Seit einiger Zeit wird diese Frage gelegentlich in
philosophischen Fachzeitschriften diskutiert. Hier gibt es zwei Philosophen,
die eine ähnliche Theorie vertreten, nach der die Frage nach der fortgesetzten
Existenz keiner Erklärung bedarf. Mortimer Adler
hat dazu ein „principle of inertia in being“ eingeführt. John Beaudoin spricht
von einer „Doctrine of Existential Inertia“. Man könnte das übersetzen mit
einem Prinzip oder einer Theorie der existentiellen Trägheit. Nach dieser
Theorie neigen kontingente Dinge, Dinge also, die nicht notwendigerweise
existieren, dazu, wenn sie einmal existieren, auch weiterhin in der Existenz zu
bleiben zumindest so lange keine äußere Einwirkung sie zerstört.
Wenn diese Theorie zutreffen würde, dann müsste die Theorie
erklären, wodurch die Dinge in der Existenz beharren. Es müsste ein Prinzip
oder eine Ursache in der Entität selbst angegeben werden, durch das oder die
eine Entität in der Existenz erhalten wird. Doch diese Theorie gibt keine
solche Ursache an. Die Theorie versteht sich als ein Gesetz oder ein
allgemeines Prinzip, das die Tatsache der Existenzerhaltung beschreibt aber
nicht erklärt.
Edward Feser
hat gezeigt, dass es ein solches Prinzip nicht gibt, dass es keine innere
Ursache in den Dingen gibt, durch die diese in der Existenz beharren. Ganz im
Gegenteil neigen alle materiellen Entitäten dazu, ihre Existenz zu verlieren
oder aufzuhören zu existieren. Die Ursache warum diese Neigung besteht ist die
Zusammengesetztheit der Dinge. Alles was zusammengesetzt ist, kann nicht
dauerhaft bestehen, kann nicht einmal einen Augenblick existieren, wenn es
nicht von außen in der Existenz
erhalten wird.
Dies lässt sich auf folgende Weise verständlich machen. Alle
materiellen Entitäten sind zusammengesetzt aus Materie und Form. Wenn eine
Entität also in sich eine Ursache hat, durch die sie sich in der Existenz
erhält, dann kann diese Ursache nur die Form oder die Materie sein. Die
Formursache einer Entität ist aber, rein für sich betrachtet, nur eine
Abstraktion und insofern nicht existierend, außer sie informiert die Materie.
Bleibt also die Materie als Ursache für die Erhaltung der Existenz einer
Entität. Doch die Materie als solche, rein für sich betrachtet, d.i. die
Urmaterie oder die materia prima, existiert nicht. Nur als Bestandteil einer
materiellen Entität hat die Materie Realität, nicht aber getrennt von der Form.
Also gibt es keine Ursache in einer materiellen Entität, durch die diese sich
selbst in der Existenz erhält. Da sich die Entitäten unserer Welt und wir
selbst aber in der Existenz erhalten, muss es dafür eine äußere Ursache geben,
eine Ursache, die in der Lage ist, Existenz zu verleihen. Und diese Entität
muss so sein, dass sie selbst nicht aus Materie und Form oder aus Akt und
Potenz zusammengesetzt ist. Eine Entität, die überhaupt nicht zusammengesetzt
ist, sondern vollkommen einfach. Eine Entität, deren Wesenheit es ist, zu
existieren, eine Entität, die reiner Akt ist, actus purus. Diese Entität ist
aber Gott. Edward Feser hat gezeigt, dass alle fünf Gottesbeweise Thomas von
Aquins letztlich auf das Argument für die Verursachung der Erhaltung der
Existenzdurch Gott zurückzuführen sind. Das Argument Thomas von Aquins für die
Erhaltung der Existenz einer Entität, z.B. meiner Existenz oder Ihrer Existenz,
lässt sich folgendermaßen rekonstruieren:
1. Eine Ursache kann nichts geben, was
sie nicht selbst hat.
2. Eine materielle Substanz ist
zusammengesetzt aus der prima materia
und einer substantiellen Form.
3. Etwas hat eine existentielle Trägheit (existential inertia) genau dann, wenn es in
sich selbst eine Tendenz besitzt, in der Existenz fortzudauern, wenn es
existiert.
4. Die prima materia in sich selbst und
ohne die substantielle Form ist reine Potenz und hat daher in sich selbst keine
Tendenz in der Existenz fortzudauern.
5. Die substantielle Form eines
materiellen Dinges ist in sich selbst und ohne die prima materia eine bloße
Abstraktion und hat daher in sich selbst keine Tendenz sich in der Existenz zu
erhalten.
6. Weder die materia prima als
Materialursache einer materiellen Substanz, noch die substantielle Form als
Formursache können einer materiellen Substanz eine Tendenz vermitteln in der
Existenz zu bestehen.
7. Es gibt keine anderen internen
Prinzipien aus denen eine materielle Substanz eine solche Tendenz ableiten
kann.
8. Keine materielle Substanz hat eine
Tendenz in sich selbst in der Existenz zu beharren wenn sie existiert.
Keine materielle Entität hat eine existenzielle Trägheit. (Feser 2015, 64f.).
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