Ein weiteres Problem des Atomismus besteht darin, dass auch
ihre modernen Vertreter nicht in der Lage sind, die fundamentalsten
Unterscheidungen in der Natur zu erklären, wie sie vom Hylemorphismus
angenommen werden. Diese Unterscheidungen sind die zwischen der organischen und
anorganischen Natur einerseits, und zwischen dem vegetativen und dem sinnlichen
bzw. tierischen Leben andererseits. Eine dritte Unterscheidung betrifft die zwischen
dem tierischen oder sinnlichen Lebewesen und dem menschlichen Leben. Dass sich
die menschliche Rationalität nicht auf eine bloß sinnliche Lebensform
reduzieren lässt, ist nicht nur durch Argumente gegenwärtiger Denker in der
scholastischen Tradition bewiesen worden, sondern auch durch die wohlbekannten
Schwierigkeiten mit denen Gegenwartsphilosophen konfrontiert sind, wenn sie in
der Philosophie des Geistes versuchen, eine naturalistische Erklärung für
propositionale Einstellungen zu geben.
Ein anderes Problem der naturalistischen Philosophie des
Geistes besteht in der Unmöglichkeit, sinnliche Phänomene wie die sogenannten
Qualia, also phänomenale Qualitäten wie den Geruch von Harzer Käse oder den
Geschmack von Kirschen, auf physikalische Phänomene zu reduzieren. Ähnliches
gilt für die reduktionistischen Versuche, organische Phänomene auf anorganische
Phänomene zu reduzieren. Selbst die Reduzierbarkeit der Chemie auf Physik wurde
in jüngster Zeit wieder in Frage gestellt (van Brakel, 2000, Kapitel 5)
Natürlich würden moderne reduktive oder eliminative
Materialisten diese Argumente angreifen, doch das Problem ist, dass selbst es
selbst unter Gegenwartsphilosophen, die einer breiten materialistischen
Interpretation nicht abgeneigt sind, eine Kontroverse darüber gibt, ob
irgendeine Ebene der Wirklichkeit auf eine andere Ebene reduzierbar ist oder
sogar eliminiert werden kann. Dies würde man aber nicht erwarten, wenn der
Erfolg des Atomismus und seiner modernen Nachfolger über den Hylemorphismus
sicher wäre.
Und damit sind wir bei einem dritten Problem des Atomismus
und seiner modernen Anhänger, dass nämlich selbst solche reduktionistischen
Analysen die offensichtlich richtig zu sein scheinen, bei näherer Untersuchung
sich als höchst problematisch erweisen. So scheint es zunächst unproblematisch
zu sein, einen Stein auf seine atomaren Teilchen zurückzuführen, so dass der
Stein „nichts anderes ist als“ (eine typische Redensart von Reduktionisten) als
eine Ansammlung von Atomen, die „steinartig“ zusammengesetzt sind.
Dementsprechend wäre der Stein selbst unwirklich und nur die Atome, durch die
er gebildet wird, real. Durch Crawford Elder (2004, S. 50-58) hat gezeigt, dass selbst eine solche
Reduktion illusorisch ist. Er stellt die Frage, worum ausgerechnet diese
besondere Gruppe von Partikeln es sind, dass es der Fall ist, dass gerade sie
und nur sie – und nicht irgendeine Untergruppe dieser Partikel oder zusätzliche
Partikel – „steinartig“ zusammengesetzt sind? Wenn man die Antwort auf diese
Frage dadurch gibt, dass man die Partikel mit dem Stein als Ganzem identifiziert,
dann ist diese Antwort zirkulär. Wenn man aber den Stein als Ganzen außer Acht
lässt und nur die Atome betrachtet, dann gibt es keine Möglichkeit diese Atome
zu identifizieren und ihre Beziehung zueinander in dem Stein zu erklären.
Es gibt weitere Probleme des Atomismus und seiner modernen
Varianten, die wir hier unerwähnt lassen (vgl. Edward Feser: Scholastic Metaphysics,
S. 182ff.)
Im nächsten Beitrag dieses Blogs geht es dann um
antireduktionistische Ansätze in der modernen analytischen Philosophie (Feser,
S.184ff.)
Der Begriff organisch steht in der modernen Chemie für die Chemie der Kohlenstoffverbindungen. In der Naturwissenschaft sind Lebewesen nicht wesensverschieden von der unbelebten Natur, hochkomplexe Automaten aus Molekülen (die wiederum aus Atomen (!) bestehen), die über ein System abgestuften Energiegefälles (gespeichert als Bindungen) betrieben werden. Erkenntnisse folgen typischen Methoden: statistische Signifikanz, Peer-Review, Impact Factor. Das im Bible Belt virulente ID wird mit Ockham's Razor geköpft, für eklektische Ontologien interessiert man sich nicht... Verzweifelt versuchen einige "Philosophen" noch, der Neurobiologie ihren letzten Posten der "Qualia" doch noch zu entreißen.
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