anheftet.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Eine weitere
gängige Variante des Ad-hominem-Fehlschlusses ist der umstandsbedingte
Ad-hominem-Fehlschluss oder der Appell an das Motiv, bei dem man der Person ein
verdächtiges Motiv zuschreibt und so tut, als ob dies die Aussagen der Person
in Zweifel ziehen würde.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Das ist
natürlich nicht der Fall.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Ein gutes
Argument bleibt ein gutes Argument, egal wie schlecht die Motive (oder
angeblichen Motive) desjenigen sind, der es vorbringt, und ein schlechtes
Argument bleibt ein schlechtes Argument, egal wie gut die Motive desjenigen
sind, der es vorbringt.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass es an sich kein
Fehlschluss ist, jemanden zu beschimpfen, ihm schlechte Motive zu unterstellen
oder auf andere Weise eine Person oder ihren Charakter anzugreifen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es handelt sich nur dann um einen
Trugschluss, wenn es konkret um die Begründetheit einer Behauptung oder eines
Arguments geht, das er vorgebracht hat, und Sie, anstatt darauf einzugehen, das
Thema wechseln und die Person angreifen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Aber natürlich gibt es auch andere Kontexte, in denen es um
die Person oder ihren Charakter geht und nicht um ein Argument, das diese
vorgebracht hat.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wenn zum Beispiel eine
Jury versucht festzustellen, ob die Zeugenaussage einer Person zuverlässig ist,
begeht ein Anwalt keinen Ad-hominem-Fehlschluss, wenn er darauf hinweist, dass
der Zeuge in der Vergangenheit bei Lügen ertappt wurde oder dafür bekannt ist,
dass er einen persönlichen Groll gegen die Person hegt, gegen die er
aussagt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Oder wenn Sie entscheiden, ob
Sie einem Gebrauchtwagenverkäufer Glauben schenken sollen, machen Sie sich
nicht eines Ad-hominem-Fehlschlusses schuldig, wenn Sie in Betracht ziehen,
dass sein Motiv, Ihnen ein Auto zu verkaufen, den Rat, den er Ihnen gibt,
beeinflussen könnte.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Auch in solchen
Fällen geht es nicht um ein Argument der Person, das völlig unabhängig von ihr
betrachtet werden könnte.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Vielmehr geht
es um die <i>Glaubwürdigkeit</i> der Person selbst. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Oder nehmen wir an, Sie nennen jemanden einen
"Idioten", weil er sich wie ein Idiot verhält.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Darin liegt kein Trugschluss.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es ist auch dann kein Trugschluss, wenn er sich
nicht wie ein Idiot verhält, sondern Sie nur schlechte Laune haben.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Beschimpfungen mögen im einen Fall
gerechtfertigt und im anderen ungerechtfertigt sein, aber es ist kein
Trugschluss, wenn der Kontext nicht einer ist, in dem es um die Stichhaltigkeit
eines von ihm vorgebrachten Arguments geht, und davon lenken Sie ab.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Besonders häufig wird der Fehler begangen, Angriffe auf eine
Person mit dem Ad-hominem-Fehlschluss zu verwechseln, wenn der Kontext eine
Debatte oder ein öffentlicher Austausch anderer Art ist – bei dem natürlich
eine oder beide Seiten Argumente vorbringen können.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Angenommen, Person A und Person B führen
einen öffentlichen Disput (in einem Blog, auf Twitter oder wo auch immer).<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Angenommen, Person A geht auf die Argumente
von Person B ein, aber Person B weigert sich, in gleicher Weise zu antworten,
und greift stattdessen zu Ad-hominem-Angriffen, Spott oder wechselt das Thema.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Nehmen wir an, dass Person A, entsetzt über
dieses Verhalten, die Aufmerksamkeit auf die persönlichen Schwächen von Person
B lenkt – indem sie Person B als intellektuell unehrlich, als Sophist, als
Possenreißer oder ähnliches bezeichnet.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Und nehmen wir an, dass Person B daraufhin Einspruch erhebt und Person A
vorwirft, einen Ad-hominem-Fehlschluss zu begehen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ist Person A eines solchen Fehlschlusses schuldig?<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Nein, natürlich nicht.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Er hat Person B nicht angegriffen, um zu
vermeiden, auf die Behauptungen oder Argumente von Person B einzugehen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Im Gegenteil, er hat sich mit diesen
Behauptungen und Argumenten auseinandergesetzt.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Seine negative Einschätzung des Charakters von Person B ist ein anderer
Punkt, und zwar ein richtiger.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Person B –
sei es aus Ahnungslosigkeit oder aus zynischem Kalkül – macht aus der falschen
Anschuldigung, dass Person A sich eines ad hominem-Fehlschlusses schuldig
gemacht hat, einen Deckmantel, um die Tatsache zu verbergen, dass es in
Wirklichkeit Person B selbst ist, der sich dessen schuldig macht.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">In dem soeben beschriebenen Fall wird eine Person
beschuldigt, einen Ad-hominem-Fehlschluss zu begehen, obwohl sie dies in
Wirklichkeit nicht tut.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es kann aber
auch vorkommen, dass eine Person vorgibt (oder vielleicht sogar aufrichtig
glaubt), dass sie keinen Ad-hominem-Fehlschluss begeht, obwohl sie dies
tatsächlich tut.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Um mein Beispiel etwas
abzuwandeln: Nehmen wir an, Person A und Person B sind in einen öffentlichen
Streit verwickelt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Angenommen, Person B
geht nie auf die Argumente von Person A ein, sondern wirft einfach wiederholt
mit Schimpfwörtern um sich, stellt seine Motive in Frage usw., um die
Glaubwürdigkeit von Person A bei seinen Lesern zu untergraben.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Angenommen, Person A beschuldigt Person B der
"ad hominem Fehlschlüsse", und Person B antwortet: "Ich habe
keinen solchen Trugschluss begangen!<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die
Verwendung von Schimpfwörtern ist ja nicht per se ein Trugschluss.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es ist nur ein Trugschluss, wenn man auf ein
Argument eingeht, und ich bin nicht auf Ihre Argumente eingegangen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Ich sage den Leuten nur, was für ein
furchtbarer Mensch Sie sind.“<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ist Person B in diesem Fall also unschuldig an einem
Ad-hominem-Fehlschluss?<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Ganz und gar
nicht.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Er hat diesen Trugschluss zwar
nicht direkt, aber doch indirekt begangen.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Zwar hat er es vermieden, auf ein bestimmtes Argument von Person A
einzugehen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Er hat also keinen
Ad-hominem-Fehlschluss begangen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Gleichzeitig
hat er aber versucht, die Leser durch Ad-hominem-Beschimpfungen davon
abzuhalten, die von Person A vorgebrachten Argumente ernst zu nehmen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Er hat also ganz allgemein eine falsche ad
hominem-Taktik angewandt.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die Quintessenz ist folgende.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Greift ein Redner zu
Ad-hominem-Beschimpfungen, um zu vermeiden, dass er auf eine Behauptung oder
ein Argument einer anderen Person eingehen muss?<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wenn ja, macht er sich eines
Ad-hominem-Fehlschlusses schuldig.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wenn
nicht, dann ist er eines solchen Fehlschlusses nicht schuldig (ob seine
Beschimpfungen aus einem anderen Grund nicht zu rechtfertigen sind, ist eine
andere Frage).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Appell an die
Gefühle?<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein Appell an die Emotionen wird begangen, wenn man nicht
versucht, den Zuhörer von einer bestimmten Schlussfolgerung zu überzeugen,
indem man Gründe anführt, die diese Schlussfolgerung tatsächlich logisch
stützen, sondern wenn man mit den Emotionen des Zuhörers spielt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die Stärke der emotionalen Reaktion lässt die
Schlussfolgerung als gut gestützt erscheinen, obwohl die Prämissen in
Wirklichkeit keine überzeugenden Gründe für ihre Annahme liefern.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">An dieser Stelle ist es jedoch wichtig zu betonen, dass das
Vorhandensein einer emotionalen Reaktion ein Argument nicht per se falsch
macht, auch dann nicht, wenn der Sprecher eine solche Reaktion voraussieht und
sie sogar beabsichtigt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Nehmen wir zur
Veranschaulichung ein künstliches Beispiel: Nehmen wir an, ein Anhänger von
Sokrates, der gerade das tödliche Urteil gehört hat, möchte verzweifelt
glauben, dass sein Held Sokrates irgendwie nie sterben wird.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Sie hoffen, ihn auf den Boden der Tatsachen
zurückholen zu können, und präsentieren ihm das folgende Argument:<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Alle Menschen sind sterblich<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Sokrates ist ein Mensch<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Deshalb ist Sokrates sterblich<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Er denkt über diese Argumentation nach, seufzt schwer und
findet sich mit der kalten, harten Wahrheit ab.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Das Argument weckt in ihm tiefe Emotionen, das wussten Sie.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Aber haben Sie sich eines Fehlschlusses
schuldig gemacht, indem Sie an die Gefühle appellierten?<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Offensichtlich nicht.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Das Argument ist nicht weniger stichhaltig,
als wenn es jemand ohne jegliche emotionale Reaktion gehört hätte.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Dennoch, so könnte man meinen, liegt hier kein Trugschluss
vor, weil die fraglichen Emotionen nicht dazu führen, dass die Person die
Schlussfolgerung glauben will.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Ganz im
Gegenteil.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Aber nehmen wir an, die
fraglichen Gefühle wären von dieser Art.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Nehmen wir zum Beispiel an, einer der Feinde von Sokrates fürchtete,
dass der Schierlingsbecher ihn nicht töten würde, und machte sich Sorgen, dass
Sokrates vielleicht unsterblich sei und ihn nie wieder loswerden könnte.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Nehmen wir an, Sie legen ihm dasselbe
Argument vor, das Sie gerade genannt haben.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Er ist beruhigt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Aber haben Sie
sich in diesem Fall auf ein falsches Gefühl berufen?<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Nein. Auch hier bleibt das Argument genauso stichhaltig, wie
es wäre, wenn eine emotionslose Person, der Sokrates völlig egal ist, es gehört
hätte.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Was aber, wenn Sie nicht nur
wissen, dass die Person über die Schlussfolgerung erfreut sein wird, sondern
auch beabsichtigen, dass sie darüber erfreut ist?<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Was ist, wenn Sie hoffen, dass seine positive
emotionale Reaktion auf das Argument ihn eher dazu bringt, es zu akzeptieren?<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wäre das nicht ein falscher Appell an die
Gefühle?<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Nein, das wäre es nicht.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Denn unterm Strich sind die Prämissen eindeutig wahr, und die
Schlussfolgerung folgt eindeutig gültig aus ihnen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein
einer emotionalen Reaktion, welcher Art auch immer, ändert daran nicht das
Geringste.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es gibt also keinen
Trugschluss des Appells an das Gefühl.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Ein solcher Trugschluss wird nur dann begangen, wenn es eine logische
Lücke in der Unterstützung der Prämissen für die Schlussfolgerung gibt, die
durch die emotionale Reaktion gefüllt werden soll.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Eine solche Lücke gibt es aber nicht – und
damit auch keinen Fehlschluss.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">In der Tat kann eine emotionale Reaktion in manchen Fällen
eine Person dazu bringen, rationaler zu handeln, anstatt weniger rational.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Im zweiten Beispiel ist die Angst der Person,
dass Sokrates unsterblich sein könnte, unvernünftig.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Er lässt sich von seiner Angst vor dem
Einfluss von Sokrates in Athen überwältigen, was ihn zu paranoiden
Wahnvorstellungen verleitet.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Das
Argument, das Sie ihm geben, lenkt seine Aufmerksamkeit von diesen paranoiden
Gefühlen weg und zurück zur Realität, gerade weil es ihm gefällt.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Auch hier ist das Beispiel zugegebenermaßen künstlich.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Aber es gibt viele Themen, die
realistischerweise mit schweren Emotionen behaftet sind, was aber nicht
bedeutet, dass Argumente, die mit ihnen zu tun haben, dem Trugschluss des
Appells an die Emotionen unterliegen müssen.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Fragen von Leben und Tod - Krieg, Abtreibung, Todesstrafe und
dergleichen – sind solche Themen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Ganz
gleich, welche Schlussfolgerungen Sie ziehen und auf welche Prämissen Sie sich
berufen, sie werden bei Ihren Zuhörern zwangsläufig emotionale Reaktionen
auslösen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Das bedeutet aber nicht, dass
Sie sich des Fehlschlusses eines Appells an die Emotionen schuldig machen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die Quintessenz ist die folgende.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Sind die Prämissen des Arguments wahr?<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Liefern sie tatsächlich eine logische
Unterstützung für die Schlussfolgerung (ob deduktive Gültigkeit oder induktive
Stärke)?<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Dann macht sich das Argument
nicht des Fehlschlusses eines Appells an die Emotionen schuldig, unabhängig
davon, ob es beim Zuhörer eine emotionale Reaktion hervorruft oder nicht, und
unabhängig davon, wie diese Reaktion ausfällt.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Slippery Slope?<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein dritter Trugschluss, der weithin missverstanden wird,
ist der "Slippery Slope"-Trugschluss.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Jemand begeht diesen Trugschluss, wenn er behauptet, dass eine bestimmte
Ansicht oder Politik zu katastrophalen Folgen führen wird, ohne jedoch
angemessene Belege für dieses Urteil zu liefern.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Dies ist ein Beispiel für den allgemeineren
Fehler, voreilige Schlüsse zu ziehen oder Schlussfolgerungen zu ziehen, die
weit über das hinausgehen, was die angeführten Beweise belegen würden.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Nehmen wir zum Beispiel an, jemand kritisiert eine
vorgeschlagene kleine Steuererhöhung mit der Behauptung, dass sie unweigerlich
zu einer radikalen egalitären Umverteilung des Wohlstands führen würde.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es ist schwer vorstellbar, wie dies nicht als
Fehlschluss gewertet werden könnte.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Gibt
es einen logischen Zusammenhang zwischen einer geringfügigen Steuererhöhung und
einer radikalen Angleichung der Vermögensverteilung durch Umverteilung?<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Nein, und es ist nicht schwer, Grundsätze zu
formulieren, die sowohl eine gewisse Besteuerung zulassen als auch eine
radikale Umverteilung ausschließen.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Besteht dennoch ein enger kausaler Zusammenhang zwischen einer leichten
Steuererhöhung und einer radikalen Umverteilung des Reichtums?<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Offensichtlich nicht, denn in der Geschichte
gab es viele Fälle, in denen die Steuern erhöht wurden, ohne dass es zu einer
radikalen Umverteilung des Reichtums gekommen wäre.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Das Problem ist hier jedoch nicht, dass das Argument
behauptet, dass dies schlechte Folgen haben würde.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Das Problem ist, dass das Argument diese
Behauptung nicht untermauert.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Dies wird
häufig von Leuten übersehen, die andere des "Slippery
Slope"-Fehlschlusses beschuldigen.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Sie scheinen zu glauben, dass jede Behauptung, dass eine bestimmte
Sichtweise oder eine bestimmte Politik schlimme Konsequenzen nach sich ziehen
wird, einem Slippery Slope Trugschluss gleichkommt.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">In der Tat gibt es keinen Trugschluss, solange jemand genau
erklärt, wie die schlechten Folgen zustande kommen sollen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wenn Sie zeigen können, dass A logisch Z nach
sich zieht oder dass es dies tut, wenn es mit einigen anderen eindeutig wahren
Annahmen verbunden ist, dann haben Sie keinen Trugschluss begangen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Oder wenn Sie einen bestimmten kausalen
Mechanismus aufzeigen können, durch den A zu Z führt, dann haben Sie keinen glatten
Fehlschluss begangen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Sie begehen einen
solchen Trugschluss nur, wenn Sie von A zu Z springen, ohne die Lücke
dazwischen auszufüllen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Was ist, wenn Sie mit der Behauptung, dass A logisch Z nach
sich zieht, oder mit dem kausalen Mechanismus, der sie angeblich verbindet,
falsch liegen?<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Sie machen sich dann
immer noch nicht des Trugschlusses des Slippery Slope schuldig.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es stimmt, dass Sie sich irren und vielleicht
einen anderen logischen Fehler begangen haben.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Aber Sie haben sich nicht des Irrtums des Slippery Slope schuldig
gemacht, wenn Sie zumindest einige spezifische Mittel vorschlagen, durch die A
zu Z führen würde.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Es gibt noch weitere Trugschlüsse, die oft missverstanden
werden, aber das reicht aus, um den Punkt zu verdeutlichen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die Kenntnis der Trugschlüsse ist für eine
gute Argumentation unerlässlich, aber sie ist von begrenztem Wert, wenn es sich
nur um oberflächliches Wissen handelt, und kann in diesem Fall sogar eine
sorgfältige Argumentation behindern.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es
kann dazu führen, dass man Trugschlüsse dort sieht, wo es sie nicht gibt, und
so von der Wahrheit weg- statt zu ihr hinführt.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Und wenn die Kenntnis von Irrtümern lediglich als weiteres rhetorisches
Mittel eingesetzt wird, um den Gegner schlecht aussehen zu lassen, ist das eher
Sophisterei als die Beseitigung von Sophisterei.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><br /></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><b>Quelle: <a href="http://edwardfeser.blogspot.com/2023/10/a-little-logic-is-dangerous-thing.html" target="_blank">Edward Feser Blogspot</a></b></span></p><br /><p></p>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-17932439703160622052023-08-08T14:22:00.004+02:002023-08-08T14:24:26.602+02:00Das Laster der Unempfindlichkeit<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgQ8atVllm4wYPqzbxCLt87LvNxhsPv8BYPvnM72wrCyIAWfrZ1wUQuRZlQgLosLQ9Fq_PkHDR0jEr8jqzqLmw3HVdFMUjwlDpnLjZ8XRY1uuRqp_ZOWe7agleRs6eHRxb7TUV940PnQKnHYZKTwGyVAMTAKvVEw1TAYivz8j82y43hUWwsayt-E4jwzckv/s264/056.jpg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="264" data-original-width="205" height="264" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgQ8atVllm4wYPqzbxCLt87LvNxhsPv8BYPvnM72wrCyIAWfrZ1wUQuRZlQgLosLQ9Fq_PkHDR0jEr8jqzqLmw3HVdFMUjwlDpnLjZ8XRY1uuRqp_ZOWe7agleRs6eHRxb7TUV940PnQKnHYZKTwGyVAMTAKvVEw1TAYivz8j82y43hUWwsayt-E4jwzckv/s1600/056.jpg" width="205" /></a></div><br /><span style="font-family: helvetica;"> Mäßigung ist die Tugend, die den Genuss von Sinnesfreuden
regelt. Insbesondere "bezieht sich
die Mäßigung auf die Genüsse des Essens und Trinkens und auf die sexuellen
Genüsse", wie Thomas von Aquin sagt.
Diese Genüsse spiegeln unsere leibliche Natur wider (weshalb Engel im
Gegensatz zu uns weder die Tugend der Mäßigung brauchen noch die ihr
entgegengesetzten Laster aufweisen).
Insbesondere spiegeln sie unser Bedürfnis nach Selbsterhaltung und nach
Erhaltung der Art wider. Essen und
Trinken dienen der Befriedigung des ersten Bedürfnisses, Sexualität der
Befriedigung des zweiten. </span><p></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<span><span style="font-family: helvetica;"><a name='more'></a></span></span><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><br /></span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die Freuden, die mit diesen Aktivitäten verbunden sind,
existieren wiederum, damit wir uns dazu hingezogen fühlen, sie
auszuführen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Und Mäßigung ist
erforderlich, damit die Vergnügungen diese motivierende Aufgabe erfolgreich
erfüllen können.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Kurz gesagt, Mäßigung
existiert, damit wir uns zu den richtigen Arten von Sinnesfreuden und im
richtigen Ausmaß hingezogen fühlen; diese Freuden existieren, um Essen, Trinken
und Geschlechtsverkehr zur richtigen Zeit und auf die richtige Weise zu
fördern; und diese Handlungen existieren wiederum, damit das Individuum und die
Spezies fortbestehen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Es versteht sich von selbst, dass es sehr häufig vorkommt,
dass Menschen diese Vergnügungen zu häufig, zur falschen Zeit oder auf die
falsche Weise suchen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Dabei zeigen sie
das Laster der Unmäßigkeit oder Zügellosigkeit.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Aber die meisten Tugenden sind Mittelwerte zwischen den Extremen, einem
Übermaß und einem Mangel.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Und das ist
auch in diesem Fall so.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die Unmäßigkeit
ist das Laster des Übermaßes, wenn es um die Sinneslust geht.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Das Laster des Mangels in diesem Bereich – zu
wenig bereit zu sein, nach Sinnesfreuden zu suchen – wird als Unempfindlichkeit
bezeichnet.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Da die Unmäßigkeit das
weitaus häufigere Laster ist, vor allem in der heutigen Zeit, wird die
Unempfindlichkeit selten diskutiert.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Aber gerade weil die Unmäßigkeit häufiger vorkommt, ist es wichtig, die
Unempfindlichkeit zu verstehen, weil diejenigen, die zu Recht darauf bedacht
sind, das erste Laster zu vermeiden, manchmal überreagieren und in das zweite
fallen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Thomas von Aquin fasst den Grund, warum Unempfindlichkeit
ein Laster ist, wie folgt zusammen:<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><i>Alles, was der natürlichen Ordnung zuwiderläuft, ist
lasterhaft.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Nun hat die Natur in die für
das Leben des Menschen notwendigen Vorgänge die Lust eingeführt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Daher verlangt die natürliche Ordnung, dass
der Mensch von diesen Vergnügungen Gebrauch macht, soweit sie für das
Wohlergehen des Menschen notwendig sind, sei es für die Erhaltung des
Individuums oder der Art.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wer also das
Vergnügen so weit ablehnt, dass er Dinge unterlässt, die für die Erhaltung der
Natur notwendig sind, der sündigt, weil er der Ordnung der Natur
zuwiderhandelt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Und dies betrifft das
Laster der Unempfindlichkeit.</i><span style="mso-spacerun: yes;"> </span>(Summa
Theologiae II-II.142.1)<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Daher sei es ein Irrtum zu glauben, dass die völlige
Vermeidung von Vergnügen ein guter Weg sei, um die Sünde zu vermeiden.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Im Gegenteil: "Um die Sünde zu
vermeiden, muss man die Lust meiden, nicht ganz, aber so, dass man sie nicht
mehr sucht, als es die Notwendigkeit erfordert."<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Bedeutet dies nun, dass es immer und von Natur aus falsch
ist, eine bestimmte Art von Sinnesfreuden gänzlich zu vermeiden?<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Und was bedeutet es, dass eine Art von
Vergnügen "notwendig" ist?<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Lassen Sie uns diese Fragen der Reihe nach behandeln.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Zunächst räumt Thomas von Aquin ein, dass es
Fälle gibt, in denen es gut ist, Sinnesfreuden zu meiden.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>In demselben Artikel schreibt er:<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><i><span style="font-family: helvetica;">Es ist jedoch zu beachten, dass es manchmal lobenswert
und sogar notwendig ist, um eines Zwecks willen, sich solcher Genüsse zu
enthalten, die aus diesen Vorgängen resultieren.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>So verzichten manche um der Gesundheit des
Körpers willen auf die Freuden des Essens, des Trinkens und des
Geschlechtsverkehrs, wie auch um bestimmter Verpflichtungen willen: So müssen
sich Athleten und Soldaten viele Freuden versagen, um ihre jeweiligen Pflichten
zu erfüllen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Ebenso müssen die Büßer, um
die Gesundheit der Seele wiederzuerlangen, auf die Enthaltsamkeit von
Vergnügungen als eine Art von Diät zurückgreifen, und diejenigen, die sich der
Betrachtung und den göttlichen Dingen hingeben wollen, müssen sich sehr von
fleischlichen Dingen fernhalten.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Auch
gehört nichts von alledem zum Laster der Unempfindlichkeit, denn es entspricht
der rechten Vernunft. <o:p></o:p></span></i></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">In ähnlicher Weise sagt Thomas von Aquin, dass der Verzicht
auf die Ehe (und damit auf die Lust am Sexualität) um des höheren Gutes der
völligen Hingabe an die Betrachtung Gottes willen nicht nur rechtmäßig, sondern
der Ehe überlegen ist. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">In jedem dieser Fälle wird jedoch auf die Sinneslust
verzichtet, um eine besondere Situation oder einen besonderen Zustand im Leben
zu erreichen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>In Ermangelung solcher
Umstände kann es lasterhaft sein, auf die fraglichen Vergnügungen zu
verzichten.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Nehmen wir zum Beispiel an,
jemand ist verheiratet und möchte um der völligen Hingabe an geistige Dinge
willen ganz auf Sexualität verzichten, aber sein Ehepartner hat dem nicht
zugestimmt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Dann wäre es, wie Thomas von
Aquin sagt, falsch, den Geschlechtsverkehr mit dem Ehepartner zu
verweigern.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Im typischen Fall ist das
sexuelle Vergnügen einfach ein normaler Teil des Ehelebens und sollte ebenso
wenig gemieden werden wie die Vergnügungen des Essens und Trinkens, die
ebenfalls ein normaler Teil des Lebens sind.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Wie verhält es sich nun mit der anderen Einschränkung, die Thomas
von Aquin macht: "Die Lust muss gemieden werden, nicht gänzlich, aber so,
dass sie nicht mehr gesucht wird, als es die Notwendigkeit
erfordert"?<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Manche Leser könnten
annehmen, dass er damit sagen will, dass wir uns den Vergnügungen hingeben
sollen, die sich einfach nicht vermeiden lassen (wie das minimale Vergnügen,
das jede normale Handlung wie Essen oder sexuelle Beziehungen begleitet), dass
wir aber jedes Vergnügen vermeiden sollen, das darüber hinausgeht.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Aber das ist nicht das, was er sagt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Um zu sehen, warum das so ist, sollten wir
uns zunächst ansehen, was er über die Art der mit Essen, Trinken und Sexualität
verbundenen Freuden sagt, und zwar im Zusammenhang mit der Verteidigung seiner
Ansicht, dass Sinnesfreuden in erster Linie mit dem Tastsinn zu tun haben.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Er räumt ein, dass es sekundäre Freuden gibt,
die mit diesen Aktivitäten verbunden sind und die andere Sinne betreffen:<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><i>Bei der Mäßigung geht es um die größten Vergnügungen, die
vor allem die Erhaltung des menschlichen Lebens betreffen, sei es in der Art
oder im Individuum.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Bei diesen Dingen
sind bestimmte Dinge als hauptsächlich und andere als zweitrangig zu
betrachten.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die Hauptsache ist der
Gebrauch der notwendigen Mittel selbst, der Frau, die für die Erhaltung der Art
notwendig ist, oder der Nahrung und des Getränks, die für die Erhaltung des
Individuums notwendig sind; während der Gebrauch dieser notwendigen Dinge
selbst ein gewisses wesentliches Vergnügen in sich birgt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>In Bezug auf den einen oder anderen Gebrauch
halten wir alles für zweitrangig, was den Gebrauch angenehmer macht, wie
Schönheit und Zierde bei der Frau und einen angenehmen Geschmack und Geruch bei
der Nahrung.</i> (Summa Theologiae II-II.141.5)<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Mit anderen Worten: Bei Speisen und Getränken gibt es neben
den absolut untrennbar mit ihnen verbundenen Freuden, die durch den Tastsinn
wahrgenommen werden (wie eine angenehme Konsistenz, Temperatur und
dergleichen), auch sekundäre Freuden des Geschmacks und des Geruchs.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Diese sind auch nicht irgendwie sinnlos,
denn, wie er weiter sagt, "sie machen die Nahrung angenehm zu essen,
insofern sie Zeichen dafür sind, dass sie zur Ernährung geeignet
sind".<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Auch wenn das Vergnügen des
Geschlechtsverkehrs in erster Linie den Tastsinn einbezieht, wird die Tätigkeit
"durch Schönheit und Zierde der Frau noch angenehmer gemacht", und
diese Freuden werden eher mit dem Sehen als mit dem Tastsinn in Verbindung
gebracht.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Nun wäre es absurd anzunehmen, dass Thomas von Aquin meint,
die Mäßigung erlaube nur den Genuss dessen, was im strengen Sinne "notwendig"
ist, d.h. absolut untrennbar mit Essen, Trinken und Sexualität verbunden ist -
dass es z.B. mäßig ist, die Beschaffenheit der Nahrung zu genießen, aber
unmäßig, ihren Geschmack oder Geruch zu genießen, und mäßig, das Gefühl des
Geschlechtsverkehrs zu genießen, aber unmäßig, sich an der Schönheit der Frau
zu erfreuen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Zum einen sind diese
Genüsse, auch wenn sie im Sinne von Thomas von Aquin "sekundär" sind,
offensichtlich ebenso natürlich mit Essen, Trinken und Sexualität verbunden wie
die Freuden der Berührung.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die Natur lässt
Lebensmittel aus demselben Grund gut schmecken und riechen, aus dem sie sich
gut anfühlen, nämlich um uns zum Essen zu bewegen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Und die Schönheit des weiblichen Körpers,
nicht weniger als die Freuden der Berührung, die mit dem Geschlechtsverkehr
verbunden sind, ist offensichtlich auch Teil der Art und Weise, wie die Natur
die Männer mit den Frauen zusammenbringt, damit sie Kinder bekommen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Zum anderen sagt Thomas von Aquin an anderer Stelle
ausdrücklich, dass die Mäßigung nicht nur den Genuss von Vergnügungen erlaubt,
die im strengen Sinne notwendig sind, sondern auch von solchen, die in einem
weniger strengen Sinne notwendig oder sogar überhaupt nicht notwendig sind:<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><i>Die Notwendigkeit des menschlichen Lebens kann auf
zweierlei Weise verstanden werden.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Erstens kann es in dem Sinne verstanden werden, in dem wir den Begriff
"notwendig" auf das anwenden, ohne das eine Sache überhaupt nicht
sein kann; so ist Nahrung für ein Tier notwendig.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Zweitens kann es als etwas verstanden werden,
ohne das eine Sache nicht angemessen sein kann.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Die Mäßigkeit betrifft aber nicht nur das erste dieser Bedürfnisse,
sondern auch das zweite.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Deshalb sagt
der Philosoph (Ethic. iii, 11): "Der gemäßigte Mensch begehrt angenehme
Dinge um der Gesundheit willen, oder um eines gesunden Zustandes des Körpers
willen."<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Andere Dinge, die für
diesen Zweck nicht notwendig sind, können in zwei Klassen eingeteilt
werden.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Denn manches hindert die Gesundheit
und den gesunden Zustand des Leibes; und davon macht die Mäßigkeit überhaupt
keinen Gebrauch, denn das wäre eine Sünde gegen die Mäßigkeit.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Andere aber sind diesen Dingen nicht
hinderlich, und diese gebraucht die Mäßigkeit mäßig, je nach den Erfordernissen
des Ortes und der Zeit und im Einklang mit denen, unter denen man wohnt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Daher sagt der Philosoph (Ethic. iii, 11),
dass der "mäßige Mensch auch andere angenehme Dinge begehrt", nämlich
solche, die nicht für die Gesundheit oder den gesunden Zustand des Körpers
notwendig sind, "sofern sie diesen Dingen nicht abträglich sind."</i>
(Summa Theologiae II-II.141.6)<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Sinnesfreuden können also für Thomas von Aquin in einem
relevanten Sinne "notwendig" sein, und zwar nicht nur dann, wenn sie
streng genommen unvermeidlich sind, damit Essen, Trinken und Sexualität
überhaupt existieren können, sondern auch dann, wenn sie in Bezug auf diese
Dinge einfach "im Werden" sind.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Und die Mäßigung erlaubt Vergnügungen, solange sie nicht
"hinderlich" oder "schädlich" für die Gesundheit und das Wohlbefinden
des Körpers sind, auch wenn sie nicht unbedingt notwendig sind.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Man muss lediglich die "Erfordernisse
des Ortes und der Zeit berücksichtigen und das, was mit denen, unter denen man
wohnt, in Einklang steht". <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Thomas von Aquin meint also nicht, dass die Mäßigung
verlangt, dass eine Mahlzeit oder sexuelle Beziehungen schnell und
geschäftsmäßig sein müssen, so dass jedes Vergnügen, das über das damit
verbundene Mindestmaß hinausgeht, auf Unmäßigkeit hinauslaufen würde.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Und das ist natürlich nur der gesunde
Menschenverstand.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es ist normal, dass
ein Mensch einfach weiter isst, trinkt oder Liebe macht, ohne sich Gedanken
darüber zu machen, ob er sich zu sehr daran erfreut.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Abgesehen von Fällen, in denen jemand
eindeutig ein gestörtes Verlangen hat (Alkoholismus, Hypersexualität oder
ähnliches), wäre es normalerweise neurotisch und geistig ungesund, sich über
solche Dinge aufzuregen - sich Sorgen zu machen, dass man sich der Sünde
schuldig gemacht hat, weil man eine zusätzliche Scheibe Speck gegessen oder seinen
Ehepartner leidenschaftlich geküsst hat, oder was auch immer.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Damit soll nicht bestritten werden, dass es auch ohne die
genannten Süchte ein Übermaß geben kann.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>So stellt Thomas von Aquin fest, dass eine Erscheinungsform des Lasters
der Völlerei bei denjenigen zu beobachten ist, die sich mit "zu schön
zubereiteten Speisen - d.h. 'zierlich' - beschäftigen."<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Ich würde vermuten, dass die Art von Dingen,
die er im Sinn hat, heute bei Menschen zu finden ist, die sich selbst als
"Feinschmecker" bezeichnen - die immer in einer peinlich
überschwänglichen Weise über Essen reden, endlos nach neuen kulinarischen
Abenteuern suchen, und so weiter.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>In
ähnlicher Weise können auch Menschen, die nicht unbedingt sexsüchtig sind, eine
ungesunde Vorliebe dafür entwickeln.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Wenn Essen, Trinken oder Sex nicht nur im Hintergrund des normalen
menschlichen Lebens stehen, sondern zu einer Fixierung werden, ist das ein
Hinweis darauf, dass jemand dem Hedonismus und damit dem Laster der Unmäßigkeit
verfallen ist.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Dann gibt es die Tatsache, dass man hin und wieder auf die
Freuden des Essens, Trinkens oder der Sexualität verzichten kann, nicht weil
ihr Genuss exzessiv oder in irgendeiner anderen Weise ungeordnet wäre, sondern
einfach im Geiste der Aufopferung - das heißt, nicht aus dem Urteil heraus,
dass sie schlecht sind, sondern eher aus dem Urteil heraus, dass sie gut sind,
es aber besser wäre, um eines höheren Ziels willen auf sie zu verzichten (um
Buße zu tun, Selbstdisziplin zu entwickeln oder was auch immer).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Wenn man jedoch weder eine solche gelegentliche Askese
betreibt noch zum Hedonismus neigt, dann wäre es, wie gesagt, neurotisch und
geistig ungesund, sich über die Kleinigkeiten des alltäglichen Essens, Trinkens
und der sexuellen Beziehungen in der Ehe aufzuregen - zu versuchen, subtile
Sünden bei sich selbst oder anderen in Bezug auf diese Dinge aufzuspüren.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Eine Person, die dazu neigt, solchen
Vergnügungen gegenüber übermäßig misstrauisch zu sein, wird oft als Sturkopf oder
"Spielverderber" bezeichnet, und ich würde behaupten, dass dieser
Charaktertyp eine Erscheinungsform des Lasters der Unempfindlichkeit ist.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Genauer gesagt handelt es sich um eine Art
von Unempfindlichkeit, die mit Skrupeln verwandt ist, der zwanghaften Tendenz,
Sünde zu sehen, wo sie nicht existiert.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Sie kann als Überreaktion auf das entgegengesetzte extreme Laster der
Zügellosigkeit entstehen, entweder bei einem selbst oder in der Gesellschaft um
einen herum.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Das ist jedoch nicht die einzige Ursache für das Laster der
Unempfindlichkeit.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Manche Menschen sind
einfach "kalte Fische", die Sinnesfreuden der einen oder anderen Art
nicht deshalb meiden, weil sie sie für sündhaft halten, sondern weil sie
einfach kein großes oder gar kein Interesse an ihnen haben.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Natürlich gibt es eine normale
Variationsbreite beim Appetit auf Essen, Trinken und Sex, genauso wie es
normale Variationsbreiten bei allen menschlichen Eigenschaften gibt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Aber so wie manche Menschen ein extrem
starkes Verlangen nach einem oder mehreren dieser Dinge haben und daher mehr
als andere Gefahr laufen, in Unmäßigkeit zu verfallen, so haben auch manche
Menschen ein extrem schwaches Verlangen und laufen mehr als andere Gefahr, in
Unempfindlichkeit zu verfallen. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Unabhängig von den psychologischen Faktoren, die der Unempfindlichkeit
eines Menschen zugrunde liegen, handelt es sich um ein echtes Laster und nicht
um eine bloße Variation des Temperaments, denn sie kann sowohl dem Menschen
selbst als auch den Menschen, mit denen er zusammenlebt, schaden.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>In seiner 1953 erschienenen Dissertation <i>The
Thomistic Concept of Pleasure</i> erklärt Charles Reutemann das Bedürfnis des
Menschen nach Vergnügen wie folgt:<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><i><span style="font-family: helvetica;">Die bewusste Unterdrückung der Lust ohne irgendeine Form
der Sublimierung kann sehr schädliche Auswirkungen haben, da dadurch eine
appetitive Tendenz in ihrer natürlichen Bewegung vereitelt wird.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Nicht nur die appetitive Bewegung würde
verkümmern, sondern der ganze Mensch würde in einen Zustand der Trauer und
Depression verfallen...<o:p></o:p></span></i></p>
<p class="MsoNormal"><i><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></i></p>
<p class="MsoNormal"><i><span style="font-family: helvetica;">Da die [intellektuellen] Aktivitäten ständig auf die
Dienste der Sinne zurückgreifen, muss es ein Ausruhen geben, um den damit
einhergehenden "Seelenschmerz" zu lindern.<o:p></o:p></span></i></p>
<p class="MsoNormal"><i><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></i></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><i>Wenn das Vergnügen als Heilmittel für den
"Seelenschmerz" notwendig ist, dann muss es noch notwendiger für den
Körper sein, da auch der "Seelenschmerz" reduktiv auf den Körper
zurückgeführt wird.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Der Körper verlangt
aus zwei Gründen nach Vergnügen: als Heilmittel gegen den Schmerz und als
Ansporn zu seiner eigenen Tätigkeit, die im Allgemeinen mühsam ist.</i> (p. 22)<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Und über die Notwendigkeit des Vergnügens für das
menschliche Sozialleben schreibt Reutemann:<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><i>Das Vergnügen trägt in hohem Maße dazu bei, harmonische
Beziehungen zwischen den Menschen herzustellen und zu erleichtern.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Denn so wie die Gesellschaft ihre Integrität
verlieren würde, wenn die Menschen einander nicht respektieren und die Wahrheit
offenbaren würden, so würde sie ihre innere Dynamik verlieren, wenn die Lust
nicht als "Schmiermittel" zur Erleichterung der zwischenmenschlichen
Beziehungen eingesetzt würde.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Das Schenken
von Vergnügen und das angenehme Zusammenleben mit dem Nächsten betrachtet der
heilige Thomas als eine Frage der natürlichen Gerechtigkeit.</i> (p.23)<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Reutemann denkt hier an das Vergnügen im Allgemeinen, aber
betrachten wir speziell das Vergnügen, das von der Mäßigung bestimmt wird.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Essen ist bei den Menschen nicht einfach nur
eine Nahrungsaufnahme, sondern das Einnehmen einer Mahlzeit, die in der Regel
ein gesellschaftlicher Anlass ist.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Auch
das Trinken ist etwas, das man am liebsten gemeinsam tut - in einer Bar, auf
einer Party, beim gemeinsamen Anschauen eines Spiels oder ähnlichem.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Allein essen oder trinken zu müssen, wird
gemeinhin als traurig empfunden.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Gemeinsam Brot zu brechen oder etwas zu trinken wird allgemein als
förderlich für den Frieden und die Verständigung zwischen Menschen angesehen,
die sonst vielleicht zerstritten wären.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>All dies zeigt, dass die Freuden des Essens und Trinkens in der Regel
geteilte Freuden sind, die umso intensiver sind, je mehr sie geteilt
werden.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wir erfreuen uns nicht nur an
der Mahlzeit, sondern auch daran, dass unsere Familie, Freunde oder Bekannten
sich ebenfalls daran erfreuen und es mit uns genießen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Essen und Trinken stärken somit die sozialen
Bindungen und alle Güter, die sich aus diesen Bindungen ergeben.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Ein Mensch, der sich aufgrund des Lasters der
Gefühllosigkeit nicht ausreichend zu solchen Vergnügungen hingezogen fühlt,
wird dadurch als soziales Sinneswesen weniger erfüllt sein - einsamer,
egozentrischer, weniger in der Lage, zu den sozialen Ordnungen, zu denen er
gehört, beizutragen oder von ihnen zu profitieren.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Auch das sexuelle Vergnügen ist, wenn es richtig geordnet
ist, von Natur aus sozial, da es die Funktion hat, die Ehepartner durch die
intensivste Art von Intimität und Zuneigung miteinander zu verbinden.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Das Laster der Gefühllosigkeit zeigt sich in
diesem Zusammenhang, wenn man entweder aus Stolz oder aus einer kalten
Veranlagung heraus seinem Ehepartner die sexuellen Beziehungen verweigert oder
nur widerwillig und ohne Begeisterung daran teilnimmt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die ungehobelte Ehefrau oder der ungehobelte
Ehemann können zu einer Atmosphäre beitragen, in der dieses Laster Wurzeln
schlagen kann.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wenn dies der Fall ist,
wird der Sex eher zu einer Quelle ehelicher Spannungen als von Freundschaft.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die Mäßigung in sexuellen Angelegenheiten ist als Tugend der
Keuschheit bekannt und ist ein großes Thema für sich.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es erübrigt sich zu erwähnen, dass für Thomas
von Aquin und die katholische Moraltheologie das Grundprinzip darin besteht,
dass Geschlechtsverkehr nur zwischen einem Mann und einer Frau, die miteinander
verheiratet sind, tugendhaft ist, und wenn er nicht auf empfängnisverhütende
Weise erfolgt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Innerhalb dieser Grenzen
gibt es viele Arten von Liebesbeziehungen, die mit der Keuschheit vereinbar
sind.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Ich habe die Einzelheiten in
meinem Aufsatz "<i>In Defense of the Perverted Faculty Argument</i>"
aus meinem Buch <i><a href="https://www.amazon.de/Neo-Scholastic-Essays-Edward-Feser/dp/1587315580/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=WHZ1B8Q15EZB&keywords=Neo-Scholastic+Essays&qid=1691497040&sprefix=neo-scholastic+essays+%2Caps%2C104&sr=8-1 " target="_blank">Neo-Scholastic Essays</a></i> dargelegt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Und ich habe noch viel mehr
über Sexualmoral in einer Reihe von anderen Artikeln und Blogbeiträgen gesagt,
zu denen ich hier<a href="https://edwardfeser.blogspot.com/2015/06/love-and-sex-roundup.html" target="_blank"> Links zusammengestellt</a> habe.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Wenn es um Fragen der Sexualmoral geht, haben thomistische
Naturrechtstheoretiker und katholische Moraltheologen viel über das Laster der
Unmäßigkeit in diesem Bereich zu sagen.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Das ist angesichts der extremen sexuellen Verderbtheit, die uns heute
umgibt, ganz natürlich und richtig.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die
Sünden der Ausschweifung im Zusammenhang mit der Sexualität sind bei weitem die
häufigsten und die, die der moderne Mensch am wenigsten kritisieren will.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Das ist jedoch nur ein Teil der Geschichte,
denn es gibt auch ein entgegengesetztes extremes Laster, auch wenn es weniger
verbreitet ist.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Das Glück der Ehe und
das Wohl der sozialen Ordnung, die davon abhängt, erfordern es, auch dieses
Laster zu vermeiden.</span><o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Quelle: <a href="http://edwardfeser.blogspot.com">edwardfeser.blogspot.com</a></span></p>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-17892950125970821652023-08-08T11:26:00.003+02:002023-08-08T11:26:51.194+02:00Stove und Searle über die rhetorische Subversion des gesunden Menschenverstands<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgG3FmwCuhxaRlNTQLkYcoApnw1y6FBC6WRvCtwo4t6XKtZnfQf_hqPIOMzmoAkgVH9NUYwVXnof-dYtcMxVI7wEqDZFmew-iT0ntkFlUxaTcCYmpFE8thbtI3_OZFq0-BQJ0uTuz9wJEiwS6kpQ-xBFpHF0nZ3E5HeMuBjnvauPL0r0hQzWkE5hfllBRqV/s233/078.JPG" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="163" data-original-width="233" height="163" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgG3FmwCuhxaRlNTQLkYcoApnw1y6FBC6WRvCtwo4t6XKtZnfQf_hqPIOMzmoAkgVH9NUYwVXnof-dYtcMxVI7wEqDZFmew-iT0ntkFlUxaTcCYmpFE8thbtI3_OZFq0-BQJ0uTuz9wJEiwS6kpQ-xBFpHF0nZ3E5HeMuBjnvauPL0r0hQzWkE5hfllBRqV/s1600/078.JPG" width="233" /></a></div><br /> <span style="font-family: helvetica;">Der folgende Text des scholastischen Philosophen Edward
Feser zeigt die Hintergründe auf, wie es dazu kommt, dass offensichtlich
widersinnige Theorien und Ideologien weitere Verbreitung finden. Interessant
ist der Artikel vor allem in Bezug auf die woke Ideologie und die transgender
Ideologie, als aktuelle Blüten im Kampf gegen den gesunden Menschenverstand.</span><p></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> <span></span></span></o:p></p><a name='more'></a><p></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Einer der seltsamsten Aspekte des zeitgenössischen
politischen und intellektuellen Lebens ist die Häufigkeit, mit der
Kommentatoren extrem zweifelhafte oder sogar offenkundig absurde Behauptungen
aufstellen, als wären sie offensichtliche Wahrheiten, die kein gut informierter
oder anständiger Mensch bestreiten könnte.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Beispiele dafür sind die witzigen Behauptungen, dass Frauen einen Penis
haben oder dass alles, von der Professionalität über den Sport und die
Abneigung gegen Körpergeruch bis hin zum guten Schlaf, "rassistisch"
ist.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>In seinem Buch <i>The Plato Cult
and Other Philosophical Follies</i> bezeichnet David Stove einen ähnlichen
rhetorischen Zug, der manchmal von Philosophen gemacht wird, als
"Argumentation aus einem plötzlichen und heftigen Solözismus" (S. 142).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein Solözismus ist eine ungrammatische Äußerung, ein Verstoß
gegen die Etikette oder eine Abweichung von einer anderen anerkannten
Norm.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>So ist beispielsweise "I
could of cared less" ein üblicher grammatikalischer Fauxpas, und König
Charles mit "Kumpel" oder "Kumpel" statt mit "Eure
Majestät" anzusprechen, wäre ein Fauxpas in Bezug auf den Anstand.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Was Stove im Sinn hatte, sind
Sprachmissbräuche, die er auf bestimmte philosophische Argumentationslinien
zurückführt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Als Beispiel führt er ein
Argument von Berkeley an.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Berkeley, so
Stove, behauptet, dass die Aussage, dass ein bestimmtes physisches Objekt
existiert oder eine bestimmte Eigenschaft hat, bedeutet, dass das Objekt so
wahrgenommen wird oder wahrgenommen werden kann, dass es existiert oder diese
Eigenschaft hat.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Daraus leitet Berkeley
eine idealistische Schlussfolgerung ab.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Aber in Wirklichkeit, beschwert sich Stove, ist es offensichtlich nicht
das, was es bedeutet, zu sagen, dass ein physisches Objekt existiert oder eine
Eigenschaft hat.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Berkeleys Argument
beruht auf einer offensichtlich falschen Behauptung über den allgemeinen
Sprachgebrauch, die er sachlich vorträgt, und auf diese Weise begründet er
einen "plötzlichen und heftigen Soziolekt".<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Für die Zwecke dieses Artikels lasse ich Fragen über
Berkeleys Ansichten und darüber, ob Stove ihn fair repräsentiert,
beiseite.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Was mich hier interessiert,
ist die allgemeine Idee des "plötzlichen und gewaltsamen Soziolekts"
als rhetorischer Zug.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Stove hat in
seinem charakteristischen, bissig-witzigen Stil mehr darüber zu sagen, wie er
funktioniert:<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die Prämisse zieht die Schlussfolgerung nach sich, aber sie
ist so verblüffend falsch, dass sie sich der Kritik zunächst durch die einfache
Methode entzieht, dem Leser den Atem zu rauben... Sagen oder unterstellen Sie
zum Beispiel, dass "Wert" im Englischen dasselbe bedeutet wie
"Individualität".<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Bevor der
Leser wieder zu Atem kommt, sind Sie schon meilenweit von Ihrer Argumentation
entfernt.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><i>Diese Methode ist nicht nur physiologisch, sondern auch
ethologisch fundiert.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Natürlich sollte
sie nie als erstes angewendet werden.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Zuerst müssen Sie sich den Respekt Ihrer Leser verdienen, durch gute
Argumente, eindringliche Beobachtungen oder Ähnliches: Dann wenden Sie den
gewalttätigen Soziolekt an.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Sagen Sie
ihnen zum Beispiel, dass wir, wenn wir von einer Sache sagen, sie sei eine
Primzahl, damit meinen, dass sie unehelich geboren wurde.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Auf diese Weise kann man nichts falsch
machen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Anständige Philosophen werden
dadurch so verunsichert sein, dass sie nie das tun werden, was sie tun sollten:
einfach sagen: "Das ist NICHT das, was "Primzahl"
bedeutet!" Stattdessen werden sie immer eine fieberhafte
"Verdrängungsaktivität" (im Sinne von Lorenz) an den Tag legen und
nach einer Entschuldigung dafür suchen, dass jemand das gesagt hat, was Sie
gesagt haben, oder nach einer halben Entschuldigung oder nach einer
Achtel-Entschuldigung; und es besteht auch keine Gefahr, dass sie vergeblich
suchen werden.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Und damit ist nicht nur
Ihre Philosophie der Arithmetik auf den Weg gebracht, sondern Sie haben bereits
andere Menschen, die für Sie kostenlos an ihrer Entwicklung arbeiten.</i> (p.
