Die Titel der Überschrift stammt aus dem Schlager der 1970er
Jahre (soweit ich mich erinnere) von Katja Eppstein, doch was dort als „Wunder“
besungen wurde, sind keine Wunder im strengen Sinne. In der gegenwärtigen
Philosophie wird wieder häufiger über Wunder diskutiert, nachdem für sehr lange
Zeit zu diesem Thema nichts mehr zu lesen war; allenfalls machte man sich
darüber lustig. Allerdings wird auch heute in den meisten Fällen
bestritten, dass es Wunder gibt oder überhaupt geben kann. Dabei beziehen sich
erstaunlicherweise sowohl die Verteidiger als auch die Gegner auf den Begriff
des Wunders, wie er von David Hume überliefert wurde.
Der bekannteste und häufigste Einwand gegen die Annahme von
Wundern lautet, dass Wunder metaphysisch unmöglich sind, weil die Naturgesetze
metaphysisch notwendig sind und daher Verletzungen der Naturgesetze nicht möglich sind. Doch dieses Argument ist falsch. Selbst wenn Naturgesetze metaphysisch
notwendig sind, bedeutet dies noch nicht, dass es keine Wunder geben kann.
Wunder sind nämlich keine Verletzung der Naturgesetze, wie Hume und viele
andere annehmen. Wären sie dies, dann wären Wunder in der Tat metaphysisch
unmöglich.
In der scholastischen Tradition werden Wunder nicht als Verletzung
der Naturgesetze analysiert, sondern als eine Suspendierung derselben. Suspendierung bedeutet, dass die
Naturgesetze in einem ganz bestimmten räumlich und zeitlich begrenzten Rahmen
außer Kraft gesetzt werden. Dies ist etwas anderes als eine Verletzung der
Naturgesetze. Man kann dies, wie David Oberberg dies getan hat, in einer groben
Analogie mit Gesetzen des staatlichen Rechts vergleichen. Ein Gesetzgeber kann
aus verschiedenen Gründen ein Gesetz räumlich und/oder zeitlich begrenzt
aussetzen, oder er kann den Vollzug des Gesetzes vorübergehend außer Kraft
setzen und die Bestrafung für die Missachtung eines Gesetzes aussetzen. Nach
dem Krieg froren die Menschen in einem extrem kalten Winter in Köln und hatten
kein Heizmaterial. Auf dem Kölner Bahnhof standen zahlreiche Waggons mit Kohle,
die aber nicht entladen wurden und die Kölner Bevölkerung machte sich daran,
diese Kohle zu „stehlen“. Objektiv, d.h. nach geltendem Recht, handelte es sich um Diebstahl, d.h. um eine Verletzung des Gesetzes. Der Kölner Kardinal Frings
hatte aber diese Vorgehensweise angesichts der bedauerlichen Lage der Kölner
Bevölkerung in einer Predigt für zulässig gehalten. Man nannte seither den „Kohlenklau“
in Köln „Fringsen“. Auch von Seiten der Stadtverwaltung und der Polizei wurde
nicht gegen die „Diebe“ vorgegangen, obwohl das Gesetz dies objektiv gefordert
hätte.
In diesem Fall bleibt das Gesetz weiterhin in Kraft, es wird
nicht abgeschafft, aber es wird nicht mehr eingehalten, es wird verletzt und
diese Verletzung des Gesetzes wird nicht bestraft. Es gibt auch die
Möglichkeit, ein Gesetz zeitweilig außer Kraft zu setzen, d.h. komplett aus dem
Gesetzbuch zu streichen. Wenn das Gesetz nicht mehr in Kraft ist, kann es auch
nicht verletzt werden, denn es gibt kein Gesetz, das verletzt wird. Und dieser
Fall entspricht dem, was bei einem Wunder geschieht. Während ein Wunder geschieht,
sind die Naturgesetze außer Kraft gesetzt, die ein solches Ereignis für
gewöhnlich, d.h. dann, wenn das Gesetz in Kraft ist, unmöglich machen. Die
Naturgesetze sind also bei einem Wunder überhaupt nicht in Kraft.
Wenn ein Gesetz außer Kraft gesetzt wird, könnte man sich
die Frage stellen, warum solche Wunder dann aber nur an einem Ort und nicht
überall beobachtet werden. Wenn wir davon ausgehen, dass das sogenannte
Sonnenwunder von Fatima, bei dem mindestens
30.000 Menschen sahen, wie die Sonne sich schnell drehte, deutlich weniger
leuchtete als üblich und schließlich in einem Zickzackkurs sich auf die Erde zu
bewegte, echt war, so stellt sich die Frage, warum dieses Wunder nur in Fatima
zu sehen war und nicht auch in Madrid, New York, Düsseldorf oder Peking? Wenn
die Naturgesetze suspendiert sind, die eine solche Erscheinung der Sonne
unmöglich machen, müsste dieses Sonnenwunder auch sonst überall auf der Erde, wo
die Sonne sichtbar war, zu sehen gewesen sein. Grundsätzlich ist dies in der
Tat möglich. Doch üblicherweise sind Wunder zeitlich und räumlich begrenzt. Das
heißt, dass Gott die Naturgesetze zumeist räumlich und zeitlich suspendiert,
ohne dadurch aber die Naturgesetze zu verletzen.
Grundsätzlich kann nämlich auch Gott kein Naturgesetz
verletzten, d.h. es ist selbst für Gott unmöglich, die Gesetze daran zu hindern
in der Weise zu wirken, wie sie dies üblicherweise tun. Und dies hängt mit der
Natur dieser Gesetze zusammen. „Naturgesetze sind Gesetze der Naturen“
(Oderberg), d.h. sie folgen aus der Natur der Dinge selbst und beschreiben, wie
sich die Dinge ihrem Wesen entsprechend verhalten. Daher gehören die Gesetze
gewissermaßen zum Wesen der Dinge und dieses wurde von Gott geschaffen. Ein
Verstoß gegen diese Gesetze wäre damit gleichbedeutend mit einem Verstoß gegen
die Gesetze der Logik und Mathematik. Wenn 2+2 = 4 kann Gott auch nicht machen,
dass 2+2 = 5 ist. Ein göttlicher Eingriff in die Naturgesetze, die metaphysisch
notwendig sind, würde bedeuten, dass Gott die Dinge daran hindert, entsprechend
ihrer Natur, ihres Wesens, wirksam zu sein. Und dies ist metaphysisch unmöglich,
wie es unmöglich ist, dass 2+2=5 ist. Gott könnte natürlich andere Wesenheiten
erschaffen, die sich anders verhalten und andere Gesetze exemplifizieren, aber er
kann nicht die Natur der Dinge ändern, denn die Natur der Dinge ist ja gerade
das, was sie sind.
Wunder sind also durchaus möglich, aber nicht im Sinne eine
Verletzung von Naturgesetzen, sondern im Sinne einer zumeist räumlichen und
zeitlichen Suspendierung, d.h. einer Außer-Kraft-Setzung der Naturgesetze.
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