Im Blog-Beitrag vom 2. Juli
wurden Gründe für die Notwendigkeit der Unterscheidung von Wesenheiten und
Eigenschaften genannt. Ein weiterer Grund zu dem im Beitrag genannten Grund
besteht in der Erkenntnis von Wesenheiten. Die scholastische Philosophie ist
nicht der Auffassung, dass diese Erkenntnis eine einfache Sache ist,
beispielsweise durch eine sogenannte „Wesensschau“, ein bestimmtes Vermögen,
mit dessen Hilfe man sozusagen auf einen Schlag die Wesenheit einer Sache
erkennt. Ganz im Gegenteil ist es in vielen Fällen recht schwierig eine
Wesenheit zu erkennen. Doch gerade zur Erkenntnis der Wesenheit ist die
Unterscheidung derselben von Eigenschaften oder allgemeiner, von den Attributen
erforderlich.
Häufig ist es so, dass wir etwas für die Wesenheit eines
Dinges halten, was in Wirklichkeit nur ein Attribut bzw. eine Eigenschaft ist.
So hat man z.B. angenommen, dass die Wesenheit von Gold darin besteht, ein
gelbes Metall zu sein, das formbar, schmelzbar etc. ist. Doch es stellte sich
heraus, dass die Eigenschaften metallisch, gelblich, formbar, schmelzbar usw.
nur Eigenschaften von Gold sind, die sich aus seiner Wesenheit ergeben, die
selbst darin besteht, ein Metall mit der Atomzahl 79 zu sein. Dieses Verständnis
der Wesenheit von Gold war nicht möglich, ohne wissenschaftliche Forschung.
Damit wurde zugleich erwiesen, dass die frühere Definition (Wesensbestimmung)
von Gold nicht schlicht falsch war, sondern dass sie etwas Wahres vom Gold
erfasst hat, das aber nicht hinreichend war, um die Wesenheit von Gold zu
bestimmen.
Gerade die Unterscheidung von Wesenheit und Eigenschaft wird
aufgrund dieser Tatsachen sinnvoll: Der Tatsache, dass die Bestimmung der Natur
oder Wesenheit eines Dinges oft recht schwierig ist und der Tatsache, dass ein
relativ oberflächliches Verständnis des Dinges uns gleichwohl in die richtige
Richtung führen kann. Das jedoch, was uns von einem eher oberflächlichen
Verständnis der Sache zu einem tieferen und besseren Verständnis der Wesenheit
führt, sind die Eigenschaften eines
Dinges. Durch die Eigenschaften erkennen wir die Wesenheit, diese weisen hin
auf die Wesenheit.
Normale und fehlerhafte
Vorkommnisse einer Wesenheit
Ein weiteres Argument für die Notwendigkeit einer
Unterscheidung zwischen Wesenheiten und Eigenschaften ist die Unterscheidung
zwischen normalen und „anormalen“ oder fehlerhaften Instanzen einer Wesenheit.
Wie z.B. die Neoaristotelikerin Philippa Foot deutlich gemacht hat, können
Lebewesen nur mit Hilfe von sogenannten „aristotelischen Categorials“
angemessen beschrieben werden. Was ist damit gemeint? „Aistotelische
Categorials“ haben die logische Form S ist F, wobei S für irgendeine Spzies
steht und F für ein Prädikat, das S zugeschrieben wird (Ph. Foot 2001).
Sie selbst verwendet zur Erläuterung das Beispiel „Kaninchen sind
Pflanzenfresser“; „Katzen haben vier Beine“ „Menschen haben 32 Zähne“. Solche
Aussagen können mit Hilfe der modernen (nicht-aristotelischen Logik) nicht
angemessen als existenziale oder universale Aussagen bestimmt werden. Wenn
man z.B. den Satz „Katzen haben vier Beine“ in der modernen formalen Logik
ausdrücken würde, müsste man sagen: „Es gibt mindestens eine Katze von der
gilt: die Katze hat vier Beine.“ Doch der Satz, dass Katze vier Beine haben,
ist allgemein gemeint und gilt nicht nur von einer oder mehreren Katzen. Doch
auch ein Allquantorensatz der modernen Logik wäre unangemessen: „Für alle Katzen:
Katzen sind vierbeinig.“ Unangemessen ist dieser Satz natürlich deshalb, weil
es eine bestimmte Katze geben könnte, die nur drei oder fünf Beine hat (wie die Katze auf unserem Bild). Eine
solche Katze wäre gleichwohl eine Katze und gehört nicht in eine andere
Spezies. Aristotelische Categorials vermitteln eine Norm. Wenn es ein bestimmtes S gibt, das nicht F ist, wie die Katze
mit drei Beinen, bedeutet dies nicht, dass S nicht F ist, sondern dass dieses
besondere S ein fehlerhaftes oder anormales S ist.
Die Unterscheidung zwischen Wesenheit und Eigenschaft ist
sinnvoll für die Unterscheidung zwischen fehlerhaften und normalen Instanzen
einer Wesenheit. So sind auch Menschen ohne Ausnahme rationale Sinneswesen,
auch wenn ein bestimmter Mensch, z.B. durch einen Gehirnschaden oder als Embryo
zu einer bestimmten Zeit oder dauerhaft nicht in der Lage ist, seine
Rationalität auszuüben. Dies ist unter anderem eines der philosophischen
Argumente gegen die Abtreibung ungeborener Kinder.
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