142)<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Man beachte, dass Stove hier drei Schlüsselelemente für den
fraglichen rhetorischen Schachzug identifiziert.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Erstens muss der Redner seine Glaubwürdigkeit
beim Zuhörer bereits selbständig hergestellt haben.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Er beginnt nicht mit dem Soziolekt, sondern
führt ihn erst ein, nachdem seine Zuhörer darauf vorbereitet wurden, das, was
er zu sagen hat, ernst zu nehmen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Dies
könnte bedeuten, dass er einen akademischen Grad oder eine angesehene
akademische Position innehat, dass er große Gelehrsamkeit demonstriert, dass er
Argumente vorbringt, die offensichtlich fundiert und unumstritten sind, dass er
Meinungen vertritt, die allgemein als respektabel gelten, und so weiter.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Zweitens hat der Soziolekt, wenn er eingeführt wird, die
Wirkung, den Zuhörer aus dem Gleichgewicht zu bringen, gerade weil er sowohl
kontraintuitiv klingt als auch von jemandem vorgebracht wird, der glaubwürdig
erscheint.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Anstatt sofort zu
widersprechen, beginnt der Hörer an sich selbst zu zweifeln.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>"Das klingt wirklich bizarr", denkt
er, "aber der Sprecher ist so klug!<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Vielleicht irre ich mich, oder ich habe etwas falsch verstanden!"<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Drittens spielt der größere soziale Kontext eine
entscheidende Rolle für die Aufrechterhaltung der rhetorischen Wirkung.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es geht nicht nur darum, dass der Sprecher,
der glaubwürdig erscheint, diese seltsamen Dinge sagt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es geht darum, dass andere Menschen, die
ebenfalls glaubwürdig erscheinen, diese Dinge ernst nehmen, selbst wenn sie sie
als seltsam anerkennen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Auch sie
scheinen zu glauben, dass sie sich irren oder etwas nicht verstehen, wenn sie
gegen die seltsamen Äußerungen Einspruch erheben.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Anstatt die merkwürdige Äußerung zu
kritisieren, suchen sie daher nach Möglichkeiten, sie plausibel zu machen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Schon bald wird die Äußerung des Sprechers zu
mehr als nur einer seltsamen Bemerkung.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Sie wird zu einer These auf der Speisekarte möglicher Meinungen, die
eine Gruppe von Menschen diskutiert, debattiert und anderweitig als
ernstzunehmend betrachtet.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">John Searle hat unabhängig davon eine Reihe verwandter
rhetorischer Schachzüge identifiziert, die die Taktik des "Argumentierens
aus einem plötzlichen und heftigen Soziolekt" verstärken.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span><span lang="EN-US" style="mso-ansi-language: EN-US;">In seinem Buch <i>The Rediscovery of the Mind</i> stellt Searle fest:<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span lang="EN-US" style="mso-ansi-language: EN-US;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><i>Autoren, die etwas sagen wollen, das dumm klingt, sagen
es nur sehr selten einfach so.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Normalerweise wird eine Reihe von rhetorischen oder stilistischen
Mitteln eingesetzt, um zu vermeiden, dass sie es in einsilbigen Worten sagen
müssen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Das offensichtlichste dieser
Mittel ist, mit viel ausweichender Prosa um den heißen Brei herumzureden... Ein
anderes rhetorisches Mittel, um das Unplausible zu verschleiern, ist, der
vernünftigen Ansicht einen Namen zu geben und sie dann namentlich und nicht
inhaltlich zu leugnen... Und um diesem Manöver einen Namen zu geben, nenne ich
es das "give-it-a-name"-Manöver.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Ein weiteres Manöver, das beliebteste von allen, nenne ich das
"heroische Zeitalter der Wissenschaft"-Manöver.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wenn ein Autor in große Schwierigkeiten
gerät, versucht er, eine Analogie zwischen seiner eigenen Behauptung und einer
großen wissenschaftlichen Entdeckung aus der Vergangenheit herzustellen.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Erscheint Ihnen diese Ansicht albern?<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Nun, die großen wissenschaftlichen Genies der
Vergangenheit erschienen ihren unwissenden, dogmatischen und voreingenommenen
Zeitgenossen albern.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Galilei ist der
beliebteste historische Vergleich.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Rhetorisch gesprochen geht es darum, dem skeptischen Leser das Gefühl zu
geben, dass er, wenn er die vertretene Ansicht nicht glaubt, den Kardinal
Bellarmine gegen den Galilei des Autors ausspielt</i>. (S. 4-5)<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Searle nennt als Beispiel Philosophen auf dem Gebiet der
Geistes, die die gängige Annahme, dass wir Überzeugungen, Wünsche, Hoffnungen,
Ängste, bewusste Erfahrungen usw. haben, angreifen, indem sie ihnen das Etikett
"Volkspsychologie" geben.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Indem sie sie unter diesem Etikett diskutieren, können diese Philosophen
den Anschein erwecken, als sei die Annahme, dass Überzeugungen, Wünsche, Bewusstsein
usw. real sind, nur eine mögliche Theorie neben anderen, die nicht weniger
offen für Diskussionen und Zweifel ist.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Indem sie die "Volkspsychologie" kritisieren, können sie es
vermeiden, direkt zu behaupten, dass der menschliche Geist nicht existiert.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Indem sie ihre Kritik mit wissenschaftlichen
Präzedenzfällen in Verbindung bringen, können sie den Anschein erwecken, als
sei die Leugnung der Realität des Geistes nicht abwegiger als die Behauptung,
die Sonne befinde sich im Zentrum des Sonnensystems. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Beachten Sie, dass das, was Searle das
"Gib-ihm-einen-Namen"-Manöver nennt, im Wesentlichen eine subtilere
Version dessen ist, was Stove den Appell an den "plötzlichen und heftigen
Soziolekt" nennt.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Was Searle
beschreibt, ist ebenfalls ein Appell an einen Soziolekt, aber einer, der eher
verschleiert und angedeutet als plötzlich und heftig ist.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wenn andere Autoren die neuen Bezeichnungen
übernehmen und sie so behandeln, als seien sie umstrittene Theorien (wie es in
der philosophischen Literatur inzwischen üblich geworden ist, von
"Volkspsychologie" zu sprechen), dann haben wir es mit einem Beispiel
für das zu tun, was Stove als "andere Leute dazu zu bringen, kostenlos für
einen an der Entwicklung der eigenen idiosynkratischen Ideen zu arbeiten"
bezeichnet.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Und das "heroische
Wissenschaftszeitalter"-Manöver ist eine Methode, mit der man sich, wie
Stove es nennt, "den Respekt der Leser verdient", bevor man den
Soziolekt einführt.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein neueres Beispiel für das Manöver, dem Ganzen einen Namen
zu geben, ist das Anbringen von Bezeichnungen wie "<b style="mso-bidi-font-weight: normal;">Cisnormativität</b>" und "<b style="mso-bidi-font-weight: normal;">Cisgenderismus</b>" für die gängige Annahme, dass Menschen von
Natur aus einem von zwei Geschlechtern zuzuordnen sind, nämlich männlich oder
weiblich.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Dies dient der rhetorischen
Funktion, zu suggerieren, dass die gängige Sichtweise bestenfalls eine
tendenziöse Möglichkeit unter anderen ist, anstatt offensichtlich richtig zu
sein oder auch nur eine Vermutung zu ihren Gunsten zu haben.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die Behauptung, dass etwas, das sich
"Transgender Studies" nennt, die Sichtweise des gesunden
Menschenverstandes problematisch gemacht oder sogar ihre Falschheit bewiesen
hat, ist eine Variante des "heroischen Zeitalters der
Wissenschaft"-Manövers.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>("Sie
leugnen, dass Transfrauen Frauen sind?<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Sie sind ein Fanatiker, wie diejenigen, die sich weigerten, durch
Galileis Teleskop zu schauen!")<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Warum fallen Menschen auf rhetorische Tricks wie die von
Stove und Searle genannten herein?<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es
gibt mehrere Faktoren, einer davon ist die Überschätzung des Arguments der
Autorität.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Natürlich sind nicht alle
Autoritätsargumente trügerisch.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wenn man
etwas glaubt, weil ein Experte es gesagt hat, macht man sich nicht eines
Fehlschlusses schuldig, wenn man guten Grund zu der Annahme hat, dass die
Person wirklich über Fachwissen zu dem betreffenden Thema verfügt und objektiv
ist.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wie Thomas von Aquin bekanntlich
feststellte (obwohl er selbst oft Autoritäten zitierte), sind selbst nicht
trügerische Argumente von Autoritäten dennoch schwach.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Die Tatsache, dass eine Autorität etwas sagt,
mag ein Grund sein, es zu glauben, aber kein besonders starker, vor allem, wenn
das, was sie sagt, in krassem Widerspruch zu den Beweisen der Alltagserfahrung
und des gesunden Menschenverstands steht.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Ein Soziolekt ist ein Soziolekt, unabhängig vom Fachwissen der Person,
die ihn äußert.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein zweiter Faktor ist der Einfluss des Lasters der
Übertreibung, wenn es um Aufgeschlossenheit geht.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Jeder Philosoph ist sich der Gefahren
ungeprüfter Prämissen und eines voreiligen Abschlusses einer Untersuchung bewusst.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es ist jedoch möglich, das entgegengesetzte
Extrem zu erreichen und dem, was in Wirklichkeit reine Pedanterie oder
Erbsenzählerei ist, einen intellektuellen Wert zuzuschreiben.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Dies wäre ein Beispiel für das, was Thomas
von Aquin das Laster der Neugier nennt.<span style="mso-spacerun: yes;">
</span>Mit "Neugier" meint Thomas nicht das Verlangen nach Wissen als
solches (das natürlich an sich gut ist), sondern vielmehr ein Verlangen nach
Wissen, das in irgendeiner Weise ungeordnet ist.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Es kann zum Beispiel aus einer ungesunden
Motivation wie Stolz herrühren.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wenn man
sich über Dinge streitet, die der Durchschnittsmensch für selbstverständlich
hält, kann dies manchmal nicht den echten Wunsch nach einem tieferen
Verständnis widerspiegeln, sondern das Gefühl der Überlegenheit gegenüber
denjenigen, die als weniger intelligent oder gelehrt angesehen werden.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Oder es kann den Drang widerspiegeln, deren
anständige Sensibilität zu untergraben oder zu beschmutzen".<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Oder es könnte dem Wunsch entspringen, sich
einen Namen zu machen, indem man einen Beitrag zu einer akademischen Literatur
leistet, die an sich nicht besonders wichtig ist, aber den Lebenslauf
aufpolstert, oder indem man anderen, bekannteren Autoren einer solchen
Literatur schmeichelt, die der eigenen Karriere helfen könnten.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Ich behaupte, dass alle diese Faktoren dazu
beitragen können, dass man auf rhetorische Tricks wie die von Stove und Searle
genannten hereinfällt.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein dritter Faktor ist der Einfluss einer schlechten
Theorie.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Angenommen, Sie sind bereits
unabhängig davon überzeugt, dass eine bestimmte Version des Materialismus wahr
sein muss.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Dann ist es wahrscheinlicher,
dass Sie ein "Gib-ihm-einen-Namen"-Manöver wie die Behandlung der
"Volkspsychologie" ernst nehmen, als wäre sie eine diskutable
Theorie.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Denn man könnte befürchten,
dass man sich damit einen möglichen Ausweg aus antimaterialistischen Argumenten
verbauen würde.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wenn man die
"Volkspsychologie" als optional behandelt, öffnet man dem
eliminativen Materialismus die Tür als "Weltuntergangswaffe", die man
einsetzen kann, wenn alle anderen Verteidigungen des Materialismus versagen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein vierter Faktor ist der Einfluss des moralischen
Lasters.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Wenn man zum Beispiel eine tief
verwurzelte sexuelle Perversion hat, insbesondere eine, der man lieber
nachgibt, als ihr zu widerstehen, ist man eher bereit, eine akademische Theorie
ernst zu nehmen, die man andernfalls als verrückt abtun würde, wenn diese
Theorie eine Rationalisierung für das Ausleben der Perversion liefert. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein fünfter Faktor ist der Einfluss dessen, was ich in einem
früheren Beitrag als "<a href="https://scholastiker.blogspot.com/2023/07/die-assoziative-denkweise.html" target="_blank">assoziative Denkweise</a>" bezeichnet habe.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Ideen, die in keiner
interessanten logischen Beziehung zueinander stehen, können aufgrund
psychologischer Faktoren wie Emotionen und früherer Erfahrungen in den Köpfen
der Menschen dennoch eng miteinander verbunden sein.<span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Bei jemandem, dessen Fähigkeit zum logischen
Denken schwach ausgeprägt ist, kann dies dazu führen, dass er zu dummen Ideen
neigt (z. B. dass Pünktlichkeit, korrekte Sprache und Etikette sowie andere
professionelle Standards "rassistisch" sind).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Quelle: <a href="http://Edwardfeser.blogspot.com">Edwardfeser.blogspot.com </a></span><o:p></o:p></p>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-8719521608112845222023-07-27T08:49:00.000+02:002023-07-27T08:49:25.701+02:00Agenskausalität – per accidens und per se<p><span style="font-family: helvetica;"></span></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><span style="font-family: helvetica;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgSJMXPcQYjAQvd45wMu4f16H382dy5u-zl513BWW8QmlVUjhjXwCOJigKCw3VpX_HGoj8Uou2afRArlO6hI8jRsx1_7pfcLLv1Mc3-H6PUDcNva6d_pUHS5CFQy0vgzpKX8OYgXtCTj5RG_ldi0-6j7GX9vMqXmevrt4fcIfv7cxxYR8yXU19OK2kkL2hf/s1024/Causality.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="640" data-original-width="1024" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgSJMXPcQYjAQvd45wMu4f16H382dy5u-zl513BWW8QmlVUjhjXwCOJigKCw3VpX_HGoj8Uou2afRArlO6hI8jRsx1_7pfcLLv1Mc3-H6PUDcNva6d_pUHS5CFQy0vgzpKX8OYgXtCTj5RG_ldi0-6j7GX9vMqXmevrt4fcIfv7cxxYR8yXU19OK2kkL2hf/s320/Causality.jpg" width="320" /></a></span></div><span style="font-family: helvetica;"><br />Sofern die
Agenskausalität in der Gegenwartsphilosophie noch eine Rolle spielt, wird nicht
mehr unterschieden zwischen Kausalität <i>per accidens</i> und Kausalität <i>per
se</i>. Anhand verschiedener Beispiele werde ich die Bedeutung dieser
Unterscheidung für die philosophische Analyse herausstellen. Weiterhin sollen
die zentralen Bestimmungen dieser beiden Arten der Agenskausalität dargestellt
werden und daraus Schlussfolgerungen für die Kausaltheorie gezogen werden.</span><p></p><p><span></span></p><a name='more'></a><span style="font-family: helvetica;"><br /></span><p></p><p></p><p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Agens- und Ereigniskausalität<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;">Die klassische aristotelisch-thomistische
Philosophie kennt vier Arten der Kausalität. Neben der effizienten Kausalität
werden die Ziel- oder Zweckursache, die Formursache und die Materialursache bei
der Analyse von Ereignissen und Veränderungen herangezogen. Jede Wirkursache
ist immer auf ein Ziel gerichtet, das aus der Form einer Substanz folgt, die
ihrerseits eine Materie in<i>form</i>iert. Die neuzeitliche Philosophie macht
zunächst mit den drei zuletzt genannt Ursachen Schluss, und zwar ohne dafür
eine rationale Begründung anzuführen. Übrig bleibt zunächst die
Agenskausalität, die in der frühen Neuzeit bei Descartes und Leibniz erhalten
bleibt, auch wenn sie eine Neuinterpretation erhält.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;">Durch den
Einfluss David Humes (2015, 37ff.) auf die analytischen Gegenwartsphilosophie
wurde die Agenskausalität weitgehend durch die Ereigniskausalität ersetzt. Unter
Agenskausalität verstehe ich eine Theorie der Kausalität, bei der ein Agens,
ein Tätiges, als Wirkursache für eine Veränderung oder Entstehung angenommen
wird. Ereigniskausalität ist hingegen die Theorie, dass es verschiedene
Ereignisse sind, die andere Ereignisse verursachen. „Ursachen“ im strengen
Sinne des Wortes gibt es bei der Ereigniskausalität nicht, sondern Kausalität
wird verstanden im Sinne eines konditionalen Satzes der Form, wenn X, dann Y.
Ein Ereignis X wird gefolgt von einem Ereignis Y. In welchem Sinne diese Beziehung
notwendig ist, ist dabei umstritten.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;">Ich möchte in
diesem Artikel nicht auf die Diskussion über Agens- und Ereigniskausalität
eingehen, sondern beschränke mich auf die Agenskausalität. Eine sehr
ausführliche kritische Auseinandersetzung mit den Theorien der
Ereigniskausalität findet sich bei Uwe Meixner (2001), der die völlige
Unhaltbarkeit dieser Theorien deutlich macht, da sie letztlich keine <i>kausale</i>
Erklärung liefern. Auch in der analytisch orientierten Gegenwartsphilosophie
gibt es weiterhin Vertreter der Agenskausalität (Uwe Meixner 1997, ders. 2001),
allerdings wird in diesen Theorien oftmals der Begriff der Kausalität per se
nicht thematisiert und Agenskausalität nur im Sinne der Kausalität per accidens
verstanden. Dieser Unterschied ist aber von zentraler Bedeutung für die
klassische Philosophie, insbesondere für die aristotelisch-thomistische
Tradition der Philosophie.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Der Unterschied<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;">Die klassische Unterscheidung der beiden
Arten der Agenskausalität bezieht sich auf den Unterschied von Erst- und
Zweitursache. <span style="color: #333333;">Im bekannten <i>Dictionary of Scholastic Philosophy</i> (1956) von Bernard
Wuellner S.J. finden sich die klassischen Definitionen dieser beiden Arten der
Kausalität. Über die <a name="_Int_lpcO6HWI">causa</a> per se (im englischen
auch <i>proper cause</i> genannt) schreibt Wuellner: </span><o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.4pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span lang="EN-US" style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">„<a name="_Int_LNiYNcIb">the</a> precise cause
which is required for producing this particular type of effect; a cause which
has its own special, natural, and immediate connection with this kind of
effect. Thus, God is the proper cause of existence; a human being is the proper
cause of meaningful speech; a camera and photographic plate is the proper cause
of a snapshot. The proper cause prescinds from accidental or causally
non-relevant associations with either the cause or the effect.”<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span lang="EN-US" style="color: #333333;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Zur akzidentellen Ursache heißt es im <i>Dictionary</i>:<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.4pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span lang="EN-US" style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">„<a name="_Int_cPixqnmo">some</a> attribute of
the cause or some feature accompanying the effect which however has no
influence in the causal process nor in the origin of the effect; something
incidental to the cause or effect or coincidental. Thus, Michelangelo carved the
<i>Pietà</i> as a sculptor, not as someone who spoke Italian, His Italian
speech is an accidental cause of the <i>Pietà</i>.”<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span lang="EN-US" style="color: #333333;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Diese Bestimmungen der beiden
Ursachenarten beziehen sich auf die Kausalität freier Handlungen, also
menschlicher Handlungen. Hier hat der Begriff der <a name="_Int_snyAyipL">causa</a>
per se die Bedeutung einer <i>intendierten</i> Wirkung, während die <a name="_Int_OsgY2Rjf">causa</a> per accidens eine <i>zufällige</i> und nicht
intendierte Wirkung des frei Handelnden bedeutet. In einer anderen und
allgemeineren Hinsicht werden die beiden Ursachenarten hinsichtlich der Wirkung
unterschieden, ob diese aus der Natur, also dem <i>Wesen</i> einer Entität
folgt (causa per se) oder ob die Wirkung eher beiläufig ist. Zur Natur eines
Kastanienbaums gehört es, Kastanien hervorzubringen, um sich fortzupflanzen.
Dass der Kastanienbaum auch als Nistplatz verschiedener Vögel dient, ist
hingegen eine akzidentelle Ursache des Kastanienbaums.<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Die Unterscheidung, die ich hier im
Besonderen diskutieren möchte und die auch von Edward Feser (2014, 88-159) und
Gaven Kerr (2019,107ff) betont wird, bezieht sich auf zwei verschiedene Arten
effizienter <i>Kausalketten</i>. Bei einer per se geordneten Kausalkette sind
alle Glieder mit Ausnahme der ersten Ursache instrumentelle Ursachen, während
dies bei einer per accidens geordneten effizienten Kausalkette nicht der Fall
ist. Natürlich gibt es eine Beziehung zwischen den beiden verschiedenen
Verwendungsweisen der Begriffe causa per se und causa per accidens, doch können
wir diese für unsere Fragestellung hier im Weiteren außer Acht lassen.<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Die für die scholastische Kausaltheorie
zentrale Unterscheidung zwischen Kausalität per se (causa per se) und
Kausalität per Akzidenz (causa per accidens) findet sich in der Scholastik
nicht nur bei Thomas von Aquin, sondern ebenso bei Duns Scotus und fast allen
anderen Scholastikern und gehört insofern zum Gemeingut der scholastischen
Philosophie. Ursachen per se unterscheiden sich in dreifacher Hinsicht von
akzidentellen Ursachen, wie Duns Scotus herausgestellt hat (Edward Feser 2014,
148ff.).<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Bei einer per se geordnete Kausalreihe
ist die erste Ursache so verfasst, dass sie selbst keine weitere Ursache für
diese Tätigkeit benötigt. Diese Ursache ist die erste Ursache, weil sie die
Ursache der Kausalität der ganzen Kausalreihe ist, aber nicht selbst einer Ursache
bedarf, damit sie tätig sein kann. Die sekundäre Ursache einer solchen
Kausalreihe ist kausal wirksam in Abhängigkeit von der ersten Ursache einer per
se oder essenziell geordneten Kausalreihe. Die sekundäre Ursache besitzt keine
Kausalität in sich selbst bzw. durch sich selbst, sondern Kraft der auf sie
einwirkenden ersten Ursache, der Ursache per se. Daher hängen die Wirkungen
einer solchen Kausalreihe in letzter Konsequenz von der ersten Ursache ab,
ebenso wie alle Zwischenglieder (Gaven Kerr 2019, 104).<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Bei einer akzidentell geordneten
Kausalreihe bedarf ein hinteres kausales Glied keiner Ursache für ihre eigene
kausale Tätigkeit. Die verschiedenen Glieder einer solchen Kausalkette hängen
zwar zusammen, aber jedes einzelne Glied dieser Kausalkette besitzt die
Kausalität der Reihe in sich selbst und nicht unabhängig von sich selbst. Daher
ist in einer solchen Kausalreihe jedes Mitglied in der Lage, seine Kausalität
ohne Abhängigkeit von einer primären Ursache auszuüben, die die Kausalität der
ganzen Reihe gewährleistet (Ibid.).<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Gaven Kerr hat diese Charakterisierung des
Unterschieds der beiden Kausalreihen schematisch folgendermaßen dargestellt (Ibid.):<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoListParagraphCxSpFirst" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 54.0pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; mso-add-space: auto; mso-list: l0 level1 lfo1; text-indent: -36.0pt;"><!--[if !supportLists]--><span style="font-family: helvetica;"><span lang="EN-US" style="color: #333333;"><span style="mso-list: Ignore;">(i)<span style="font-feature-settings: normal; font-kerning: auto; font-optical-sizing: auto; font-size: 7pt; font-stretch: normal; font-style: normal; font-variant: normal; font-variation-settings: normal; font-weight: normal; line-height: normal;">
</span></span></span><!--[endif]--><i><span lang="EN-US" style="color: #333333;">Per se</span></i><span lang="EN-US" style="color: #333333;">: a stone (z) is moved
by a stick (y), which is moved by a hand (x), which is moved by the mind (w).
Hence:<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoListParagraphCxSpMiddle" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 54.0pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; mso-add-space: auto;"><span style="font-family: helvetica;"><span lang="EN-US" style="color: #333333;">w </span><span lang="EN-US" style="color: #333333;">à</span><span lang="EN-US" style="color: #333333;"> (x </span><span lang="EN-US" style="color: #333333;">à</span><span lang="EN-US" style="color: #333333;"> (y </span><span lang="EN-US" style="color: #333333;">à</span><span lang="EN-US" style="color: #333333;"> z)).<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoListParagraphCxSpMiddle" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 54.0pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; mso-add-space: auto; mso-list: l0 level1 lfo1; text-indent: -36.0pt;"><!--[if !supportLists]--><span style="font-family: helvetica;"><span lang="EN-US" style="color: #333333;"><span style="mso-list: Ignore;">(ii)<span style="font-feature-settings: normal; font-kerning: auto; font-optical-sizing: auto; font-size: 7pt; font-stretch: normal; font-style: normal; font-variant: normal; font-variation-settings: normal; font-weight: normal; line-height: normal;">
</span></span></span><!--[endif]--><i><span lang="EN-US" style="color: #333333;">Per accidens</span></i><span lang="EN-US" style="color: #333333;">: a son, z, is begotten
by his father, y, who is begotten by his father, x, who is begotten by his
father, w, and so on. Hence:<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoListParagraphCxSpLast" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 54.0pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; mso-add-space: auto;"><span style="font-family: helvetica;"><span lang="EN-US" style="color: #333333;">(…) </span><span lang="EN-US" style="color: #333333;">à</span><span lang="EN-US" style="color: #333333;"> (w </span><span lang="EN-US" style="color: #333333;">à</span><span lang="EN-US" style="color: #333333;"> x) </span><span lang="EN-US" style="color: #333333;">à</span><span lang="EN-US" style="color: #333333;"> (x </span><span lang="EN-US" style="color: #333333;">à</span><span lang="EN-US" style="color: #333333;"> y) </span><span lang="EN-US" style="color: #333333;">à</span><span lang="EN-US" style="color: #333333;"> (y </span><span lang="EN-US" style="color: #333333;">à</span><span lang="EN-US" style="color: #333333;"> z).<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span lang="EN-US" style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;"><span style="mso-spacerun: yes;"> </span><o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Zunächst besteht der Unterschied darin,
dass die akzidentelle Ursache von der Ursache per se oder der essenziellen
Ursache abhängig ist, und zwar hinsichtlich des Aktes der Verursachung. Dafür
ein eigenes Beispiel: Der Klang einer Violine erklingt nur dann, wenn die
Violinistin den Violinbogen über die Saiten führt. Die Saiten erklingen durch
die Resonanz des Violinkastens und dem Streichen des Violinbogens über die
Saiten. Die verschiedenen Schritte – die Bewegung der Hand der Violinistin, die
Bewegung des Bogens, das Streichen über die Saiten, der Klang aus dem
Violinkasten – erfolgen alle synchron. Man kann hier noch weiter zurückgehen,
denn die Hand der Violinistin wird bewegt durch die Nervenbahnen, die
Muskelkontraktionen, den Willen der Violinistin und letztlich durch diese
selbst. Die <a name="_Int_0P8VnvsF">causa</a> per se der erklingenden Musik ist
hier die Violinistin selbst.<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Das klassische Beispiel hierfür ist ein
Stab, der einen Stein bewegt, ein Beispiel, das Thomas von Aquin selbst
verwendet. Der Stab verursacht, dass der Stein sich bewegt aber nicht durch
seine eigene Kraft. Der Stab bewegt den Stein durch die Bewegung der Hand, die
den Stab führt bzw. bewegt. Die Hand, oder besser gesagt die Person, ist das,
was die Scholastiker als Erstursache bezeichnen, während der Stab, der den
Stein bewegt, die Zweitursache oder die instrumentelle Ursache ist. Der Stab
hat die Kraft den Stein zu bewegen nur durch die Kraft der Person, die den Stab
bewegt. Diese Art der Abhängigkeit ist das bestimmende Merkmal für eine
essenzielle oder per se geordnete Kausalreihe.<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Akzidentell geordnete Kausalreihen sind
davon deutlich verschieden. Duns Scotus erläutert eine solche Kausalreihe
wieder an einem einfachen und leicht nachvollziehbaren Beispiel: Ein Vater
zeugt einen Sohn, der seinerseits wieder einen Sohn zeugt. Obwohl der Sohn nur
existiert, weil der Vater ihn gezeugt hat, ist der Sohn, nachdem er einmal
existiert, in der Lage, seinen eigenen Sohn zu zeugen, gleichgültig, ob der
Vater in der Nähe ist, oder vielleicht sogar schon gestorben ist. Dies ist ein
deutlicher Unterschied zu dem Stab, der nicht vermag, den Stein zu bewegen,
wenn nicht die Hand den Stab bewegt oder der Klang der Violine, die nicht
erklingt, wenn die Violinistin die Violine nicht spielt. Im Unterschied zum
Stab oder dem Violinbogen hat nämlich der Sohn die Kraft zur Zeugung „in sich“,
während der Stab keine Kraft in sich hat. In diesem Sinne ist die Beziehung
zwischen den Mitgliedern einer akzidentellen Kausalreihe „akzidentell“ oder
„nicht-wesentlich“. Die akzidentell geordnete Kausalreihe liegt auch vor, bei
dem Beispiel der Billardkugeln, das in der Kausaltheorie oft verwendet wird.
Die Kugel wird vom Billardspieler angestoßen und bewegt sich auf eine andere
Kugel zu. Die erste Kugel hat zwar den Impuls vom Billardspieler erhalten,
besitzt aber jetzt die kausale Kraft, eine andere Billardkugel in Bewegung zu
versetzen, und zwar unabhängig vom Spieler und diese zweite Kugel kann
möglicherweise ihrerseits wieder eine dritte Kugel bewegen.<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Ein weiterer Unterschied zwischen diesen
beiden Arten von Wirkursachen besteht darin, dass bei per se geordneten
Kausalreihen die Kausalität <i>zu einer anderen Natur oder Ordnung</i> gehört
als bei der akzidentellen Kausalreihe, und zwar insofern, als die höhere
Ursache vollkommener ist. Der Stab hat keine Kraft in sich selbst, den Stein zu
bewegen, während die Person diese Kraft in sich selbst hat. In diesem Sinne hat
der Beweger des Stabes, die Person, eine kausale Kraft einer anderen Ordnung
oder einer anderen Natur als der Stab, und zwar von einer „vollkommeneren Art“.
Daher ist die Erstursache oder die nicht-abgeleitete Ursache von einer höheren
und vollkommeneren Art als die instrumentelle oder bloß abgeleitete Kausalität.<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Der dritte Unterschied zwischen per se
Kausalität und akzidenteller Kausalität besteht darin, dass die erstere
Kausalreihe <i>gleichzeitig</i> ist, was bei der letzteren Kausalreihe nicht
der Fall sein muss. Der Stab bewegt den Stein nur dann und nur so lange, wie
die Person den Stab bewegt. Demgegenüber ist die Zeugung eines eigenen Sohnes
durch den Sohn des Vaters unabhängig davon, ob der Vater überhaupt noch
existiert.<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Nun gehört es zu der Standardtheorie der
Scholastik, dass akzidentell geordnete Kausalreihen zumindest prinzipiell, bzw.
potenziell unendlich weit zurückreichen können, während dies bei per se oder
essenziell geordneten Kausalreihen nicht der Fall sein kann. Denn weil jedes
Glied einer akzidentell geordneten Kausalreihe ihre kausale Kraft in sich
selbst und nicht abgeleitet hat, gibt es keine Notwendigkeit, irgendein Glied
als das Letzte bzw. als das Erste anzusetzen. Der Vater kann selbst wieder von
einem anderen Vater gezeugt worden sein und dieser wieder von einem anderen und
so weiter bis ins Unendliche. Zumindest potenziell muss eine solche Kausalreihe
keinen Anfang haben.<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="font-family: helvetica;"><a name="more"></a><span style="color: #333333;">Ganz anders sieht es hingegen bei
der essenziellen oder per se Kausalität aus. Thomas von Aquin erläutert dies
folgendermaßen: „Dasjenige, das als eine instrumentelle Ursache bewegt, kann
nicht bewegen außer es gibt eine erste bewegende Ursache. Aber wenn wir in die
Unendlichkeit fortfahren mit Bewegern und bewegten Dingen, wären alle Beweger
instrumentelle Ursache, weil sie bewegte Beweger sind und es nichts gäbe, was
ein erster Beweger wäre. Deshalb würde nichts bewegt“ (<i>Summa Contra Gentiles</i>
I.13.14-15). Der Grundgedanke dabei ist der, dass ein späteres Glied einer per
se geordneten Kausalreihe keine kausale Kraft in sich selbst besitzt, sondern
dass es diese Kraft vollständig von einer anderen Ursache empfängt, die eine
inhärente kausale Kraft besitzt. Wären alle Ursache dieser Reihe instrumentell,
dann käme es zu gar keine Bewegung (E. Feser 2014, 151).<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Gegen mögliche Einwände sei betont, dass
mit der „ersten“ Ursache keine zeitliche Folge gemeint ist, also nicht die
Ursache, die vor der zweiten, der dritten oder vierten Ursache kommt, sondern
die „nicht von einer anderen abgeleitet ist“, d.h. die ihre kausale Kraft in
sich selbst hat im Unterschied zu einer Ursache, die ihre Kraft allein von
einer anderen Ursache hat. Der entscheidende Punkt bei einer causa per se ist
also weder die Unmöglichkeit einer aktualen Unendlichkeit einer solchen Ursache
noch die Gleichzeitigkeit der Ursachen, sondern dass bei einer essenziell
geordnete Kausalreihe jedes Glied der Reihe nur <i>instrumentell</i> wirkt,
außer der ersten Ursache. Jedes Glied einer Kausalreihe per se hat nur eine
kausale Wirksamkeit durch die erste Ursache. Der Violinbogen erzeugt nur einen
Klang, sofern die Violinistin den Bogen über die Saiten bewegt.<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Wenn in einer per accidens Kausalreihe die
erste Ursache nicht mehr tätig ist, führt dies nicht zum Ausfall der kausalen
Reihe. Dies ist bei der Kausalität per se anders. Wenn hier die erste Ursache
ausfällt, fällt die ganze Kausalreihe aus, es gibt keine weiteren Wirkungen.<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Schlussfolgerungen<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;">Trifft diese Analyse der Agenskausalität
zu, dann ist eine Beschränkung derselben auf die Kausalität per accidens
unvollständig und es lassen sich bestimmte Kausalphänomene nicht richtig
verstehen. Dies gilt besonders für Kausalreihen, bei denen die kausalen
Zwischenglieder instrumenteller Natur sind, bei denen also die kausale Kraft
abhängig ist von einer ersten Ursache.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;">Eine Kausalität per se kann es bei den
vorgestellten Charakteristika nur geben bei echten Agenten, d.h. konkret bei
Lebewesen. Lebewesen können der Ursprung, die Ursache einer Kausalreihe sein,
bei der alle Glieder der Reihe synchron sind und bei denen die Wirkung intendiert
ist. Nur Lebewesen haben die kausale Kraft in sich selbst, während dies bei
anorganischen materiellen Dingen nicht der Fall ist. Dies bedeutet aber, dass
es die Physik nur mit akzidenteller Kausalität zu tun hat. Eine Philosophie,
die die Realität auf die Physik reduziert, wie moderne materialistische und
physikalistische Theorien, müssen deshalb notwendigerweise jede Art von echter
Agenskausalität im Sinne der causa per se bestreiten. Da der Physikalismus
heute ein verbreiteter Trend in der Philosophie ist, kann man verstehen, warum
Physikalisten und andere Materialisten eine per se Kausalität unbeachtet lassen
oder bestreiten.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;">Die Frage, die sich hier aber stellt ist,
woher die kausalen Agenten selbst ihre kausale Kraft haben. Man könnte
antworten, dass es für Lebewesen gerade kennzeichnend ist, dass sie kausale
Kräfte in sich selbst besitzen und dies ist in gewisser Weise auch zutreffend.
Man kann allerdings weiter fragen, woher oder wodurch sie diese kausalen Kräfte
in sich selbst besitzen. Der Verweis auf die organische Tätigkeit von
Lebewesen, ihren Stoffwechsel etc., durch den sie sich am Leben erhalten und
sich fortpflanzen ist aber unzureichend. Denn auch hier stellt sich die Frage,
woher dieser Tätigkeit stammt. Die naturwissenschaftlichen Theorien dieser
Vorgänge erklären diese nicht, sondern sie <i>beschreiben</i> diese Vorgänge
auf einer chemisch-physiologischen Ebene. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;">Selbst wenn es eine echte Erklärung für
die Frage geben sollte, woher die Agenten ihre kausalen Kräfte haben, stellt
sich noch die Frage, warum diese überhaupt existieren und warum sie gerade
jetzt existieren. Die Frage nach der Existenz einer Entität ist keine
naturwissenschaftliche oder empirische Frage, sondern eine solche der
Philosophie. Jede mögliche Erklärung der kausalen Kräfte eines Tätigen setzt
dessen Existenz voraus. Sicher wird die Existenz nicht durch die verschiedenen
biochemischen oder physikalischen Vorgänge in einem Lebewesen erklärt. Ein
Agent ist tätig als eine Ursache, genau deshalb, weil er existiert, weil er
Sein hat. Und dieses Sein hat sich der Agent nicht selbst verschafft (Gaven
Kerr 2019, 107f.), denn keine Entität kann sich selbst in die Existenz bringen,
weil sie dann bereits existieren müsste, bevor sie existiert.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;">Dies bedeutet aber, dass jede kausal wirksame
Entität ihre Existenz von einem Seienden empfängt, das sein Sein in sich selbst
und durch sich selbst besitzt. Und ein solches Seiendes „nennen alle Gott“.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Bibliographie<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><span style="font-family: helvetica;"><span style="font-variant: small-caps;">Aquin, Thomas von</span> (1987): <i>Summe gegen die Heiden</i>, Erster
Band; Hrsg. und übersetzt von Karl Albert und Paulus Engelhardt unter Mitarbeit
von Leo Dümpelmann, Darmstadt (Wissenschaftliche Buchgesellschaft).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><span style="font-family: helvetica;"><span lang="EN-US" style="font-variant: small-caps;">Feser, Edward</span><span lang="EN-US"> (2014): <i>Scholastic Metaphysics. A Contemporary Introduction</i>,
Heusenstamm (editiones scholasticae).<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><span lang="EN-US" style="font-variant: small-caps;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><span style="font-family: helvetica;"><span style="font-variant: small-caps;">Hume, David</span> (2015): <i>Eine Untersuchung über den
menschlichen Verstand</i>; Hamburg (F. Meiner).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><span style="font-family: helvetica;"><span lang="EN-US" style="font-variant: small-caps;">Kerr, Gaven</span><span lang="EN-US"> (2019): <i>Aquinas and the Metaphysics of Creation</i>; Oxford (Oxford
University Press).<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><span lang="EN-US"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><span style="font-family: helvetica;"><span style="font-variant: small-caps;">Meixner, Uwe</span> (1997): <i>Ereignis und Substanz. Die Metaphysik
von Realität und Realisation</i>; Paderborn (Schöningh)<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><span style="font-family: helvetica;"><span style="font-variant: small-caps;">Meixner, Uwe</span> (2001): <i>Theorie der Kausalität. Ein Leitfaden
zum Kausalbegriff</i>; Paderborn (mentis)<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><span style="font-family: helvetica;"><span lang="EN-US" style="font-variant: small-caps;">Wuellner, Bernard</span><span lang="EN-US"> (1956): <i>Dictionary of Scholastic Philosophy</i>; Milwaukee;
Neuauflage 2011, Heusenstamm (editiones scholasticae)<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span lang="EN-US"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p><span style="font-family: Garamond, serif;"></span><p></p>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-6213404540755478762023-07-04T14:45:00.002+02:002023-07-04T14:45:38.578+02:00 Die assoziative Denkweise<p><i><span style="font-family: helvetica;"></span></i></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><i><span style="font-family: helvetica;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiAYL83mFaovZoMZu1USdvIBpxiVPKzGPuhThO24us3eTc3gLJq1pGR70IwXalsvMEY6AQ-2L_GfSjflwBSSEmKsFD068Fo7y5FgW9qVbb9p8Pbhlc10rXB63vAMg9I7FoQGCRUncDHY4XV3VU_1X95JwZYjIQq13hvyh3dGyf9SCAeTquqfBzofZK3NHmW/s320/057.JPG" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="233" data-original-width="320" height="233" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiAYL83mFaovZoMZu1USdvIBpxiVPKzGPuhThO24us3eTc3gLJq1pGR70IwXalsvMEY6AQ-2L_GfSjflwBSSEmKsFD068Fo7y5FgW9qVbb9p8Pbhlc10rXB63vAMg9I7FoQGCRUncDHY4XV3VU_1X95JwZYjIQq13hvyh3dGyf9SCAeTquqfBzofZK3NHmW/s1600/057.JPG" width="320" /></a></span></i></div><i><span style="font-family: helvetica;"><br />Von Edward Feser</span></i><p></p><p><span style="font-family: helvetica;">Wenn aristotelisch-thomistische Philosophen sagen, der
Mensch sei von Natur aus ein vernunftbegabtes Sinneswesen, meinen sie damit
nicht, dass der Mensch immer logisch denkt (was natürlich nicht der Fall
ist). Sie meinen damit, dass der Mensch
im Gegensatz zu anderen Sinneswesen von Natur aus die Fähigkeit zur Vernunft
besitzt. Ob sie diese Fähigkeit gut
ausüben, ist eine andere Frage. Menschen
sind oft irrational, aber man muss die Fähigkeit zur Vernunft haben, um
irrational zu sein. Ein Hund oder ein
Baum erreichen nicht einmal die Stufe der Irrationalität. Sie sind nicht-rational, nicht irrational.</span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><br /></p><p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"><span></span></span></o:p></p><a name='more'></a><p></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Rationalität umfasst nach aristotelisch-thomistischer
Auffassung drei grundlegende Fähigkeiten: abstrakte Begriffe zu erfassen (wie
den Begriff des Menschseins oder den Begriff der Sterblichkeit); Begriffe zu
vollständigen Gedanken oder Sätzen zusammenzufügen (wie den Satz, dass alle
Menschen sterblich sind); und logisch von einem Satz auf einen anderen zu
schließen (wie wenn wir von den Prämissen, dass alle Menschen sterblich sind
und dass Sokrates ein Mensch ist, zu dem Schluss kommen, dass Sokrates
sterblich ist). Die Logik befasst sich
mit der Art und Weise, wie Begriffe zu Aussagen kombiniert werden können, und
mit der Art und Weise, wie Aussagen zu Schlussfolgerungen kombiniert werden
können. Die deduktive Logik befasst sich
insbesondere mit Schlussfolgerungen, von denen man sagt, dass sie aus den
Prämissen mit Notwendigkeit folgen; die induktive Logik befasst sich mit Schlussfolgerungen,
von denen man sagt, dass sie mit Wahrscheinlichkeit folgen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Jede angemessene philosophische oder psychologische Theorie
des menschlichen Geistes muss mit unserem Vermögen zur Rationalität vereinbar
sein. Viele solcher Theorien bestehen
diesen Test nicht, könnten aber einige nicht-menschliche Lebewesen genau
beschreiben. Der <i>Skinnersche
Behaviorismus</i> zum Beispiel ist als Theorie der menschlichen Natur
hoffnungslos und als Beschreibung vieler höherer Tiere nicht einmal
plausibel. Aber wie Daniel Dennett
andeutet, könnte er auf einfache wirbellose Tiere wie Meeresschnecken
zutreffen. (Es ist auch möglich, dass
eine Theorie unseren rationalen Fähigkeiten gerecht wird, aber dennoch in
anderer Hinsicht die menschliche Natur nicht genau beschreibt. Der kartesianische Dualismus beispielsweise
tut dies insofern, als er den menschlichen Intellekt fälschlicherweise für eine
vollständige und eigenständige Substanz hält, die mit angeborenen Ideen
ausgestattet ist. Aber das ist zumindest
eine Annäherung an das, was den Verstand der Engel kennzeichnet).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Dann gibt es Theorien, die den menschlichen Verstand falsch
verstehen, aber dennoch eine ungefähre Beschreibung dessen liefern, wie eine
bestimmte Art von gestörtem Denken aussieht.
