Nach Auffassung scholastischer Philosophen gründet das, was „wirklich
möglich“ ist und das, was notwendig und unmöglich ist, in der Wirklichkeit. Der
Teilbereich der Metaphysik, der sich mit dem beschäftigt, was möglich,
unmöglich oder notwendig ist, heißt Modalontologie. Wie in vielen anderen
Bereichen der Philosophie vertritt auch hier die aristotelisch-thomistische
Philosophie einen Ansatz, der sich von allem unterscheidet, was heute in der
Modalontologie so gang und gäbe ist. Die scholastische Modalontologie ist vor
allem realistisch. Realität aber
beinhaltet, dass etwas sowohl „im-Akt“ als auch „in-Potenz“ ist und diese
beiden Arten des Seins werden weiter spezifiziert durch die sogenannten vierUrsachen.
In unserer materielle Welt gibt es eine prima materia oder
eine „Urmaterie“, die reine Möglichkeit ist und ausschließlich für die Aufnahme
der Formen der materiellen Dinge da ist. Man unterscheidet substanzielle und
eine akzidentelle Formen. Die substanzielle Form aktualisiert die
Potentialitäten der prima materia und das Ergebnis ist die Substanz mit ihren
verschiedenen Eigenschaften und Vermögen. Es gibt verschiedene Wirkursachen der
Materie, die verschiedene neue Formen annehmen können und es gibt verschiedene
Wirkungen, auf die diese Ursachen gerichtet sind als ihre Final- oder
Zielursachen. Die prima materia selbst ist indifferent zu jeder Form, denn sie
kann jede beliebige Form annehmen. Aber diese bestimmte prima materia ist
tatsächlich informiert durch eine ganz bestimmte substanzielle Form und diese
Form teilt nur ganz bestimmte Wirkursachen und Vermögen an das Ding mit, das
diese Kräfte und Vermögen besitzt. Die Kräfte und Vermögen sind auf die
Hervorbringung ganz bestimmter Wirkungen und Ergebnisse gerichtet und bestimmen
somit, was in der Welt wirklich geschehen kann, was „wirklich möglich“ ist.
Dies sind die kurz gefassten ontologischen Voraussetzungen für
die scholastische Modalontologie. Daraus ergibt sich der Begriff der
Notwendigkeit, einer echten, realen Notwendigkeit. Und was ist demnach notwendig?
Genau das, was materielle Dinge immer tun unter der Voraussetzung ihrer
formalen, materialen, effizienten und finalen Ursachen. Was die Dinge noch
nicht getan haben, was sie aber tun könnten, wenn sie in einer bestimmten Weise
tätig werden, ist das, was möglich ist und zwar wirklich möglich ist. Was die
Dinge unter der Voraussetzung ihrer formalen, materialen, effizienten und
finalen Ursachen aber niemals tun werden, dass ist in unserer materiellen Welt
unmöglich.
Möglichkeit, Unmöglichkeit und Notwendigkeit folgen demnach,
kurz und knapp zusammengefasst, aus der Natur der Dinge, aus dem, was die Dinge sind. So ist es für einen
Ochsen unmöglich, zu fliegen und für einen Mann, Kinder zu bekommen, während es
für eine Schwalbe möglich ist, zu fliegen und für eine Frau, ein Kind zu
bekommen. Was möglich oder unmöglich ist, folgt aus den vier Ursachen, aus der
Formursache, die z.B. bestimmt, dass dieses Stück Materie als Ochse informiert
wird mit ganz bestimmten Vermögen und Kräften ausgestattet wird, die auf ein bestimmtes Ziel
gerichtet sind, der Zielursache dieser Vermögen und Kräfte und die durch
bestimmte Wirkursachen aktualisiert werden.
Von dieser realistischen Auffassung von Möglichkeit, Unmöglichkeit
und Notwendigkeit, d.h. der Modalitäten, unterscheiden sich die logischen
Modalitäten. Für einen Ochsen ist es logisch durchaus möglich zu fliegen,
ebenso wie es für einen Mann logisch möglich ist, einen Kind zu empfangen und
auszutragen. Warum das? Logisch möglich ist alles, was nicht in sich
selbstwidersprüchlich ist. Dass ein Ochse zugleich kein Ochse ist, ist
unmöglich, denn das beinhaltet einen logischen Widerspruch. Die Satz „Der Ochse
fliegt“ beinhaltet hingegen keinen logischen Widerspruch, ebenso wenig wie der
Satz „Detlef bekommt ein Kind“, bzw. „Detlef ist schwanger“. Natürlich
verstoßen solche Sätze gegen die Naturgesetze und sind insofern
naturwissenschaftlich unmöglich, aber sie sind nicht logisch unmöglich. Dass
sie naturwissenschaftlich unmöglich sind, bedeutet, dass sie gegen Naturgesetze
verstoßen und Naturgesetze sind nichts anderes als Gesetze der Naturen,
Gesetze, die sich aus der Natur, dem Wesen der Dinge ergeben.
Zahlreiche moderne Philosophen bestreiten, dass es solche
realen Modalitäten gibt. Für sie gibt es nur logische Modalitäten (in unserem
Sinne). Sie sagen z.B., dass es in unserer Welt unmöglich ist, dass Ochsen
fliegen und Männer schwanger werden können, dass es aber eine „mögliche Welt“
gibt, in der beides tatsächlich vorkommt. Doch diese Rede ist sehr zweideutig
und missverständlich und auch falsch, denn sie hat mir der Wirklichkeit nichts
zu tun.
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