Nehmen wir den Streit zwischen <i>Voluntarismus</i> und <i>Intellektualismus</i>. Für den Intellektualisten ist der Verstand
dem Willen insofern vorgeordnet, als der Wille von Natur aus immer auf das
gerichtet ist, was der Verstand als gut erachtet. Der Voluntarismus, den es in verschiedenen
Formen gibt, modifiziert oder verneint diese Behauptung ernsthaft. Wie andere
Thomisten halte auch ich den Intellektualismus für die richtige
Auffassung. Aber wie ich an anderer
Stelle dargelegt habe, ist es bei einer bestimmten Art von Irrationalität so,
als ob der Wille des Menschen frei von seinem Intellekt schweben würde. (Ich habe dies „<a href="https://scholastiker.blogspot.com/2018/11/die-voluntaristische-personlichkeit.html" target="_blank">die voluntaristischePersönlichkeit</a>“ genannt.)<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein weiteres Beispiel, das ich hier anführen möchte, ist der
Assoziationismus. Assoziationstheorien
versuchen, alle Übergänge von einem mentalen Zustand in einen anderen durch
Bezugnahme auf kausale Verbindungen zu erklären, die durch Erfahrung
hergestellt werden. David Hume zum
Beispiel stellte drei berühmte Assoziationsprinzipien auf: Ähnlichkeit,
zeitliche oder räumliche Kontiguität und Ursache und Wirkung. Ähnlichkeit hat damit zu tun, dass eine Idee
eine andere auslösen kann, weil die Dinge, die durch die Ideen repräsentiert
werden, ähnlich sind. Wenn Sie zum
Beispiel eine Orange sehen, denken Sie vielleicht an einen Basketball, weil
Form und Farbe ähnlich sind; wenn Sie den Marihuanarauch aus einer nahe
gelegenen Wohnung riechen, denken Sie vielleicht an ein Stinktier, weil der
Geruch ähnlich ist, und so weiter.
Beispiele, die eine zeitliche oder räumliche Kontinuität beinhalten,
wären die Art und Weise, wie der Gedanke an den Zweiten Weltkrieg den Klang der
Swing-Musik in Erinnerung rufen könnte (da diese zur Zeit des Krieges populär
war), oder die Art und Weise, wie der Anblick des Weißen Hauses ein Bild des
Washington Monuments hervorrufen könnte, da sich beide in derselben Stadt
befinden. Beispiele für Ursache und
Wirkung wären der Anblick einer Pfütze auf dem Boden, der den Gedanken an Regen
auslöst (da dies oft die Ursache einer Pfütze ist), oder der Gedanke an eine
Waffe, der das Bild eines toten Menschen erzeugt (da dies oft die Wirkung einer
Waffe ist).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Beachten Sie, dass alle diese Beziehungen <i>subrational</i>
sind. Nehmen wir an, dass eine bestimmte
Person durch die Anwendung der drei Humeschen Prinzipien eine starke Tendenz
entwickelt, jedes Mal den Gedanken zu haben, dass es in Cleveland regnet, wenn
es ihr einfällt, dass es jetzt fünf Uhr ist und sie sich daran erinnert, dass
Charles der aktuelle König von England ist.
Das würde natürlich nicht die Gültigkeit des folgenden Arguments nach
sich ziehen:<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><i><span style="font-family: helvetica;">Es ist jetzt fünf Uhr</span></i></p>
<p class="MsoNormal"><i><span style="font-family: helvetica;">Karl ist der derzeitige König von England</span></i></p>
<p class="MsoNormal"><i><span style="font-family: helvetica;">Deshalb regnet es in Cleveland<o:p></o:p></span></i></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Das heißt, die kausalen Beziehungen, durch die ein Gedanke
einen anderen hervorrufen kann, sind nicht dasselbe wie die logischen
Beziehungen, durch die ein Satz einen anderen nach sich ziehen kann. Folglich können assoziative Theorien, auch
wenn sie plausible Erklärungen für die mentalen Prozesse einiger
nicht-menschlicher Tiere liefern könnten, nicht einfach die rationalen
Fähigkeiten erklären, die den Menschen von anderen Tieren unterscheiden. Denn die von ihnen postulierten kausalen
Beziehungen reichen nicht aus, um zu garantieren, dass die richtigen logischen
Beziehungen zwischen den Gedanken bestehen, die von diesen kausalen Beziehungen
bestimmt werden. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Dies ist ein seit langem bestehendes Problem für assoziative
Theorien. In der zeitgenössischen
Philosophie des Geistes, der Kognitionswissenschaft und der Forschung zur
künstlichen Intelligenz ist die einflussreichste Variante des Assoziationismus
als <i>Konnektionismus</i> oder als „neuronales Netzwerk“-Ansatz bekannt. Er wurde von Denkern wie Jerry Fodor und
Zenon Pylyshyn heftig kritisiert, weil er nicht in der Lage ist, die
Rationalität des Denkens zu erklären.
Was konnektionistische Modelle (und die darauf aufbauende KI) gut
können, ist Mustererkennung. Aber die
Sensibilität für Muster ist nicht dasselbe wie ein Verständnis für die
logischen Beziehungen zwischen Begriffen und Aussagen. Wenn wir nur Muster erkennen würden, wären
wir nicht in der Lage, gültige Schlüsse zu ziehen, wie wir es ständig tun.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Wie der Voluntarismus ist aber auch der Assoziationismus
keine schlechte Annäherung an bestimmte gestörte Denkgewohnheiten. Denn der Verstand vieler Menschen scheint so
zu funktionieren, als ob er von rein assoziativen Prinzipien beherrscht
würde. Insbesondere für diejenigen, die
chronisch zu Fehlschlüssen neigen, gilt dies.
Bei vielen logischen Fehlschlüssen handelt es sich um eine Art voreilige
Schlussfolgerung auf der Grundlage einer Assoziation zwischen Ideen, die zwar
eng zu sein scheint, aber in Wirklichkeit zu schwach ist, um eine deduktiv
gültige oder sogar induktiv starke Schlussfolgerung zu begründen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Das offensichtlichste Beispiel ist ein Trugschluss, der auch
als „Schuld durch Assoziation“ bezeichnet wird.
Angenommen, jemand argumentiert wie folgt: „Chesterton kritisierte den
Kapitalismus, und Kommunisten kritisieren den Kapitalismus, also muss
Chesterton ein Kommunist gewesen sein.“
Die Prämissen sind wahr, aber die Schlussfolgerung ist falsch. Der Sprecher geht davon aus, dass es
vernünftig ist, Chesterton mit dem Kommunismus in Verbindung zu bringen, weil
der Kommunismus mit Kapitalismuskritik in Verbindung gebracht wird und
Chesterton mit Kapitalismuskritik in Verbindung gebracht wird. Der Grund für diesen Trugschluss ist
natürlich, dass zwar alle Kommunisten Kritiker des Kapitalismus sind, der
Umkehrschluss aber nicht zutrifft – nicht alle Kritiker des Kapitalismus sind
Kommunisten. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Es kommt vor, dass Menschen, die diesen Trugschluss begehen,
ihn sofort wieder aufgeben, wenn man sie darauf hinweist. Das ist ein guter Hinweis darauf, dass die
psychologische Quelle des Fehlers einfach darin besteht, dass sie die
Schlussfolgerung zu schnell oder unaufmerksam gezogen haben, mehr nicht. Aber manchmal zögern Menschen sehr, ein
solches Argument aufzugeben, selbst wenn ihnen der Fehler erklärt wird. Nehmen wir zum Beispiel an, jemand
argumentiert: „Rassisten sind gegen illegale Einwanderung und Sie sind dagegen,
also müssen Sie ein Rassist sein.“ Der
Irrtum ist hier genau derselbe. Selbst
wenn alle Rassisten gegen die illegale Einwanderung sind, ist der Umkehrschluss
nicht wahr, so dass die Schlussfolgerung nicht gezogen werden kann. Aber die Menschen geben dieses Argument nur
sehr ungern auf, obwohl es sich um einen eindeutigen Fall des Trugschlusses der
Schuld durch Assoziation handelt. Das
ist ein Hinweis darauf, dass es hier um mehr geht als nur um eine voreilige
Schlussfolgerung.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ich würde vorschlagen, dass ein zusätzlicher Faktor eine
weitere Assoziation im Kopf des Sprechers ist.
Es ist nicht nur so, dass der Redner den Gedanken der Opposition gegen
illegale Einwanderung mit dem Gedanken des Rassismus verbindet. Es sind auch starke emotionale Assoziationen
am Werk. Der Sprecher hat eine stark
negative emotionale Reaktion auf den Widerstand gegen die illegale
Einwanderung, die der stark negativen emotionalen Reaktion auf Rassismus
ähnelt. Obwohl es also nicht die
notwendige logische Verbindung gibt, um den Schluss von der Prämisse zur
Schlussfolgerung gültig zu machen, macht es die emotionale Verbindung zwischen
den Ideen dem Sprecher schwer, die Schlussfolgerung aufzugeben, dass Sie ein
Rassist sein müssen. Diese Assoziation
ist rein psychologisch und nicht logisch, so dass die Schlussfolgerung
weiterhin falsch ist, aber die Stärke der Assoziation macht es dem Sprecher
dennoch schwer, dies zu erkennen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Auch bei anderen Irrtümern geht es darum, auf der Grundlage
einer scheinbar logischen, aber in Wirklichkeit rein psychologischen
Assoziation voreilige Schlüsse zu ziehen, so dass die Schlussfolgerung zwar
falsch, aber leicht zu durchschauen ist.
Man denke nur an den „Strohmann“-Trugschluss, bei dem der Redner eine
Karikatur der Position seines Gegners angreift und nicht das, was der Gegner
tatsächlich gesagt hat. Nehmen wir zum
Beispiel an, Sie vertreten die Ansicht, dass die Lockdowns in der Zeit von Covid-19
unter dem Strich nichts Gutes bewirkt haben, sondern schwerwiegenden
wirtschaftlichen und psychologischen Schaden verursacht haben, und jemand wirft
Ihnen daraufhin vor, ein Libertärer zu sein, der die individuelle Freiheit über
das Leben anderer stellt. Der Redner
stellt Ihre Position falsch dar und lässt es so klingen, als ob Sie der Meinung
sind, dass, obwohl die Lockdowns Leben gerettet haben, Ihr Recht zu tun, was
Sie wollen, wichtiger ist als das. Aber
das ist nicht das, was Sie gesagt haben.
Sie haben gesagt, dass sie keine Leben gerettet haben und darüber hinaus
schweren Schaden verursacht haben, und Sie haben sich nicht auf irgendwelche
libertären Prämissen berufen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Auch hier sind es eher psychologische Assoziationen als
logische Zusammenhänge, die den Fehler ausmachen. Der Redner assoziiert die Ablehnung von Lockdowns
mit dem Libertarismus (vielleicht auf der Grundlage eines weiteren
Trugschlusses der Schuld durch Assoziation, oder weil die Kritiker von Lockdowns,
mit denen er zuvor zu tun hatte, zufällig Libertäre waren, oder aus einem
anderen Grund). Der eine Gedanke löst
einfach den anderen in seinem Kopf aus, und so nimmt er an, dass Sie ein
Libertärer sein müssen und greift den Strohmann an. Der kausale Zusammenhang zwischen den Ideen
macht die Schlussfolgerung für ihn ganz natürlich, aber nicht logisch.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Doch auch andere Irrtümer sind durch solche assoziativen
psychologischen Mechanismen plausibel zu erklären. Nehmen wir den „circumstantial ad hominem“-Fehlschluss,
auch bekannt als „Appell an Motive“.
Dabei wird eine Behauptung oder ein Argument allein aufgrund eines
verdächtigen Motivs zurückgewiesen, das der Person, die es vertritt,
zugeschrieben wird (ob richtig oder falsch).
Nehmen wir zum Beispiel an, dass ein Autor ein Argument vorbringt, das
besagt, dass Steuersenkungen das Wirtschaftswachstum fördern würden, und Sie
lehnen es mit der Begründung ab, dass es lediglich sein Eigeninteresse
widerspiegelt, oder weil der Autor für eine Denkfabrik arbeitet, die dafür
bekannt ist, dass sie solche Maßnahmen befürwortet. Das Problem dabei ist, dass es völlig
unabhängig von den Motiven des Verfassers ist, ob das Argument stichhaltig ist
oder nicht. Eine Person mit schlechten
Motiven kann ein gutes Argument vorbringen und eine Person mit guten Motiven
kann ein schlechtes Argument vorbringen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Motive sind jedoch nicht immer irrelevant. Sie sind beispielsweise wichtig, wenn es
darum geht, die Zuverlässigkeit einer Zeugenaussage oder eines
Sachverständigengutachtens zu beurteilen.
Wenn der einzige Zeuge in einem Mordprozess von unabhängiger Seite dafür
bekannt ist, dass er dem Verdächtigen feindlich gesinnt ist, dann gibt das
zumindest einen Grund, seine Aussage, die den Verdächtigen belastet,
anzuzweifeln. Wenn ein Verkäufer Ihnen
versichert, dass das Produkt, das er verkauft, das beste auf dem Markt ist,
gibt Ihnen die Tatsache, dass er ein Motiv hat, es Ihnen zu verkaufen, Grund,
an seiner Aussage zu zweifeln, obwohl er ein Experte für Produkte dieser Art
ist.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Bei der Täuschung durch Berufung auf ein Motiv kommt es
zweifellos häufig vor, dass die Person, die den Trugschluss begeht, aufgrund
solcher Beispiele eine psychologische Verbindung zwischen einem verdächtigen
Motiv und Unglaubwürdigkeit herstellt.
Wenn er dann auf ein Argument stößt, das von jemandem vorgetragen wird,
den er verdächtigt, ein schlechtes Motiv zu haben, assoziiert er die
Unglaubwürdigkeit nicht nur mit der betreffenden Person, sondern auch mit dem
Argument, das diese Person vorbringt.
Aber auch hier gilt, dass die Stichhaltigkeit eines Arguments unabhängig
vom Charakter der Person ist, die es vorbringt, so dass diese Übertragung
falsch ist. Auch hier lässt die kausale
Verbindung zwischen den Ideen eine Schlussfolgerung natürlich erscheinen,
obwohl sie eigentlich nicht logisch ist.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Es gibt noch andere Arten von Irrationalität, die plausibel
auf assoziative psychologische Mechanismen zurückgeführt werden können. <a href="https://scholastiker.blogspot.com/2023/04/wie-definiert-man-wokeness.html " target="_blank"> An anderer Stelle</a> habe ich argumentiert, dass „Wokeness“ als „eine paranoide, wahnhafte,
hyper-egalitäre Denkweise charakterisiert werden kann, die dazu neigt,
Unterdrückung und Ungerechtigkeit dort zu sehen, wo sie nicht existieren, oder
sie stark zu übertreiben, wo sie existieren.“ Ein Beispiel dafür ist die Art
und Weise, in der milde oder sogar völlig harmlose Äußerungen, die in
irgendeiner Weise mit Rasse zu tun haben, von den Wortführern häufig schrill
als „rassistisch“ angeprangert werden.
So verkauft die bekannte Supermarktkette <i>Trader Joe's</i> ein
mexikanisches Bier mit der Bezeichnung „Trader Jose's“ und chinesische
Lebensmittel mit der Bezeichnung „Trader Ming's“. Für jeden vernünftig denkenden Menschen gibt
es daran nicht das Geringste zu beanstanden.
Insbesondere enthalten diese Etiketten nichts, was auch nur den
geringsten Anflug von Feindseligkeit gegenüber Mexikanern oder Chinesen
erkennen lässt. Aber der woke Verstand
ist nicht zurechnungsfähig, und so überrascht es nicht, dass vor ein paar
Jahren der Ruf laut wurde, diese Kennzeichnungen fallen zu lassen (was die
Kette wohlweislich ignorierte).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Es scheint so zu sein, dass in den Köpfen der Woken der
Gedanke an Rasse entsteht, der wiederum den Gedanken an Rassismus auslöst, und
die stark negativen emotionalen Assoziationen zu Letzterem führen wiederum zu
einer ähnlich negativen emotionalen Assoziation mit den Etiketten. Es besteht überhaupt kein logischer
Zusammenhang, aber die Stärke der psychologischen Assoziationen lässt die
falsche Schlussfolgerung natürlich erscheinen.
Der wache Verstand ist vergleichbar mit einem überempfindlichen Rauchmelder,
der jedes Mal, wenn jemand nur zu stark atmet, eine unangenehme Warnung
ausstößt (in dem verlinkten Artikel gehe ich auf einige der gestörten
psychologischen Tendenzen ein, die zur Bildung solcher falschen Assoziationen
führen).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein weiteres Beispiel für falsches assoziatives Denken ist
die Konstruktion phantasievoller „Narrative“, die dubiosen
Verschwörungstheorien, sowohl von links als auch von rechts, Plausibilität zu
verleihen scheinen. Ich habe dies an
anderer Stelle näher erläutert und verweise interessierte Leser daher auf diese
frühere Diskussion.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Da es sich bei ihnen um Menschen handelt, verfügen natürlich
auch Menschen, die das, was ich als „assoziative Denkweise“ bezeichne,
tatsächlich über Rationalität, weshalb sie ihre Fehler erkennen können. Ihr Verstand wird von den psychologischen
Theorien der Assoziationisten nicht richtig beschrieben. Aber die Vernunft ist bei ihnen so schwach
und die fraglichen Mechanismen so stark, dass sie sich oft so verhalten können,
als ob diese Theorien auf sie zuträfen.
Sie scheinen in sozialen Medien wie Twitter überproportional vertreten
zu sein. Und in der Tat scheinen solche
sozialen Medien assoziative Denkgewohnheiten zu fördern, wie ich bereits
erwähnt habe.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Quelle: <a href="http://EdwardFeser.blogspot.com">EdwardFeser.blogspot.com</a> </span><o:p></o:p></p>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-82266213292889235802023-06-27T10:37:00.002+02:002023-06-27T10:37:42.703+02:00Göttliche Kausalität und menschliche Freiheit<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEga3zgPrFth8vdaGGzdA3JH442oHgvYcNE5z9xmGmTjMXiaMEped00UXL74nkZjQvb0feXJjhMmT2YXBGwjWL1oheLNLMwf5tGYz3-PyHnWqgcUZwoDf1MYILd6eBCsmUe284LoNkZ32m7YC7RoY6mTmCSTIhUVUiETRJOTO_RyDz_cAPlpI07I5X_edPUv/s200/080.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="200" data-original-width="172" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEga3zgPrFth8vdaGGzdA3JH442oHgvYcNE5z9xmGmTjMXiaMEped00UXL74nkZjQvb0feXJjhMmT2YXBGwjWL1oheLNLMwf5tGYz3-PyHnWqgcUZwoDf1MYILd6eBCsmUe284LoNkZ32m7YC7RoY6mTmCSTIhUVUiETRJOTO_RyDz_cAPlpI07I5X_edPUv/s1600/080.jpg" width="172" /></a></div><br /> <span style="font-size: 12pt;"><span style="font-family: helvetica;">Im vorhergehenden Blogbeitrag wurde über eine
Neuerscheinung berichtet, die sich mit dem Thema der göttlichen
Vorherbestimmung, der Vorherbewegung und der göttlichen Kausalität und der
Vereinbarkeit mit der menschlichen Freiheit beschäftigt. Zu diesem Thema hat,
wenn auch erheblich kürzer und komprimierter, Edward Feser in seinem Buch Fünf
Gottesbeweise ebenfalls geschrieben und darüber hinaus einen Blogbeitrag auf
seinem Blog veröffentlicht. Der Autor des Buches, Bernward Deneke, geht
selbstverständlich auch auf diese Texte von Edward Feser ein. Der kurze
<a href="https://edwardfeser.blogspot.com/2018/03/divine-causality-and-human-freedom.html" target="_blank">Blogbeitrag von Feser</a> zu dem Thema ist eine gute Einführung in die Problematik
und wird deshalb hier in deutscher Übersetzung veröffentlicht.</span></span><p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;"> <span></span></span></span></p><a name='more'></a><p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">Ist der Begriff der göttlichen Kausalität, der von
klassischen Theisten wie Thomas von Aquin vertreten wird (und den ich in <i><a href="https://www.editiones-scholasticae.de/artikel/fuenf-gottesbeweise/">FünfGottesbeweise</a></i> verteidige), mit unserem freien Willen vereinbar? Der Grund dafür, dass dies nicht vereinbar zu
sein scheint, liegt darin, dass für Thomas von Aquin und Gleichgesinnte nichts
auch nur einen Augenblick lang existiert kann oder funktioniert, ohne dass Gott
es im Sein erhält und mit seiner Aktivität zusammenarbeitet. Die Flamme eines Herdbrenners erhitzt das
Wasser über ihr nur insofern, als Gott die Flamme im Sein erhält und ihr
kausale Wirksamkeit verleiht. Und Sie
scrollen nach unten, um den Rest dieses Artikels zu lesen, nur insofern, als
Gott Sie im Sein erhält und Ihrem Willen eine kausale Wirksamkeit
verleiht. Aber bedeutet das nicht, dass
Sie nicht frei sind, etwas anderes zu tun?
Denn ist es nicht eigentlich Gott, der alles tut, und Sie tun nichts?<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">Nein, das folgt daraus keineswegs. Bedenken Sie zunächst, dass Thomas von Aquins
Position nicht occasionalistisch, sondern konkurrentistisch ist. Die Flamme erhitzt das Wasser wirklich, auch
wenn sie dies nicht ohne Gottes Mitwirkung tun kann. Man könnte sagen, dass Gott in dieser
Hinsicht wie die Batterie ist, die ein Spielzeugauto in Bewegung hält. Der Motor des Autos bewegt tatsächlich die
Räder, auch wenn er das nicht kann, ohne dass die Batterie ihn ständig mit
Strom versorgt. Es ist ja nicht etwa so,
dass die Batterie allein die Räder bewegt und der Motor nichts tut. Genauso wenig ist es Gott allein, der das
Wasser erhitzt. Die Flamme leistet, wie
der Motor, einen echten Beitrag. Auch
bei freien Handlungen leistet der menschliche Wille einen realen Beitrag. Es ist nicht so, dass Gott unsere Handlungen
verursacht und wir nichts tun. Wir sind
wirklich die Ursache dafür, so wie die Flamme wirklich das Wasser zum Kochen
bringt, auch wenn in beiden Fällen die Ursachen nur insofern wirken, als Gott
ihnen Wirksamkeit verleiht.<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">Ein Kritiker könnte darauf erwidern, dass das alles schön
und gut ist, aber obwohl Thomas von Aquins Position den Okkasionalismus
vermeidet, reicht das nicht aus, um den freien Willen zu retten. Die Flamme erhitzt zwar das Wasser, aber
nicht freiwillig. Wenn sich also die
göttliche Zusammenarbeit mit dem Willen wie die göttliche Zusammenarbeit mit
der Flamme verhält, wie kann dann der Wille freier sein als die Flamme?<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">Die Antwort ist, dass die Zusammenarbeit Gottes mit der
Handlung bei einer Sache nichts an der Natur dieser Handlung verändert. Unpersönliche Ursachen handeln ohne Freiheit,
weil sie nicht rational sind. Der Mensch
handelt frei, weil er vernünftig ist.
Dass Gott bei jeder Art von Handlung mitwirkt, ist unerheblich. Nehmen wir an, <i>per impossibile</i>, dass
Sie und die Flamme ohne Gottes bewahrendes Handeln existieren und wirken
könnten. Dann gäbe es keinen Zweifel
daran, dass die Flamme nicht frei handelt, Sie aber schon, weil Sie rational
sind. In diesem Szenario gäbe es keinen
zusätzlichen göttlichen Kausalfaktor, der Ihre Freiheit zu beeinträchtigen
scheint.<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">Natürlich ist dieses Szenario unmöglich. Noch einmal: Für den Thomisten könnten weder
die Flamme noch Ihr Wille existieren oder auch nur einen Augenblick lang ohne
göttliche Erhaltung und Mitwirkung funktionieren. Mit dem Szenario <i>per impossibile </i>soll
jedoch betont werden, dass Gott kein zusätzlicher kausaler Faktor im Universum
ist, dessen An- oder Abwesenheit die spezifische kausale Situation so
beeinflussen könnte, wie die An- oder Abwesenheit von Sauerstoff die kausale
Wirksamkeit der Flamme oder die An- oder Abwesenheit von Versuchungen und anderen
Ablenkungen die kausale Wirksamkeit Ihres Willens beeinflussen würde. Gott ist vielmehr die metaphysische
Voraussetzung dafür, dass es überhaupt eine Kausalität gibt, sei es eine
unfreie oder eine freiwillige Kausalität. <o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">Hier ist eine Analogie.
Stellen Sie sich ein Dreieck vor, das Sie mit einem Lineal auf ein Blatt
Papier gezeichnet haben. Was Sie
gezeichnet haben, hat gerade Seiten. Und
warum? Eine Antwort lautet: Weil Sie ein
Lineal benutzt haben, um es zu zeichnen.
Eine andere Antwort lautet: Weil es die Form des Dreiecks instanziiert. Diese Antworten konkurrieren natürlich in
keiner Weise. In der Tat sind beide
Antworten wahr. Jede erklärt einen
anderen Aspekt der Situation.<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">Das Verhältnis unserer Handlungen zur Kausalität des
Willens bzw. zur göttlichen Kausalität entspricht dem in etwa, wenn auch nur in
einem analogen Sinne. Warum haben Sie
diese Website nach unten gescrollt, um den Rest dieses Artikels zu lesen? Eine Antwort lautet: Weil Sie sich aus freien
Stücken dafür entschieden haben. Eine
andere Antwort lautet: Weil Gott eine Welt geschaffen hat, in der das
geschieht. Auch diese Antworten stehen
in keiner Weise in Konkurrenz zueinander.
Beide sind wahr, und beide erklären einen anderen Aspekt der Situation.<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">In <i>Fünf Gottesbeweise</i> verwende ich eine weitere
Analogie: zwischen Gott und der Welt einerseits und einem Autor und der
Geschichte, die er geschrieben hat, andererseits. Nehmen wir an, Sie beenden einen
Kriminalroman, finden heraus, dass der Butler es getan hat, und beschweren sich
dann bei einem Freund, dass es Sie gestört hat, dass der Butler am Ende des
Buches bestraft wurde, weil er nicht aus freiem Willen gehandelt hat. Ihr Freund antwortet: "Oh, hat der
Butler unter der Drohung von jemand anderem in der Geschichte gehandelt? Hat er unter dem Einfluss von Hypnose oder
einer anderen Art von Gedankenkontrolle gehandelt? War er vorübergehend wahnsinnig? Hat er den Abzug nur wegen eines
Muskelkrampfs betätigt?" Sie
antworten: "Nein, nichts dergleichen.
Es ist nur so, dass ich nach der Lektüre herausgefunden habe, dass der
Roman einen Autor hat! Das bedeutet,
dass der Butler gar nicht frei gehandelt hat, sondern nur, weil der Autor die
Geschichte so geschrieben hat."</span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">Das wäre natürlich eine dumme Bemerkung. Die kausale Beziehung des Autors zu den
Handlungen des Butlers ist einfach nicht vergleichbar mit der kausalen
Beziehung, die eine Drohung, eine Hypnose, ein Wahnsinn oder ein Muskelkrampf
zu den Handlungen des Butlers haben könnte.
Der Autor ist nicht ein kausales Element der Geschichte unter anderen,
sondern vielmehr die Voraussetzung dafür, dass es überhaupt eine Geschichte und
eine Kausalität in ihr gibt. In
ähnlicher Weise ist Gott nicht ein kausaler Faktor unter anderen im Universum,
sondern vielmehr die Voraussetzung dafür, dass es überhaupt ein Universum und
eine Kausalität darin gibt. <o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">Natürlich ist diese Analogie, wie jede andere,
unvollkommen. Aber ein Kritiker könnte
behaupten, dass sie dennoch die Vereinbarkeit von freiem Willen und göttlicher
Kausalität nicht erhellt, selbst wenn man die Grenzen jeder Analogie berücksichtigt. Denn unterm Strich, so könnte der Kritiker
sagen, passiert in der Geschichte absolut nichts von dem, was geschieht, weil
der Autor es so geschrieben hat. Und für
den Thomisten geschieht absolut nichts in der Welt, was nicht geschieht, weil Gott
einfach eine Welt geschaffen hat, in der es geschieht. Daher (so die Schlussfolgerung des Kritikers)
handeln weder die Figuren in der Geschichte noch die Menschen, die in der
Realität existieren (zumindest so, wie der Thomist sich die Realität vorstellt),
jemals wirklich frei. Die Analogie der
Geschichte, so könnte der Kritiker behaupten, verschlimmert das Problem für den
Thomisten eher, als dass sie es löst.
Denn sie zeigt, dass die Menschen in Wirklichkeit nicht freier sind als
die Figuren in einer Geschichte.<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">Bei sorgfältiger Analyse zeigt sich jedoch, dass dieser
Einwand nicht stichhaltig ist, denn er behandelt die verschiedenen Elemente der
Geschichtenanalogie nicht auf kohärente Weise.
Wäre ein solcher Kritiker konsequent, dann müsste er auch sagen, dass
die Waffe, die der Butler benutzt hat, nicht wirklich Kugeln abgefeuert hat,
dass die Kugeln nicht wirklich das Opfer getötet haben, dass der Richter und
die Geschworenen den Butler nicht wirklich bestraft haben, usw. - und das alles
mit der Begründung, dass es in Wirklichkeit der Autor war, der all diese Dinge
getan hat, denn schließlich hat er die Geschichte so geschrieben. <o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">Natürlich wäre auch das dumm. Um eine Geschichte überhaupt verstehen und
beschreiben zu können, müssen wir sie so behandeln, als ob sie real wäre. Wir müssen zum Beispiel von den Figuren und
Ereignissen in der Geschichte so sprechen, als ob sie wirklich existierten und
sich ereigneten. Wenn wir das tun,
müssen wir, um konsistent zu sein, auch von den Figuren und physischen Objekten
in der Geschichte (z. B. der Waffe, den Kugeln usw.) sprechen, als hätten sie
eine reale Wirkung. Das heißt, wir
müssen von der Waffe so sprechen, als ob sie wirklich Kugeln abfeuert, von den
Kugeln so, als ob sie sich wirklich in den Körper des Opfers bohren, von den
Richtern und Geschworenen so, als ob sie den Butler wirklich bestrafen würden,
und so weiter. <o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">Aber aus Gründen der Kohärenz müssen wir auch vom Butler
und anderen Figuren so sprechen, als hätten sie frei gehandelt. Wir können nicht beides haben. Wenn wir die Geschichte überhaupt richtig
verstehen und beschreiben wollen, müssen wir jeden Teil von ihr, einschließlich
des freien Willens der Figuren, so behandeln, als wäre er real. Es ist albern, so zu tun, als ob die
Tatsache, dass die Geschichte einen Autor hatte, uns einen besonderen Grund
gäbe, den freien Willen der Figuren für irreal zu halten. Natürlich ist der freie Wille der Figuren
unwirklich. Alles in der Geschichte ist
unwirklich, weil es nur eine Geschichte ist.
In dieser Hinsicht ist der freie Wille der Figuren nichts
Besonderes. Wenn ein Kritiker behauptet,
die Analogie der Geschichte zeige, dass der Thomismus den freien Willen
untergräbt, könnte er ebenso gut behaupten, die Analogie der Geschichte zeige,
dass der Thomismus zum Okkasionalismus führe, mit der Begründung, dass in
Wirklichkeit der Autor und nicht der Butler die Waffe abgefeuert habe usw.<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">Die Analogie der Geschichte zeigt natürlich nichts
dergleichen. Aber sie untergräbt auch in
keiner Weise den freien Willen. Dies
kann nur bei einer selektiven Behandlung der verschiedenen Elemente der
Analogie der Fall sein.<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">Der Kritiker könnte an dieser Stelle einen anderen Weg
einschlagen. Er könnte sagen, dass die
thomistische Darstellung des freien Willens problematisch ist. Auch hier geht Thomas von Aquin davon aus,
dass der Wille frei ist, weil er ein vernunftbegabtes Streben ist. Im Gegensatz zu niederen Tieren handelt der
Mensch im Lichte dessen, was sein Verstand für gut hält. Aber, so könnte der Kritiker fragen, warum
ist das wichtig? Nehmen wir an, Ihr
Verstand urteilt, dass es gut wäre, den Rest dieses Artikels zu lesen, und Sie
beschließen, dies zu tun und Sie scrollen nach unten, um weiterzulesen. Inwiefern würde dies Ihre Handlung frei
machen? Wäre dieser Akt des Intellekts
nicht einfach nur ein weiteres Glied in der Reihe der Ursachen, die zu Ihrer Handlung
geführt haben, die sich in keiner Weise von den neuronalen Mustern und
Muskelkontraktionen unterscheidet, die dabei eine Rolle spielen?<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">Hierauf sind vor allem zwei Punkte zu erwidern. Der erste ist, dass es schwer zu erkennen
ist, warum ein Kritiker dies als ernsthaften Einwand gegen den Thomisten
ansehen würde, es sei denn, er würde Kausalität ausschließlich als effiziente
Kausalbeziehungen begreifen.
Insbesondere würde ein solcher Kritiker annehmen, dass die Rolle des
Intellekts so zu verstehen ist, dass ein bestimmtes geistiges Ereignis (das
entweder mit einem neuronalen Ereignis oder mit etwas, das in einer
cartesianischen <i>res cogitans</i> vor sich geht, identifiziert wird) als
effiziente Ursache einer Kette von körperlichen Ereignissen fungiert, wobei das
geistige Ereignis selbst wiederum die Wirkung einer vorangehenden Reihe von
effizienten Ursachen ist. Der Einwand
des Kritikers wäre, dass ein solches geistiges Ereignis nur ein weiteres Glied
in der Reihe von Ereignissen zu sein scheint, die zu der Handlung geführt
haben, von denen jedes nach allem, was Thomas von Aquin gezeigt hat, ebenso
kausal bestimmt sein könnte wie jedes andere. <o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">Das Problem mit einem solchen Einwand ist natürlich, dass
er einfach eine Auffassung von Kausalität voraussetzt, die kein Thomist akzeptieren
würde. Für den Thomisten gibt es vier
irreduzible Arten der kausalen Erklärung – formale, materielle, effiziente und
finale – und die Rolle des Intellekts ist in erster Linie in Bezug auf die
formale und finale Kausalität zu verstehen und nicht in Bezug auf die
effiziente Kausalität. Darüber hinaus
würde der Thomist auch die reduktionistischen und physikalistischen Annahmen
über die effiziente Kausalität ablehnen, die in vielen zeitgenössischen
Diskussionen über Kausalität und freien Willen eine Rolle spielen. Einwände wie der, den ich meinem imaginären
Kritiker in den Mund gelegt habe, lesen einfach Annahmen in Thomas von Aquin
hinein, die er nicht akzeptieren würde, und setzen somit die Antwort auf die
Frage voraus.</span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">Das Zweite, was zu diesem imaginären Einwand gesagt
werden muss, ist, dass er das Thema gewechselt wird. Denn wenn das Problem des Kritikers in Thomas
von Aquins Darstellung des freien Willens als Folge des Intellekts liegt, dann
geht es nicht mehr um die göttliche Kausalität. <o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 12pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">Es gäbe noch viel mehr zu sagen, aber ich möchte mit
diesem Punkt schließen: Die Bedenken gegenüber Thomas von Aquins Darstellung
der göttlichen Kausalität und des freien Willens scheinen im Wesentlichen auf
zwei Irrtümern zu beruhen. Der erste
besteht darin, in Thomas von Aquin moderne philosophische Annahmen über den
freien Willen und die Kausalität hineinzulesen, die er nicht akzeptieren würde,
was zu einer Travestie dessen führt, was er tatsächlich über die Natur des
freien Willens denkt. (Daher auch die
ganze Aufregung darüber, ob Thomas von Aquin ein Kompatibilist, ein Libertärer
usw. war. Ich glaube nicht, dass er in
einer der heute üblichen Kategorien richtig verstanden wird, ebenso wenig wie
seine Ansichten zum Leib-Seele-Problem richtig als kartesianisch,
materialistisch, funktionalistisch usw. klassifiziert werden.) Der zweite
Fehler besteht darin, Gott so zu behandeln, als sei er einfach eine weitere
effiziente Ursache neben all den anderen im Universum, nur mächtiger und weiter
hinten in der Reihe der effizienten Ursachen.</span><span style="font-family: Gentium Book Basic;"><o:p></o:p></span></span></p>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-58172710987058754482023-06-26T20:14:00.003+02:002023-06-26T20:14:41.505+02:00Neuerscheinung: Bestimmender Gott und freier Mensch<p> </p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhp_d-oWLim2sX_tZwhAqAsJLyuBWIcFutYO3wf22KwkstpmbBeZV0b8IfKrbJmUn_0O9D1mCwA9z7iDbqcnrHs86Sx05LGkmAoi56lC4_oEQ3NQ0oqUOOBhdl9ganceZV4x6v-0OfekBQVMnseIDPoOl-FZ0Xz19E0a5r4BOTqGH-5FFeH-zMiPUQLyR3s/s1590/Bestimmender-Gott-und-freier-Mensch.png" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="1590" data-original-width="1039" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhp_d-oWLim2sX_tZwhAqAsJLyuBWIcFutYO3wf22KwkstpmbBeZV0b8IfKrbJmUn_0O9D1mCwA9z7iDbqcnrHs86Sx05LGkmAoi56lC4_oEQ3NQ0oqUOOBhdl9ganceZV4x6v-0OfekBQVMnseIDPoOl-FZ0Xz19E0a5r4BOTqGH-5FFeH-zMiPUQLyR3s/s320/Bestimmender-Gott-und-freier-Mensch.png" width="209" /></a></div><br /><span style="font-family: "Gentium Book Basic"; font-size: 12pt;">Im Verlag <a href="https://www.editiones-scholasticae.de/artikel/bestimmender-gott-und-freier-mensch/" target="_blank">editionesscholasticae</a></span><span style="font-family: "Gentium Book Basic"; font-size: 12pt;"> ist ein Buch zum Thema der göttlichen Vorsehung und der menschlichen Freiheit
erschienen. Das Thema wurde und wird seit Jahrhunderten in der natürlichen
Theologie bzw. der Religionsphilosophie diskutiert und ist in den vergangenen
Jahren wieder von verschiedenen Philosophen neu aufgegriffen worden. Seit der
frühen Neuzeit stehen sich dabei zwei Hauptrichtungen gegenüber: Der Thomismus
und der Molinismus (er geht zurück auf den spanischen Scholatiker <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Luis_de_Molina" target="_blank">Luis Molina</a></span><span style="font-family: "Gentium Book Basic"; font-size: 12pt;"> zurück). Der Autor der Neuerscheinung argumentiert für den Thomismus, erweitert
diesen aber um den Personbegriff. Zu dem Buch schreibt der Verlag in einer Zusammenfassung:</span><p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: "Gentium Book Basic"; font-size: 12.0pt; line-height: 107%;"> <span></span></span></p><a name='more'></a><p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: "Gentium Book Basic"; font-size: 12.0pt; line-height: 107%;"> </span></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm;"><span style="background: white; color: #230000; font-family: "Gentium Book Basic"; font-size: 12.0pt; line-height: 107%; mso-bidi-font-family: Helvetica;">Gottes Wirken bestimmt das menschliche
Entscheiden und Handeln. Dennoch sind Menschen freie, d.h. sich selbst
bestimmende Wesen. Wie lassen sich beide Aussagen miteinander vereinbaren? Zu
dieser Frage liegen viele Antwortversuche vor, die von Augustinus und Anselm
von Canterbury, Thomas von Aquin und Johannes Duns Scotus über die Thomisten
und Molinisten der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart reichen. Oft besteht
dabei die Tendenz, eine der beiden Seiten zu verkürzen. Entweder erscheint Gott
dann als bloß vorauswissender, aber nicht bestimmender Zuschauer des
Weltgeschehens, oder die menschliche Freiheit wird auf den bloßen Eindruck von
Selbstbestimmung reduziert. Die vorliegende philosophische Studie sucht nach
einer Lösung jenseits der Kompromisse.</span><o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm;"><span style="background: white; color: #230000; font-family: "Gentium Book Basic"; font-size: 12.0pt; line-height: 107%; mso-bidi-font-family: Helvetica;"><o:p> </o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm;"><span style="background: white; color: #230000; font-family: "Gentium Book Basic"; font-size: 12.0pt; line-height: 107%; mso-bidi-font-family: Helvetica;">Der <b>Autor</b>, <i>Bernward Deneke</i>, ist katholischer
Priester. Bernward Wilhelm Deneke, Dr. phil., geb. 1968 in Düsseldorf. 1987
Abitur am altsprachlichen Gymnasium Diltheyschule in Wiesbaden. Studium der
Philosophie und Theologie am Priesterseminar St. Petrus in Wigratzbad,
Priesterweihe 1993. Apostolatseinsätze und Lehrtätigkeit in der
Priesterausbildung. Er ist Autor eines Buches und zahlreicher
Zeitschriftenbeiträge.</span><o:p></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm;"><span style="background: white; color: #230000; font-family: "Gentium Book Basic"; font-size: 12.0pt; line-height: 107%; mso-bidi-font-family: Helvetica;"><o:p> </o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm;"><span style="background: white; color: #230000; font-family: "Gentium Book Basic"; font-size: 12.0pt; line-height: 107%; mso-bidi-font-family: Helvetica;">Und hier die bibliographischen Daten:<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm;"><span style="background: white; color: #230000; font-family: "Gentium Book Basic"; font-size: 12.0pt; line-height: 107%; mso-bidi-font-family: Helvetica;"><o:p> </o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm;"><span style="background: white; color: #230000; font-family: "Gentium Book Basic"; font-size: 12.0pt; line-height: 107%; mso-bidi-font-family: Helvetica;">Bernward Deneke<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-outline-level: 2;"><b><span style="font-family: "Gentium Book Basic"; font-size: 12pt;"><a href="https://www.editiones-scholasticae.de/artikel/bestimmender-gott-und-freier-mensch/" target="_blank">Bestimmender Gott und freier Mensch</a></span></b><b><span style="font-family: "Gentium Book Basic"; font-size: 12.0pt; mso-bidi-font-family: Helvetica; mso-fareast-font-family: "Times New Roman"; mso-fareast-language: DE; mso-font-kerning: 0pt; mso-ligatures: none;"><o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-outline-level: 2;"><strong><span style="background-attachment: initial; background-clip: initial; background-image: initial; background-origin: initial; background-position: initial; background-repeat: initial; background-size: initial; color: #230000; font-family: "Gentium Book Basic"; font-size: 12pt; font-weight: normal;">Eine
philosophische Untersuchung<o:p></o:p></span></strong></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm;"><span lang="IT" style="font-family: "Gentium Book Basic"; font-size: 12.0pt; line-height: 107%; mso-ansi-language: IT;">Hardcover 416 S., 14,8 x 21 cm<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm;"><span lang="IT" style="font-family: "Gentium Book Basic"; font-size: 12.0pt; line-height: 107%; mso-ansi-language: IT;">ISBN: 978-3-86838-277-8<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="margin-bottom: 0cm;"><span lang="IT" style="font-family: "Gentium Book Basic"; font-size: 12.0pt; line-height: 107%; mso-ansi-language: IT;">49,00 €<o:p></o:p></span></p>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-47957978649787584232023-06-02T13:36:00.000+02:002023-06-02T13:36:06.302+02:00Substanz, Teleologie und Intentionalität<p><span style="font-family: helvetica;"> </span></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><span style="font-family: helvetica;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiVmVkyc2iShYRUybST_J0DbF4x6gGCjr0eNWv-fzVwXZrfx74fTmP3nkTQKk_ClbbeISv9H0puhT0pzRekZzcsujx5as2q0WdC5yS0dIPV-GCLnPcv7dzm0ZX54R7bYVDfBeCCFcJ2YpxpW9sgMVI1-Q-tcA-iTfi01_zvTtuc8wBpqMJBWVT3phtZrA/s320/078.JPG" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="110" data-original-width="320" height="110" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiVmVkyc2iShYRUybST_J0DbF4x6gGCjr0eNWv-fzVwXZrfx74fTmP3nkTQKk_ClbbeISv9H0puhT0pzRekZzcsujx5as2q0WdC5yS0dIPV-GCLnPcv7dzm0ZX54R7bYVDfBeCCFcJ2YpxpW9sgMVI1-Q-tcA-iTfi01_zvTtuc8wBpqMJBWVT3phtZrA/s1600/078.JPG" width="320" /></a></span></div><span style="font-family: helvetica;"><br />Es gibt eine aufschlussreiche Parallele zwischen der
traditionellen aristotelischen Unterscheidung zwischen Substanzen, Artefakten
und Aggregaten und der Unterscheidung, die John Searle zwischen intrinsischer
Intentionalität, abgeleiteter Intentionalität und Als-ob-Intentionalität
trifft. Dies mag seltsam erscheinen, da
sich die aristotelische Unterscheidung mit sehr allgemeinen Fragen zur
Metaphysik physikalischer Objekte befasst, während Searle sich mit einem sehr spezifischen
Thema der Philosophie des Geistes beschäftigt.
Bei näherer Betrachtung ist die Parallele jedoch ganz natürlich und
offensichtlich, und das verbindende Glied ist der Begriff der Teleologie. Betrachten wir zunächst die einzelnen
Unterscheidungen, dann werden wir in der Lage sein, die Parallelen zu erkennen.</span><p></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> <span></span></span></o:p></p><a name='more'></a><p></p>
<p class="MsoNormal"><b><span style="font-family: helvetica;">Aristoteles über die
Substanz<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">In der <i>Physik</i> unterscheidet Aristoteles bekanntlich
zwischen natürlichen und künstlichen Objekten.
Einige Beispiele für natürliche Gegenstände sind Steine, Kupfer, Bäume
und Hunde. Einige Beispiele für
künstliche Gegenstände sind Tische, Gemälde, Autos und Computer. Oder, um ein Beispiel zu nennen, das ich
gerne verwende: Eine Lianenranke (die Art, an der Tarzan im Dschungel
herumschwingt) wäre ein natürliches Objekt, und eine Hängematte, die Tarzan aus
lebenden Lianen anfertigt, um ein Mittagsschläfchen zu halten, wäre ein
Artefakt.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diese Unterscheidung zu
erklären. Aristoteles charakterisiert
natürliche Objekte als solche, deren Prinzip der Veränderung und Stabilität
ihnen innewohnt, während künstlichen Objekten ihr Prinzip der Veränderung oder
Stabilität von außen aufgezwungen wird.
Die Tendenz einer Liane zum Beispiel, ihre Wurzeln in den Boden zu
versenken, durch sie Wasser aufzunehmen und nach oben in Richtung der
Baumkronen zu wachsen, kommt aus ihrem Inneren.
Aber die Hängematte aus lebenden Lianen wird nur dann die richtige Form
behalten, zusammengebunden bleiben usw., wenn Tarzan sie ständig instand hält,
indem er die Lianen, die sich gelöst haben, wieder zusammenbindet, sie
beschneidet und so weiter. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Eine andere Möglichkeit, die Unterscheidung zu treffen, ist
die Feststellung, dass natürliche Objekte substanzielle Formen haben, während
Artefakte lediglich akzidentelle Formen haben.
Das Merkmal einer substanziellen Form ist das Vorhandensein von
Eigenschaften und kausalen Kräften, die sich nicht auf die Summe der
Eigenschaften und Kräfte seiner Teile reduzieren lassen. Etwas, das eine rein akzidentelle Form hat, hat
dagegen Eigenschaften und kausale Kräfte, die reduzierbar sind. So können beispielsweise die besonderen
Eigenschaften und Kräfte einer Liane nicht als bloße Summe der Eigenschaften
und Kräfte ihrer Teile (wie der Zellen, Moleküle oder Atome, aus denen sie sich
zusammensetzt) analysiert werden. Die
Eigenschaften und Kräfte einer Hängematte können jedoch auf die Eigenschaften
und Kräfte der Lianen, aus denen sie besteht, sowie auf Tarzans Absicht, die Lianen
als Hängematte zu benutzen, reduziert werden.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Eine dritte Möglichkeit der Unterscheidung ist die
Feststellung, dass natürliche Objekte eine intrinsische oder eingebaute
Teleologie haben, während Artefakte lediglich eine extrinsische oder von außen
aufgezwungene Teleologie haben. Die
Tendenz der Lianen, ihre Wurzeln in den Boden zu versenken und nach oben in
Richtung Walddach zu wachsen, ist ihnen angeboren, während ihre Tendenz, als
Hängematte zu funktionieren, von Tarzan von außen aufgezwungen wird.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Diese drei Arten der Unterscheidung sind eng miteinander
verbunden. Die inhärenten teleologischen
Eigenschaften eines natürlichen Objekts ergeben sich aus seiner substanziellen
Form und manifestieren sich in der Wirkung seiner charakteristischen kausalen
Kräfte. Die substanzielle Form, die eine
Lianenranke auszeichnet, manifestiert sich beispielsweise darin, dass die Ranke
auf die Ziele ausgerichtet ist, ihre Wurzeln in den Boden zu versenken, nach
oben in Richtung der Baumkronen zu wachsen usw.
Und die für eine solche Ranke charakteristische Veränderung und
Stabilität zeigt sich in der Wirkung der kausalen Kräfte, durch die die Ranke
diese Ziele verwirklicht.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">In ähnlicher Weise bestimmt der von außen auferlegte Zweck,
als Hängematte zu funktionieren, welche akzidentellen Formen Tarzan in die Ranken
einbringen muss (sie auf diese und nicht auf jene Weise binden, sie von diesen
Teilen abschneiden, aber nicht von jenen), damit sie kausale Kräfte aufweisen,
die diesen Zweck ermöglichen (z. B. die Kraft, das Gewicht eines erwachsenen
Menschen zu tragen).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Eine echte physische Substanz ist für den Aristoteliker ein
Objekt, das eine substanzielle und nicht nur eine akzidentelle Form hat, das
dementsprechend bestimmte intrinsische und nicht nur von außen aufgezwungene
teleologische Merkmale aufweist und das dadurch bestimmte inhärente Muster der
Veränderung und Stabilität manifestiert.
Artefakte sind keine echten Substanzen, eben weil sie nur akzidentelle
Formen, eine von außen aufgezwungene Teleologie und ihnen nicht völlig
inhärente Muster der Veränderung und Stabilität aufweisen. Daher ist eine Liane eine wahre Substanz und
eine Hängematte nicht. (Mehr über die
Unterscheidung zwischen dem Natürlichen und dem Künstlichen sage ich in meinem
kürzlich erschienenen Aufsatz "Natural and Supernatural" in dem Band <i>Neo-Aristotelian
Metaphysics and the The Theology of Nature</i> von Simpson, Koons und Orr).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein Artefakt zu sein ist jedoch nicht die einzige
Möglichkeit, keine echte Substanz zu sein.
An dieser Stelle kommen die <i>Aggregate</i> ins Spiel. Nehmen wir an, Tarzan spannt eine Hängematte
zwischen zwei Bäumen auf, lässt sie aber später fallen und vergisst sie. Stellen Sie sich vor, die Lianen, die die
Hängematte bilden, sterben ab, und das ganze Ding löst sich und fällt auf den
Boden, wo es einen Haufen unter den Bäumen bildet. Stellen Sie sich vor, die Ranken lösen sich
vollständig, vertrocknen und verwelken und nehmen das Aussehen einer amorphen
Masse oder eines zufälligen Knäuels an.
Da die Ranken abgestorben sind und nicht mehr die charakteristischen
Eigenschaften und Kräfte der Lianen aufweisen, sind sie nach aristotelischer
Auffassung keine Lianen im eigentlichen Sinne mehr. Sie sind stattdessen Substanzen anderer Art –
zum Beispiel Faserstücke. Und da der
Stapel nicht mehr die charakteristischen Merkmale einer Hängematte aufweist
(und Tarzan nicht einmal mehr die Absicht hat, ihn als solche zu benutzen), ist
er auch keine Hängematte mehr.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Was ist er dann? Es
ist ein Aggregat dieser neuen faserigen Substanzen – eine Ansammlung, deren
Kräfte und Eigenschaften auf die Summe der Teile der Ansammlung reduzierbar
sind. Es ist wie ein Artefakt, mit dem
Unterschied, dass ein Artefakt eine Teleologie hat, die von außen durch einen
Geist aufgezwungen wird, während ein Aggregat dies nicht tut. Dies gilt selbst dann, wenn es sich so
verhält, als ob es eine hätte. Stellen Sie
sich zum Beispiel vor, dass der Haufen toter Ranken verhindert, dass Wasser
zwischen den Bäumen fließt, von denen die Hängematte heruntergefallen war. Er funktioniert wie ein Staudamm, ist aber
kein richtiger Staudamm, da er nicht zu diesem Zweck gebaut wurde (weder von
Menschen noch von Bibern, zum Beispiel).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><b><span style="font-family: helvetica;">Searle über
Intentionalität<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Wenden wir uns nun der Unterscheidung von Searle zu. Intentionalität ist ein technischer Begriff
für die Gerichtetheit oder „Aboutness“, die für mentale Zustände, sprachliche
und andere Arten von Repräsentationen charakteristisch ist. Ihr Gedanke, dass der Eiffelturm in Paris
steht, bezieht sich beispielsweise auf ein bestimmtes Objekt - den Eiffelturm –
oder ist auf dieses gerichtet. Der deutsche
Satz „Der Eiffelturm ist in Paris“ bezieht sich ebenfalls auf den Eiffelturm
oder ist auf diesen gerichtet, ebenso wie ein Gemälde des Eiffelturms. Eine zufällige Aneinanderreihung von
Buchstaben wie "gjaargrvma" oder die Flecken auf dem Boden, die
entstehen, wenn man versehentlich etwas Tinte verschüttet, haben dagegen keine
Intentionalität. Sie haben nichts zu
bedeuten, sondern sind lediglich bedeutungslose Zeichen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Wie Searle an mehreren Stellen (z. B. in seinem Buch <i>The
Rediscovery of the Mind</i>) darlegt, veranschaulichen diese Beispiele zwei
verschiedene Arten von Intentionalität.
Die Buchstabenfolge, aus der der Satz „Der Eiffelturm steht in Paris“
besteht, hat Intentionalität, die zufällige Zeichenfolge „gjaargrvma“ dagegen
nicht. Es ist jedoch zu beachten, dass
die Intentionalität der ersten Zeichenfolge nicht inhärent ist. Intrinsisch oder für sich genommen ist die
erste Buchstabenfolge ebenso bedeutungslos wie die zweite. Es ist nur so, dass aufgrund der Konventionen
des deutschen Sprachgebrauchs die erste einen Satz vermittelt und die zweite
nicht. Ohne diese Konventionen wäre der
erste Satz genauso ohne Intentionalität wie der zweite oder wie ein zufälliger
Tintenklecks.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Sätze haben also das, was Searle abgeleitete Intentionalität
nennt. Das Gleiche gilt für eine Zeichnung
des Eiffelturms und für Darstellungen anderer Art, wie z. B. Symbole (z. B. die
Symbole, aus denen ein Rauchverbotsschild besteht). Die Quelle dieser abgeleiteten
Intentionalität ist der menschliche Verstand.
Der Satz „Der Eiffelturm ist in Paris“ hat die Bedeutung, die er hat,
weil er verwendet wird, um den Gedanken auszudrücken, dass der Eiffelturm in
Paris steht. Die Gedanken leiten ihre
Bedeutung jedoch nicht von etwas anderem ab.
Wir benutzen Sätze, um den Inhalt von Gedanken auszudrücken, aber
niemand benutzt Gedanken, um den Inhalt von Gedanken oder von irgendetwas
anderem auszudrücken. Die Gedanken sind
sozusagen nur ihr Inhalt. Sie haben ihre
Bedeutung auf eine eingebaute Weise. Sie
haben eher eine intrinsische (oder ursprüngliche) als eine abgeleitete
Intentionalität. <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">(Scholastiker wie John Poinsot haben dies so ausgedrückt,
dass Sätze instrumentelle Zeichen sind, während Gedanken formale Zeichen
sind. Ein instrumentelles Zeichen ist
ein Zeichen, das auch etwas anderes ist - eine Reihe von Tintenmarkierungen,
ein Geräusch, ein Bild, oder was auch immer.
Sein Inhalt ist etwas, das zu diesen anderen Merkmalen hinzukommt oder
sich von ihnen unterscheidet, und deshalb muss der Inhalt abgeleitet werden,
damit solche Merkmale überhaupt einen Inhalt haben können. Ein formales Zeichen ist ein Zeichen, das
nichts anderes als ein Zeichen ist, und insbesondere nichts anderes als sein
Inhalt. Es ist einfach sein Inhalt, und
deshalb ist sein Inhalt intrinsisch und nicht abgeleitet).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Searle stellt auch fest, dass es Phänomene gibt, die keine
intrinsische oder gar abgeleitete Intentionalität haben, bei denen es aber
dennoch sinnvoll ist, sie so zu beschreiben, als ob sie sie hätten. Wenn wir zum Beispiel dunkle Wolken sehen,
könnten wir sagen: „Diese Wolken bedeuten, dass es regnen wird“. Natürlich haben die Wolken eine solche
Bedeutung nicht in dem Sinne, wie der Gedanke, dass es regnen wird, eine
Bedeutung hat. Denn die Wolken denken
nicht. Aber die Wolken haben auch nicht
die Bedeutung wie der Satz „Es wird regnen“ oder wie eine Zeichnung von
Regen. Eine Wolke ist weder ein Satz,
noch ein Bild, noch ein Symbol, noch eine Darstellung irgendeiner anderen
Art. Vielmehr geht es darum, dass wir,
da wir wissen, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen dunklen Wolken und
Regen gibt, aus dem Vorhandensein der Wolken ableiten, dass es Regen geben
wird. Die Bedeutung (im Sinne des
begrifflichen oder semantischen Inhalts) liegt in uns, nicht in den
Wolken. Aber die Beschreibung der
Wolken, als ob sie einen semantischen Inhalt hätten, ist eine nützliche
Kurzform. Searle nennt dies „Als-ob-Intentionalität“,
betont aber, dass es sich gerade deshalb, weil es nur so ist, als ob das
Phänomen Intentionalität hätte, nicht streng genommen um eine Art von
Intentionalität, sondern um eine bequeme Fiktion handelt. Ein anderes Beispiel wäre, wenn wir sagen,
dass das Wasser an den Fuß des Hügels gelangen will (als ob das Wasser wirklich
etwas wollte).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Natürlich ist die intrinsische Intentionalität die
grundlegendste der drei Arten.
Abgeleitete Intentionalität existiert nur, weil es eine intrinsische
Intentionalität gibt, von der sie abgeleitet werden kann. Und bei der Als-ob-Intentionalität geht es
darum, von einer Sache so zu sprechen, als hätte sie die intrinsische
Intentionalität, die Gedanken haben, oder die abgeleitete Intentionalität, die
Worte und dergleichen von der intrinsischen Intentionalität der Gedanken
erhalten.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><b><span style="font-family: helvetica;">Teleologie<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Es gibt eine Parallele zwischen natürlichen Substanzen,
Artefakten und Aggregaten auf der einen Seite und intrinsischer
Intentionalität, abgeleiteter Intentionalität und Als-ob-Intentionalität auf
der anderen. Zunächst ist zu bedenken,
dass natürliche Substanzen grundlegender sind als Artefakte und Aggregate, weil
letztere die ersteren voraussetzen.
Insbesondere ist ein Artefakt im Wesentlichen eine natürliche Substanz
oder eine Ansammlung natürlicher Substanzen, die von jemandem arrangiert
wurden, um einen bestimmten Zweck zu verwirklichen (z. B. Tarzans
Hängematte). Und ein Aggregat ist eine
Ansammlung natürlicher Substanzen, die oberflächlich betrachtet wie eine
natürliche Substanz oder ein Artefakt aussehen könnte, es aber nicht ist, da
ihr der Zweck einer der beiden fehlt (wie im Fall des Haufens toter Ranken).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Analog dazu ist die intrinsische Intentionalität
grundlegender als die abgeleitete oder die Als-ob-Intentionalität. Wie ein Artefakt spiegelt etwas mit
abgeleiteter Intentionalität (z. B. Wörter, Bilder oder Symbole) die Zwecke
eines Akteurs wider. Wie ein Aggregat
kann etwas mit Als-ob-Intentionalität den Anschein erwecken, dass es solche
Zwecke widerspiegelt, was aber nicht der Fall ist.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Der Grund für diese Parallele liegt in erster Linie in den <i>unterschiedlichen
teleologischen Merkmalen</i>, die die verschiedenen Arten von physischen
Objekten aufweisen. Teleologie
beinhaltet im Wesentlichen die Ausrichtung auf einen Zweck oder ein Ziel. Aber auch Intentionalität beinhaltet eine Art
von Gerichtetheit, nämlich die Ausrichtung auf ein Objekt der Repräsentation
(sei es die Repräsentation in Gedanken, in Worten oder was auch immer). Der entscheidende Unterschied besteht darin,
dass Intentionalität eine geistige Gerichtetheit beinhaltet, während Teleologie
dies nicht tun muss (obwohl sie es kann).
Zum Beispiel ist die Ausrichtung einer Lianenranke auf die Ziele des
Einsinkens der Wurzeln in den Boden, des Wachsens in Richtung der Baumkronen
usw. in keiner Weise bewusst oder anderweitig mental. Denn eine Lianenranke hat keinerlei mentale
Eigenschaften.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Wenn wir uns die Gerichtetheit als allgemeines Merkmal
vorstellen, das sowohl physische Objekte als auch Intentionalität auf
unterschiedliche Weise besitzen können, dann haben die Mitglieder der beiden
Gruppen von Unterscheidungen Folgendes gemeinsam: Natürliche Substanzen und
intrinsische Intentionalität beinhalten beide eine inhärente oder eingebaute
Gerichtetheit; Artefakte und abgeleitete Intentionalität beinhalten beide eine
entlehnte oder abgeleitete Gerichtetheit; und Aggregate und
Als-ob-Intentionalität beinhalten beide überhaupt keine echte Gerichtetheit,
sondern höchstens den Anschein einer solchen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Diese Parallelen zeigen sich auch in der Art und Weise, wie
Aristoteliker und Searle der Vorstellung widersprechen würden, der menschliche
Geist sei buchstäblich eine Art Computer.
Der Aristoteliker würde sagen, dass vernünftige Tiere Substanzen einer
Art sind, während Computer eine Art Artefakt sind. Erstere haben substantielle Formen, eine
intrinsische Teleologie und irreduzible kausale Kräfte, während letztere
lediglich akzidentelle Formen, eine derivative Teleologie und reduzierbare
kausale Kräfte haben. Es ist also nur
ein Kategorienfehler, den Geist als eine Art Computer zu betrachten. Ähnlich hat Searle argumentiert, dass der
Geist eine intrinsische Intentionalität besitzt, während Computer nur eine Art
abgeleitete Intentionalität haben.
(Tatsächlich ist die Beziehung zwischen Aristotelismus und Searle in
Bezug auf Computer etwas komplizierter als das.
Ich habe es in meinem Nova et Vetera-Artikel "Von Aristoteles zu
John Searle und wieder zurück" ausführlich diskutiert: Formale Ursachen,
Teleologie und Computation in der Natur").<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein Bewusstsein für die Parallele, auf die ich hier
aufmerksam mache, ist zumindest implizit in einigen Kommentaren enthalten, die
Daniel Dennett in seinem Essay <i>Evolution, Error, and Intentionality</i> (aus
seiner Sammlung <i>The Intentional Stance</i>) macht. In Anlehnung an W. V. Quine und andere
vertritt Dennett die Auffassung, dass die Bedeutung oder der semantische Inhalt
von Gedanken und Äußerungen nicht von den physikalischen Fakten über den
Menschen und seine weitere Umgebung abhängt.
Das heißt, wenn die physikalischen Tatsachen alle Tatsachen sind, die es
gibt, dann gibt es einfach keine objektive Tatsache darüber, was eine unserer
Äußerungen bedeutet oder was der Inhalt eines unserer Gedanken ist. (Man erinnere sich an Quines berühmtes „gavagai“-Beispiel.)
Da diese Denker davon ausgehen, dass die physikalischen Tatsachen tatsächlich
alle Tatsachen sind, die es gibt, folgern sie, dass es tatsächlich keine
Tatsache darüber gibt, was wir meinen, wenn wir etwas sagen oder denken.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Nun habe ich (in meinem Artikel <i>Kripke, Ross, and the
Immaterial Aspects of Thought</i> im <i>American Catholic Philosophical
Quarterly</i> und an anderer Stelle) argumentiert, dass die Prämisse der
semantischen Unbestimmtheit des Physischen zwar wahr ist, die Schlussfolgerung,
die Quine, Dennett und andere daraus ziehen, jedoch falsch und in der Tat
inkohärent ist. Ich behaupte, die
richtige Schlussfolgerung ist, dass das Denken nicht physisch ist. Aber für den Moment können wir das beiseitelassen. Worauf ich hier aufmerksam machen möchte,
ist, dass Dennett (auf S. 321 seines Aufsatzes) feststellt, dass es (unter
seinen naturalistischen Annahmen) keine objektive Tatsache über natürliche
Funktionen geben kann, genauso wenig wie es eine über die Bedeutung oder den
semantischen Inhalt des Denkens geben kann.
Das heißt, dieselben Überlegungen, die die Unbestimmtheit des
semantischen Inhalts zur Folge haben, haben auch die Unbestimmtheit der teleologischen
Eigenschaften der natürlichen Objekte zur Folge. So wie es für Quine keine objektive Tatsache
gibt, ob „gavagai“ „Kaninchen“ oder „ungetrenntes Kaninchenteil“ bedeutet, so
gibt es auch keine Tatsache, ob die Funktion des Herzens darin besteht, Blut zu
pumpen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Nun ist auch diese Position, wie ich in Kapitel 6 von <i>Aristotle’s
Revenge</i> argumentiere, letztlich inkohärent.
Teleologische Vorstellungen lassen sich einfach nicht aus der Biologie
eliminieren, und wenn dieses Ergebnis mit dem Naturalismus unvereinbar ist,
dann ist das nur ein weiterer Grund, den Naturalismus abzulehnen. Aber selbst wenn Sie mir in diesem Punkt
nicht zustimmen, geht es im Moment darum, dass Dennetts Position die Idee
verstärkt, dass es eine Parallele zwischen dem teleologischen Begriff der
natürlichen Substanz des Aristoteles und Searles Begriff der intrinsischen
Intentionalität gibt. Denn genau wegen
dieser Parallele will Dennett (der weder ein Anhänger des Aristotelismus noch
von Searle ist) beide zusammen ablehnen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> Quelle: </span></o:p><span style="font-family: helvetica;"><a href="http://edwardfeser.blogspot.com/">http://edwardfeser.blogspot.com/</a></span></p>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-88302211357277408462023-04-07T10:13:00.000+02:002023-04-07T10:13:09.368+02:00Wie definiert man "Wokeness"?<p><i></i></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><i><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi4uWAkxbkBi4LkPu1TbdHxAyrGaiZXPQUeIA1FwtkC8bvcO65p8MMf4vfSprrjFiFZm3IFv-riabmF0VaNcn1LeOShusVkmqcmj9-9MEoYcax9EnEGkiSbR7REuQBS-rJTElk8z9GC5NKaj8kYehq-tSkTldhDU_BmFYCz64P4r-LJJYjDvmokq9VMGw/s219/015.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="177" data-original-width="219" height="177" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi4uWAkxbkBi4LkPu1TbdHxAyrGaiZXPQUeIA1FwtkC8bvcO65p8MMf4vfSprrjFiFZm3IFv-riabmF0VaNcn1LeOShusVkmqcmj9-9MEoYcax9EnEGkiSbR7REuQBS-rJTElk8z9GC5NKaj8kYehq-tSkTldhDU_BmFYCz64P4r-LJJYjDvmokq9VMGw/s1600/015.jpg" width="219" /></a></i></div><i><br /> <span style="font-family: helvetica;">Von Edward Feser</span></i><p></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein gängiges Argument der "Wokener" ist die
Behauptung, dass "woke" nur ein Schimpfwort ist, das keine klare
Bedeutung hat. Ob viele von ihnen das
wirklich glauben oder nur verschleiern wollen, ist nicht klar, aber auf jeden
Fall ist es nicht wahr. Ich würde
behaupten, dass das, was die Kritiker von Wokeness im Sinn haben, ziemlich
offensichtlich in der folgenden Definition erfasst ist: <i>Wokeness ist eine
paranoide, wahnhafte, hyper-egalitäre Denkweise, die dazu neigt, Unterdrückung
und Ungerechtigkeit dort zu sehen, wo sie nicht existieren, oder sie dort, wo
sie existieren, stark zu übertreiben.</i></span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><span></span></span></p><a name='more'></a><span style="font-family: helvetica;"><i><br /></i></span><p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Beispiele hierfür wären: Die Charakterisierung von
Verhaltensweisen als rassistische "Mikroaggressionen", die in
Wirklichkeit entweder völlig harmlos oder schlimmstenfalls einfach nur
unhöflich sind; die Verurteilung bestimmter wirtschaftlicher Ergebnisse als
rassistische "Ungerechtigkeit", obwohl es keinerlei empirische
Beweise dafür gibt, dass sie auf Rassismus zurückzuführen sind; die
Verurteilung der Anerkennung der vernünftigen und wissenschaftlichen Tatsache,
dass Geschlecht binär ist, als "transphob"; die Verurteilung der
Ansicht als "rassistisch", dass die öffentliche Politik farbenblind
sein sollte und dass Rassendiskriminierung falsch ist, unabhängig von der Rasse
der diskriminierten Personen; die Verurteilung der Ansicht als
"schwulenfeindlich", dass es für Grundschulen nicht angemessen ist,
Fragen der Sexualität im Klassenzimmer ohne elterliche Zustimmung zu behandeln,
und so weiter.</span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Wenn Sie denken: "Moment mal, was ist daran
falsch?", dann sind Sie wahrscheinlich woke und sollten Hilfe suchen, denn
das sind zutiefst irrationale Haltungen.
Mein Buch <i><a href="https://www.amazon.de/Alles-Christus-katholische-Kritischen-Rassentheorie/dp/3868382704/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=A5854Q9SZEQH&keywords=Feser%2C+Alles+in+Christus&qid=1680854679&sprefix=feser+alles+in+christus%2Caps%2C258&sr=8-1" target="_blank">Alles in Christus: Eine katholische Kritik des Rassismusund der Kritischen Rassentheorie</a></i> erklärt, was an vielem falsch ist, das sich als "antirassistisch"
ausgibt, aber in Wirklichkeit nichts dergleichen ist. (Sie werden einen Großteil des Buches auch
dann nützlich finden, wenn Sie nicht katholisch sind, denn die Argumentation
ist größtenteils philosophischer und sozialwissenschaftlicher und nicht
theologischer Natur).</span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Indem ich Wokeness als paranoid und wahnhaft
charakterisiere, werfe ich keine Schimpfwörter in den Raum, sondern beschreibe
reale psychologische Merkmale der Woken-Haltung. In ihrem Buch <i>The Coddling of the American
Mind</i> (über das ich in meinem eigenen Buch ein wenig schreibe) stellen Greg
Lukianoff und Jonathan Haidt fest, dass die Geisteshaltung, die durch die
"Woke"-Ideen (Critical Race Theory, Gender-Theorie, "Social
Justice Warrior"-Rhetorik und Ähnliches) gefördert wird, einer Denkweise
sehr ähnlich ist, die in der kognitiven Verhaltenstherapie als eine der
Hauptursachen für psychische Störungen identifiziert wird.</span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Zu den Merkmalen dieser Denkweise gehören emotionales
Denken, d. h., wir lassen unsere Gefühle bestimmen, wie wir die Realität
interpretieren, anstatt die Realität bestimmen zu lassen, ob unsere Gefühle die
richtigen sind; Katastrophisieren, d.h., wir konzentrieren uns zwanghaft auf
das denkbar schlechteste Ergebnis, anstatt uns mit den Ergebnissen zu befassen,
die nachweislich wahrscheinlicher sind; übermäßiges Verallgemeinern, d. h., wir
ziehen auf der Grundlage eines oder weniger Vorfälle voreilige Schlüsse;
dichotomes Denken, d. h., wir sehen die Dinge in Entweder-Oder-Bedingungen, obwohl
eine nüchternere Analyse mehr Möglichkeiten aufzeigen würde; Gedankenlesen oder
voreilige Schlussfolgerungen darüber, was andere Menschen denken; Etikettierung
oder eine vereinfachende Beschreibung einer Person oder eines Phänomens, die
die Komplexität überdeckt; negatives Filtern und Vernachlässigung des Positiven
oder die Suche nach bestätigenden Beweisen für eine pessimistische Annahme,
während bestätigende Beweise dafür, dass die Dinge in Wirklichkeit gar nicht so
schlecht sind, geleugnet oder heruntergespielt werden; und Schuldzuweisung oder
die Fokussierung auf andere als Ursache für die eigenen negativen Gefühle,
anstatt selbst die Verantwortung dafür zu übernehmen.</span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Es liegt auf der Hand, dass die Wahrscheinlichkeit, die Welt
übermäßig negativ zu sehen und dadurch unglücklich zu sein, umso größer ist, je
stärker man zu diesen Denkgewohnheiten neigt.
Die kognitive Verhaltenstherapie zielt daher darauf ab, den Patienten zu
helfen, diese schlechten Denkgewohnheiten zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. Doch "Wokeness" fördert all diese
kognitiven Verzerrungen auf positive Weise.
Sie lehrt beispielsweise emotionales Denken, indem sie persönliche
"Erzählungen" von Unterdrückung gegen die Ideale von Rationalität und
Objektivität ausspielt und indem sie die subjektiven Reaktionen beleidigter
Menschen zum Maßstab dafür macht, ob sie Opfer von
"Mikroaggressionen" sind. Es
fördert Schuldzuweisungen, indem es Anschuldigungen über Mikroaggressionen und
andere Missstände so behandelt, als könnten sie niemals vernünftigerweise als
Folge von Überempfindlichkeit oder Paranoia der beleidigten Person angesehen
werden. Sie übt sich in negativer
Filterung und der Abwertung von Positivem, indem sie Begriffe wie
"Rassismus", "Sexismus", "Transphobie",
"Homophobie" und dergleichen willkürlich so weit definiert, dass
alles als rassistisch, sexistisch, transphobisch oder homophob gelten kann,
selbst das, was in der Vergangenheit als paradigmatisch egalitäre Politik galt
(wie farbenblinde oder rassenneutrale Politik und Ablehnung jeglicher
Rassendiskriminierung). Auf die gleiche
Weise wird eine Etikettierung vorgenommen, indem alle komplexen Ursachen für
Ungleichheiten und die verschiedenen Motive hinter verschiedenen Maßnahmen und Politiken
ignoriert und einfach mit Bezeichnungen wie "rassistisch",
"sexistisch" usw. belegt werden.
Sie fördert dichotomes Denken, da sie darauf besteht, dass man entweder
mit witzigen Ideen einverstanden ist oder als "rassistisch",
"transphob" usw. abgetan werden sollte. Sie ist insofern katastrophisierend, als sie
darauf besteht, dass alles, was nicht zur Umsetzung der extremsten Empfehlungen
der "Woke"-Politik führt, eine ungerechte Gesellschaft zur Folge hat,
die kaum oder gar keine wirklichen Fortschritte gemacht hat. Sie ermutigt zum Gedankenlesen, indem sie
allen Kritikern "Rassismus", "Bigotterie",
"Hass", "implizite Voreingenommenheit", "weiße
Schwäche" und andere derartige Haltungen unterstellt, selbst wenn es keine
objektiven Beweise für diese Zuschreibungen gibt. Sie verallgemeinert, indem sie jeden
einzelnen Fall einer realen oder wahrgenommenen Ungerechtigkeit so behandelt,
als ob er eine Bestätigung für die gesamte "Woke"-Weltanschauung
wäre.</span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Kurz gesagt: Woke-Ideen fördern paranoide Denkgewohnheiten,
die denen von Menschen mit Depressionen, Angstzuständen und anderen psychischen
Störungen ähneln. Die Betrachtung der
Welt durch die "Woke"-Linse führt dazu, dass man Unterdrückung und
Ungerechtigkeit auch dort sieht, wo es sie nicht gibt, dass man sich über diese
eingebildete Unterdrückung und Ungerechtigkeit stark beleidigt fühlt und dass
man die daraus resultierende Erzählung der Beleidigung so behandelt, als sei
sie ein bestätigender Beweis für die Realität der eingebildeten Unterdrückung
und Ungerechtigkeit.</span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die psychologischen Faktoren, die der Wokeness zugrunde
liegen, erklären zwei Charakteristika des Woken, die jedem, der schon einmal
damit zu tun hatte, sehr vertraut sind, aber vielleicht unvereinbar
erscheinen. Einerseits sind die Woken
von ihrer Weltanschauung äußerst überzeugt und halten sie für so offensichtlich
richtig, dass sie nicht verstehen können, wie jemand ihr widersprechen
kann. Gleichzeitig scheinen sie jedoch
von Natur aus unfähig zu sein, sich mit Kritikern ruhig und rational
auseinanderzusetzen. Sie greifen
ausnahmslos den Kritiker an und nicht die Behauptungen und Argumente, die der
Kritiker vorbringt. Stellen Sie sich
eine Person vor, die unter der paranoiden Wahnvorstellung leidet, dass alle
hinter ihr her sind. Weil er das
Verhalten anderer Menschen massiv überinterpretiert und in die harmlosesten
Bemerkungen und Handlungen bösartige Motive hineininterpretiert, glaubt er,
dass die Beweise dafür, dass alle hinter ihm her sind, überwältigend sind,
obwohl sie in Wirklichkeit bestenfalls äußerst gering sind. Aber genau aus diesem Grund ist es ihm
unmöglich, mit jemandem, der anderer Meinung ist, ruhig und vernünftig zu
diskutieren. "Es ist so
offensichtlich! Wenn Sie das nicht
sehen, müssen Sie verrückt sein! Sie
müssen sogar Teil der Verschwörung sein!"
Man könnte sagen, dass eine solche paranoide, wahnhafte Person denkt,
sie sei "wach" geworden und wüsste, dass alle hinter ihr her sind,
während sie sich in Wirklichkeit in ihrer Fantasie verliert. Denken Sie an Russell Crowes Darstellung von
John Nash in dem Film <i>A Beautiful Mind</i> - er sieht überall Verschwörungen
und Verschwörer, sogar an Orten, an denen buchstäblich niemand existiert.</span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Der Unterschied zwischen Wokeness und anderen Formen
wahnhafter Paranoia besteht darin, dass die Wahnvorstellungen und die Paranoia
des Woken das widerspiegeln, was ich oben als eine hyper-egalitäre Sicht der
Welt bezeichnet habe. Beachten Sie, dass
ich nicht sage, dass alle Formen des Egalitarismus schlecht sind. Im Gegenteil, wie ich in <i>Alles in Christus</i>
argumentiere, haben Menschen aller Rassen aufgrund ihrer gleichen Natur die
gleichen Grundrechte und die gleiche Würde.
Daher wäre es zum Beispiel ungerecht, wenn eine Regierung das Leben, die
Freiheiten und die Eigentumsrechte von Bürgern einer Rasse schützen würde,
während sie das Gleiche für Bürger anderer Rassen nicht tut. Dies wäre ein klarer Fall von ungerechter
Ungleichheit.</span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Was ich als hyper-egalitär bezeichne, ist die Tendenz, alle
Ungleichheiten als per se ungerecht zu verdächtigen - zum Beispiel anzunehmen,
dass, wenn 10 % der Bevölkerung eines Landes einer bestimmten Rasse angehören,
aber weniger als 10 % der Börsenmakler in diesem Land dieser Rasse angehören,
dies auf eine "rassistische" Ungleichheit hinausläuft, für die es
keine unschuldige Erklärung geben kann und die irgendwie durch die
Regierungspolitik beseitigt werden muss.
(Man denke an die berühmte Bemerkung von Ibram X. Kendi: "Wenn ich
rassische Ungleichheiten sehe, sehe ich Rassismus.") Stellen Sie sich Russell Crowes Darstellung
in <i>A Beautiful Mind</i> vor, aber nehmen Sie an, dass er statt versteckter
Botschaften, sowjetischer Verschwörungen und Spionagekollegen überall
Rassismus, Sexismus, Homophobie, Transphobie usw. sieht und die Welt in
"Fanatiker", die dieses System der "intersektionellen"
"Unterdrückung" aufrechterhalten wollen, und in
"Verbündete", die mit ihm zusammenarbeiten, um es zu untergraben,
aufteilt. Die Wahnvorstellung scheint
erschreckend real zu sein, wird aber in Wirklichkeit durch Zirkelschlüsse und
Ad-hominem-Angriffe auf jeden aufrechterhalten, der versucht, ihn vom Gegenteil
zu überzeugen.</span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Natürlich behaupte ich nicht, dass alle Woken so verrückt
sind wie die Figur von Russell Crowe.
Auch sind nicht alle Woken so schrill wie der stereotype Social Justice
Warrior oder Twitter-Mob im Internet.
Wie bei anderen Formen wahnhafter Paranoia gibt es auch bei Wokeness
verschiedene Abstufungen. Wenn Sie
jedoch der Meinung sind, dass Ansichten wie die Kritische Rassentheorie, die
Gender-Theorie usw. so offensichtlich richtig sind, dass kein anständiger und
gut informierter Mensch ihnen widersprechen kann, und wenn Sie es zumindest
schwierig finden, sich mit jemandem, der anders denkt, ruhig und vernünftig
auseinanderzusetzen, dann sind Sie woke.
Und gerade weil es Ihnen schwer fällt, ruhig und vernünftig die
Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass Sie falsch liegen, ist Ihre Haltung
paradigmatisch irrational.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Quelle: <a href="http://Edwardfeser.blogspot.com">Edwardfeser.blogspot.com</a> </span><o:p></o:p></p>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-46909938860271079402023-02-03T09:55:00.001+01:002023-02-03T09:55:42.350+01:00Quantenmechanik und die Gesetze des Denkens<p><span style="font-family: helvetica;"></span></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><span style="font-family: helvetica;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgN47QRYCNtPLAigL10HY1uwlEzmyk5BFoferpD8lm2MW6vG0V7PhQuUjUzR9D2smTUxaUB_P090qVk7R6cr7eaAwT5yPi83cvIzXJUTEjJdWCLwXvn_X3p2N33AJAOWMj7Cv3YNQuBGH05VeEQRCUuL5XsgEuYB5Tm2dTCs21sEK27NuhWgsnhvzMRtQ/s289/005.JPG" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="289" data-original-width="141" height="289" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgN47QRYCNtPLAigL10HY1uwlEzmyk5BFoferpD8lm2MW6vG0V7PhQuUjUzR9D2smTUxaUB_P090qVk7R6cr7eaAwT5yPi83cvIzXJUTEjJdWCLwXvn_X3p2N33AJAOWMj7Cv3YNQuBGH05VeEQRCUuL5XsgEuYB5Tm2dTCs21sEK27NuhWgsnhvzMRtQ/s1600/005.JPG" width="141" /></a></span></div><span style="font-family: helvetica;"><br /> <span style="text-align: justify;">Es ist nichts Neues, dass im
Namen der Quantenmechanik viel populärphilosophischer Unsinn verbreitet wird.
Das vielleicht bekannteste Beispiel ist die Behauptung, dass die
Quantenmechanik eines oder mehrere der traditionellen "Gesetze des
Denkens" widerlegt. Die Argumente sind trügerisch, aber hartnäckig.</span></span><p></p><p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><span style="font-family: helvetica;"><o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"><span></span></span></o:p></p><a name='more'></a><span style="font-family: helvetica;"> </span><p></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><span style="font-family: helvetica;">Es gibt vor allen drei Gesetze
des Denkens:</span></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><span style="font-family: helvetica;">1. Das Nichtwiderspruchsgesetz (NWG),
das besagt, dass die Aussagen p und nicht-p nicht beide wahr sein können. In
symbolischer Notation: ~ (p - ~p)</span></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><span style="font-family: helvetica;">2. Das Identitätsgesetz, das
besagt, dass alles mit sich selbst identisch ist. In symbolischer Schreibweise:
a = a</span></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><span style="font-family: helvetica;">3. Das Gesetz der
ausgeschlossenen Dritten (GAD), das besagt, dass entweder p oder nicht-p wahr
ist. In symbolischer Schreibweise: p v ~p</span></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><span style="font-family: helvetica;">Wie Philosophen oft betonen,
können die Gesetze entweder in logischen Begriffen (d. h. in Form von Sätzen
und ihren logischen Beziehungen) oder in ontologischen Begriffen (d. h. in Form
der Dinge, um die es in den Sätzen geht, und ihrer metaphysischen Beziehungen)
formuliert werden. Der Unterschied ist jedoch für meine Ausführungen
irrelevant, so dass ich ihn hier ignorieren werde.</span></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span style="font-family: helvetica;">Skeptische Dummheit</span></b></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><span style="font-family: helvetica;">Der Grund, warum sie als Gesetze
des Denkens bezeichnet werden, ist, dass Vernunft, so wird behauptet, überhaupt
nicht möglich wäre, wenn sie nicht wahr wären. Sie sind erste Prinzipien der
Rationalität in dem Sinne, dass sie so grundlegend für diese sind, dass sie
offensichtlicher richtig sind als jedes Argument, das entweder für oder gegen
sie angeführt werden könnte. Daher, so wird behauptet, muss selbst jemand, der
behauptet, Grund zu haben, um an einem von ihnen zu zweifeln oder sie zu
leugnen, sie implizit voraussetzen, wenn er sie in Frage stellen will.</span></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><span style="font-family: helvetica;">Nehmen wir das NWG, das gemeinhin
als das grundlegendste der Gesetze angesehen wird. Die traditionelle
Verteidigung gegen Möchtegern-Skeptiker ist, dass es einfach nicht kohärent
geleugnet werden kann. Wie Aristoteles in der <i>Metaphysik</i> betont,
bedeutet die Behauptung von irgendetwas, es als wahr und daher nicht falsch zu
behaupten. Dazu gehört aber auch die Behauptung des Skeptikers, dass der NWG
falsch ist. Mit dieser Behauptung behauptet der Skeptiker, dass es wahr und
daher nicht falsch ist, dass das NWG falsch ist. Wäre dies nicht der Fall, gäbe
es keine Meinungsverschiedenheit zwischen ihm und dem Verteidiger des LNC. Dies
setzt aber selbst das NWG voraus, so dass die Behauptung sich selbst
untergräbt.</span></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><span style="font-family: helvetica;">Es geht an der Sache vorbei, wenn
man behauptet, dass der Verteidiger die Frage aufwirft, indem er das, worum es
geht, voraussetzt. Es geht nämlich nicht darum, dass der Verteidiger das, worum
es geht, voraussetzt, sondern darum, dass der Kritiker selbst das, worum es
geht, voraussetzt. Es geht nicht darum, dass der Kritiker das NWG kohärent
leugnen kann, obwohl der Verteidiger sie bejaht, sondern darum, dass der
Kritiker selbst, nicht weniger als der Verteidiger, die Verpflichtung zum NWG
nicht vermeiden kann.</span></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><span style="font-family: helvetica;">Eine andere Möglichkeit, die
Inkohärenz der Leugnung des NWG zu sehen, ist das Prinzip, dass aus einem
Widerspruch alles folgt. Hier ist die übliche Art wie dies erklärt wird. Nehmen
wir an, dass das NWG falsch ist, so dass zwei Sätze p und ~p beide wahr sind.
Dann können wir nach der Additionsregel der Aussagenlogik aus p schließen, dass
entweder p oder q (d.h. p v q), wobei q ein beliebiger Satz sein kann
(einschließlich des Satzes, dass die Verneinung des NWG falsch ist). Nach der
Regel des disjunktiven Syllogismus ergeben p v q und ~p dann zusammen q. Aus
der Verneinung von LNC können Sie also die Falschheit der Verneinung des NWG
ableiten. Damit haben Sie gezeigt, dass der Skeptiker aus seiner eigenen
Prämisse heraus widerlegt werden kann. Noch einmal: Skepsis gegenüber dem NWG
ist inkohärent.</span></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><span style="font-family: helvetica;">Bei dem GAD sind die Dinge etwas
komplizierter, und es gibt auch technische Argumente, mit denen einige dennoch
versucht haben, das GAD in Frage zu stellen. Ich werde hier nicht auf all das
eingehen. Nachdem ich einen Eindruck von der traditionellen Herangehensweise an
die Verteidigung der Denkgesetze vermittelt habe, werde ich mich nur auf die
Einwände aus der Quantenmechanik im Besonderen konzentrieren.</span></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><b><span style="font-family: helvetica;">Quanten-Rätsel</span></b></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><span style="font-family: helvetica;">Nehmen wir das Phänomen des
Welle-Teilchen-Dualismus im berühmten Doppelspaltexperiment: Dieselben
Teilchen, so zeigt das Experiment, verhalten sich sowohl wellenförmig als auch
teilchenförmig. Aber verstößt dies nicht gegen das NWG? Zeigt es nicht
insbesondere, dass etwas sowohl ein Teilchen als auch gleichzeitig ein
Nicht-Teilchen sein kann (weil es auch eine Welle ist)? Oder verstößt es nicht
gegen das GAD, insofern es zeigt, dass es nicht wahr ist, dass etwas entweder
ein Teilchen oder kein Teilchen ist? Oder betrachten Sie das berühmte
Gedankenexperiment mit Schrödingers Katze. Verstößt es nicht insofern gegen NWG,
als es zeigt, dass eine Katze gleichzeitig lebendig und tot sein kann? Oder
verstößt es nicht insofern gegen das GAD, als es impliziert, dass es falsch
ist, zu behaupten, dass die Katze entweder lebendig oder nicht lebendig ist?</span></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><span style="font-family: helvetica;">Es wird also behauptet, die
moderne Physik zeige, dass wir die klassische Logik revidieren müssen, da die
Quantenmechanik diese Denkgesetze widerlegt habe. Verblüffend!</span></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><span style="font-family: helvetica;">Wie der Physikphilosoph Peter
Lewis in seinem Buch <i>Quantum Ontology</i> feststellt, müssen wir bei der
Diskussion der Quantenmechanik und ihrer Auswirkungen zwischen (1)
Quantenphänomenen, (2) Quantentheorie und (3) alternativen möglichen
Interpretationen der Quantentheorie unterscheiden. Die beim
Doppelspaltexperiment beobachteten Phänomene wären ein Beispiel für
Quantenphänomene. Die mathematische Darstellung der physikalischen Systeme, die
für Quantenphänomene von zentraler Bedeutung sind, zusammen mit den Gesetzen,
die diese Systeme angeblich regeln, und der Art und Weise, wie ihre Zustände
gemessen werden, bilden die Quantentheorie. Und Bohrs Kopenhagener
Interpretation, Bohms Pilotwellen-Interpretation, Everetts
Viele-Welten-Interpretation usw. wären alternative mögliche Interpretationen
von Quantentheorie und Quantenphänomenen.</span></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><span style="font-family: helvetica;">Wenn wir nun darüber sprechen,
was die Quantenmechanik tatsächlich gezeigt hat, dann beschränkt sich das auf
die Kategorien (1) und (2). Wir wissen, dass es diese seltsamen Phänomene gibt,
und die mathematische Darstellung, die uns die Quantentheorie liefert, ist die
beste Beschreibung, die wir für die mit diesen Phänomenen verbundenen Systeme
haben. Aber die atemlosen populärphilosophischen Behauptungen, die im Namen der
Quantenmechanik aufgestellt werden, berufen sich typischerweise stattdessen auf
Ideen der Kategorie (3) – die alle bestenfalls umstritten sind. Keine von ihnen
kann als gezeigt, bewiesen oder von der Physik etabliert bezeichnet werden.</span></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><span style="font-family: helvetica;">Das gilt auch für die Behauptung,
die Quantenmechanik habe die Gesetze des Denkens widerlegt. Das hat sie nicht
getan. Weder in den Quantenphänomenen noch in der Quantentheorie gibt es
irgendetwas, das dies zur Folge hätte. Vielmehr haben einige Leute
vorgeschlagen, die Quantenphänomene und die Quantentheorie auf eine Weise zu
interpretieren, die eines oder mehrere der Gesetze des Denkens aufgibt. Das ist
alles. Und selbst dann handelt es sich nicht um eine rein
"wissenschaftliche" Interpretation der Quantenmechanik, denn keine
der konkurrierenden Interpretationen in Kategorie (3) ist rein
wissenschaftlich. Sie alle setzen voraus, dass die Interpretation der
Quantenmechanik von bestimmten philosophischen Annahmen ausgeht (Bohrs
Interpretation beispielsweise geht bekanntlich von einer instrumentalistischen
Wissenschaftsphilosophie aus).</span></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><span style="font-family: helvetica;">Das Ergebnis ist, dass Revisionen
der Denkgesetze nur dann aus der Quantenmechanik herausgelesen werden können,
wenn sie zuerst in sie hineingelesen werden. Und somit trägt die
Quantenmechanik selbst überhaupt nichts dazu bei, die Plausibilität einer
solchen Revision zu begründen. Für jede vorgeschlagene Interpretation in
Kategorie (3) müssen wir fragen: Welche philosophischen Annahmen sind
unabhängig voneinander als die plausibelsten bekannt und daher geeignet, uns
bei der Entscheidung, wie die Quantenmechanik zu interpretieren ist, zu leiten?
Der traditionelle Metaphysiker würde antworten, dass die Gesetze des Denkens zu
diesen Annahmen gehören. Diejenigen, die eines oder mehrere dieser Gesetze
ablehnen würden, würden dem widersprechen, aber der Punkt ist, dass sie sich
nicht auf die Quantenmechanik als Grund dafür berufen können, ohne die Frage zu
verfälschen. Daher sind Argumente aus der Quantenmechanik für die Ablehnung der
Gesetze des Denkens letztlich zirkulär.</span></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><span style="font-family: helvetica;">Um auf die angeführten Beispiele
einzugehen, sei zunächst Schrödingers berühmtes Gedankenexperiment erwähnt: Es
handelt sich lediglich um ein Gedankenexperiment, das die Aufmerksamkeit auf
einige rätselhafte Fragen lenken soll, die der Begriff der Quantensuperposition
aufwirft. Wer sagt: "Die Quantenmechanik zeigt, dass eine Katze
gleichzeitig lebendig und tot sein kann!", der weiß nicht, wovon er
spricht. Man könnte versuchen zu argumentieren, dass die Katze gleichzeitig
lebendig und tot ist. Oder man könnte versuchen zu argumentieren, dass sie
weder lebendig noch tot ist. Aber man könnte stattdessen mit nicht weniger
Berechtigung (ich würde sogar sagen, mit weitaus größerer Berechtigung)
argumentieren, dass keine dieser Interpretationen irgendeinen Sinn ergibt. Und
genau das ist es, wie der traditionelle Metaphysiker argumentiert, mit der
Begründung, dass NWG und GAD nicht kohärent geleugnet werden können. Absolut
nichts in "der Wissenschaft" selbst zeigt etwas anderes.</span></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><span style="font-family: helvetica;">Dasselbe gilt für das
Doppelspaltexperiment. Was wir mit Sicherheit sagen können, ist schlicht, dass
es hier einige seltsame Phänomene gibt. Aber wie man sie interpretiert, ist
eine andere Sache. Ja, hier gibt es etwas, das sich in mancher Hinsicht
wellenförmig und in anderer Hinsicht teilchenförmig verhält. Aber das bedeutet
noch lange nicht, dass es, sagen wir, gleichzeitig ein Teilchen und kein
Teilchen ist, oder dass es weder ein Teilchen noch ein Nicht-Teilchen ist. Auch
hier könnte man versuchen zu argumentieren, dass wir das, was vor sich geht, so
interpretieren sollten, dass entweder das NWG oder das GAD abgelehnt werden,
aber man könnte mit nicht weniger Berechtigung (ich würde sogar sagen, mit
weitaus größerer Berechtigung) stattdessen behaupten, dass eine solche seltsame
Interpretation einfach ein Fehlschlag ist. Und wieder einmal gibt "die
Wissenschaft" selbst keinen Grund, an der Richtigkeit dieses
traditionellen metaphysischen Urteils zu zweifeln (ich diskutiere die
Philosophie der Quantenmechanik ausführlicher in Kapitel 5 von <i><a href="https://www.amazon.de/Aristotles-Revenge-Metaphysical-Foundations-Biological/dp/3868382003/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=3TWL57PB390IF&keywords=Aristotle%E2%80%99s+Revenge&qid=1675414255&sprefix=aristotle+s+revenge%2Caps%2C772&sr=8-1" target="_blank">Aristotle’s Revenge</a></i>). <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal" style="text-align: justify;"><span style="font-family: helvetica;"><b>Quelle</b>: <a href="http://edwardfeser.blogspot.com/2023/01/quantum-mechanics-and-laws-of-thought.html" target="_blank">Edwardfeser.blogspot.com </a></span><o:p></o:p></p>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-57650906197831704712023-02-01T14:30:00.001+01:002023-02-01T14:30:21.977+01:00Nancy Cartwright über Theorie und Experiment in der Wissenschaft<p><b></b></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><b><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh_zlmGW6Qi9-5WoV8QMAq8SZjJHH-Ydbp1SqlhwORGjkz3NmlVGqZoPS7eST0kEKorf2DFNOhYgUmUtYI1xbKpucdrlEPnbCb0hy43WwY7AB8MCZIscHkrRp_HBPLYyk0dFyIcJhtZsgV55s2WGQsUlmYNMnnznM1Pk8GQCEKFS53Y33k_ImpungAzyg/s291/07.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="291" data-original-width="245" height="291" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh_zlmGW6Qi9-5WoV8QMAq8SZjJHH-Ydbp1SqlhwORGjkz3NmlVGqZoPS7eST0kEKorf2DFNOhYgUmUtYI1xbKpucdrlEPnbCb0hy43WwY7AB8MCZIscHkrRp_HBPLYyk0dFyIcJhtZsgV55s2WGQsUlmYNMnnznM1Pk8GQCEKFS53Y33k_ImpungAzyg/s1600/07.jpg" width="245" /></a></b></div><b><br /><span style="font-family: helvetica;">Gastbeitrag von Edward Feser</span></b><p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Nancy Cartwrights Buch <i><a href="https://www.amazon.de/Philosopher-Looks-at-Science/dp/1009201883/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=3P91C21JBZRC4&keywords=A+Philosopher+Looks+at+Science&qid=1675248155&sprefix=a+philosopher+looks+at+science+%2Caps%2C150&sr=8-1" target="_blank">A Philosopher Looks at Science</a></i> (Eine Philosophin betrachtet die Wissenschaft) ist eine neue Bearbeitung
einiger der langjährigen Themen ihrer Arbeit.
Es ist in ihrem typisch angenehmen Stil geschrieben und voller
Einsichten. Das Buch ist der Kritik an
drei weit verbreiteten, aber falschen Annahmen über die Wissenschaft gewidmet:
dass Wissenschaft im Wesentlichen nur Theorie plus Experiment ist; dass alles,
was die Wissenschaft uns sagt, in gewissem Sinne auf die Physik reduzierbar
ist; und dass die Wissenschaft zeigt, dass alles, was geschieht, einschließlich
des menschlichen Handelns, durch die Gesetze der Physik bestimmt wird. In diesem Beitrag werde ich erörtern, was sie
über die erste dieser Behauptungen sagt, die das Thema des ersten und längsten
Kapitels des Buches ist. Den anderen
Behauptungen werde ich vielleicht einen späteren Beitrag widmen.<o:p></o:p></span></p><span><span style="font-family: helvetica;"><a name='more'></a></span></span><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><br /></span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die Annahme, dass Wissenschaft auf Theorie plus Experiment
hinausläuft, ist, wie Cartwright feststellt, unter Laien, Wissenschaftlern und Philosophen
gleichermaßen verbreitet. Die
mathematisch ausdrückbare wissenschaftliche Theorie, die aus der modernen
Physik bekannt und in Gleichungen wie F = ma verankert ist, wird als
Goldstandard angesehen. Aus solchen
Gleichungen, so glaubt man, lassen sich bestimmte beobachtbare Konsequenzen
vorhersagen, und der Sinn von Experimenten besteht darin, diese Vorhersagen zu
überprüfen. Und das ist im Grunde
alles. Doch wie Cartwright zeigt, ist
das bei weitem nicht alles. Neben der
Theorie und den Experimenten gibt es Modelle, Erzählungen, Diagramme,
Illustrationen, konkrete Anwendungen und so weiter. Keines dieser Elemente lässt sich auf Theorie
oder Experiment reduzieren, und sie sind auch nicht weniger wichtig für die
Praxis und den Inhalt der Wissenschaft.
Und wenn wir sie berücksichtigen, erweisen sich sowohl die Wissenschaft
als auch die Welt, die sie beschreibt, als weitaus komplizierter, als es die
gängige Vorstellung von Wissenschaft und ihren Ergebnissen vermuten lässt.</span></p><p class="MsoNormal"><b><span style="font-family: helvetica;">Theoretische Konzepte</span></b></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Cartwright beginnt ihre Analyse mit der Feststellung, dass
jede Theorie in Begriffen ausgedrückt wird und dass die Wissenschaft nach
Begriffen strebt, deren Inhalt sowohl eindeutig als auch empirisch ist. Wie alle Wissenschaftsphilosophen wissen,
erweist es sich als sehr schwierig, eine allgemeine Erklärung dafür zu finden,
wie dies erreicht wird. Cartwright fasst
die bekannten Schwierigkeiten zusammen.
Erstens sind explizite Definitionen von theoretischen Begriffen
offensichtlich nur begrenzt hilfreich, wenn die Definition selbst in weitere
theoretische Begriffe gekleidet ist.
Irgendwann müssen wir zu Begriffen mit klarem empirischem Inhalt
kommen. Aber wie genau soll das funktionieren?</span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Der Operationalismus sah die Lösung darin, ein theoretisches
Konzept in Form einer Operation zu definieren, mit der der Wissenschaftler das
empirische Phänomen, das durch das Konzept erfasst wird, messen kann. Es gibt jedoch mehrere Gründe, warum dies
nicht funktionieren kann. Zum einen
führt es zu reduktionistischen Analysen, von denen wir unabhängig voneinander
wissen, dass sie falsch sind. Cartwright
führt das Beispiel des Behaviorismus an, der eine Anwendung des
Operationalismus auf die Psychologie war.
Der Behaviorist würde z. B. Wut anhand des beobachtbaren Verhaltens
definieren, aufgrund dessen wir jemandem Wut zuschreiben würden.</span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Man beachte, dass die Implikation des Operationalismus hier
nicht nur darin besteht, dass wir wissen können, dass jemand wütend ist, indem
wir sein Verhalten beobachten. Es geht darum,
dass Wut <i>nichts anderes</i> ist als das Verhalten. Ein Problem mit dieser Behauptung ist, dass
sie einfach nicht wahr ist. Eine Person
kann wütend sein, ohne die üblichen Verhaltensanzeichen von Wut zu zeigen, und
sie kann diese Anzeichen auch zeigen, ohne tatsächlich wütend zu sein. Wut ist also mehr als nur ein Verhalten. Ein weiteres Problem besteht darin, dass es
sich, auch abgesehen davon, als unmöglich erweist, Wut oder irgendeinen anderen
geistigen Zustand ausschließlich anhand von Verhaltensweisen zu
analysieren. Angenommen, wir sagen:
"John ist wütend" bedeutet: "John ist bereit, seine Stimme zu
erheben, die Stirn zu runzeln, mit den Füßen zu stampfen usw." Das Problem ist, dass dieser Satz nur dann
wahr ist, wenn John seine Gefühle nicht verbergen will. Wenn wir unserer Definition jedoch einen
Hinweis auf das Fehlen dieses Wunsches hinzufügen, haben wir nun einen weiteren
mentalistisches Begriff – den Wunsch -, der einer behavioristischen Analyse
unterzogen werden muss. Und es stellt
sich heraus, dass wir, um eine solche Analyse durchzuführen, auf weitere
mentale Zustände Bezug nehmen müssen, die nun einer behavioristischen Analyse
bedürfen, und so weiter <i>ad infinitum</i>.
Daher kann die operationalistische Analyse nicht wirklich durchgeführt
werden.</span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein zweites Problem des Operationalismus besteht darin, dass
er die falsche Implikation hat, dass es keine verschiedenen empirischen Tests
für ein und dasselbe Konzept geben kann.
Denn der Operationalismus geht davon aus, dass ein Konzept nichts anderes
ist als die Operation, mit der wir seine Anwendung testen. Wenn wir also zwei verschiedene Tests haben,
müssen wir es mit zwei verschiedenen Konzepten zu tun haben. Aber das ist absurd. Nehmen wir zum Beispiel den Begriff
"rund". Ich kann prüfen, ob
etwas rund ist, indem ich es betrachte oder indem ich es fühle, und
offensichtlich ist es ein und derselbe Begriff, den ich in beiden Fällen
anwende.</span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein drittes Problem ist, wie Cartwright hervorhebt, dass es
in der wissenschaftlichen Praxis oft harte Arbeit und Argumentation erfordert,
um zu zeigen, dass ein bestimmter empirischer Test die Realität, die von einem
wissenschaftlichen Konzept erfasst wird, plausibel misst. Das könnte nicht der Fall sein, wenn das
Konzept nicht mehr enthielte als den empirischen Test. Daraus folgt, dass theoretische Konzepte mehr
beinhalten als das, was durch solche Tests erfasst wird, und in diesem Fall ist
der Operationalismus falsch.</span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Der logische Empirismus war, wie Cartwright feststellt, ein
weiterer gescheiterter Versuch, das Problem zu lösen. Die "logische" Komponente des
logischen Empirismus hatte mit der Anwendung der modernen formalen Logik auf
die Formulierung wissenschaftlicher Theorien zu tun, z. B. als axiomatische
Systeme, aus denen Theoreme abgeleitet werden konnten. Die Komponente "Empirie" hatte mit
der Vorstellung zu tun, dass die Behauptungen einer Theorie durch Beobachtung
überprüft werden können. Auch hier gibt
es mehrere Probleme.</span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Zum einen, was genau gilt als eine Beobachtung? Nur das, was mit dem bloßen Auge (oder dem
bloßen Ohr, der bloßen Nase usw.) wahrgenommen werden kann? Oder zählen auch Beobachtungen, die mit Hilfe
von Instrumenten gemacht werden? Und was
genau beobachten wir eigentlich – verstandesunabhängige physische Objekte oder
Sinnesdaten? Und sind alle
wissenschaftlichen Behauptungen überhaupt auf diese Weise überprüfbar? (Siehe S. 139-51 meines Buches <i><a href="https://www.amazon.de/Aristotles-Revenge-Metaphysical-Foundations-Biological/dp/3868382003/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&keywords=Aristotle%E2%80%99s+Revenge%3A+The+Metaphysical+Foundations+of+Physical+and+Biological+Science&qid=1675248111&sr=8-1" target="_blank">Aristotle’sRevenge: The Metaphysical Foundations of Physical and Biological Science</a></i> für eine ausführliche Erörterung der unlösbaren Probleme des
Verifikationismus).</span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Es stellt sich heraus, dass der Inhalt theoretischer
Konzepte ebenso wie das, was in einer operationellen Definition erfasst werden
kann, über das hinausgeht, was allgemein beobachtbar ist. Der Inhalt der Begriffe wird stattdessen
durch die Axiome der Theorie bestimmt, in die sie eingebettet sind. Das Problem ist nun aber, wie Cartwright
feststellt, dass solche Axiome nie ausreichen, um genau zu bestimmen, was in
der empirischen Welt eine Theorie ist.
Nehmen wir noch einmal die Gleichung F = ma. Für sich allein betrachtet sagt sie nicht
mehr aus, als dass eine Größe gleich dem Produkt zweier anderer ist. Und wie Cartwright bemerkt, gilt dies nicht
nur für die Kraft, die Masse und die Beschleunigung eines materiellen Objekts,
sondern auch für die Fläche eines Rechtecks im Verhältnis zur Länge seiner
Seiten. Die Gleichung selbst sagt nichts
darüber aus, um welche dieser Größen es sich handelt. Natürlich könnten wir unserem Axiom weitere
Elemente hinzufügen, wie z. B. das Newtonsche Gesetz der universellen
Gravitation. Aber egal, wie viele wir
hinzufügen, es wird immer alternative Interpretationsmöglichkeiten geben.</span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">(Diese Frage steht in engem Zusammenhang mit der These des
epistemischen Strukturrealismus, wonach physikalische Theorien uns nur die
abstrakte Struktur der physikalischen Welt offenbaren, nicht aber ihre
eigentliche Natur. Siehe Kapitel 3 von <i>Aristotle’s
Revenge</i> für eine ausführliche Diskussion).</span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">In der Praxis machen sich Wissenschaftler und Laien, die mit
ihrer Arbeit vertraut sind, natürlich keine Gedanken über solche Probleme. Der Grund dafür ist zum einen, dass die
meisten Menschen, wenn sie einer Gleichung wie F = ma begegnen, zumindest im
Hinterkopf den gewöhnlichen Sprachgebrauch von Begriffen wie "Kraft",
"Masse" und "Beschleunigung" haben und daher die Variablen
ganz natürlich im Lichte dieser Begriffe interpretieren, auch wenn sie wissen,
dass die Variablen nicht genau unseren Alltagsvorstellungen entsprechen
müssen. Zum anderen verwenden sie die
Gleichung oft als Hilfsmittel für ganz praktische Aufgaben, etwa um die
Geschwindigkeit eines von einem Tennisspieler geschlagenen Balls zu ermitteln
(um ein Beispiel von Cartwright zu zitieren).</span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Aber all dies kommt von außerhalb der Theorie selbst,
zumindest wenn wir die Mathematik allein als das betrachten, was für die
Theorie als solche wesentlich ist. Wie
Cartwright betont, setzt der Nutzen der Theorie für praktische Anwendungen nicht
voraus, dass die Welt wirklich genau so ist, wie die abstrakte Theorie sie
darstellt. (Sie führt das bekannte
Beispiel der Phlogistontheorie an, die für Vorhersagen und technologische
Anwendungen sehr nützlich war, obwohl sich herausstellte, dass es so etwas wie
Phlogiston gar nicht gibt.)</span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ich möchte einen weiteren Punkt hervorheben. Es wird allgemein angenommen, dass die
wissenschaftliche Theorie uns ein umfassenderes und genaueres Bild der Welt
vermittelt als der gesunde Menschenverstand, und dass sie die Beschreibung von
Phänomenen durch den gesunden Menschenverstand ersetzen sollte. Doch wie Cartwrights Argumentation zeigt, ist
dies das Gegenteil der Wahrheit. Zum
einen kann die wissenschaftliche Theorie ohne eine gewisse Verbindung zum
gewöhnlichen Sprachgebrauch, aus dem sich ihre Begriffe letztlich ableiten, und
zu den konkreten Anwendungen, auf die die Theorie angewandt wird, nicht einmal
eine eindeutige Interpretation erhalten.
Zum anderen beschreibt die Theorie in Wirklichkeit nur abstrakte
Merkmale der allgemeinen Erfahrungswelt und nicht diese Welt in ihrer ganzen
Komplexität. Das bedeutet nicht
unbedingt, dass die wissenschaftliche Theorie eher instrumentalistisch als
realistisch interpretiert werden sollte.
Aber es unterstützt die erkenntnistheoretische, strukturell-realistische
Sichtweise, dass das, was die Theorie beschreibt, zwar wirklich in der Natur
vorhanden ist, dass sie aber bei weitem nicht alles erfasst, was in der Natur
vorhanden ist. (Siehe <i>Aristotle’s Revenge</i>
für eine ausführliche Darstellung und Verteidigung dieser Ansicht).</span></p><p class="MsoNormal"><b><span style="font-family: helvetica;">Jenseits der Theorie</span></b></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Da die tatsächlichen Anwendungen einer Theorie oft unbewusst
bestimmen, wie wir sie interpretieren, können wir blind dafür sein, wie viel
Arbeit die Anwendung leistet und wie wenig die Theorie für sich genommen. Insbesondere, wenn wir eine Theorie isoliert
betrachten, nur im Hinblick auf ihre mathematische Formulierung, können ihre
Konzepte sehr präzise erscheinen. Eine
konkrete Anwendung der Theorie kann jedoch eine Interpretation dieser Begriffe
beinhalten, die nicht so präzise ist.
Dennoch kann sie ihren Nutzen behalten, und zwar gerade deshalb, weil
die Konzepte in einer Weise angewendet werden, die über den Inhalt der Theorie
selbst hinausgeht.</span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die Folge davon ist, dass Wissenschaftler oft annehmen, dass
Präzision möglich ist, wo sie in Wirklichkeit nicht möglich ist. Oder weil die Anwendung eines Begriffs in
einem begrenzten Bereich präzise sein kann, nehmen die Wissenschaftler
fälschlicherweise an, dass er ebenso präzise sein muss, wenn es über diesen
Bereich hinausgeht. Dies ist, so
Cartwright, in den Sozialwissenschaften besonders wahrscheinlich. Als Beispiel führt sie den Begriff der
Wahrscheinlichkeit an. Bei einfachen
Beispielen wie dem Ziehen von Karten aus einem fairen Stapel können die
Wahrscheinlichkeiten verschiedener möglicher Ergebnisse genau bestimmt
werden. Daraus folgt jedoch nicht, dass
wir Ereignissen im Allgemeinen sinnvoll Wahrscheinlichkeiten zuordnen können,
und Cartwright ist der Ansicht, dass es gute Gründe für die Annahme gibt, dass
dies tatsächlich nicht möglich ist.</span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Sie weist insbesondere darauf hin, dass Wahrscheinlichkeiten
in Bezug auf das bestimmt werden, was Ian Hacking als "zufällige
Konstellationen" bezeichnet. Dabei
handelt es sich um Umstände, bei denen sowohl die möglichen Ergebnisse als auch
die Prozesse, die zu ihnen führen könnten, vollständig spezifiziert werden
können und bei denen von vornherein Wahrscheinlichkeiten in die Situation
eingebaut sind, aus denen sich die Wahrscheinlichkeiten, die wir berechnen
wollen, logisch ergeben. Auch hier wäre
das Ziehen von Karten aus einem fairen Stapel ein Beispiel. Vieles, was in der Natur geschieht, ist
jedoch kein Zufallsprodukt in diesem Sinne.
Zum Beispiel gibt es in der realen Welt (im Gegensatz zu dem, was
Cartwright die "kleine Welt" nennt, die Sozialwissenschaftler
verwenden) oft nicht nur einen relativ einfachen und festen Satz von Variablen,
die mögliche Ergebnisse beeinflussen könnten.</span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Aus diesem Grund urteilt Cartwright, dass vieles von dem,
was Sozialwissenschaftler über "Effektgrößen" bei der Bewertung
alternativer Politikvorschläge sagen, schlecht begründet ist. (Cartwright erwähnt nicht die Relevanz all
dessen für Argumente für verschiedene Pandemiepolitiken, Reformen der
Strafjustiz, "gleichheitsbewusste" Bildungsvorschläge und andere
derzeit trendige Themen, aber es ist offensichtlich. Ich überlasse Ihnen die Einzelheiten als
Hausaufgabe.)</span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">In jedem Fall, so Cartwright, wird die Theorie in den Natur-
wie in den Sozialwissenschaften immer nur über verschiedene Zwischenstufen in
die Welt eingebracht. Da sind zunächst
die idealisierten Modelle, mit denen wir Abstraktionen wie die Gesetze der
Physik auf die konkrete Wirklichkeit übertragen. Wenn wir beispielsweise die Newtonschen
Gesetze auf das Sonnensystem anwenden, tun wir dies, indem wir das Sonnensystem
modellieren (im Sinne eines Systems von Punktmassen, die eine größere
Punktmasse umkreisen usw.). Auf diese
Weise wird unsere Anwendung von Abstraktionen durch weitere Abstraktionen
vermittelt. Es gibt auch die konkreten
Erzählungen, durch die all diese Abstraktionen verständlich gemacht
werden. (Man denke nur daran, dass wir,
um selbst ein so einfaches System wie das Sonnensystem zu verstehen, große
Objekte, die sich mit der Zeit um andere große Objekte durch den Raum bewegen,
grob visualisieren müssen; dass wir, um die Implikationen der speziellen
Relativitätstheorie zu verstehen, Geschichten über Zwillinge erzählen, die auf
Raketenschiffen reisen, und so weiter).
Cartwright stellt fest, dass auch Diagramme, Grafiken und Illustrationen
einen großen Einfluss darauf haben, wie wir die Theorie interpretieren und
anwenden. Auch diese verschiedenen
Vermittler sind nicht überflüssig. Ohne
sie könnten wir Theorien einfach nicht verstehen oder nutzen.</span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Schließlich ist auch das Experimentieren, so Cartwright,
eine viel komplexere Angelegenheit, als es die gängige Vorstellung
"Wissenschaft = Theorie + Experiment" vermuten lässt. Experimente werden oft so behandelt, als ob
ihr einziger Zweck darin bestünde, die Theorie zu testen. Aber das ist nicht der Fall. Manchmal werden Experimente auch ohne eine
gut ausgearbeitete Theorie durchgeführt, und zwar auf eine Art und Weise, die
einfach darauf abzielt, zu sehen, was unter verschiedenen Umständen
geschieht. Manchmal werden durch
Experimente neue Phänomene geschaffen, die sonst nicht beobachtet würden – und
für die es, gerade weil sie sonst nicht beobachtet würden, noch keine Theorie
gibt, die sie erklären könnte. Manchmal
stellen Experimente Phänomene in dem Sinne neu dar, dass sie unser Verständnis
von ihnen tiefgreifend verändern, selbst wenn es keine theoretischen
Überlegungen gibt. Und in all diesen
Fällen hängt das Experiment wie die Theorie von der Festlegung des Inhalts von Begriffen,
von Modellen usw. ab.</span></p><p class="MsoNormal"><b><span style="font-family: helvetica;">"Die Wissenschaft
ist keine exakte Wissenschaft"</span></b></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ich habe bereits eine der Implikationen erwähnt, die ich in
Cartwrights Diskussion sehe, nämlich die Unterstützung einer epistemischen
strukturell-realistischen Interpretation der modernen Physik. Hier ist eine weitere. Es ist ein Gemeinplatz der modernen
Wissenschaftsphilosophie, dass die Theorie durch empirische Evidenz
unterbestimmt ist. Das bedeutet, dass es
für eine beliebige Menge empirischer Beweise immer alternative mögliche
Theorien gibt, die miteinander unvereinbar, aber mit diesen Beweisen vereinbar
sind. Das bedeutet nicht, dass alle
Theorien gleich gut sind, sondern nur, dass Überlegungen, die sowohl von der
Theorie als auch von der empirischen Evidenz unabhängig sind, letztlich
notwendig sind, um zwischen Theorien zu wählen.
Wissenschaftsphilosophen wie Thomas Kuhn und Paul Feyerabend haben auch
gezeigt, wie außerwissenschaftliche Überlegungen (z. B. philosophischer Art)
eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung des Ergebnisses wissenschaftlicher Untersuchungen
spielen.</span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die von Cartwright vorgebrachten Überlegungen verstärken
diese Urteile erheblich. Insbesondere
verstärken sie die Unterbestimmtheit der Theorie durch die Evidenz insofern,
als es nicht nur alternative Theorien gibt, die mit derselben empirischen
Evidenz vereinbar sind. Es gibt auch die
alternativen möglichen Modelle, Erzählungen, Diagramme usw., die zwischen
Theorie und Evidenz vermitteln. Und wie
bei den Theorien können auch bei den Modellen, Erzählungen, Diagrammen usw.
philosophische Erwägungen ebenso wie empirische Überlegungen unser Urteil
darüber beeinflussen, was innerhalb der Bandbreite respektabler Optionen liegt,
was alles in allem plausibel ist, und so weiter.</span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Dies bedeutet keineswegs, dass die Wissenschaft kein
rationales Unternehmen ist, ebenso wenig wie die Philosophie ein rationales
Unternehmen ist. Es bedeutet jedoch,
dass die Grenze zwischen Wissenschaft und Philosophie viel weniger scharf ist,
als gemeinhin angenommen wird. Wie ich
an anderer Stelle ausführlich dargelegt habe (u. a. in <i>Aristotle’s Revenge</i>),
ist vieles von dem, was heute als "wissenschaftlich" gilt – die
Weigerung, irreduzibel teleologische Erklärungen in Betracht zu ziehen, die
Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Qualität usw. – in Wirklichkeit
nur umstrittene philosophische Annahmen, die sich als empirische Ergebnisse
tarnen. Und es ist nicht möglich,
Wissenschaft zu betreiben, ohne irgendwelche philosophischen Annahmen zu machen,
die zwangsläufig umstritten sind.</span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Um eine Zeile aus dem Film <i>12 Monkeys</i> zu zitieren:
"Die Wissenschaft ist keine exakte Wissenschaft". Sicherlich gibt es in ihren rein
mathematischen Aspekten eine gewisse Exaktheit, aber das liegt genau daran,
dass mathematische Darstellungen einfach alle Aspekte der Realität auslassen,
die nicht in diese exakte Darstellungsweise passen - und das ist eine ganze
Menge, wie sich herausstellt. Es gibt
nicht nur mehr Dinge im Himmel und auf der Erde, als sich die Wissenschaftler
träumen lassen, auch die Wissenschaft selbst hat mehr zu bieten, als sie sich
träumen lassen.<o:p></o:p></span></p><p class="MsoNormal">
</p><p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-10230136043159547222023-01-09T14:12:00.004+01:002023-01-09T18:05:35.725+01:00Neuerscheinung: Was ist Materie (und warum ist sie wichtig)?<p><span style="font-family: helvetica;"></span></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><span style="font-family: helvetica;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg84jX0Dwcfgblhi17Dk1R7yNRM4WSYJpJKV_KpOANqTJUnDBebgjUvMsAXTbb-r9PYb2VGMAYE6omNrFIjGlqjWplQUXb_gf-NpAc4jaPQDgPEt1gX6xuEwulznWbj0hcqYZAFUvEuJn_-K-Nos_syUMHzsK5gMP6o_-pKJnwYt1qZLHNJaM8u4MPWJA/s1639/cover1-Kopie.png" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="1639" data-original-width="1102" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg84jX0Dwcfgblhi17Dk1R7yNRM4WSYJpJKV_KpOANqTJUnDBebgjUvMsAXTbb-r9PYb2VGMAYE6omNrFIjGlqjWplQUXb_gf-NpAc4jaPQDgPEt1gX6xuEwulznWbj0hcqYZAFUvEuJn_-K-Nos_syUMHzsK5gMP6o_-pKJnwYt1qZLHNJaM8u4MPWJA/s320/cover1-Kopie.png" width="215" /></a></span></div><span style="font-family: helvetica;"><br /> Der Verlag <a href="https://www.editiones-scholasticae.de/artikel/ist-die-aristotelische-naturphilosophie-thomas-von-aquins-veraltet/ " target="_blank">editiones scholasticae</a> hat soeben eine deutsche Übersetzung
eines Buches des bekannten analytischen Thomisten Robert Koons veröffentlicht.
Es ist eines der wenigen Bücher zur aristotelisch-thomistischen
Naturphilosophie. Koons zeigt darin sehr differenziert, dass diese Philosophie
besonders geeignet ist, um die Quantenphysik zu verstehen. Edward Feser hat in
der Online-Zeitschrift <i>Public Discourse </i>am 1. Januar 2023 einer
hervorragende Rezension des Buches veröffentlicht, das jetzt auch in <a href="https://www.editiones-scholasticae.de/artikel/ist-die-aristotelische-naturphilosophie-thomas-von-aquins-veraltet/" target="_blank">deutscher Übersetzung</a> vorliegt.</span><p></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> <span></span></span></o:p></p><a name='more'></a><p></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Das Originellste an Koons' <i>Buch Ist die aristotelische
Naturphilosophie Thomas von Aquins veraltet?</i> ist sein Argument, dass die
Quantenmechanik am besten so interpretiert werden kann, dass sie die
aristotelische hylomorphistische Sicht der Natur rechtfertigt. Koons ist der
erste prominente Philosoph, der diesen Fall in Buchlänge darlegt, und zwar auf
eine Weise, die Fachwissen über die relevanten philosophischen Ideen und die
Literatur mit einer ernsthaften und detaillierten Auseinandersetzung mit den
wissenschaftlichen Konzepten verbindet.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die alltägliche Erfahrung zeigt uns eine Welt von Tischen,
Stühlen, Steinen, Bäumen, Hunden, Katzen, Äpfeln und Orangen. Der gesunde
Menschenverstand hält diese Dinge für paradigmatische Fälle von materiellen
Objekten. Materiell oder physisch ist für den Menschen auf der Straße das, was
wir sehen, hören, schmecken, berühren oder riechen können. Und Objekte wie die
genannten – mit ihrer Vielfalt an Farben, Klängen, Gerüchen, Geschmäckern und
anderen wahrnehmbaren Eigenschaften – sind die offensichtlichsten Beispiele.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Der besagte Mensch ist sich auch bewusst, dass diese Dinge
aus Teilen bestehen und dass diese Teile ihre eigenen Teile haben. Aber er
betrachtet diese Teile als Teile (und nicht als eigenständige Entitäten) und
als kleinere Instanzen von Dingen derselben Art wie die erwähnten gewöhnlichen
Gegenstände. Das heißt, er stellt sich vor, dass sie eine bestimmte Größe, Form
und Farbe haben, dass sie sich an einem bestimmten Ort befinden und sich mit
einer bestimmten Geschwindigkeit bewegen, und so weiter. Und obwohl er sich
bewusst ist, dass diese Teile auf einer gewissen Ebene nicht mit dem bloßen
Auge sichtbar oder anderweitig direkt wahrnehmbar sind, neigt er dazu, sie
dennoch als sehr ähnlich wie die sichtbaren Dinge zu betrachten.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Auch der Durchschnittsbürger weiß, dass es ein größeres
Universum jenseits dieser Alltagswelt gibt. Er hat schon von Planeten und
Sonnensystemen, Galaxien und Galaxienhaufen, fernen Objekten wie schwarzen
Löchern und Ereignissen in der fernen Vergangenheit wie dem Urknall gehört.
Aber seine natürliche Tendenz ist es, auch diese auf die Weise der vertrauten
Welt der täglichen Erfahrung zu modellieren – sich das Universum und die
Objekte, die es füllen, als die Dinge vorzustellen, die uns im täglichen Leben umgeben,
nur größer. Wenn er sich das sehr Große oder das sehr Kleine vorstellt, dann
tut er das in Analogie zu den Objekten der mittleren Größenordnung, die ihm die
Sinne präsentieren.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Der gesunde Menschenverstand geht auch davon aus, dass diese
physischen Objekte mittlerer Größe eine Beschaffenheit haben, die sie deutlich
voneinander unterscheidet und ihnen Stabilität im Laufe der Zeit verleiht. Ein
Stein ist eben etwas anderes als Holz, und ein Hund ist etwas anderes als ein
Vogel. Diese Unterschiede manifestieren sich in bestimmten Tatsachen: Holz
brennt, wenn man es mit einem Streichholz anzündet, Steine nicht; Vögel bauen
Nester und jagen Würmer, Hunde nicht. Und die Unterschiede bleiben durch
Veränderungen oberflächlicher Merkmale bestehen. Man kann einen Stein anmalen
und dadurch seine Farbe verändern, aber dadurch wird er nicht weniger zum
Stein, solange er unverwechselbare steinähnliche Eigenschaften wie Festigkeit
und Haltbarkeit behält. Ein Hund fängt als munterer Welpe an und endet
vielleicht grau und lethargisch, aber er wird immer noch mit dem Schwanz
wedeln, wenn Sie ihm das Abendessen vorsetzen, und er wird vielleicht sogar
geneigt bleiben, einem geworfenen Ball hinterherzujagen, wie es ein Vogel
niemals tun wird.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Der gesunde Menschenverstand verbindet auch die Natur vieler
Dinge mit bestimmten Zwecken, die er zumindest in der lebenden Welt als
durchgängig ansieht. Vögel haben von Natur aus das Ziel, Nester zu bauen und
Würmer für ihre Jungen zu finden, die Augen sind von Natur aus zum Sehen und die
Beine zum Laufen da, die Wurzeln einer Pflanze suchen von Natur aus nach
Wasser, und so weiter.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Das sagt der gesunde Menschenverstand. Aber ist er auch
richtig? Wie verhält er sich zu dem, was uns die moderne Wissenschaft über die
Natur der Materie sagt? Und sind diese Fragen von mehr als nur akademischem
Interesse? Philosophen haben eine Vielzahl von Antworten vertreten, aber drei
davon sind für unsere Zwecke besonders relevant. Die erste ist die Ansicht von
Denkern wie Aristoteles und Thomas von Aquin, dass der gesunde Menschenverstand
im Grunde genommen richtig liegt, auch wenn er an den Rändern eine tiefere
Artikulation und Korrektur benötigt. Ihre Position ist als Hylemorphismus
bekannt, und Robert C. Koons entwickelt in seinem <i>Ist die aristotelische
Naturphilosophie Thomas von Aquins veraltet?</i> eine faszinierende neue
Verteidigung dieser Position.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><b><span style="font-family: helvetica;">Atomismus und
Monismus<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Der Hylemorphismus lässt sich jedoch am besten durch einen
Vergleich mit den beiden anderen Ansichten erklären. Die zweite ist als Atomismus
bekannt, der zuerst von antiken griechischen Philosophen wie Leukipp und
Demokrit entwickelt und in einer Vielzahl modifizierter Formen von
frühneuzeitlichen Denkern wiederbelebt wurde, die mit der wissenschaftlichen
Revolution in Verbindung standen (wie Galileo und Robert Boyle, dessen Variante
als „Korpuskularismus“ bezeichnet wurde). Für den Atomismus besteht die
materielle Welt aus unzähligen unbeobachtbaren Teilchen, die sich radikal von
den Objekten der Alltagserfahrung unterscheiden. Sie sind insbesondere farblos,
geräuschlos, geruchlos, geschmacklos und frei von Wärme oder Kälte. Tatsächlich
sind Eigenschaften wie Farbe und Geschmack „sekundäre Qualitäten“ (wie sie
genannt wurden), die in der materiellen Welt nirgendwo existieren, zumindest nicht
in der Weise, wie es der gesunde Menschenverstand annimmt. Vielmehr projizieren
wir, wenn wir physische Dinge wahrnehmen, diese Eigenschaften auf sie und
nehmen fälschlicherweise an, dass wir etwas wahrnehmen, das wirklich da draußen
ist (so wie jemand, der die Welt durch eine rosarote Brille betrachtet,
fälschlicherweise annehmen könnte, dass das Rot, das er sieht, wirklich in der
Welt ist und nicht nur in der Brille).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">In der atomistischen Sichtweise gibt es in Wirklichkeit
keinen scharfen Unterschied zwischen Stein und Holz, einem Hund und einem Vogel
oder anderen materiellen Dingen. Im Grunde genommen sind sie alle dasselbe,
nämlich Massen von farblosen, geruchlosen, geschmacklosen und geräuschlosen
Teilchen. Die Unterschiede liegen eher im Grad als in der Art, es geht darum,
wie die Teilchen desselben Grundcharakters angeordnet sind. Wie bei zwei
unterschiedlich geformten Sandburgen sind also auch die Unterschiede zwischen
einem Stein, einem Stück Holz, einem Hund und einem Vogel letztlich nur oberflächlich.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Auch gibt es in der Natur keine echten Zwecke. Massen von
Teilchen schieben und ziehen sich gegenseitig an, und wenn sie dies in
ausreichend komplexen Mustern tun (wie bei Lebewesen), verhalten sie sich so,
als ob sie zu einem bestimmten Zweck handeln würden. Aber in Wirklichkeit tun
sie das nicht. Zweckmäßigkeit – wie Farbe, Klang, Geruch, Geschmack und
dergleichen – ist nur etwas, das wir auf die Natur projizieren, und existiert
nicht unabhängig von unserem Verstand. Für den Atomismus ist der gesunde
Menschenverstand also ein großer Irrtum über die wahre Natur der materiellen
Welt. Dies ist auch das Urteil der dritten philosophischen Ansicht, die als
Monismus bekannt ist und zuerst von griechischen Philosophen wie Parmenides und
Heraklit vertreten wurde. Dem Monismus zufolge ist unsere gewöhnliche Erfahrung
der Welt, die eine große Vielfalt unterschiedlicher materieller Objekte zu
offenbaren scheint, illusorisch. In Wirklichkeit gibt es nur ein Ding, das
Universum als Ganzes. So wie die Farbe, die Größe, die Form und das Gewicht
eines Steins nur Modifikationen des Steins sind und keine eigenständigen
Entitäten, so sind für den Monismus auch Tische, Stühle, Felsen, Bäume, Hunde,
Katzen und Menschen nur Modifikationen der einen großen Einheit, die das
Universum ist.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">In der atomistischen Sichtweise gibt es in Wirklichkeit
keinen scharfen Unterschied zwischen Stein und Holz, einem Hund und einem Vogel
oder anderen materiellen Dingen. Im Grunde sind sie alle ein und dieselbe
Sache.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"> <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Es wird weithin angenommen, dass die moderne Teilchenphysik
die Kernaussagen des Atomismus gerechtfertigt hat. In der Zwischenzeit wird
manchmal behauptet, Einsteins allgemeine Relativitätstheorie habe eine Version
des Monismus begründet, da sie oft so interpretiert wird, dass das Universum
ein einziger, vierdimensionaler Block ist (wobei die Zeit eine vierte Dimension
ist, die zu den drei bekannten räumlichen Dimensionen hinzukommt). Wenn eine
dieser Behauptungen zuträfe, so Koons, wären die Folgen für Philosophie, Theologie,
Moral und sogar für die Wissenschaft selbst tiefgreifend und fatal.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Wäre entweder der Atomismus oder der Monismus wahr, wäre die
Wirklichkeit nicht so, wie unsere Sinne sie wahrnehmen. Die Welt der
gewöhnlichen Objekte mittlerer Reichweite wäre unwirklich, und nur entweder
Sammlungen von Teilchen oder das Universum als ein großer Klumpen würden
tatsächlich existieren. Eine Folge davon ist, dass es nichts gäbe, was die
Natur und den Zweck hätte, die wir diesen Objekten der mittleren Reichweite
zuschreiben – einschließlich der Menschen. Und wenn es nichts gibt, das eine
spezifisch menschliche Natur hat, kann es in unserer Natur keine Grundlage für
Moral geben (wie es die Naturrechtstradition in der Ethik annimmt). Auch
bestimmte theologische Lehren würden dadurch untergraben. Wie Koons hervorhebt,
gäbe es zum Beispiel nichts, was die Natur von Brot und Wein hätte, die nach
der katholischen Transsubstantiationslehre in der Messe in den Leib und das
Blut Christi verwandelt werden.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Natürlich würden viele Skeptiker solche Implikationen gerne
akzeptieren und behaupten, dass sie sich aus der Wissenschaft ergeben. Aber wie
Koons betont, wird auch die Wissenschaft selbst durch eine atomistische oder
monistische Sichtweise untergraben. Denn dann gäbe es auch nichts, was die
Natur und den Zweck hätte, die wir unseren Sinnesorganen zuschreiben. Folglich
hätten wir keinen Grund zu glauben, dass die Welt, die uns die Sinne
präsentieren, in irgendeiner Weise dem entspricht, was wirklich da draußen ist –
in diesem Fall wären alle Beobachtungen und experimentellen Beweise, auf denen
die Wissenschaft beruht, genauso illusorisch wie alles andere.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Wäre entweder der Atomismus oder der Monismus wahr, wäre die
Wirklichkeit nicht so, wie unsere Sinne sie wahrnehmen. Die Welt der
gewöhnlichen Objekte im mittleren Bereich wäre unwirklich, und nur entweder
Ansammlungen von Teilchen oder das Universum als ein großer Klumpen würden
tatsächlich existieren.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"> </span></p>
<p class="MsoNormal"><b><span style="font-family: helvetica;">Hylemorphismus</span></b></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Im Gegensatz dazu geht der Hylemorphismus davon aus, dass
die Art und Weise, wie unsere Sinneserfahrungen die Realität zerlegen, mehr oder
weniger dem entspricht, was wirklich da draußen ist. Tatsächlich werden diese
gewöhnlichen Objekte (und nicht etwa Teilchen oder das Universum als Ganzes)
als die grundlegenden Bestandteile der materiellen Welt angesehen. Der Begriff „Hylemorphismus“
leitet sich aus den griechischen Wörtern für Materie und Form ab. Der
Grundgedanke ist, dass jedes physikalische Objekt aus Materie und Form besteht.
In dieser Sichtweise ist die Materie für sich genommen unbestimmt und lediglich
potenziell ein Ding einer bestimmten Art. Eine Form hingegen ist eine Natur
oder Wesenheit, die von mehreren Instanzen einer Art geteilt werden kann (wie
die Formen eines Steins, eines Baumes, eines Hundes oder eines Menschen). Die
Form ist das, was das Potenzial der Materie, ein Ding einer bestimmten Art zu
sein, verwirklicht und aus ihr etwas Bestimmtes macht – diesen bestimmten
Stein, diesen bestimmten Hund oder was auch immer.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Dem Hylemorphismus zufolge sind die Teile eines materiellen
Dings weniger grundlegend als das Ganze - und existieren im Ganzen nur als
potenziell unabhängige Dinge und nicht als tatsächliche, eigenständige
Einheiten. Zum Beispiel existieren Wasserstoff und Sauerstoff im Wasser, aber
nur als Bestandteile des Wassers und nicht als eigenständige Entitäten. Potenziell
haben sie eine solche unabhängige Existenz (durch Elektrolyse), aber bis dies
geschieht, ist das Wasser als Gesamtsubstanz tatsächlich vorhanden. Die Augen
und Pfoten eines Hundes existieren zwar, aber nur als Teile des
Gesamtorganismus und können in der Tat nur im Hinblick auf die Rolle, die sie
im Verhältnis zum gesamten Tier spielen, richtig verstanden werden. In ihrem
normalen Zustand sind sie nur potenziell und nicht tatsächlich eigenständige
Wesen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Für den Hylemorphismus ist es also ein Irrtum, die Teilchen
als die grundlegenden Realitäten und die gewöhnlichen Objekte als bloße
Aggregate von Teilchen anzusehen. Vielmehr sind die gewöhnlichen Objekte selbst
die grundlegenden Entitäten, und ihre konstituierenden Teilchen existieren in
ihnen, wie andere Teile, nur als potenziell unabhängige Entitäten. Auf diese
Weise ist das Ganze nicht nur mehr als die Summe seiner Teile, sondern auch
realer als die Teile. Gleichzeitig ist das größere Universum lediglich die
Summe der gewöhnlichen Objekte mittlerer Größe, aus denen es sich zusammensetzt
– im Gegensatz zu der Behauptung des Monismus, dass das Universum als ein
großer Klumpen die einzige fundamentale Entität ist (wobei gewöhnliche Objekte
lediglich Modifikationen davon sind). Auf diese Weise unterstützt der Hylemorphismus
die Metaphysik des gesunden Menschenverstands.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die Form ist das, was das Potenzial der Materie, ein Ding
einer bestimmten Art zu sein, verwirklicht und sie zu etwas Bestimmtem macht –
zu diesem bestimmten Stein, diesem bestimmten Hund oder was auch immer.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"> </span></p>
<p class="MsoNormal"><b><span style="font-family: helvetica;">Quanten-Hylemorphismus</span></b></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Das Originellste an Koons' Buch ist sein Argument, dass die
Quantenmechanik am besten als Rechtfertigung für die aristotelische,
hylomorphistische Sicht der Natur interpretiert werden kann. Sicherlich haben
schon andere solche Behauptungen aufgestellt, nicht zuletzt Werner Heisenberg,
einer der Väter der modernen Quantenphysik. Aber Koons ist der erste prominente
Philosoph, der diese Behauptung in Buchlänge aufstellt, und zwar in einer
Weise, die Fachwissen über die relevanten philosophischen Ideen und die Literatur
mit einer ernsthaften und detaillierten Auseinandersetzung mit den
wissenschaftlichen Konzepten verbindet. Künftige Arbeiten über Hylemorphismus
und die Philosophie der Quantenmechanik werden seine Argumente berücksichtigen
müssen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Wie Koons feststellt, gibt es mehrere Aspekte der
Quantenmechanik, die sich für eine aristotelische Interpretation eignen. Da ist
zum Beispiel Heisenbergs berühmter Grundsatz, dass die Position und der Impuls
eines Teilchens unbestimmt sind, wenn es nicht mit einem System auf der
mittleren Ebene von Alltagsgegenständen (z. B. einem Beobachter) interagiert.
Es gibt die von dem Physiker Richard Feynman entwickelte Methode der „Summe
über Geschichten“, bei der die Vorhersagen alle möglichen Wege berücksichtigen
müssen, die ein Teilchen nehmen könnte, und nicht nur seinen tatsächlichen Weg.
Es gibt „Verschränkungs“-Phänomene, bei denen die Eigenschaften eines Systems
von Teilchen nicht auf die einzelnen Teilchen oder ihre räumlichen Beziehungen
und ihre relative Geschwindigkeit reduziert werden können. Es gibt die
Quantenstatistik, bei der Teilchen der gleichen Art als verschmolzen betrachtet
werden und ihre Individualität innerhalb eines größeren Systems verlieren.
Solche Beispiele zeigen, dass die Materie in den kleinsten Maßstäben genau die
Art von Potenzialität und Unbestimmtheit besitzt, die der Hylemorphismus ihr
zuschreibt, und dass es nur die übergeordneten Merkmale der physikalischen
Systeme sind, die diese Potenzialität aktualisieren und die Materie zu etwas
Bestimmtem machen (was die Rolle ist, die der Hylemorphismus der Form
zuschreibt).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die Materie in den kleinsten Maßstäben weist genau die Art
von Potenzialität und Unbestimmtheit auf, die der Hylemorphismus ihr
zuschreibt, und es sind nur die übergeordneten Merkmale der physikalischen
Systeme, die diese Potenzialität aktualisieren und aus der Materie etwas
Bestimmtes machen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"> <o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Doch dies kratzt nur an der Oberfläche von Koons' Analyse.
Der Hauptteil des Buches ist eine nachhaltige Kritik an mehreren bekannten Interpretationen
der Quantenmechanik (wie David Bohms Pilotwellen-Interpretation, Hugh Everetts
Viele-Welten-Interpretation, objektive Kollaps-Theorien und die Standardlesart
der Kopenhagener Interpretation). Koons weist auf die gravierenden
Schwierigkeiten hin, mit denen jede dieser Interpretationen konfrontiert ist,
zu denen in einigen Fällen Inkohärenzen wie die oben genannten gehören
(insofern, als sie der Realität der alltäglichen Erfahrungswelt, die den
empirischen Beweis für die Bejahung der Quantenmechanik liefert, keinen Sinn
geben). Er schlägt an ihrer Stelle etwas vor, das er „Quantenhylemorphismus“
nennt und das den Vorteil hat, dass es einige notorische Rätsel der
Quantentheorie auflöst und den Hylemorphismus rechtfertigt.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein Thomist, ich bin mir nicht sicher, wer es war
(vielleicht war es Ralph McInerny), bemerkte einmal, dass man, wenn man eine
neue Idee hat, bei Aristoteles nachsehen sollte, was er bereits vor 2300 Jahren
dazu gesagt hat. Koons legt überzeugend dar, dass dies sogar auf die
Quantenmechanik zutrifft, oder zumindest auf das Herzstück der
quantentheoretischen Auffassung von Materie. Und er macht deutlich, warum dies
für weitreichende Fragen in Philosophie, Wissenschaft und sogar Ethik und
Theologie von Bedeutung ist.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Robert C. Koons<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><b><span style="font-family: helvetica;"><a href="https://www.editiones-scholasticae.de/artikel/ist-die-aristotelische-naturphilosophie-thomas-von-aquins-veraltet/" target="_blank">Ist diearistotelische Naturphilosophie Thomas von Aquins veraltet?</a><o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">ISBN 978-3-86838-274-7<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">194 Seiten, Hardcover EUR 49,90 <o:p></o:p></span></p>
<br />Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-53053123044552871042022-12-31T11:09:00.005+01:002022-12-31T11:09:53.419+01:00Ist die Existenz Gottes eine "Hypothese"?<p><span style="font-family: helvetica;"></span></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><span style="font-family: helvetica;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh32ZUMJxmIsB0wqUMkM0CUjIl8JrQYbDWOTB_yNPB8zrqeJpkrpYGaHOmkxX11Y5rOnKBgKQuLT91aISQDaQHQ6hAZF8CL8nk-ix_GMXfYLGcGwT2M-te7rzarpFWm1irGPw83BZm0EFfUoc5bqM9LG6LeD9ByS1Merau3wTf6386JmUsB8-tCzS80Sg/s216/007.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="144" data-original-width="216" height="144" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh32ZUMJxmIsB0wqUMkM0CUjIl8JrQYbDWOTB_yNPB8zrqeJpkrpYGaHOmkxX11Y5rOnKBgKQuLT91aISQDaQHQ6hAZF8CL8nk-ix_GMXfYLGcGwT2M-te7rzarpFWm1irGPw83BZm0EFfUoc5bqM9LG6LeD9ByS1Merau3wTf6386JmUsB8-tCzS80Sg/s1600/007.jpg" width="216" /></a></span></div><span style="font-family: helvetica;"><br /><i>Von Edward Feser</i> </span><p></p><p><span style="font-family: helvetica;">Bei Twitter habe ich mit meinem Einwand gegen den Ausdruck „die
Gotteshypothese“ für einige Verärgerung gesorgt , und zwar im Zusammenhang mit
einer Diskussion über Stephen Meyers Buch <i>Return of the God Hypothesis:
Three Scientific Discoveries That Reveal the Mind Behind the Universe</i>.
Meiner Ansicht nach ist die Darstellung des Theismus als „Hypothese“, die durch
wissenschaftliche Erkenntnisse bestätigt werden könnte, bestenfalls irrelevant
für den tatsächlichen Nachweis der Existenz Gottes und schlimmstenfalls
schädlich, da sie ernsthafte Missverständnisse über das Wesen Gottes und seine
Beziehung zur Welt unterstellt. Da Twitter kein Medium ist, das einer
detaillierten und nuancierten Darlegung förderlich ist, hier ein Beitrag, in
dem ich ausführlicher erkläre, was ich meine.</span></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> <span></span></span></o:p></p><a name='more'></a><p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Was ist eine Hypothese? Wuellners Wörterbuch der
scholastischen Philosophieliefert eine nützliche erste Annäherung:<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><b>Hypothese</b><i>, n.
eine bedingte oder vorläufige Erklärung beobachteter Tatsachen oder ihres
Zusammenhangs miteinander; eine vorläufige Erklärung, die weitere Experimente
und Überprüfungen nahelegt.<o:p></o:p></i></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die Begriffe „bedingt“, „vorläufig“ und „versuchsweise“ sind
hier von entscheidender Bedeutung, aber ich möchte betonen, dass ich mich nicht
dagegen ausspreche, dass jemand eine bedingte, vorläufige oder versuchsweise
Haltung als solche einnimmt. Nehmen wir zum Beispiel an, dass jemand sagt, er
betrachte den ersten Weg Thomas von Aquins oder das kosmologische Argument von
Leibniz und sei bisher bereit, sie vorläufig oder versuchsweise zu akzeptieren,
sei sich aber nicht sicher, dass sie erfolgreiche Beweise sind. Behaupte ich,
dass eine solche Person sich eines Missverständnisses über das Wesen Gottes
oder seine Beziehung zur Welt schuldig machen muss? Keineswegs, auch wenn ich
persönlich beide Argumente für gelungene Beweise der Existenz Gottes halte.
Noch einmal: Es ist nicht die Vorläufigkeit als solche, gegen die ich mich
wende.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Das Problem liegt in der spezifischen Art und Weise, in der
eine Hypothese vorläufig oder provisorisch ist, und diese Art und Weise wird
durch Wuellners Verweis auf die Notwendigkeit „weiterer Experimente und
Überprüfungen“ angedeutet, wird aber durch eine andere Definition unseres
Begriffs, diesmal aus John Carlsons <i>Words of Wisdom: A Philosophical
Dictionary for the Perennial Tradition</i>:<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><b>Hypothese (n.):</b> <i>Wie
in den Naturwissenschaften verwendet , ein vorhersagendes Urteil über ein
empirisches Ereignis, das unter einer beschreibbaren Reihe von Bedingungen
eintreten wird. (Hypothesen werden manchmal durch allgemeinere Theorien erzeugt
; wenn die vorhergesagten Ereignisse tatsächlich eintreten, sagt man, dass die
Hypothesen bestätigt werden, was wiederum eine zusätzliche rationale
Unterstützung für die fraglichen Theorien darstellt.) Auch: „hypothetisch“
(adj.), „hypothetisch“ (adv.).</i><o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ich zitiere hier Werke aus der scholastischen Tradition, um
den Standpunkt zu verdeutlichen, von dem aus ich an diese Fragen herangehe,
aber ich glaube nicht, dass sich die Darstellung von Wuellner und Carlson in
diesem speziellen Punkt in irgendeiner Weise von dem unterscheidet, was ein
durchschnittlicher nicht scholastischer Philosoph oder Wissenschaftler sagen
würde. Die Idee ist zunächst, dass eine Hypothese eine versuchsweise Erklärung
eines empirischen Ereignisses ist, das unter bestimmten Bedingungen auftritt.
Nehmen wir also an, dass eine Wirkung E unter bestimmten Bedingungen des Typs T
auftritt. Wir könnten die Hypothese aufstellen, dass eine Ursache des Typs C
dafür verantwortlich ist, und dies dann testen, indem wir einen Fall von C unter
Bedingungen des Typs T herbeiführen und sehen, ob ein Fall von E folgt. Wenn
dies nicht der Fall ist, könnten wir eine neue Hypothese aufstellen, die
besagt, dass eine andere Art von Ursache (z. B. vom Typ D) verantwortlich ist.
Aber selbst wenn sich unsere Vorhersage bestätigt, ist es prinzipiell möglich,
dass nicht wirklich C für E verantwortlich ist, sondern ein anderer kausaler
Faktor, der lediglich mit C korreliert. Und wenn es tatsächlich einen kausalen
Zusammenhang zwischen C und E gibt, dann kann dieser nur durch eine empirische
Untersuchung aufgedeckt werden, denn die kausale Beziehung zwischen den beiden,
selbst wenn sie real ist, wird kontingent sein. Wiederum ist es möglich, dass
etwas anderes als C die Ursache ist, so dass weitere Tests diese Annahme
höchstens unwahrscheinlich machen können (wenn auch vielleicht sehr unwahrscheinlich).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Nun ist diese Art von Beziehung zwischen C und E einfach
nicht vergleichbar mit der Beziehung zwischen Gott und der Welt, wie sie im
klassischen Theismus verstanden wird. Dass Gott die Welt erschafft, hat nichts
damit zu tun, dass diese bestimmte Sache in der Welt geschieht und nicht jene bestimmte
Sache. Vielmehr geht es bei der Schöpfung darum, dass es überhaupt eine Welt
gibt. Darüber hinaus geht der Theismus davon aus, dass die Tatsache, dass es
überhaupt eine Welt gibt, etwas ist, das ohne göttliches schöpferisches Handeln
nicht einmal prinzipiell möglich gewesen wäre. Wenn wir im klassischen Theismus
von einer Auffassung sprechen, nach der die Welt ohne Gott hätte existieren
können, es aber einfach nicht getan hat, dann sprechen wir nicht wirklich von
Theismus, sondern eher von etwas, das ihm nur oberflächlich ähnelt.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Natürlich wird der Atheist bestreiten, dass die Welt diesen
Charakter hat, und ich bestreite keinen Augenblick, dass es einer Argumentation
bedarf, um zu zeigen, dass der Atheist damit falsch liegt. Der Punkt ist, dass
es bei der Art der Argumentation nicht darum geht, empirische Hypothesen
aufzustellen und sie dann zu testen (unter Verwendung der Millschen Methode
oder unter Berufung auf die Wahrscheinlichkeitstheorie oder was auch immer).
Das ist einfach ein Kategorienfehler. Stattdessen geht es um eine metaphysische
Argumentation, die von viel tieferen Tatsachen über die Welt ausgeht - zum
Beispiel von der Tatsache, dass die Dinge, aus denen sie besteht, Verbindungen
von Wesen und Existenz oder von Aktualität und Potentialität sind - und die
argumentiert, dass nichts, was so ist, auch nur einen Augenblick lang ohne eine
aufrechterhaltende Ursache existieren könnte, die nicht auf diese Weise
zusammengesetzt ist. (Langjährige Leser werden verstehen, wovon ich spreche,
aber für die Uneingeweihten sind dies Beispiele für Begriffe, die in
thomistischen und aristotelischen Argumenten für die Existenz Gottes angeführt
werden, die ich an anderer Stelle ausführlich dargelegt und verteidigt habe).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Sicherlich wäre es absurd anzunehmen, dass eine solche
Argumentation der Hypothesenbildung und -prüfung gleicht, wie wir sie aus den
Naturwissenschaften kennen. Es wäre zum Beispiel absurd zu behaupten, dass
etwas, dessen Wesen und Existenz verschieden sind, grundsätzlich durch etwas
anderes als <i>ipsum esse subsistens</i> im Sein erhalten werden könnte, und
dass wir uns einen empirischen Test ausdenken müssten, um zu zeigen, dass dies
unwahrscheinlich ist. Das wäre so absurd wie die Behauptung eines Platonikers,
dass etwas anderes als die Form des Guten prinzipiell dafür verantwortlich sein
könnte, dass die Dinge ein bestimmtes Maß an Güte haben, dass dies aber
angesichts der empirischen Beweise unwahrscheinlich ist. Oder es ist so absurd
wie die Behauptung eines Mathematikers, dass es solide bestätigende empirische
Beweise gibt, die es wahrscheinlich machen, dass 12 x 48 = 576 ist. Es geht
nicht darum, dass wir kein Argument für die Behauptung 12 x 48 = 576 liefern
müssen, oder für die Behauptung, dass es so etwas wie die Form des Guten gibt,
oder wiederum für die Behauptung, dass die Welt nicht einmal im Prinzip ohne
Gott existieren könnte. Der Punkt ist wiederum, dass die Art der Argumentation,
die wir vorbringen müssten, nicht darin bestünde, Hypothesen aufzustellen und
dann Wege zu finden, sie empirisch zu testen. Das würde einfach nicht die Natur
mathematischer Tatsachen widerspiegeln, oder die Natur der Form des Guten (wenn
es so etwas gibt) und ihre Beziehung zu bestimmten Instanzen des Guten, oder
die Natur Gottes und seine Beziehung zur Welt.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Natürlich könnte jemand behaupten, dass es keine anderen
guten Argumente gibt als die, die mit empirischer Hypothesenbildung und
-prüfung zu tun haben (viel Glück dabei, unter dieser Annahme einen Sinn in der
Mathematik zu finden). Aber ob das wirklich der Fall ist, ist genau Teil des
Streits zwischen dem klassischen Theismus und dem Atheismus, wie er vom
Szientismus inspiriert ist. Ohne ein unabhängiges Argument, das belegt, dass
solche Argumente die einzig respektablen sind, würde ein solcher Einwand das zu
Beweisende als Feststehend betrachten.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Nun könnte jemand einwenden, dass man mit einem Argument
nicht den ganzen Weg zu Gott gehen muss, um einen Teil des Weges zu gehen. Und
das ist vollkommen richtig. Nehmen wir zum Beispiel an, dass eine Version des
Kontingenzarguments (wie es von Avicenna, Thomas von Aquin und Leibniz
vertreten wird) tatsächlich die Existenz eines absolut notwendigen Wesens
belegt. Das würde sicherlich viel zur Begründung des klassischen Theismus
beitragen, selbst wenn man nicht weiter zeigen würde, dass dieses notwendige
Wesen weitere göttliche Attribute wie Allmacht und Allwissenheit besitzt. Denn
die Notwendigkeit selbst ist eines der göttlichen Attribute, das Gott radikal
von allem anderen unterscheidet, so dass die Feststellung, dass etwas aus
Notwendigkeit existiert, ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einem
vollständigen Argument für den Theismus ist.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Könnte man also sagen, dass das Argumentieren mittels
empirischer Hypothesenbildung und -prüfung uns zwar nicht den ganzen Weg zu
Gott führt, aber doch einen Teil des Weges? Nun, um fair zu sein, würde ich
gerne ein konkretes angebliches Beispiel betrachten, um zu sehen, was genau ein
solcher Kritiker im Sinn hat. Aber wenn die Argumentation so, wie die oben
beschriebene wurde ist, dann würde ich mit Nein antworten.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Angenommen, ich finde immer wieder Blätter in meinem Garten
in der Nähe eines bestimmten Baumes und stelle die Hypothese auf, dass mein
Nachbar sie absichtlich dort ablegt. Angenommen, Sie weisen darauf hin, dass
die Anzahl und Anordnung der Blätter durchaus damit vereinbar ist, dass sie
durch den Wind vom Baum gefallen sind, oder weil Eichhörnchen oder andere Tiere
sie von den Ästen werfen. Angenommen, ich antworte: „Sicher, meine
Argumentation reicht nicht ganz aus, um zu beweisen, dass mein Nachbar dafür
verantwortlich ist, aber die Beweise bringen mich zumindest teilweise dorthin.
Sicher , mein Nachbar könnte die Blätter dort hingelegt haben, aber es gibt
einfach nichts in den Beweisen, das eine solche eindeutig menschliche Ursache
erfordert (im Gegensatz zu einer unbelebten Ursache wie dem Wind oder einem
nicht-menschlichen Wesen). Die Unterstützung, die das Vorhandensein der Blätter
meiner Hypothese gibt, ist also bestenfalls vernachlässigbar.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">In ähnlicher Weise befassen sich Hypothesenbildung und -prüfung
wie die oben beschriebene Art, was auch immer sonst dafür sprechen mag, einfach
nicht mit Phänomenen, die die Annahme einer göttlichen Ursache erfordern. Und
der Grund dafür ist wiederum, dass sich solche Hypothesenbildung nur mit der
Frage befasst, warum ein natürliches Phänomen gerade so und nicht anders ist,
während göttliche schöpferische Aktivität damit zu tun hat, warum solche
Phänomene überhaupt existieren; und dass sie Ursachen annimmt, die lediglich
verantwortlich sein könnten, aber nicht sein müssen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Der Punkt, den ich hier anspreche, ist im Wesentlichen
derselbe, den Kant berühmt gemacht hat, als er argumentierte, dass das, was er „physiko-theologische“
Argumente nannte (ein Beispiel dafür wäre Paleys Design-Argument), uns in der
Natur der Sache nicht zu Gott führen kann, sondern nur zu einer Art Architekt
der Welt. Der Grund dafür ist, dass sie höchstens erklären, warum die Welt auf
eine bestimmte Weise angeordnet ist, aber nicht, warum sie überhaupt existiert,
und somit nichts dazu beitragen, eine Kausalität der streng schöpferischen Art
zu begründen, die für Gott charakteristisch ist.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Damit soll keineswegs bestritten werden, dass solche
Argumente eine ernsthafte Herausforderung für bestimmte angebliche
materialistische oder naturalistische Erklärungen dieses oder jenes Phänomens
darstellen können. Aber eine bestimmte naturalistische Erklärung zu
untergraben, wie wichtig sie auch sein mag, ist nicht dasselbe wie den Theismus
zu begründen. Die Beziehung zwischen den beiden Themenkomplexen ist
komplizierter als das.</span></p>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-76148577185950818882022-12-19T11:22:00.000+01:002022-12-19T11:22:00.605+01:00Neuerscheinung zu den thomistischen Gottesbeweisen<p><span style="font-family: helvetica;"></span></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><span style="font-family: helvetica;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhDlGgkT8n_nxvVaS4r0sj9tG0R3j7znoP4Csbe74ytxRwHCJXoa6UfAnfhaTB_CpgJZz4lGd-jHzgjHC4xuiYfVD7tLPuG_CMLghJckM87q3pwvQ8q4n7ZJTQsW9-2z13MIx8LGSGEIlgDe4GZcX2m-psSxSj_oglG_HRBz9PfXrH1q1MGSGxw5owHXA/s743/Collected-Articles-on-the-Existence-of-God.png" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="743" data-original-width="481" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhDlGgkT8n_nxvVaS4r0sj9tG0R3j7znoP4Csbe74ytxRwHCJXoa6UfAnfhaTB_CpgJZz4lGd-jHzgjHC4xuiYfVD7tLPuG_CMLghJckM87q3pwvQ8q4n7ZJTQsW9-2z13MIx8LGSGEIlgDe4GZcX2m-psSxSj_oglG_HRBz9PfXrH1q1MGSGxw5owHXA/s320/Collected-Articles-on-the-Existence-of-God.png" width="207" /></a></span></div><span style="font-family: helvetica;"><br /> <span style="font-size: 12pt;">Der Verlag <a href="https://www.editiones-scholasticae.de/">editiones scholasticae</a> hat vor einigen Wochen ein Buch des renommierten irischen
Philosophen Gaven Kerr veröffentlicht, der sich besonders auf die Gottesbeweise
bei Thomas von Aquin spezialisiert hat und dazu bereits zwei wichtige Bücher im
Verlag Oxford University Press veröffentlicht hat. Dieses Buch versammelt verstreute
Artikel aus verschiedenen Fachzeitschriften, die z.T. nur schwer zugänglich
sind. Das Buch behandelt alle fünf Gottesbeweise bei Thomas von Aquin und setzt
sich mit den Einwänden gegen diese Argumente auseinander. Das Buch ist in englischer
Sprache erschienen. </span></span><p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-size: 12pt;"><span style="font-family: helvetica;"> <span></span></span></span></p><a name='more'></a><p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-size: 12pt;"><span style="font-family: helvetica;"> </span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-size: 12pt;"><span style="font-family: helvetica;"> </span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-size: 12pt;"><span style="font-family: helvetica;">Gaven Kerr<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><a href="https://www.editiones-scholasticae.de/artikel/collected-articles-on-the-existence-of-god/" name="_Hlk116323423" target="_blank"><b><span lang="EN-US" style="font-size: 12pt;"><span style="font-family: helvetica;">Collected Articles on the Existence
of God<span class="eop"><span style="background: white;"> <o:p></o:p></span></span></span></span></b></a></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span class="eop"><span lang="EN-US" style="background: white; font-size: 12pt;"><span style="font-family: helvetica;">ISBN 978-3-86838-271-6<o:p></o:p></span></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span class="eop"><span lang="EN-US" style="background: white; font-size: 12pt;"><span style="font-family: helvetica;">E-Book 9783868382723<o:p></o:p></span></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span class="eop"><span lang="EN-US" style="background: white; font-size: 12pt;"><span style="font-family: helvetica;">286pp., Paperback, EUR
29,90<o:p></o:p></span></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span class="eop"><span lang="EN-US" style="background: white; font-size: 12pt;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span class="eop"><span lang="EN-US" style="background: white; font-size: 12pt;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span class="eop"><b><span style="background: white; font-size: 12pt;"><span style="font-family: helvetica;">Zusammenfassung (deutsche Übersetzung)<o:p></o:p></span></span></b></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span class="eop"><span style="background: white; font-size: 12pt;"><span style="font-family: helvetica;">Das zwanzigste Jahrhundert war Zeuge einer
Explosion des wissenschaftlichen Interesses am philosophischen Denken des
Heiligen Thomas von Aquin. Eine der Früchte dieser thomistischen Wiederbelebung
war die Freilegung der originellen Beiträge des Heiligen Thomas zu vielen
Bereichen der Philosophie, nicht zuletzt zur Metaphysik. Im einundzwanzigsten
Jahrhundert ist das Interesse an Thomas von Aquins Argumentation für die
Existenz Gottes erneut erwacht. Dieses Interesse ergibt sich aus der
Auseinandersetzung mit der Arbeit der Gelehrten des zwanzigsten Jahrhunderts,
die Thomas‘ charakteristische Metaphysik dargelegt haben. Wir haben eine
Interpretation und Darstellung von Thomas‘ Beweisen für die Existenz Gottes im
Hinblick auf Thomas' einzigartige Einsichten in die Natur des Seins und die
metaphysische Struktur der Wirklichkeit gesehen. Gaven Kerr ist ein solcher
Autor, der in vielfältiger Weise zur Wiederbelebung des Interesses an Thomas von
Aquins Argumentation für die Existenz Gottes und ihrer metaphysischen
Untermauerung beigetragen hat. In den letzten zehn Jahren hat Kerr Artikel über
Thomas von Aquins Beweise für die Existenz Gottes und die hinter diesen
Beweisen stehende Metaphysik veröffentlicht; dieser Band fasst diese Artikel
zusammen. Darin enthalten sind Kerrs Artikel über per se geordnete Reihen,
existentielle Trägheit, den Beweis in <i>De Ente et Essentia</i>, das Argument
aus der Bewegung in der <i>Summa Contra Gentiles</i> und die fünf Wege selbst.
Kerr hat für diesen Band auch zwei neue Artikel verfasst: einen über die
Möglichkeit, die Existenz Gottes zu beweisen, und den anderen darüber, wie man
von der Existenz Gottes zum Wesen Gottes gelangt. Dieser Band bietet einen
Überblick über Kerrs Überlegungen der letzten zehn Jahre zu Thomas von Aquins
Gedanken über die Existenz Gottes.<o:p></o:p></span></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span class="eop"><span style="background: white; font-size: 12pt;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span class="eop"><b><span style="background: white; font-size: 12pt;"><span style="font-family: helvetica;">Über den Autor<o:p></o:p></span></span></b></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span class="eop"><span style="background: white; font-size: 12pt;"><span style="font-family: helvetica;">Gaven Kerr ist Dozent für Philosophie an der
Päpstlichen Universität St. Patrick's in Maynooth. Er promovierte an der
Queen's University Belfast und lehrte an zahlreichen Institutionen in ganz
Irland. Er ist Dominikaner des Dritten Ordens, verheiratet und hat drei
Kinder. </span></span></span><span style="font-family: "Garamond",serif; font-size: 12.0pt;"><o:p></o:p></span></p>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-56900874977931429822022-12-19T11:02:00.000+01:002022-12-19T11:02:23.035+01:00Agenskausalität – per accidens und per se<p></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgqwBIwf89sYPMSRFt8vrJVPswJxkGHPWesP8e-YBdTBvMLN6pt07JQVD_KDjYL91zWxVKKwF1cgKBhqogpX8GHQ6usRS1LyZWelrYx687h1sR1tBAYEe-GDnC-5i3PbwOmL4Arvm4jGzdZHM3rcRUF31KiKd3j2nxXFI-o537qzUsrqDZRli1zWhIPRQ/s218/studia-Elblaskie-2022.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="218" data-original-width="150" height="218" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgqwBIwf89sYPMSRFt8vrJVPswJxkGHPWesP8e-YBdTBvMLN6pt07JQVD_KDjYL91zWxVKKwF1cgKBhqogpX8GHQ6usRS1LyZWelrYx687h1sR1tBAYEe-GDnC-5i3PbwOmL4Arvm4jGzdZHM3rcRUF31KiKd3j2nxXFI-o537qzUsrqDZRli1zWhIPRQ/s1600/studia-Elblaskie-2022.jpg" width="150" /></a></div><br /> <span style="font-family: helvetica;">Der folgende
Artikel wurde in der aktuellen Ausgabe der polnischen Fachzeitschrift für
Philosophie und Theologie, Studia Elbląskie XXIII (2022), veröffentlicht. Er
behandelt ein zentrales Thema der scholastischen Philosophie, nämlich die
Theorie der Wirkursachen, bei der es eine Unterscheidung zweier verschiedener
Arten gibt. Dieses Argument spielt bei den Gottesbeweisen Thomas von Aquins
eine wichtige Rolle. Obwohl der Beitrag für eine Fachzeitschrift verfasst wurde
und daher etwas schwierig sein kann, glaube ich, dass philosophisch
Interessierte dennoch davon profitieren können.</span><p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;"> <span></span></span></p><a name='more'></a><p></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;"> </span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;"><i>Von Rafael
Hüntelmann</i><o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;"> </span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><b><span style="font-family: helvetica;">Zusammenfassung<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;">Sofern die
Agenskausalität in der Gegenwartsphilosophie noch eine Rolle spielt, wird nicht
mehr unterschieden zwischen Kausalität <i>per accidens</i> und Kausalität <i>per
se</i>. Anhand verschiedener Beispiele werde ich die Bedeutung dieser
Unterscheidung für die philosophische Analyse herausstellen. Weiterhin sollen
die zentralen Bestimmungen dieser beiden Arten der Agenskausalität dargestellt
werden und daraus Schlussfolgerungen für die Kausaltheorie gezogen werden.</span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;"> </span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><b><span style="font-family: helvetica;">Agens- und Ereigniskausalität<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;">Die klassische aristotelisch-thomistische
Philosophie kennt vier Arten der Kausalität. Neben der effizienten Kausalität
werden die Ziel- oder Zweckursache, die Formursache und die Materialursache bei
der Analyse von Ereignissen und Veränderungen herangezogen. Jede Wirkursache
ist immer auf ein Ziel gerichtet, das aus der Form einer Substanz folgt, die
ihrerseits eine Materie in<i>form</i>iert. Die neuzeitliche Philosophie macht
zunächst mit den drei zuletzt genannt Ursachen Schluss, und zwar ohne dafür
eine rationale Begründung anzuführen. Übrig bleibt zunächst die
Agenskausalität, die in der frühen Neuzeit bei Descartes und Leibniz erhalten
bleibt, auch wenn sie eine Neuinterpretation erhält.</span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;">Durch den
Einfluss David Humes (2015, 37ff.) auf die analytischen Gegenwartsphilosophie
wurde die Agenskausalität weitgehend durch die Ereigniskausalität ersetzt. Unter
Agenskausalität verstehe ich eine Theorie der Kausalität, bei der ein Agens,
ein Tätiges, als Wirkursache für eine Veränderung oder Entstehung angenommen
wird. Ereigniskausalität ist hingegen die Theorie, dass es verschiedene
Ereignisse sind, die andere Ereignisse verursachen. „Ursachen“ im strengen
Sinne des Wortes gibt es bei der Ereigniskausalität nicht, sondern Kausalität
wird verstanden im Sinne eines konditionalen Satzes der Form, wenn X, dann Y.
Ein Ereignis X wird gefolgt von einem Ereignis Y. In welchem Sinne diese
Beziehung notwendig ist, ist dabei umstritten.</span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;">Ich möchte in
diesem Artikel nicht auf die Diskussion über Agens- und Ereigniskausalität
eingehen, sondern beschränke mich auf die Agenskausalität. Eine sehr
ausführliche kritische Auseinandersetzung mit den Theorien der
Ereigniskausalität findet sich bei Uwe Meixner (2001), der die völlige
Unhaltbarkeit dieser Theorien deutlich macht, da sie letztlich keine <i>kausale</i>
Erklärung liefern. Auch in der analytisch orientierten Gegenwartsphilosophie
gibt es weiterhin Vertreter der Agenskausalität (Uwe Meixner 1997, ders. 2001),
allerdings wird in diesen Theorien oftmals der Begriff der Kausalität per se
nicht thematisiert und Agenskausalität nur im Sinne der Kausalität per accidens
verstanden. Dieser Unterschied ist aber von zentraler Bedeutung für die
klassische Philosophie, insbesondere für die aristotelisch-thomistische
Tradition der Philosophie.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;"> </span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><b><span style="font-family: helvetica;">Der Unterschied<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;">Die klassische Unterscheidung der beiden
Arten der Agenskausalität bezieht sich auf den Unterschied von Erst- und
Zweitursache. <span style="color: #333333;">Im bekannten <i>Dictionary of Scholastic Philosophy</i> (1956) von Bernard
Wuellner S.J. finden sich die klassischen Definitionen dieser beiden Arten der
Kausalität. Über die <a name="_Int_lpcO6HWI">causa</a> per se (im englischen
auch <i>proper cause</i> genannt) schreibt Wuellner: </span><o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;"> </span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.4pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span lang="EN-US" style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">„<a name="_Int_LNiYNcIb">the</a> precise cause
which is required for producing this particular type of effect; a cause which
has its own special, natural, and immediate connection with this kind of
effect. Thus, God is the proper cause of existence; a human being is the proper
cause of meaningful speech; a camera and photographic plate is the proper cause
of a snapshot. The proper cause prescinds from accidental or causally
non-relevant associations with either the cause or the effect.”<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span lang="EN-US" style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;"> </span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Zur akzidentellen Ursache heißt es im <i>Dictionary</i>:<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;"> </span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.4pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span lang="EN-US" style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">„<a name="_Int_cPixqnmo">some</a> attribute of
the cause or some feature accompanying the effect which however has no
influence in the causal process nor in the origin of the effect; something
incidental to the cause or effect or coincidental. Thus, Michelangelo carved
the <i>Pietà</i> as a sculptor, not as someone who spoke Italian, His Italian
speech is an accidental cause of the <i>Pietà</i>.”<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span lang="EN-US" style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;"> </span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Diese Bestimmungen der beiden
Ursachenarten beziehen sich auf die Kausalität freier Handlungen, also
menschlicher Handlungen. Hier hat der Begriff der <a name="_Int_snyAyipL">causa</a>
per se die Bedeutung einer <i>intendierten</i> Wirkung, während die <a name="_Int_OsgY2Rjf">causa</a> per accidens eine <i>zufällige</i> und nicht
intendierte Wirkung des frei Handelnden bedeutet. In einer anderen und
allgemeineren Hinsicht werden die beiden Ursachenarten hinsichtlich der Wirkung
unterschieden, ob diese aus der Natur, also dem <i>Wesen</i> einer Entität
folgt (causa per se) oder ob die Wirkung eher beiläufig ist. Zur Natur eines
Kastanienbaums gehört es, Kastanien hervorzubringen, um sich fortzupflanzen.
Dass der Kastanienbaum auch als Nistplatz verschiedener Vögel dient, ist
hingegen eine akzidentelle Ursache des Kastanienbaums.</span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Die Unterscheidung, die ich hier im
Besonderen diskutieren möchte und die auch von Edward Feser (2014, 88-159) und
Gaven Kerr (2019,107ff) betont wird, bezieht sich auf zwei verschiedene Arten
effizienter <i>Kausalketten</i>. Bei einer per se geordneten Kausalkette sind
alle Glieder mit Ausnahme der ersten Ursache instrumentelle Ursachen, während
dies bei einer per accidens geordneten effizienten Kausalkette nicht der Fall
ist. Natürlich gibt es eine Beziehung zwischen den beiden verschiedenen
Verwendungsweisen der Begriffe causa per se und causa per accidens, doch können
wir diese für unsere Fragestellung hier im Weiteren außer Acht lassen.</span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Die für die scholastische Kausaltheorie
zentrale Unterscheidung zwischen Kausalität per se (causa per se) und
Kausalität per Akzidenz (causa per accidens) findet sich in der Scholastik
nicht nur bei Thomas von Aquin, sondern ebenso bei Duns Scotus und fast allen
anderen Scholastikern und gehört insofern zum Gemeingut der scholastischen
Philosophie. Ursachen per se unterscheiden sich in dreifacher Hinsicht von
akzidentellen Ursachen, wie Duns Scotus herausgestellt hat (Edward Feser 2014,
148ff.).</span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Bei einer per se geordnete Kausalreihe
ist die erste Ursache so verfasst, dass sie selbst keine weitere Ursache für
diese Tätigkeit benötigt. Diese Ursache ist die erste Ursache, weil sie die
Ursache der Kausalität der ganzen Kausalreihe ist, aber nicht selbst einer Ursache
bedarf, damit sie tätig sein kann. Die sekundäre Ursache einer solchen
Kausalreihe ist kausal wirksam in Abhängigkeit von der ersten Ursache einer per
se oder essenziell geordneten Kausalreihe. Die sekundäre Ursache besitzt keine
Kausalität in sich selbst bzw. durch sich selbst, sondern Kraft der auf sie
einwirkenden ersten Ursache, der Ursache per se. Daher hängen die Wirkungen
einer solchen Kausalreihe in letzter Konsequenz von der ersten Ursache ab,
ebenso wie alle Zwischenglieder (Gaven Kerr 2019, 104).</span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Bei einer akzidentell geordneten
Kausalreihe bedarf ein hinteres kausales Glied keiner Ursache für ihre eigene
kausale Tätigkeit. Die verschiedenen Glieder einer solchen Kausalkette hängen
zwar zusammen, aber jedes einzelne Glied dieser Kausalkette besitzt die
Kausalität der Reihe in sich selbst und nicht unabhängig von sich selbst. Daher
ist in einer solchen Kausalreihe jedes Mitglied in der Lage, seine Kausalität
ohne Abhängigkeit von einer primären Ursache auszuüben, die die Kausalität der
ganzen Reihe gewährleistet (Ibid.).</span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Gaven Kerr hat diese Charakterisierung des
Unterschieds der beiden Kausalreihen schematisch folgendermaßen dargestellt (Ibid.):<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;"> </span></span></p>
<p class="MsoListParagraphCxSpFirst" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 54.0pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; mso-add-space: auto; mso-list: l0 level1 lfo1; text-indent: -36.0pt;"><!--[if !supportLists]--><span style="font-family: helvetica;"><span lang="EN-US" style="color: #333333;">(i)<span style="font-size: 7pt; font-stretch: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; line-height: normal;">
</span></span><!--[endif]--><i><span lang="EN-US" style="color: #333333;">Per se</span></i><span lang="EN-US" style="color: #333333;">: a stone (z) is moved
by a stick (y), which is moved by a hand (x), which is moved by the mind (w).
Hence:<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoListParagraphCxSpMiddle" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 54.0pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; mso-add-space: auto;"><span style="font-family: helvetica;"><span lang="EN-US" style="color: #333333;">w </span><span lang="EN-US" style="color: #333333;">à</span><span lang="EN-US" style="color: #333333;"> (x </span><span lang="EN-US" style="color: #333333;">à</span><span lang="EN-US" style="color: #333333;"> (y </span><span lang="EN-US" style="color: #333333;">à</span><span lang="EN-US" style="color: #333333;"> z)).<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoListParagraphCxSpMiddle" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 54.0pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; mso-add-space: auto; mso-list: l0 level1 lfo1; text-indent: -36.0pt;"><!--[if !supportLists]--><span style="font-family: helvetica;"><span lang="EN-US" style="color: #333333;">(ii)<span style="font-size: 7pt; font-stretch: normal; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal; line-height: normal;">
</span></span><!--[endif]--><i><span lang="EN-US" style="color: #333333;">Per accidens</span></i><span lang="EN-US" style="color: #333333;">: a son, z, is begotten
by his father, y, who is begotten by his father, x, who is begotten by his
father, w, and so on. Hence:<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoListParagraphCxSpLast" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 54.0pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; mso-add-space: auto;"><span style="font-family: helvetica;"><span lang="EN-US" style="color: #333333;">(…) </span><span lang="EN-US" style="color: #333333;">à</span><span lang="EN-US" style="color: #333333;"> (w </span><span lang="EN-US" style="color: #333333;">à</span><span lang="EN-US" style="color: #333333;"> x) </span><span lang="EN-US" style="color: #333333;">à</span><span lang="EN-US" style="color: #333333;"> (x </span><span lang="EN-US" style="color: #333333;">à</span><span lang="EN-US" style="color: #333333;"> y) </span><span lang="EN-US" style="color: #333333;">à</span><span lang="EN-US" style="color: #333333;"> (y </span><span lang="EN-US" style="color: #333333;">à</span><span lang="EN-US" style="color: #333333;"> z).<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span lang="EN-US" style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;"> <o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Zunächst besteht der Unterschied darin,
dass die akzidentelle Ursache von der Ursache per se oder der essenziellen
Ursache abhängig ist, und zwar hinsichtlich des Aktes der Verursachung. Dafür
ein eigenes Beispiel: Der Klang einer Violine erklingt nur dann, wenn die
Violinistin den Violinbogen über die Saiten führt. Die Saiten erklingen durch
die Resonanz des Violinkastens und dem Streichen des Violinbogens über die
Saiten. Die verschiedenen Schritte – die Bewegung der Hand der Violinistin, die
Bewegung des Bogens, das Streichen über die Saiten, der Klang aus dem
Violinkasten – erfolgen alle synchron. Man kann hier noch weiter zurückgehen,
denn die Hand der Violinistin wird bewegt durch die Nervenbahnen, die
Muskelkontraktionen, den Willen der Violinistin und letztlich durch diese
selbst. Die <a name="_Int_0P8VnvsF">causa</a> per se der erklingenden Musik ist
hier die Violinistin selbst.</span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Das klassische Beispiel hierfür ist ein
Stab, der einen Stein bewegt, ein Beispiel, das Thomas von Aquin selbst verwendet.
Der Stab verursacht, dass der Stein sich bewegt aber nicht durch seine eigene
Kraft. Der Stab bewegt den Stein durch die Bewegung der Hand, die den Stab
führt bzw. bewegt. Die Hand, oder besser gesagt die Person, ist das, was die
Scholastiker als Erstursache bezeichnen, während der Stab, der den Stein
bewegt, die Zweitursache oder die instrumentelle Ursache ist. Der Stab hat die
Kraft den Stein zu bewegen nur durch die Kraft der Person, die den Stab bewegt.
Diese Art der Abhängigkeit ist das bestimmende Merkmal für eine essenzielle
oder per se geordnete Kausalreihe.</span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Akzidentell geordnete Kausalreihen sind
davon deutlich verschieden. Duns Scotus erläutert eine solche Kausalreihe
wieder an einem einfachen und leicht nachvollziehbaren Beispiel: Ein Vater
zeugt einen Sohn, der seinerseits wieder einen Sohn zeugt. Obwohl der Sohn nur
existiert, weil der Vater ihn gezeugt hat, ist der Sohn, nachdem er einmal
existiert, in der Lage, seinen eigenen Sohn zu zeugen, gleichgültig, ob der
Vater in der Nähe ist, oder vielleicht sogar schon gestorben ist. Dies ist ein
deutlicher Unterschied zu dem Stab, der nicht vermag, den Stein zu bewegen,
wenn nicht die Hand den Stab bewegt oder der Klang der Violine, die nicht
erklingt, wenn die Violinistin die Violine nicht spielt. Im Unterschied zum
Stab oder dem Violinbogen hat nämlich der Sohn die Kraft zur Zeugung „in sich“,
während der Stab keine Kraft in sich hat. In diesem Sinne ist die Beziehung
zwischen den Mitgliedern einer akzidentellen Kausalreihe „akzidentell“ oder
„nicht-wesentlich“. Die akzidentell geordnete Kausalreihe liegt auch vor, bei
dem Beispiel der Billardkugeln, das in der Kausaltheorie oft verwendet wird.
Die Kugel wird vom Billardspieler angestoßen und bewegt sich auf eine andere
Kugel zu. Die erste Kugel hat zwar den Impuls vom Billardspieler erhalten,
besitzt aber jetzt die kausale Kraft, eine andere Billardkugel in Bewegung zu
versetzen, und zwar unabhängig vom Spieler und diese zweite Kugel kann
möglicherweise ihrerseits wieder eine dritte Kugel bewegen.</span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Ein weiterer Unterschied zwischen diesen
beiden Arten von Wirkursachen besteht darin, dass bei per se geordneten
Kausalreihen die Kausalität <i>zu einer anderen Natur oder Ordnung</i> gehört
als bei der akzidentellen Kausalreihe, und zwar insofern, als die höhere
Ursache vollkommener ist. Der Stab hat keine Kraft in sich selbst, den Stein zu
bewegen, während die Person diese Kraft in sich selbst hat. In diesem Sinne hat
der Beweger des Stabes, die Person, eine kausale Kraft einer anderen Ordnung
oder einer anderen Natur als der Stab, und zwar von einer „vollkommeneren Art“.
Daher ist die Erstursache oder die nicht-abgeleitete Ursache von einer höheren
und vollkommeneren Art als die instrumentelle oder bloß abgeleitete Kausalität.</span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Der dritte Unterschied zwischen per se
Kausalität und akzidenteller Kausalität besteht darin, dass die erstere
Kausalreihe <i>gleichzeitig</i> ist, was bei der letzteren Kausalreihe nicht
der Fall sein muss. Der Stab bewegt den Stein nur dann und nur so lange, wie
die Person den Stab bewegt. Demgegenüber ist die Zeugung eines eigenen Sohnes
durch den Sohn des Vaters unabhängig davon, ob der Vater überhaupt noch
existiert.</span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Nun gehört es zu der Standardtheorie der
Scholastik, dass akzidentell geordnete Kausalreihen zumindest prinzipiell, bzw.
potenziell unendlich weit zurückreichen können, während dies bei per se oder
essenziell geordneten Kausalreihen nicht der Fall sein kann. Denn weil jedes
Glied einer akzidentell geordneten Kausalreihe ihre kausale Kraft in sich
selbst und nicht abgeleitet hat, gibt es keine Notwendigkeit, irgendein Glied
als das Letzte bzw. als das Erste anzusetzen. Der Vater kann selbst wieder von
einem anderen Vater gezeugt worden sein und dieser wieder von einem anderen und
so weiter bis ins Unendliche. Zumindest potenziell muss eine solche Kausalreihe
keinen Anfang haben.</span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="font-family: helvetica;"><a name="more"></a><span style="color: #333333;">Ganz anders sieht es hingegen bei
der essenziellen oder per se Kausalität aus. Thomas von Aquin erläutert dies
folgendermaßen: „Dasjenige, das als eine instrumentelle Ursache bewegt, kann
nicht bewegen außer es gibt eine erste bewegende Ursache. Aber wenn wir in die
Unendlichkeit fortfahren mit Bewegern und bewegten Dingen, wären alle Beweger
instrumentelle Ursache, weil sie bewegte Beweger sind und es nichts gäbe, was
ein erster Beweger wäre. Deshalb würde nichts bewegt“ (<i>Summa Contra Gentiles</i>
I.13.14-15). Der Grundgedanke dabei ist der, dass ein späteres Glied einer per
se geordneten Kausalreihe keine kausale Kraft in sich selbst besitzt, sondern
dass es diese Kraft vollständig von einer anderen Ursache empfängt, die eine
inhärente kausale Kraft besitzt. Wären alle Ursache dieser Reihe instrumentell,
dann käme es zu gar keine Bewegung (E. Feser 2014, 151).</span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Gegen mögliche Einwände sei betont, dass
mit der „ersten“ Ursache keine zeitliche Folge gemeint ist, also nicht die
Ursache, die vor der zweiten, der dritten oder vierten Ursache kommt, sondern
die „nicht von einer anderen abgeleitet ist“, d.h. die ihre kausale Kraft in
sich selbst hat im Unterschied zu einer Ursache, die ihre Kraft allein von
einer anderen Ursache hat. Der entscheidende Punkt bei einer causa per se ist
also weder die Unmöglichkeit einer aktualen Unendlichkeit einer solchen Ursache
noch die Gleichzeitigkeit der Ursachen, sondern dass bei einer essenziell
geordnete Kausalreihe jedes Glied der Reihe nur <i>instrumentell</i> wirkt,
außer der ersten Ursache. Jedes Glied einer Kausalreihe per se hat nur eine
kausale Wirksamkeit durch die erste Ursache. Der Violinbogen erzeugt nur einen
Klang, sofern die Violinistin den Bogen über die Saiten bewegt.</span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="background: white; line-height: normal; margin-bottom: 0cm; mso-background-themecolor: background1;"><span style="color: #333333;"><span style="font-family: helvetica;">Wenn in einer per accidens Kausalreihe die
erste Ursache nicht mehr tätig ist, führt dies nicht zum Ausfall der kausalen
Reihe. Dies ist bei der Kausalität per se anders. Wenn hier die erste Ursache
ausfällt, fällt die ganze Kausalreihe aus, es gibt keine weiteren Wirkungen.<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;"> </span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><b><span style="font-family: helvetica;">Schlussfolgerungen<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;">Trifft diese Analyse der Agenskausalität
zu, dann ist eine Beschränkung derselben auf die Kausalität per accidens
unvollständig und es lassen sich bestimmte Kausalphänomene nicht richtig
verstehen. Dies gilt besonders für Kausalreihen, bei denen die kausalen
Zwischenglieder instrumenteller Natur sind, bei denen also die kausale Kraft
abhängig ist von einer ersten Ursache.</span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;">Eine Kausalität per se kann es bei den
vorgestellten Charakteristika nur geben bei echten Agenten, d.h. konkret bei
Lebewesen. Lebewesen können der Ursprung, die Ursache einer Kausalreihe sein,
bei der alle Glieder der Reihe synchron sind und bei denen die Wirkung intendiert
ist. Nur Lebewesen haben die kausale Kraft in sich selbst, während dies bei
anorganischen materiellen Dingen nicht der Fall ist. Dies bedeutet aber, dass
es die Physik nur mit akzidenteller Kausalität zu tun hat. Eine Philosophie,
die die Realität auf die Physik reduziert, wie moderne materialistische und
physikalistische Theorien, müssen deshalb notwendigerweise jede Art von echter
Agenskausalität im Sinne der causa per se bestreiten. Da der Physikalismus
heute ein verbreiteter Trend in der Philosophie ist, kann man verstehen, warum
Physikalisten und andere Materialisten eine per se Kausalität unbeachtet lassen
oder bestreiten.</span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;">Die Frage, die sich hier aber stellt ist,
woher die kausalen Agenten selbst ihre kausale Kraft haben. Man könnte
antworten, dass es für Lebewesen gerade kennzeichnend ist, dass sie kausale
Kräfte in sich selbst besitzen und dies ist in gewisser Weise auch zutreffend.
Man kann allerdings weiter fragen, woher oder wodurch sie diese kausalen Kräfte
in sich selbst besitzen. Der Verweis auf die organische Tätigkeit von
Lebewesen, ihren Stoffwechsel etc., durch den sie sich am Leben erhalten und
sich fortpflanzen ist aber unzureichend. Denn auch hier stellt sich die Frage,
woher dieser Tätigkeit stammt. Die naturwissenschaftlichen Theorien dieser
Vorgänge erklären diese nicht, sondern sie <i>beschreiben</i> diese Vorgänge
auf einer chemisch-physiologischen Ebene.</span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;">Selbst wenn es eine echte Erklärung für
die Frage geben sollte, woher die Agenten ihre kausalen Kräfte haben, stellt
sich noch die Frage, warum diese überhaupt existieren und warum sie gerade
jetzt existieren. Die Frage nach der Existenz einer Entität ist keine
naturwissenschaftliche oder empirische Frage, sondern eine solche der
Philosophie. Jede mögliche Erklärung der kausalen Kräfte eines Tätigen setzt
dessen Existenz voraus. Sicher wird die Existenz nicht durch die verschiedenen
biochemischen oder physikalischen Vorgänge in einem Lebewesen erklärt. Ein
Agent ist tätig als eine Ursache, genau deshalb, weil er existiert, weil er
Sein hat. Und dieses Sein hat sich der Agent nicht selbst verschafft (Gaven
Kerr 2019, 107f.), denn keine Entität kann sich selbst in die Existenz bringen,
weil sie dann bereits existieren müsste, bevor sie existiert.</span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;">Dies bedeutet aber, dass jede kausal
wirksame Entität ihre Existenz von einem Seienden empfängt, das sein Sein in
sich selbst und durch sich selbst besitzt. Und ein solches Seiendes „nennen
alle Gott“.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;"> </span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><b><span style="font-family: helvetica;">Bibliographie<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;"> </span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><span style="font-family: helvetica;"><span style="font-variant-caps: small-caps; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal;">Aquin, Thomas von</span> (1987): <i>Summe gegen die Heiden</i>, Erster
Band; Hrsg. und übersetzt von Karl Albert und Paulus Engelhardt unter Mitarbeit
von Leo Dümpelmann, Darmstadt (Wissenschaftliche Buchgesellschaft).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><span style="font-family: helvetica;"> </span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><span style="font-family: helvetica;"><span lang="EN-US" style="font-variant-caps: small-caps; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal;">Feser, Edward</span><span lang="EN-US"> (2014): <i>Scholastic Metaphysics. A Contemporary Introduction</i>,
Heusenstamm (editiones scholasticae).<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><span lang="EN-US" style="font-variant-caps: small-caps; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal;"><span style="font-family: helvetica;"> </span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><span style="font-family: helvetica;"><span style="font-variant-caps: small-caps; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal;">Hume, David</span> (2015): <i>Eine Untersuchung über den
menschlichen Verstand</i>; Hamburg (F. Meiner).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><span style="font-family: helvetica;"> </span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><span style="font-family: helvetica;"><span lang="EN-US" style="font-variant-caps: small-caps; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal;">Kerr, Gaven</span><span lang="EN-US"> (2019): <i>Aquinas and the Metaphysics of Creation</i>; Oxford (Oxford
University Press).<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><span lang="EN-US"><span style="font-family: helvetica;"> </span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><span style="font-family: helvetica;"><span style="font-variant-caps: small-caps; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal;">Meixner, Uwe</span> (1997): <i>Ereignis und Substanz. Die Metaphysik
von Realität und Realisation</i>; Paderborn (Schöningh)<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><span style="font-family: helvetica;"> </span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><span style="font-family: helvetica;"><span style="font-variant-caps: small-caps; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal;">Meixner, Uwe</span> (2001): <i>Theorie der Kausalität. Ein Leitfaden
zum Kausalbegriff</i>; Paderborn (mentis)<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><span style="font-family: helvetica;"> </span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm; margin-left: 35.45pt; margin-right: 0cm; margin-top: 0cm; text-indent: -35.45pt;"><span style="font-family: helvetica;"><span lang="EN-US" style="font-variant-caps: small-caps; font-variant-east-asian: normal; font-variant-numeric: normal;">Wuellner, Bernard</span><span lang="EN-US"> (1956): <i>Dictionary of Scholastic Philosophy</i>; Milwaukee;
Neuauflage 2011, Heusenstamm (editiones scholasticae)<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span lang="EN-US"><span style="font-family: helvetica;"> </span></span></p>
<p class="MsoNormal" style="line-height: normal; margin-bottom: 0cm;"><span style="font-family: helvetica;"> </span></p>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-75669616494551717692022-10-20T13:23:00.002+02:002022-10-20T13:23:30.944+02:00Vollkommene Weltunordnung<p><b> </b></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><b><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjqVqJisJ3ZHBw6EtKHpjixrHevP5rFz2m7U-NRtNQJXH_2sq2FoeO-Vur0IiA-7eDM9cCKwnKL0xf35a23eVioYRLcXWyCnV6qANt-OsJxy_ORmaXcy_bgVWsMRq_APJzUttHZHk8ddps6DcTUbvKbipc8w63s6BcKUhasYfMItFQzSpeD8x-0QhkDjg/s320/Ungeordnete%20Stadt.JPG" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="175" data-original-width="320" height="175" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjqVqJisJ3ZHBw6EtKHpjixrHevP5rFz2m7U-NRtNQJXH_2sq2FoeO-Vur0IiA-7eDM9cCKwnKL0xf35a23eVioYRLcXWyCnV6qANt-OsJxy_ORmaXcy_bgVWsMRq_APJzUttHZHk8ddps6DcTUbvKbipc8w63s6BcKUhasYfMItFQzSpeD8x-0QhkDjg/s1600/Ungeordnete%20Stadt.JPG" width="320" /></a></b></div><b><br />Edward Feser schreibt über unsere politische Unordnung - und
wie man sie beenden kann.</b><p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal"><b>I.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal">Was ist Ordnung? Was ist Unordnung? Beginnen wir mit der
ersten Frage; die Antwort darauf wird natürlich auch eine Antwort auf die
zweite Frage geben. Das klassische und mittelalterliche Verständnis von Ordnung
wird in einem alten Nachschlagewerk, das von uns nicht-rekonstruierenden
Thomisten geliebt wird, dem <i>Dictionary of Scholastic Philosophy </i>von
Pater Bernard Wuellner, sehr schön zusammengefasst. Er definiert Ordnung als „die Anordnung von
vielen Dingen zu einer Einheit nach einem bestimmten Prinzip. Die Hauptarten
sind die Ordnung der Teile zu einem Ganzen und der Mittel zu einem Zweck".
Die erste dieser beiden Arten ist nicht unabhängig von der zweiten. Etwas ist
gerade deshalb Teil eines Ganzen, weil es zur Verwirklichung eines Zwecks dieses
Ganzen beiträgt. So ist beispielsweise die Linse Teil des Auges, insofern sie
dazu dient, das vom Auge verarbeitete Licht zu bündeln, und das Auge wiederum
ist Teil des Tieres, insofern es ihm das Sehen ermöglicht.</p><p class="MsoNormal"><o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> <span></span></o:p></p><a name='more'></a><p></p><p class="MsoNormal">Die traditionelle aristotelische Analyse eines Dings in
Bezug auf seine "vier Ursachen" liefert weitere Erläuterungen. Die
Teile eines Ganzen sind seine <i>materielle Ursache</i>, und ihre besondere
Anordnung ist seine <i>formale Ursache</i>. Das, was das Ganze ins Leben ruft,
ist seine <i>effiziente Ursache</i>, und der Zweck, um dessentwillen das Ganze
existiert, ist seine <i>Zielursache</i>. Wie Thomas von Aquin sagt, ist dieser
Zweck oder die Zielursache einer Sache "die Ursache der Ursachen",
das, was die anderen Ursachen verständlich macht (<i>Summa theologiae</i>
I.5.2). Die Linse ist als Teil des Auges nur durch den Zweck verständlich, das
Licht zu bündeln; das Auge ist als Teil des Tieres nur durch den Zweck
verständlich, dem Tier das Sehen zu ermöglichen; und so weiter. Nimm die Zielursache
weg, und du nimmst die Verständlichkeit des Ganzen und der Teile <i>qua</i>
Teile des Ganzen weg. Man nimmt die Ordnung weg.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">Der Mensch ist sowohl selbst eine Ordnung als auch Teil
einer größeren Ordnung. Um wieder Thomas von Aquin zu zitieren:<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal"><i>Es soll nun eine dreifache Ordnung im Menschen sein: eine
in Bezug auf die Herrschaft der Vernunft, insofern alle unsere Handlungen und
Leidenschaften der Herrschaft der Vernunft entsprechen sollen; eine andere
Ordnung besteht in Bezug auf die Herrschaft des göttlichen Gesetzes, wodurch
der Mensch in allen Dingen gelenkt werden soll: und wenn der Mensch von Natur
aus ein einsames Tier wäre, würde diese zweifache Ordnung genügen. Da aber der
Mensch von Natur aus ein bürgerliches und geselliges Tier ist, wie von
Aristoteles in der Politik i, 2 bewiesen wird, so ist eine dritte Ordnung
notwendig, wonach der Mensch auf die Beziehung zu anderen Menschen gerichtet
ist, unter denen er zu leben hat.</i> (<i>Summa Theologiae</i> Ia-IIae.72.4)<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">Betrachten wir diese Ordnungen der Reihe nach, beginnend mit
dem einzelnen Menschen. Als vernunftbegabte Sinneswesen sind wir von Natur aus
auf das Ziel gerichtet, das Wahre und Gute zu erkennen (so die gängige
klassische und mittelalterliche Tradition). Wir sind in dem Maße wohlgeordnet,
in dem unsere niederen Begierden diesem Streben untergeordnet sind. Wir sind
auch Teil der kosmischen Gesamtordnung, wobei die Existenz und das Wesen des
göttlichen Schöpfers die höchsten Wahrheiten sind, die wir erkennen können, und
der Dienst an ihm das höchste Gut. Die Schöpfung ist insofern geordnet, als die
göttliche Vorsehung dafür sorgt, dass der Zweck, zu dem sie existiert,
verwirklicht wird und dass selbst aus den schlimmsten Übeln, die durch einen
ungeordneten Willen in sie hineingetragen werden, Gutes hervorgeht. Die Familie
ist die primäre Erscheinungsform unserer sozialen Natur, und der Staat ist eine
sekundäre natürliche Erscheinungsform. Die Funktion des Staates besteht darin,
die Befriedigung unserer sozialen Bedürfnisse zu vervollständigen, indem er das
bereitstellt, was kleinere soziale Gebilde nicht leisten können, wie z. B.
allgemeine Gesetzgebung und Ordnung. <o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">Parallel zu diesen Ordnungen gibt es drei grundlegende
Quellen der <i>Störung</i>, die in der christlichen Tradition als die <i>Welt</i>,
das <i>Fleisch</i> und der <i>Teufel</i> bekannt sind. Das "Fleisch"
ist die direkteste Quelle der Störung der Ordnung, die der einzelne Mensch
selbst ist. Es umfasst jene Kräfte, die uns von innen heraus angreifen -
übermäßige oder verzerrte Leidenschaften, die der Vernunft ungehorsam sind, die
Laster, zu denen sie uns verhärten können, und die Korruption der Vernunft
selbst, wenn sie blind für das Wahre und Gute wird. "Der Teufel" ist
natürlich jene böse Intelligenz, die versucht, Gott zu imitieren und die
geschaffene Ordnung zu stören, indem sie sie gegen den Zweck wendet, für den
sie geschaffen wurde. "Die Welt" steht für bösartige Kräfte innerhalb
der sozialen Ordnung, die darauf abzielen, diese zu untergraben und die
einzelnen Menschen, aus denen sie besteht, zu korrumpieren: Verbrechen,
politische Korruption, falsche moralische und religiöse Ideologien, die
Kommerzialisierung schwerer Laster wie Pornografie, Prostitution, Drogenkonsum
usw.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">Nun ist jede Ordnung von Natur aus mit einer leitenden
Autorität ausgestattet, deren Aufgabe es ist, sie vor solchen störenden Kräften
zu schützen, indem sie sie zurückdrängt. Um noch einmal Aquin zu zitieren:<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal"><i>Nun ist es offensichtlich, dass alle Dinge, die in einer
Ordnung enthalten sind, in gewisser Weise eins sind, in Bezug auf das Prinzip
dieser Ordnung. Folglich wird alles, was sich gegen eine Ordnung erhebt, durch
diese Ordnung oder durch das Prinzip derselben niedergeschlagen. Und weil die
Sünde eine ungemäße Handlung ist, ist es offensichtlich, dass, wer sündigt,
gegen eine Ordnung verstößt; deshalb wird er in der Folge von derselben Ordnung
niedergeschlagen, was die Unterdrückung durch die Strafe ist.<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal"><i> </i></p><p class="MsoNormal"><i>Demnach kann der Mensch mit einer dreifachen Strafe belegt
werden, die den drei Ordnungen entspricht, denen der menschliche Wille
unterworfen ist. Erstens ist die Natur des Menschen der Ordnung seiner eigenen
Vernunft unterworfen; zweitens ist sie der Ordnung eines anderen Menschen
unterworfen, der sie als Mitglied des Staates oder der Hausgemeinschaft
geistlich oder weltlich regiert; drittens ist sie der allgemeinen Ordnung der
göttlichen Regierung unterworfen. Jede dieser Ordnungen wird nun durch die
Sünde gestört, denn der Sünder handelt gegen seine Vernunft, gegen das
menschliche und göttliche Gesetz. Deshalb erleidet er eine dreifache Strafe:
eine, die er sich selbst auferlegt, nämlich die Gewissensbisse; eine andere,
die ihm der Mensch auferlegt; und eine dritte, die ihm Gott auferlegt.</i>
(Summa theologiae Ia-IIae.87.1)<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">Aufgrund dieser leitenden Instanzen muss das Vorhandensein
von störenden Kräften eine Ordnung nicht zerstören. In einem Menschen, dessen
Vernunftvermögen noch richtig funktioniert, wird das Gewissen ihn dazu bringen,
dem Sog der Welt, des Fleisches und des Teufels zu widerstehen - oder zumindest
zu bereuen, wenn er es versäumt hat, zu widerstehen. So bleibt die Ordnung des
einzelnen Menschen insgesamt erhalten, trotz des Wirkens dieser störenden
Kräfte. In einem gesunden Staatswesen werden die Regierungen sowohl das
Verbrechen als auch jene moralischen Fehler unterdrücken, die so ungeheuerlich
sind, dass sie die Stabilität der Familie und der übrigen sozialen Ordnung
direkt untergraben. Und die Kirche hilft durch ihre Unterweisung sowohl den
Einzelnen als auch den Regierungen bei dieser Aufgabe, indem sie die durch die
Erbsünde bedingten Mängel in unserem Verständnis des Naturrechts behebt.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">Der individuelle Verstand und die Regierungen, die sich an
den Naturgesetzen orientieren, sind somit mit dem Immunsystem des Körpers
vergleichbar. Das Immunsystem hält Krankheiten in Schach oder stellt zumindest
die Gesundheit wieder her, nachdem sie teilweise und vorübergehend geschädigt
wurde. So bleibt der Organismus trotz seiner Störung eine Ordnung. In ähnlicher
Weise halten das Gewissen eines guten Menschen und die Führung gesunder
öffentlicher und kirchlicher Autoritäten das Böse in Schach oder unterdrücken
und korrigieren es zumindest, wenn es auftritt. So bleiben die individuelle
Seele und der soziale Organismus trotz der sie ständig bedrohenden Störkräfte
geordnet.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal"><b>II.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">Positive Unordnung gibt es nur dann, wenn die betreffenden
Behörden ihre Arbeit nicht mehr machen. Im Falle der göttlichen Vorsehung ist
dies natürlich unmöglich. Ganz gleich, in welche Unordnung die übrige Schöpfung
gerät, die Vorsehung wird dafür sorgen, dass das Gute auf lange Sicht so daraus
hervorgeht, dass das Ziel, für das die Welt geschaffen wurde, erreicht wird.
Aber die Gesellschaft und der einzelne Mensch können durchaus in Unordnung
geraten. Das Gewissen, die Stimme der Vernunft, kann für einen Menschen, der in
tiefe Gewohnheitssünde verfallen ist, nicht mehr hörbar sein. Eine Gesellschaft
kann in Anarchie verfallen, wenn die herrschenden Autoritäten zu schwach oder
nicht mehr willens sind, für Recht und Ordnung und gute Sitten zu sorgen.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">Dies ist jedoch nur der Anfang der Unordnung. Vollkommene
oder vollständige Unordnung liegt vor, wenn die herrschenden Kräfte einer
Ordnung nicht nur ihre Aufgabe nicht erfüllen, sondern geradezu konträr zu ihr
handeln. Es handelt sich um eine Art Perversion - die aktive Untergrabung der
von ihr gelenkten Ordnung durch die Autorität, ihr Versuch, das Ziel, um
dessentwillen die Ordnung besteht, zu vereiteln statt zu verwirklichen. Dies
geschieht im einzelnen Menschen, wenn sein Geist einer Ideologie unterworfen ist,
die ihn anweist, entgegen dem Naturgesetz zu leben, und in einer Gesellschaft,
wenn ihre leitenden Institutionen von einer solchen Ideologie beherrscht
werden. Die Kirche hingegen kann nicht gänzlich in eine solche Perversion des
Regierens verfallen, da ihr die göttliche Verheißung gegeben wurde, dass die
Pforten der Hölle sie niemals überwältigen werden. Aber etwas, das dieser
perversen Fehlleitung nahe kommt, kann vorübergehend auftreten, wenn eine große
Zahl von Bischöfen und anderen Kirchenmännern der Häresie verfällt (wie es in
der Kirchengeschichte gelegentlich geschehen ist, etwa während der arianischen
Krise). <o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">Am schlimmsten wäre ein Szenario, in dem eine solche
radikale Orientierungslosigkeit in all diesen Ordnungen gleichzeitig besteht -
in dem eine große Zahl einzelner Menschen einer Ideologie <i>contra naturam</i>
verfallen ist, in dem die Führungsorgane von Staaten und anderen großen
gesellschaftlichen Institutionen diese bösartige Ideologie von oben aufzwingen
und in dem sogar viele Kirchenmänner aufhören, sich ihr zu widersetzen oder
sogar selbst mit ihr sympathisieren. Das wäre die perfekte Weltunordnung. (Ich
entlehne diesen ausgewählten Satz aus dem Lied "Velvet Divorce" der
Sneaker Pimps. Ich vertraue darauf, dass dies einige meiner Analyse nur noch
mehr Gewicht verleiht, angesichts der Vorliebe des modernen Intellektuellen für
Anspielungen aus der Popkultur).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">Die westliche Zivilisation scheint sich derzeit diesem
Zustand anzunähern. <o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">Die wichtigste Manifestation und unmittelbare Ursache ist
die <i>sexuelle Revolution</i>, die ihren Höhepunkt in der Auflösung der Idee
von Mann und Frau als objektive Realitäten durch die Gender-Theorie erreicht.
Dies ist erstens eine Untergrabung der Ordnung, die der einzelne Mensch
darstellt. Wie Thomas von Aquin argumentierte, hat die sexuelle Unmoral
angesichts der einzigartigen Intensität der sexuellen Lust von allen Lastern
die größte Tendenz, den Verstand zu blenden und den Willen zu verderben. Und es
kann keinen deutlicheren Beweis dafür geben, dass der Verstand durch
ungeordnete Begierde und Ideologie verrottet ist, als die Unfähigkeit, sogar
das eigene Geschlecht wahrzunehmen, und die Bereitschaft, sich im Dienste
dieser Wahnvorstellung schwer zu verstümmeln.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">Die sexuelle Revolution untergräbt die soziale Ordnung,
indem sie die Familie, die Grundzelle der Gesellschaft, aushöhlt. Sexualität
ist naturgesetzlich dazu da, Kinder in die Welt zu setzen und Vater und Mutter
zu binden, auf die die Kinder angewiesen sind, um sie zu versorgen und zu
ernähren. Er bringt die Selbstaufopferung für den Ehepartner und die Kinder mit
sich und ist somit die wichtigste Ausprägung unserer sozialen Natur.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">Aber in der teuflischen neuen Unordnung der Dinge ist Sex
eine Sache der Selbstverwirklichung und wird dadurch radikal asozial. Das neue
Leben, das er hervorbringt, wird häufig schon im Mutterleib ausgelöscht,
anstatt es zu fördern. Eine enorme Zahl von Kindern, die geboren werden, bleibt
vaterlos zurück, Armut und Kriminalität sind die Folge. Andere leiden unter den
materiell und psychologisch destabilisierenden Auswirkungen einer Scheidung. In
der Zwischenzeit wird das sexuelle Empfinden junger Menschen durch eine
pornografisierte Popkultur durcheinander gebracht, und ihr Verstand wird sowohl
durch diese Popkultur als auch durch das Bildungssystem mit den Grundsätzen der
sexuellen Revolution indoktriniert. Der sexuelle Akt wird auf einen Punkt unter
anderen auf der Speisekarte der Unterhaltung reduziert. Die Ehe wird auf
unbestimmte Zeit hinausgeschoben oder gar nicht erst geschlossen. Die
eigentlichen Ideale von Männlichkeit und Weiblichkeit werden verhöhnt und durch
die Fantasie ersetzt, dass das eigene "Geschlecht" dasjenige unter
Dutzenden von Möglichkeiten ist, das man sich vorstellt. Chemische und
chirurgische Veränderungen des Körpers im Dienste dieser Fantasie werden
gefördert und machen die Auswirkungen dessen, was sonst eine vorübergehende
Phase der Verwirrung wäre, rücksichtslos dauerhaft. <o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">Diese Ideologie der sexuellen Befreiung wird von der
Staatsmacht, der öffentlichen Bildung und dem Einfluss der Unternehmen voll
unterstützt. Die traditionelle Vorstellung von der Gesellschaft als Erweiterung
der Familie wird effektiv durch das Modell der Gesellschaft als politisches <i>Bündnis
atomisierter Onanisten</i> ersetzt. <o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">Und es ist nicht nur die Familie, sondern auch die gesamte
Gesellschaftsordnung, die angegriffen wird. Sie wird als inhärent und
einzigartig bösartig und unterdrückerisch (rassistisch, kolonialistisch,
sexistisch usw.) dämonisiert. Ihre Denkmäler werden als schändliche Idole
verleumdet, die abgerissen und zerstört werden müssen. Sein Rechtssystem und
diejenigen, die es aufrechterhalten, werden als Instrumente der Unterdrückung
diffamiert, die abgebaut und nicht mehr finanziert werden müssen. Die
Kriminalität wird dadurch erleichtert und entschuldigt. Ideologen gehen mit
"kritischen" Theorien hausieren, nach denen die rassischen und
anderen Gruppen, aus denen sich die Gesellschaft zusammensetzt, als
Unterdrücker und Unterdrückte von Natur aus verfeindet sind. Wie bei der
sexuellen Revolution werden diese giftigen Doktrinen nicht nur nicht von den
leitenden Behörden und Institutionen der Gesellschaft bekämpft, sondern von
ihnen übernommen und aktiv gefördert. Es ist, als ob unsere Führer James
Burnhams klassisches Buch "Selbstmord des Westens" eher als Anleitung
denn als Warnung verstanden hätten.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">In der Kirche besteht die vorherrschende Tendenz indessen
nicht darin, diese bösartigen Entwicklungen zu bekämpfen, sondern sich ihnen
vielmehr anzupassen. Kirchenmänner spielen christliche Morallehren, die gegen
die vorherrschenden Ideologien verstoßen, herunter, schweigen darüber oder
entschuldigen sich in einigen Fällen sogar dafür. Wo es zumindest verbale
Ähnlichkeiten zwischen diesen Ideologien und der christlichen Tradition zu
geben scheint - wie bei der Sprache des Mitgefühls, der Gleichheit vor Gott
usw. - werden diese hochgespielt, während wesentliche inhaltliche Unterschiede
vertuscht werden. Alte liturgische Praktiken werden verächtlich gemacht und
unterdrückt. Anhaltende Zweideutigkeit und aggressive Neuerungen demoralisieren
die Rechtgläubigen und ermutigen zu offener Häresie.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal"><b>III.<o:p></o:p></b></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">Die entfernte Ursache dieser perfekten Weltunordnung ist der
intellektuelle und politische Wandel, den der Westen ab dem 17. Jahrhundert durchlief.
Seine Auswirkungen haben sich seither immer weiter entfaltet, aber in den
letzten Jahrzehnten haben sie sich explosionsartig verstärkt. Das
grundlegendste Element dieses Wandels war die Aufgabe des Begriffs der <i>Teleologie</i>
oder der letzten Ursache - ohne die, wie ich bereits sagte, die Möglichkeit der
Ordnung verschwindet. Die moderne Wissenschaft, so wird uns immer wieder
gesagt, hat die Zielursache als Illusion entlarvt. In Wirklichkeit hat sie
nichts dergleichen getan. Sie hat einfach aufgehört, darüber zu sprechen, um
die eng gefassten prädiktiven und technologischen Ziele der Physik zu
erreichen. Doch im Laufe der Jahrhunderte wurde dieses Ignorieren der Zielursache
zunehmend als deren Widerlegung betrachtet. Auf diesem <i>non sequitur</i> wurde
die Moderne aufgebaut. (Diese Geschichte habe ich an anderer Stelle ausführlich
erzählt).<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">Das n<i>on sequitur </i>wird wegen der politischen Zwecke,
denen es dient, angenommen. Pierre Manent hat über <i>An Intellectual History
of Liberalism</i> geschrieben:<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal"><i>Um der Macht der singulären religiösen Institution der
Kirche entscheidend zu entkommen, musste man darauf verzichten, das menschliche
Leben in Begriffen seines Gutes oder seines Ziels zu denken, das immer dem
"Trumpf" der Kirche ausgeliefert wäre. Da also die politische Macht
nicht mehr als die Macht des Guten betrachtet werden kann, die ordnet, was sie
gibt ... kann der Mensch sich nur verstehen, indem er sich selbst erschafft.
Der Gedanke der Selbsterschaffung des Menschen kennzeichnet den sogenannten
prometheischen Ehrgeiz des modernen Menschen, der der Spross seiner eigenen
Werke sein will</i>. (An Intellectual History of Liberalism, S. 114)<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">Um "den Aufbau des neuen Staatswesens, der neuen Welt
der menschlichen Freiheit" zu fördern, so Manent:<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal"><i>Es ist die Lehre des Aristoteles, die im Wesentlichen von
der katholischen Doktrin übernommen wurde, die Descartes, Hobbes, Spinoza und
Locke unerbittlich zerstören werden. Dass der Mensch eine Substanz und eine
einzige Substanz ist, das ist die Carthago delenda der neuen Philosophie. (The
City of Man, </i>S. 113)<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">Die Einheit des Menschen und den Zweck oder die Zielursache,
auf die er hinzielt, zu leugnen, bedeutet zu leugnen, dass der Mensch eine
Ordnung ist. Es bedeutet demnach, den Unterschied zwischen einer geordneten und
einer ungeordneten Seele zu verwischen. Wahnwitzige Übungen der prometheischen
Selbsterschaffung, wie sie die sexuelle Revolution jetzt hervorgebracht hat,
waren angesichts dieser Revolution des Denkens unvermeidlich, auch wenn sie
zweifellos nicht das sind, was Descartes, Hobbes, Spinoza, Locke und Co. im
Sinn hatten.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">Was sie jedoch unmittelbar im Blick hatten, war das, was Thomas
von Aquin die "dritte Ordnung" nennt, zu der der Mensch in Beziehung
steht, die "bürgerliche und soziale" Ordnung. Die Leugnung der
letzten Ursache war wesentlich für die Leugnung der Tatsache, dass wir von
Natur aus und nicht aufgrund unserer Zustimmung Verpflichtungen gegenüber einer
größeren sozialen Ordnung haben. Sie war wesentlich für das Projekt des
modernen Liberalismus, die Gesellschaft zu einer Angelegenheit der Wahl oder
des Vertrags zu machen. Aber der Geist ließ sich nicht auf diese eine Flasche
beschränken, und im Laufe der Jahrhunderte hat der prometheische liberale
Mensch nach und nach alles zu einer Frage der Wahl gemacht - ob er seine
Nachkommen töten will oder nicht, ob er ein Mann oder eine Frau oder ein neues
"Geschlecht" sein will, das er aus einem persönlichen Fetisch
zusammengebraut hat, und ganz allgemein, ob er sich dem natürlichen und
göttlichen Gesetz unterwerfen will.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">Eine besondere göttliche Strafe kann folgen, aber sie ist nicht
erforderlich, um diese Unordnung zum Einsturz zu bringen. Das wird von selbst
geschehen. Übernatürliches Handeln ist erforderlich, um die Katastrophe
abzumildern und eine eventuelle Wiederherstellung der Ordnung zu gewährleisten.
Nur die übergreifende Ordnung, die providentielle Ordnung, die nicht in
Unordnung geraten kann, kann die anderen retten. Dies ist sowohl der Vernunft
als auch dem Glauben bewusst. In <i>Der Staat</i> kritisiert Platon die
egalitäre Demokratie mit dem Argument, dass sie dazu neigt, ungeordnete Seelen
hervorzubringen, die von den Begierden und insbesondere von der Lust beherrscht
werden. Die Sophisterei überwältigt den öffentlichen Diskurs, da selbst
Philosophen korrumpiert werden, indem sie dem Mob schmeicheln und ihn bedienen,
anstatt ihn zum Wahren und Guten zurückzurufen. Die Folge ist Tyrannei und,
menschlich gesprochen, alles ist verloren. Ohne göttliches Handeln werden die
Tugend und die wahre Philosophie verschwinden:<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal"><i>Die philosophische Natur, die wir postuliert haben, muss im
Laufe ihres Wachstums alle Vorzüge entwickeln, aber wenn sie in ungeeignetem
Boden gesät wird und wächst, wird genau das Gegenteil geschehen, wenn nicht die
Vorsehung eingreift. . . .<o:p></o:p></i></p><p class="MsoNormal"><i> </i></p><p class="MsoNormal"><i>Eine andere Art von Charakter hervorzubringen, der nach
Maßstäben erzogen wird, die sich von denen der öffentlichen Meinung
unterscheiden, ist nicht möglich, war nie möglich und wird nie möglich sein -
im Rahmen der menschlichen Möglichkeiten und ohne ein Wunder, wie man sagt.
Denn, täuschen Sie sich nicht, in unserer heutigen Gesellschaft dem Schaden zu
entgehen und auf den richtigen Wegen aufzuwachsen, ist etwas, das man mit Recht
der göttlichen Vorsehung zuschreiben kann.</i> (S. 214-15)<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal">Aus christlicher Sicht wird dieser Beistand der Vorsehung in
erster Linie durch die Kirche vermittelt, die Christus nie zu verlassen
verspricht. Da die Kirche selbst auf einem schlechten Weg ist, wartet die wahre
Erneuerung des Westens auf die Erneuerung der Kirche. Das bedeutet aber
keineswegs, dass in der Zwischenzeit nichts zu tun ist, auch auf der Ebene der
Politik. Wirksames politisches Handeln erfordert politische Vorstellungskraft
jenseits von Wahlzyklen und parteipolitischen Interessen, und der politische
Erfolg mag kurzfristig nur Stückwerk sein. Aber die Krise hat sich über Jahrhunderte
entwickelt, und ihre Bewältigung wird das Werk von Generationen sein. Rom wird
nicht an einem Tag wiederaufgebaut.<o:p></o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p class="MsoNormal"><o:p> </o:p></p><p>
</p><p class="MsoNormal"><span lang="EN-US">Quelle: The
Postliberal Order. <a href="https://postliberalorder.substack.com/p/perfect-world-disorder" target="_blank">Postliberalorder.com </a><o:p></o:p></span></p><p class="MsoNormal">Deutsche Fassung von: scholastiker.blogspot.de </p><p class="MsoNormal"><o:p></o:p></p>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-26830889570867471692022-09-04T14:53:00.000+02:002022-09-04T14:53:12.424+02:00Platons Analyse der modernen Gesellschaft. Die woke Ideologie ist eine psychologische Störung<p><b><span style="font-family: helvetica;"></span></b></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><b><span style="font-family: helvetica;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg2vbmBIdD7muQf8QappqUBCU1kc-0dVyFeIyrDG-mIvW9P78vbPohyp8PSsS-0PDLIM86nPjxxyC7oTZBx4UV1fU8BG419yaayX6KBMFyiDFPDr2osQYxdE0Y0dPDvwfMoxNZ-Po_8BMO13NOjJPOt5a1_MO-Jj7a95plF5DZZAXKMB2BloSE96UnYVw/s296/001.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="296" data-original-width="216" height="296" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg2vbmBIdD7muQf8QappqUBCU1kc-0dVyFeIyrDG-mIvW9P78vbPohyp8PSsS-0PDLIM86nPjxxyC7oTZBx4UV1fU8BG419yaayX6KBMFyiDFPDr2osQYxdE0Y0dPDvwfMoxNZ-Po_8BMO13NOjJPOt5a1_MO-Jj7a95plF5DZZAXKMB2BloSE96UnYVw/s1600/001.jpg" width="216" /></a></span></b></div><b><span style="font-family: helvetica;"><br />Platon zeigt uns, wer
die wahren Tyrannen sind.</span></b><p></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Seit der Wahl 2016 ist die These, dass Platons Kritik an der
Demokratie in <i>Der Staat</i> der Schlüssel zum Verständnis des Aufstiegs von
Donald Trump ist, zu einem Klischee der linken Mittelschicht geworden. Ganz
falsch ist sie nicht. Doch meist wird die Tatsache ignoriert, dass die Tendenz
zur Tyrannei, die Platon den Demokratien zuschrieb, eine Folge ihres
Egalitarismus, des moralischen Relativismus und ihrer sexuellen Freizügigkeit
war – was nicht gerade rechte Ursachen sind.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> <span></span></span></o:p></p><a name='more'></a><p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Es ist kein großes Kunststück, aus Platon Zeilen
herauszupicken, die, aus dem Zusammenhang gerissen, auf einen Politiker
anwendbar erscheinen, den man nicht mag. Eine ernsthafte Behandlung muss mit
Platons Psychologie beginnen, die die Grundlage für seine politische
Philosophie bildet. Sie muss sich mit Platons Darstellung der vier Stadien
befassen, in denen der Verstand allmählich gestört werden kann, und mit der Art
und Weise, in der vier zunehmend korrupte Gesellschaftstypen diesen Graden
psychologischer Störung entsprechen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Dann wird deutlich, dass die reinste zeitgenössische
Umsetzung des tyrannischen Persönlichkeitstyps, vor dem uns Platon gewarnt hat,
der linke <i>Social Justice Warrior</i> ist. Wenn der woke Pöbel dies erkennt,
werden zweifellos Platons Statuen als nächstes gestürzt werden - und nach den
Statuen die Menschen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Gesunde und kranke
Seelen<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Platon unterscheidet drei Hauptteile der Psyche: Vernunft,
Geist und Verlangen. Das Verlangen umfasst natürlich das Verlangen nach Essen,
Trinken, Sex, Geld und ganz allgemein nach allem, was Freude bereitet. Solche
Begierden sind eine natürliche Begleiterscheinung unseres Daseins als Körper
und als solche nicht an sich schlecht. Schlecht ist es, ihnen in einer Weise zu
frönen, die der Vernunft widerspricht.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Rationalität, wie sie die modernen Ökonomen verstehen,
bedeutet die Maximierung der Befriedigung aller Wünsche, die wir zufällig
haben. Das ist ganz und gar nicht das, was Platon darunter versteht. Er würde
diese Auffassung von Vernunft sogar als Zeichen eines verdorbenen Geistes
betrachten. Für Platon ist die Vernunft dasjenige Vermögen, mit dem wir die
Natur der Dinge verstehen - was er bekanntlich ihre Formen (Ideen) nennt.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Wenn man zum Beispiel versteht, dass ein Dreieck eine
geschlossene ebene Figur mit drei geraden Seiten ist, begreift man seine Natur
oder Form, und das Studium der Geometrie vertieft das Verständnis für diese
Natur. Man lernt zum Beispiel, dass die Summe der Innenwinkel eines
euklidischen Dreiecks gleich zwei rechten Winkeln ist, dass die Länge einer der
Seiten immer kürzer ist als die Summe der beiden anderen, und so weiter.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Es handelt sich um objektive Tatsachen und nicht um
Artefakte menschlicher Konventionen. Dasselbe gilt bei Platon für die Natur
anderer Dinge - Felsen und Bäume, Hunde und Katzen, Gerechtigkeit und Frömmigkeit,
und auch für Menschen. In jedem Fall gibt es eine objektive Tatsache darüber,
was es heißt, ein Ding jeder dieser Arten zu sein. Und das bringt einen
objektiven Maßstab dafür mit sich, was als gutes oder schlechtes Beispiel für
jede dieser Arten von Dingen gilt.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">In Anbetracht dessen, was ein Dreieck ist, ist ein mit
krummen Seiten gezeichnetes Dreieck in der Tat ein schlechtes oder fehlerhaftes
Dreieck; in Anbetracht dessen, was ein Baum ist, ist ein Baum mit beschädigten
Wurzeln in der Tat ein schlechter oder fehlerhafter Baum; und so weiter.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ebenso ist es angesichts dessen, was die Natur uns an
Wünschen eingepflanzt hat, eine objektive Tatsache, ob bestimmte Wünsche gut
oder schlecht sind. So wäre beispielsweise das Verlangen, Schmutz, Steine,
Fäkalien, Metall oder eine andere nicht nahrhafte Substanz zu essen (ein
psychologischer Zustand, der als <i>Pica</i> bekannt ist), insofern schlecht,
als es auf die falsche Art von Objekten gerichtet ist.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Eine Begierde kann auch auf die richtige Art von Objekt
abzielen, aber dennoch schlecht sein, wenn man ihr in übermäßiger Weise
nachgibt, wie bei übermäßigem Essen und Trinken. Für Platon sagt uns die
Vernunft zwar, wie wir eine zufällige Begierde befriedigen können, aber
wichtiger ist, ob wir sie befriedigen sollten - oder ob wir ihr stattdessen als
objektiv ungeordnet widerstehen sollten.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Platon ist also einer Art <i>Essenzialismus</i>
verpflichtet. Das heißt, er geht davon aus, dass die Dinge als objektive
Tatsache Wesenheiten oder Naturen haben. Er ist der Ansicht, dass die Vernunft
in der Lage ist, diese Naturen zu erkennen, und dass, da die Natur einer Sache
bestimmt, was gut oder schlecht für sie ist, die Vernunft auch in der Lage ist,
zu erkennen, was objektiv gut oder schlecht ist.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Er verwirft damit die relativistische Auffassung, dass das,
was eine Sache ist und was für sie gut ist, eher eine Frage menschlicher
Konvention als eine objektive Tatsache ist. Er widerlegt auch die skeptische
Position, dass wir nicht wissen können, ob es objektive Tatsachen über diese
Dinge gibt oder nicht.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein vernunftbegabter Mensch wird also nach Platons Auffassung
der Begierde nur dann nachgeben, wenn die Vernunft, geleitet von ihrer Kenntnis
der menschlichen Natur, diese Nachgiebigkeit als gut erachtet. Aber Begierden
können mächtig sein, und das Urteil der Vernunft kann blutleer und abstrakt
erscheinen. Wie also kann die Vernunft die Kontrolle über den Verlangen
ausüben?<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">An dieser Stelle kommt der verbleibende Teil der Psyche, der
Geist, ins Spiel. Für das griechische Wort, das mit "Geist" (<i>thumos</i>)
übersetzt wird, gibt es im deutschen kein angemessenes Äquivalent in Form eines
Wortes. Was Platon im Sinn hat, ist der Aspekt unserer Natur, der sich in
gerechtem Zorn, in dem Impuls, Ungerechtigkeit zu korrigieren, und in dem
Streben nach dem, was ehrenhaft ist, und dem Vermeiden dessen, was schändlich
ist, manifestiert.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Nehmen wir an, ein Mann sieht, wie eine alte Frau überfallen
wird, und obwohl er um seine eigene Sicherheit fürchtet, eilt er ihr aus
Empörung über das, was ihr angetan wird, zu Hilfe. Oder nehmen wir an, er ist
versucht, mit der Frau eines anderen Mannes zu schlafen, unterlässt es aber,
weil er sich bei dem Gedanken daran schämt. Dies wären Beispiele für gelebten
Geist.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Obwohl die Vernunft dem Menschen sagt, er solle im ersten
Fall den Schmerz riskieren und im zweiten Fall das Vergnügen ignorieren, könnte
ihn der Verlangen dennoch überwältigen, wenn der Geist ihn nicht mit den
Gefühlen, die mit Gerechtigkeit und Ehre verbunden sind, ausgleichen würde. Der
Geist ist der Verbündete der Vernunft bei der Beherrschung des Verlangens.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Eine gesunde Psyche ist eine solche, bei der Vernunft, Geist
und Verlangen in dieser hierarchischen Weise geordnet sind und alle richtig
funktionieren. Sie zeigt sich insbesondere in einem Menschen, der die Natur der
Dinge richtig versteht, der das richtige Maß an Zustimmung für das empfindet,
was die Vernunft für gut hält, und das richtige Maß an Scham oder Abscheu für
das, was die Vernunft für schlecht hält, und dessen Begierden natürlich und
maßvoll sind und der sich nur dem hingibt, was die Vernunft für die richtige
Zeit, den richtigen Ort und die richtige Art und Weise hält und was der Geist
für ehrenhaft hält.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ein solcher Mensch weist die Kardinaltugenden oder
"Vorzüge" auf: Weisheit, Mut, Mäßigung und Gerechtigkeit. Er ist
weise, weil sein Verstand die objektive Wirklichkeit erfasst, mutig, weil er
sich weder von der Angst vor Schmerzen noch von der Lust am Vergnügen vom
richtigen Weg abbringen lässt, gemäßigt, weil seine Wünsche angemessen sind und
nur dann befriedigt werden, wenn es angebracht ist, und gerecht, weil Vernunft,
Geist und Verlangen in der Hierarchie ihre richtige Rolle spielen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Eine ungesunde Psyche ist eine, die von dieser Ordnung der
Dinge abweicht, und je größer die Abweichung ist, desto größer ist die
Verderbtheit der Psyche. Dies bringt uns zu Platons Klassifizierung der
Gesellschaftstypen, die auch eine Klassifizierung der Seelentypen ist, denn was
eine Gesellschaft charakterisiert, ist der Seelentyp, der sie beherrscht.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Gesunde und kranke
Gesellschaften<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Vernunft, Geist und Begierde sind in allen Menschen zu finden.
Aber jeder von ihnen ist bei einigen Menschen stärker ausgeprägt als bei
anderen, und welcher von ihnen einen Menschen am meisten charakterisiert,
bestimmt, in welche der drei sozialen Klassen von Platons idealer Gesellschaft
er fallen wird.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die große Mehrheit der Menschen ist begehrlich. Das bedeutet
nicht, dass ihre Begierden nicht von Vernunft und Geist beherrscht werden,
sondern dass Vernunft und Geist bei ihnen in erster Linie nicht auf das Streben
nach Weisheit und Ehre um ihrer selbst willen ausgerichtet sind, sondern auf
das Streben nach Essen und Trinken, nach Besitz, Ehe und Familie und nach
materiellen Gütern im Allgemeinen. Sie bilden die produktive Klasse in Platons Staat:
Bauern, Kaufleute, Arbeiter und so weiter.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Eine weitaus kleinere Gruppe ist in erster Linie
temperamentvoll und von ihrem Wesen her auf das Streben nach Ehre und
Gerechtigkeit ausgerichtet. Diese bilden die Hilfsklasse, die in Platons
idealer Stadt das Militär und die Polizei stellt.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die kleinste und herrschende Klasse sind die
Philosophenkönige, bei denen die Vernunft so sehr dominiert, dass das Streben
nach dem Wahren und Guten um ihrer selbst willen ihre Grundorientierung ist.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Es kann nicht oft genug betont werden, dass sich Platons
Vorstellung von einem Philosophen von dem, was die meisten Menschen heute
denken, wenn sie dieses Wort hören, genauso unterscheidet wie seine Auffassung
von Vernunft von der des modernen Ökonomen. Er spricht nicht von einer
Gesellschaft, die von verweichlichten Universitätsprofessoren der Mittelklasse
geführt wird. Er denkt auch nicht an Denker, die irgendeinem alten
philosophischen System anhängen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Er spricht insbesondere über platonische Philosophen, was
(unter anderem) diejenigen einschließt, die dem Essentialismus verpflichtet
sind und Relativismus, Skeptizismus und verwandte Lehren ablehnen. Und er
spricht von einer Elite, die aus der Hilfsklasse stammt und einem Regime
unterworfen ist, das körperlich, intellektuell und moralisch so anspruchsvoll
ist, dass niemand, der zu einem Leben in ständiger Bequemlichkeit neigt, dazu
in der Lage oder auch nur daran interessiert wäre.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Bekanntlich leben die Wächter von Platons idealer
Gesellschaft (die sich aus der Hilfsklasse und den Philosophenkönigen
zusammensetzen) in einer Gemeinschaft und dürfen keine Ehepartner, Familien und
kein eigenes Privateigentum haben. Dies ist kein Sozialismus, der in der realen
Welt der Mehrheit Sparsamkeit auferlegt, während die Herrschenden wie
Kapitalisten leben. Im Gegenteil: Der Mehrheit in Platons Staat - der
produktiven Klasse - werden die Freiheit, die materiellen Vorteile und das
normale Familienleben gewährt, die der Elite verwehrt sind.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Der <i>Egalitarismus</i> der Wächterklassen ist vielmehr
derjenige der Kaserne oder des Klosters, der nur wenigen aufgezwungen wird,
weil nur wenige dazu fähig sind. Es geht darum, die Wächter so weit wie möglich
davon abzuhalten, ein persönliches oder materielles Interesse an der Regierungspolitik
zu haben, so dass sie sich nur von der uneigennützigen Vernunft leiten lassen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Aus heutiger Sicht geht es nicht um die Einzelheiten von
Platons idealer Gesellschaft, sondern vielmehr um die Idealisierung einer
bestimmten Auffassung von Vernunft, sowohl im Individuum als auch in der
soziopolitischen Ordnung. Wie der Philosoph <i>John Wild</i> Mitte des
zwanzigsten Jahrhunderts argumentierte, war Platon im Wesentlichen der
Begründer der Naturrechtstradition in der westlichen Ethik.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Gute Menschen sind nach Platons Ansicht diejenigen, bei
denen die Begierde der objektiven natürlichen Ordnung der Dinge, die von der
Vernunft erfasst wird, untergeordnet ist, und eine gute Gesellschaft ist eine,
die von denen regiert wird, die dieses Naturgesetz am besten kennen und
praktizieren. So wie eine richtig geordnete Psyche eine ist, in der die
Vernunft die Begierden durch die Vermittlung des Geistes beherrscht, so ist
auch eine richtig geordnete Gesellschaft eine, in der Philosophenkönige die
produktive Klasse durch die Hilfskräfte beherrschen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Je größer die Abweichung von diesem Modell ist, desto
ungerechter und ungeordneter wird eine Gesellschaft, und die Grade der
Abweichung entsprechen den Graden der Verderbtheit, die in einer individuellen
Psyche existieren können. Für Platon werden ungerechte Gesellschaftsformen
weniger durch ihre Regierungsverfahren definiert als durch die gestörten
Charaktertypen, die sie beherrschen und in ihnen bewundert werden.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Es gibt vier, von denen jede schlimmer ist als ihre
Vorgängerin: Timokratie, Oligarchie, Demokratie und Tyrannei.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die <i>Timokratie</i> ist die Herrschaft des
temperamentvollen Teils der Psyche, in der die Ehre die Weisheit als höchstes
Ziel ablöst. Der timokratische Charakter schätzt die militärischen Tugenden
über alle anderen, so dass das Ethos der Hilfstruppen das der Philosophenkönige
als herrschendes Ideal verdrängt. Spartanische Strenge wäre das Paradigma.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die Begierden werden beim timokratischen Persönlichkeitstyp
ebenso wie beim Philosophenkönig im Zaum gehalten, aber eher aus Ehre als aus
Rücksicht auf die Vernunft als solche. Die Timokratie bedeutet auch eine Abkehr
von der Uneigennützigkeit der Vernunft des Philosophenkönigs, denn die
übermäßige Ehrsucht des timokratischen Menschen macht ihn sehr
wettbewerbsorientiert. Aus diesem Grund ist Platon der Ansicht, dass die
timokratische Persönlichkeit schließlich ein übermäßiges Interesse an Geld als
Ersatz für kriegerische Leistungen entwickelt. Auf diese Weise haben die
Timokratien die Tendenz, Oligarchien zu werden.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die Oligarchie ist das erste von drei degenerierten Regimen,
in denen der Verlangen nach und nach den Einzelnen und die Gesellschaft
beherrscht, aber sie ist das am wenigsten schlechte von ihnen. Der
oligarchische Persönlichkeitstyp ist einer, bei dem Geld zum dominierenden Ziel
wird. Die Begierden gewinnen so die Oberhand über die Vernunft und den Geist.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Da der Erwerb von Reichtum jedoch Zeit und Disziplin
erfordert, schränkt auch der oligarchische Mensch seine Begierden ein. Die
timokratischen Ideale der Ehre und des Mutes weichen, aber sie werden durch
bürgerliche Tugenden wie Sparsamkeit, harte Arbeit und Sorge um Anstand
ersetzt.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Doch mit der Befriedigung niederer Begierden lässt sich Geld
machen. Als würde er die jüngste Geschichte der amerikanischen Wirtschaft
beschreiben, sagt Platon, dass die Oligarchen nicht widerstehen können, die
frivolen und unmoralischen Wünsche der Jugend zu befriedigen und die Dummheit
derer auszunutzen, die bereit sind, sich massiv zu verschulden. Auch ihre
eigenen Kinder werden verwöhnt, weich, faul und verschwenderisch.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">"Die Liebe zum Geld und eine angemessene
Selbstdisziplin der Bürger sind zwei Dinge, die in keiner Gesellschaft
nebeneinander bestehen können", sagt Platon. Die Reichen haben "keine
größere Sorge um das Gute als die Armen". Unter Berufung auf eine
Insektenmetapher sagt Platon, dass in dieser Dekadenz eine Klasse von unfähigen
und widerspenstigen "Drohnen" entsteht, die von "unnötigen
Begierden" wie einem übermäßigen Interesse an Sex und einer Vorliebe für
"eine abwechslungsreiche und luxuriöse Ernährung" beherrscht werden.
(Eine Mischung aus Hooligans, Swingern und "Feinschmeckern"
sozusagen.) Auf diese Weise weicht die Oligarchie tendenziell der Demokratie.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Der Dēmos und seine
Dämonen<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Um Platons Analyse der Demokratie zu verstehen, muss man
sich zunächst vor Augen halten, dass es ihm nicht in erster Linie um
Verfahrensfragen geht, wie etwa die Art und Weise, in der Menschen gewählt oder
politische Entscheidungen getroffen werden. Worum es ihm geht, ist der
Charaktertyp, der in einer Gesellschaft vorherrscht.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Mit "Demokratie" meint Platon eine liberalistische
und egalitäre Gesellschaft, in der "jedes Individuum frei ist, zu tun, was
es will". Die bürgerlichen Zügel des Verlangens verschwinden, so dass die
Begierden nur durch konkurrierende Begierden und nicht durch die Vernunft, den
Geist oder gar die bürgerliche Sturheit des Oligarchen kontrolliert werden. Die
Demokratie, wie Platon sie beschreibt, ist im Grunde das, was die amerikanische
Gesellschaft [und die westlichen Gesellschaften insgesamt; Anm. des Übersetzers]
im einundzwanzigsten Jahrhundert geworden ist - so sehr, dass man sich bei der
Lektüre von Platons Ausführungen zur Demokratie fragt, ob er Zugang zu einer
Zeitmaschine hatte.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die Demokratie zeichnet sich nach Platon durch die
"Vielfalt ihrer Charaktere" aus und "behandelt alle Menschen als
gleich, ob sie gleich sind oder nicht". Insbesondere behandelt sie alle
Lebensweisen als gleich, unabhängig davon, wie kindisch, irrational oder
unmoralisch sie sind.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die Jugendlichen "werfen alle Hemmungen ab" und
zelebrieren "Frechheit, Freizügigkeit, Extravaganz und
Schamlosigkeit". Sie treiben von einer Aktivität zur nächsten. In einem
Moment streben sie nach "Wein, Weib und Gesang", im nächsten nach
"Wasser zum Trinken und strenger Diät"; ein eifriges Interesse an
"harter körperlicher Ertüchtigung" kann "Trägheit und
Sorglosigkeit" weichen; heute widmen sie sich philosophischen Studien,
morgen der Politik und übermorgen dem Geschäft. Wenn jemand versucht, ihnen zu
sagen, dass manche Begierden schlecht sind und unterdrückt werden sollten,
"hören sie nicht zu", sondern bestehen darauf, dass "alle
Vergnügungen gleich sind und gleiche Rechte haben sollten".<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Diese Zügellosigkeit und Gleichmacherei wird immer extremer.
Die Bürger kümmern sich nicht um den Charakter ihrer Führer, solange sie dem
Volk schmeicheln. Dies führt zu "Herrschern, die sich wie Untertanen
verhalten, und Untertanen, die sich wie Herrscher verhalten". Die
Autorität löst sich auf. Väter und Söhne "tauschen die Plätze" in der
gesellschaftlichen Stellung, "der Vater steht in Ehrfurcht vor seinem
Sohn, und der Sohn respektiert und fürchtet seine Eltern nicht."<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Im Allgemeinen stellen sich die Jungen gegen die Älteren,
während die Älteren fürchten, als "unangenehm oder streng" zu gelten,
und sich darauf beschränken, "die Jungen zu imitieren und sich mit ihnen
auf eine einfache Art und Weise zu vertragen". Der Lehrer "fürchtet
sich vor seinen Schülern und gibt ihnen nach", aber die Schüler verachten
ihn trotzdem. Der demokratische Mensch besteht auf "völliger Gleichheit
und Freiheit in den Beziehungen zwischen den Geschlechtern" und darauf,
"keinen Unterschied zwischen Ausländern, Bürgern und Fremden" zu
machen. Platon sagt uns, dass diese Freiheit sogar auf Haustiere ausgedehnt
wird, die sich frei auf den Straßen der demokratischen Stadt bewegen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Das Endergebnis ist, dass "die Gemüter der Bürger so
empfindlich werden, dass der geringste Anflug von Zurückhaltung als
unerträglich empfunden wird." Am Ende, "in ihrer Entschlossenheit,
keinen Herrn zu haben", missachten die Bürger einer Demokratie "alle
Gesetze, ob geschrieben oder ungeschrieben".<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Diese demokratische Gesetzlosigkeit ist, wie Platon sagt,
"die Wurzel, aus der die Tyrannei entspringt". Es ist von
entscheidender Bedeutung zu verstehen, dass dies nicht nur auf das Chaos
zurückzuführen ist, das entsteht, wenn Gesetze und Sitten nicht mehr
respektiert werden, was die Menschen dazu veranlasst, sich für einen starken
Mann zu entscheiden, der die Ordnung wiederherstellt. Es hat mit dem tiefen
Irrationalismus egalitärer Gesellschaften zu tun. Sie werden nicht von der
Vernunft, nicht vom Geist, nicht einmal von den besser kontrollierbaren
Begierden des Oligarchen beherrscht, sondern von den niederen und unbändigen
Begierden nach Sex, Essen, Trinken und Sinneslust im Allgemeinen, die am
ehesten dazu neigen, die Vernunft zu blenden. Der Gedanke an eine natürliche
Ordnung der Dinge, die bestimmt, dass einige Begierden ungeordnet und von der
Vernunft verboten sind, ist dem demokratischen Menschen verhasst.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Dies ist die Bedeutung von Platons berühmtem <i>Höhlengleichnis</i>.
Die Höhlenbewohner sind so angekettet, dass sie nur schemenhafte Bilder an der
Wand sehen können, die von Statuen und flackernden Flammen geworfen werden. Die
Statuen sind Darstellungen von Alltagsgegenständen außerhalb der Höhle (Hunde,
Katzen, Bäume usw.). Als ein Höhlenbewohner flieht und sich einen Weg nach
draußen bahnt, stellt er fest, dass das, was er und seine Gefährten für die
Realität gehalten hatten, in Wirklichkeit nur blasse und verzerrte Bilder von
Kopien realer Dinge sind. Er kehrt in die Höhle zurück und versucht, ihnen dies
zu erklären, aber sie halten ihn für verrückt und sind so beleidigt über seine
Kritik an ihren falschen Vorstellungen, dass sie ihn töten wollen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die Höhlenbewohner in dieser Allegorie stehen für die Bürger
einer Demokratie wie dem Athen zu Platons Zeiten, und die Schatten an der Wand
stellen das illusorische Glaubenssystem der demokratischen Psyche dar, die vom Verlangen
beherrscht und von der Rhetorik der Sophisten und Demagogen beeinflusst wird,
die ihnen schmeicheln und ihre ungeordneten Wünsche rationalisieren helfen.
Platon charakterisiert ihre Wahnvorstellungen als "tote Gewichte",
die "durch sinnliche Genüsse wie die Völlerei an ihnen befestigt sind, die
den Blick ihres Geistes auf niedrigere Dinge lenken".<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Der Mann, der entkommt, ist der platonische Philosoph, für
den Platons Vorbild Sokrates ist. Die Gegenstände in der gewöhnlichen Welt
außerhalb der Höhle stellen die Formen oder die Natur der Dinge dar, wie sie im
Lichte des platonischen Essentialismus verstanden werden. Die Sonne, die diese
Gegenstände beleuchtet, entspricht dem, was Platon "die Form des
Guten" nennt, die die göttliche Quelle der Formen ist. Die Feindseligkeit
der Höhlenbewohner gegenüber dem Ausbrecher steht für die Feindseligkeit der
Bürger einer Demokratie gegenüber einem Philosophen, der ihre egalitären
Illusionen entlarvt - wie Sokrates, der vom demokratischen Athen ermordet
wurde.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Platon warnt davor, dass Kunst und Musik, die sich durch
"hässliche Formen, schlechten Rhythmus und Disharmonie" auszeichnen,
und eine Populärkultur, die "schlechten Charakter, schlechte Disziplin,
Gemeinheit oder Hässlichkeit" verherrlicht, "kumulativen
psychologischen Schaden" anrichten und das moralische Empfinden und die
Fähigkeit zum rationalen Argumentieren verderben.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Das Gleiche gelte für die Beschäftigung mit der Suche nach
Vergnügen, die eine Seele zu "Raserei und Exzess" und "Gewalt
und Disziplinlosigkeit" neige, und er warnt, dass dies besonders für das
sexuelle Vergnügen gelte. Die Kultur einer gesunden Gesellschaft muss daher die
Vernunft, die Schönheit, das Gute und die Mäßigung feiern. Eine unangemessene
Charakterbildung führt zu dem, was Platon "<i>Misologie</i>" oder
Hass auf den rationalen Diskurs nennt, und bringt Bürger hervor, die
"keinen Nutzen für eine vernünftige Diskussion haben und eine tierische
Sucht, alles mit roher Gewalt zu regeln".<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Die Anwendbarkeit auf die moderne amerikanische [und
westliche; Anm. des Übersetzers] Popkultur ist offensichtlich, und nur die
Details müssen aktualisiert werden. Die Mauern von Platons Höhle wurden durch
Mobiltelefone ersetzt, die Netflix und Pornografie streamen, und die Misologie
manifestiert sich jetzt in Twitter-Mobs und "Cancel Culture" statt im
Schierling des Henkers (zumindest im Moment).<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Eintritt in die
Tyrannei, Bühne links<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Platon schlägt einen Mechanismus vor, durch den die
Demokratie schließlich zur Tyrannei mutiert. Er sagt uns, dass die parasitäre
"Drohnen"-Klasse, die sich unter der späten Oligarchie und Demokratie
bildet, in zwei Unterklassen unterteilt werden kann, die Drohnen mit
"Stacheln" und die ohne. Diejenigen ohne sind die passiven Mitläufer,
während die Drohnen mit "Stachel" die böseren sind, die aggressiv
sind und den Rest zum Aufruhr anstacheln wollen. Man denke an den <i>Wokester</i>
aus der oberen Mittelschicht, der sich für einen nutzlosen Hochschulabschluss
in "<i>grievance studies</i>" verschuldet hat und dessen Idee,
endlich etwas aus seinem Leben zu machen, darin besteht, sich der <i>Antifa</i>
oder den Bernie Bros. anzuschließen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Eine zweite Gruppe, die beim Übergang zur Tyrannei eine
Rolle spielt, sind laut Platon die Reichen, die Angst haben, als
"Verschwörer gegen das Volk und als Reaktionäre und Oligarchen"
beschuldigt zu werden. Infolgedessen bezahlen sie die Drohnenklasse. Man denke
nur an die Kriecherei der Unternehmen vor der politischen Korrektheit und das
Ausstellen eines Schecks nach dem anderen zur Finanzierung verschiedener linker
Anliegen. Eine dritte, letzte und größte Gruppe sind die Massen, die der
Politik nicht viel Aufmerksamkeit schenken, aber gerne einen Anteil an dem
nehmen, was die Drohnen von den Reichen abziehen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Diese Auszahlungsregelung ist instabil und wartet auf den
Aufstieg einer Drohne, die rücksichtslos genug ist, um aufs Ganze zu gehen und
einen "Klassenkrieg gegen die Eigentümer des Eigentums" zu führen.
Das ist der Tyrann, und der tyrannische Persönlichkeitstyp ist eine Erweiterung
des demokratischen Persönlichkeitstyps, der seine charakteristische
Gesetzlosigkeit zur vollen Entfaltung bringt.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Platon beschreibt ihn als einen vollkommenen Wüstling, der
"die Eigenschaften der Trunkenheit, der Lust und des Wahnsinns in sich
vereint" und sich der Kriminalität und "ausschweifenden Festen und
Orgien und Sex und so weiter" hingibt. Er regiert durch
"Verbannungen, Hinrichtungen, Andeutungen von Schuldenerlass und
Umverteilung von Land". Der Schlüssel zu seinem Charakter liegt darin, dass
die letzten schwachen Hemmungen für die Begierden des demokratischen Menschen
völlig verschwinden. Der Tyrann, so Platon, ist "ohne Sinn und
Scham", so dass es "kein Tabu, keinen noch so schrecklichen Mord
gibt, vor dem er zurückschreckt", und er neigt zu einer "furchtbar bestialischen
und unmoralischen Art der Begierde, die sich besonders in Träumen
manifestiert", wie etwa "der Versuch des Verkehrs ... mit einer
Mutter oder irgendjemand anderem, einem Menschen, einem Tier oder einem
Gott".<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Seine Kriminalität wird nicht einmal durch kindliche
Ehrfurcht gebremst, so dass er ein "Vatermörder" ist, der sogar seine
eigenen Eltern ausplündern und tyrannisieren wird. Wenn das Volk sich ihm nicht
unterwirft, "wird er sein Land bestrafen, wenn er kann, so wie er seine
Eltern bestraft hat". Plato beschreibt ihn als den "unglücklichsten
aller Menschen", der "neidisch, unzuverlässig, ungerecht, freundlos
und gottlos" ist. Er hat keine wirklichen Gefährten, sondern verbündet
sich nur mit ähnlichen Verbrechertypen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Bei aller Vulgarität und allem Egoismus, die Trump an den
Tag legt, auch wenn Populismus und der Verfall des Anstands offensichtlich zu
seinem Aufstieg beigetragen haben, ist es lächerlich, in ihm einen platonischen
Tyrannen zu sehen. Ein Tyrann würde die Lockdowns von COVID-19 als Mittel zur
Sicherung einer größeren Kontrolle über das Volk begrüßen, anstatt sich dagegen
zu wehren; er hätte auf Unruhen mit der Verhängung des Kriegsrechts reagiert,
anstatt sich auf Twitter zu melden.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Nein, der tyrannische Persönlichkeitstyp, wie ihn Platon
versteht - der verbitterte Revolutionär, der dem Libertinismus verfallen ist,
der die Vernunft verachtet, der auf Klassenkampf und die Enteignung der Reichen
aus ist und der weder dem Erbe seiner Eltern noch seinem Land gegenüber loyal
ist - steht ganz offensichtlich auf der Seite von Trumps schärfsten Gegnern,
dem wachen Mob.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Während Trump seine "Tyrannei" auf Schimpfworte
beschränkt, führen Linke der <i>Social Justice Warrior</i> Krieg gegen die
Polizei, brennen Geschäfte nieder, stürzen Denkmäler, übernehmen Stadtteile,
bringen Andersdenkende zum Schweigen, wo sie können, und zerstören
rücksichtslos den Ruf und die Lebensgrundlage derer, die sie nicht zum
Schweigen bringen können - alles im Namen eines "intersektionellen"
Programms des Sozialismus und der radikalen sexuellen Befreiung.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Aber einen tyrannischen Persönlichkeitstyp zu haben ist eine
Sache, eine Tyrannei tatsächlich durchzusetzen eine andere. Es bleibt
abzuwarten, ob es unter den woken Horden jemanden gibt, der die Kombination aus
Talent und Rücksichtslosigkeit besitzt, um tatsächlich den Regierungsapparat zu
übernehmen, und ob die Masse der Gesellschaft die Schwelle zur Dekadenz bereits
zu weit überschritten hat, um Widerstand zu leisten. Selbst jetzt erscheint die
Aussicht auf einen amerikanischen Tyrannen nach platonischem Vorbild weit
hergeholt - aber, wie so vieles in diesen bizarren Zeiten, nicht ganz so weit
hergeholt, wie es noch vor wenigen Jahren schien.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Platons Klassifizierung von Persönlichkeitstypen und Regimen
ist eine Idealisierung. Er war nicht der Meinung, dass alle Gesellschaften der
realen Welt genau einer seiner Kategorien entsprechen. Tatsächliche
Gesellschaften sind in der Regel Mischungen aus den von ihm beschriebenen
Tendenzen, auch wenn die eine oder andere Tendenz oft überwiegt. Auch ist der
Übergang von einer Gesellschaftsform zu einer degenerierteren Form nicht
unvermeidlich. Vielleicht stehen wir gar nicht so nahe am Abgrund, wie es
scheint; vielleicht können wir uns, selbst wenn wir nahe dran sind, noch
zurückziehen.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Dies würde jedoch eine Wiederbelebung der Glut der Vernunft
erfordern, und die ist schwach. Platon beschrieb die Philosophen seiner Zeit
als "nutzlos" und "Schurken", korrumpiert durch Sophisterei
und den Druck der egalitären öffentlichen Meinung.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Eingeschüchtert von den aggressivsten Elementen des Pöbels
wird der Intellektuelle in einer demokratischen Gesellschaft "von der Flut
des Lobes und Tadels des Volkes überschwemmt und mit dem Strom mitgerissen, bis
er sich mit den populären Vorstellungen von dem, was bewundernswert oder
schändlich ist, einverstanden erklärt, sich wie die Menge verhält und einer von
ihnen wird". Wie in Erfüllung dieser platonischen Prophezeiung hat ein
radikaler und intoleranter Egalitarismus die amerikanische Intelligenz - die
Akademie, den Journalismus, die Kunst und die Populärkultur - erfasst, deren
Führer selbst durch die unbegründetsten Anschuldigungen der Bigotterie
routinemäßig zur Unterwerfung gezwungen werden.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Platon sagt, es bedürfe eines "Wunders" oder einer
"göttlichen Vorsehung", um zu verhindern, dass die Philosophen unter
solchen Umständen korrumpiert werden, und dass selbst dann nur ein "sehr
kleiner Rest" Widerstand leisten werde. Wie die Hinrichtung von Sokrates
zeigt, mag dieser Widerstand kurzfristig sogar aussichtslos erscheinen. Aber
die langfristigen Auswirkungen sind das Entscheidende. Heute kennt außer
einigen wenigen Gelehrten niemand die Namen der Verfolger von Sokrates. Es ist
sein größter Schüler, Platon selbst, an den wir uns erinnern.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;">Quelle</b>: <a href="https://americanmind.org/salvo/woke-ideology-is-a-psychological-disorder/">https://americanmind.org/salvo/woke-ideology-is-a-psychological-disorder/</a><o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><i>Deutsche Übersetzung: scholastiker.blogspot.com </i><o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-4757477673572382794.post-21560919359731432562022-07-14T14:04:00.005+02:002022-08-30T08:30:21.312+02:00Ein neues Buch von Edward Feser | Update<p><span style="font-family: helvetica;"></span></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><span style="font-family: helvetica;"><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgwPwH0KwWsnqLIx2_svCbDEFA60cjEklxNTwNSpqvYipnbTc98QwCCFtfcFaI4zKRp-Z-bnc7N9KuOlUizDV5AQ_t6YWsjG2DddJfvbxQRfuKrzyRVDcTXnRj4VCnLkKIXhL4nu0zHGuk1RlE272vcf_7Itxw0dZmSH56xfuaJ1nI-FxUYEDgxyfPxJg/s614/9783868382709_frontcover.jpg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="614" data-original-width="419" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgwPwH0KwWsnqLIx2_svCbDEFA60cjEklxNTwNSpqvYipnbTc98QwCCFtfcFaI4zKRp-Z-bnc7N9KuOlUizDV5AQ_t6YWsjG2DddJfvbxQRfuKrzyRVDcTXnRj4VCnLkKIXhL4nu0zHGuk1RlE272vcf_7Itxw0dZmSH56xfuaJ1nI-FxUYEDgxyfPxJg/s320/9783868382709_frontcover.jpg" width="218" /></a></div><br /><br /></span></div><span style="font-family: helvetica;"><br /> Ende dieses Monats erscheint ein neues Buch des
US-amerikanischen Philosophen Edward Feser. Feser gehört zu den prominentesten thomistischen
Philosophen der USA und in meinem Blog habe ich zahlreiche seiner Beiträge
übernommen. Nun hat sich Feser mit der haarsträubenden Ideologie der <i>Critical
Race Theory</i>, der Kritische Rassentheorie auseinandergesetzt, die auch in
Deutschland und Europa immer mehr Einfluss zu gewinnen scheint und die <i>Cancel
Culture</i> weiter vorantreibt. Das Buch wird Ende Juli erscheinen und bereits
kurz danach gibt es eine deutsche Übersetzung im Verlag <a href="https://www.editiones-scholasticae.de/artikel/alles-in-christus/" target="_blank"><i>editiones scholasticae</i>. </a></span><p></p><p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> DIE DEUTSCHE ÜBERSETZUNG IST FERTIG UND ERSCHEINT AM 15. September</span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> <span></span></span></o:p></p><a name='more'></a><p></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span lang="EN-US" style="mso-ansi-language: EN-US;"><span style="font-family: helvetica;">Fesers Buch
hat den Titel: <a href="https://www.amazon.de/gp/product/1621645800/ref=ppx_yo_dt_b_asin_title_o03_s00?ie=UTF8&psc=1" target="_blank">All One in Christ: A Catholic Critique of Racism and CriticalRace Theory</a> und ist für den 31.07.2022 angekündigt. </span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Der Verlag editiones scholasticae hat die deutschen
Publikationsrechte vom US-Verlag Ignatius Press erworben und wird das Buch in
deutscher Übersetzung im August veröffentlichen. Auch die bibliographischen
Daten der deutschen Übersetzung stehen bereits fest:</span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Edward Feser<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><b style="mso-bidi-font-weight: normal;"><span style="font-family: helvetica;">Alles in Christus<o:p></o:p></span></b></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Eine katholische Kritik des Rassismus und der Kritischen
Rassentheorie<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">ISBN 978-3-86838-270-9<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Ca. 124 Seiten, Paperback, EUR 17,90<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">Hier eine <b>Kurzfassung </b>des Inhalts und das
<b>Inhaltsverzeichnis</b>:</span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;"><i>Alles in Christus</i> erklärt die klare und konsequente
Verurteilung des Rassismus durch die Kirche und zeigt, dass diese Verurteilung
keine neue Entwicklung ist, sondern tief in Jahrhunderten päpstlicher Lehre und
scholastischer Theologie verwurzelt ist. Dieses Buch zeigt auch, dass die
Kritische Rassentheorie, die weit davon entfernt ist, ein Heilmittel gegen
Rassismus zu sein, in Wirklichkeit eine neue und heimtückische Form des
Rassismus ist, die nicht mit der Soziallehre der Kirche und dem Aufruf Christi
in Einklang gebracht werden kann. Edward Feser ermahnt die Katholiken, sich der
Kritischen Rassentheorie zu widersetzen – und zwar gerade deshalb, weil sie
gegen Rassenungerechtigkeit ist. Es wird bekräftigen, dass alle Menschen
vernunftbegabte Geschöpfe sind, die zur Erkenntnis, zur Nächstenliebe und zur
Erlösung von der Sünde durch die Gnade fähig sind.<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 10.5pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">1. Kirchliche
Lehre gegen Rassismus<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 10.5pt; line-height: 107%;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 10.5pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">2. Spätscholastiker
und frühneuzeitliche Päpste gegen Sklaverei<span style="mso-tab-count: 1;"> </span><o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 10.5pt; line-height: 107%;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 10.5pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">3. Die
Rechte und Pflichten von Nationen und Einwanderern<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 10.5pt; line-height: 107%;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 10.5pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">4. Was ist
die Kritische Rassentheorie? <o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 10.5pt; line-height: 107%;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 10.5pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">5. Philosophische
Probleme mit kritischen Rassentheorie <o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 10.5pt; line-height: 107%;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 10.5pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">6. Sozialwissenschaftliche
Einwände gegen kritische Rassentheorie<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 10.5pt; line-height: 107%;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 10.5pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">7. Katholizismus
versus Kritische Rassentheorie<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 10.5pt; line-height: 107%;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 10.5pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">Literaturverzeichnis<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 10.5pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">Index<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 10.5pt; line-height: 107%;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 10.5pt; line-height: 107%;"><span style="font-family: helvetica;">Das Buch
wurde bereits von renommierten Personen rezensiert. Hier einige Auszüge:<o:p></o:p></span></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-size: 10.5pt; line-height: 107%;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">„Dies ist das beste Buch, das ich zu diesem Thema gelesen
habe. Ed Feser schreibt auf zugängliche und doch nuancierte Weise, um die
philosophischen und theologischen Fehler sowohl des Rassismus als auch der
Kritischen Rassentheorie aufzuzeigen.“<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><i><span lang="EN-US" style="mso-ansi-language: EN-US;"><span style="font-family: helvetica;">-- Ryan
T. Anderson, Ph.D., Präsident des Ethics and Public Policy Center.<o:p></o:p></span></span></i></p>
<p class="MsoNormal"><span lang="EN-US" style="mso-ansi-language: EN-US;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">“Es gibt kein besseres Buch zu diesem Thema aus katholischer
Sicht. <i>Alles in Christus</i> sollte Pflichtlektüre für jeden katholischen
Prälaten, alle Eltern, Schuldirektoren oder Hochschulleiter sein.“<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><i><span style="font-family: helvetica;">-- Francis J. Beckwith, Ph.D., Professor für Philosophie
und für Studien zu Staat und Kirche; Baylor University<o:p></o:p></span></i></p>
<p class="MsoNormal"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></p>
<p class="MsoNormal"><span style="font-family: helvetica;">„Fesers Darstellung des Widerstands der Kirche gegen die
Sklaverei ist maßgebend, aber es ist seine vernichtende Abrechnung mit der
Kritischen Rassentheorie, die dieses Buch so besonders macht.“<o:p></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><i><span lang="EN-US" style="mso-ansi-language: EN-US;"><span style="font-family: helvetica;">-- Bill
Donohue, Präsident der Catholic League for Religious and Civil Rights; Autor
von Common Sense Catholicism<o:p></o:p></span></span></i></p>
<p class="MsoNormal"><span lang="EN-US" style="font-size: 10.5pt; line-height: 107%; mso-ansi-language: EN-US;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>
<p class="MsoNormal"><span lang="EN-US" style="mso-ansi-language: EN-US;"><o:p><span style="font-family: helvetica;"> </span></o:p></span></p>Scholastikerhttp://www.blogger.com/profile/03891052412681328454noreply@blogger.com0