Montag, 31. August 2015

Der Bundespräsident und die Definition



Am vergangenen Samstag veröffentlichte der in Bonn erscheinende „Generalanzeiger“ ein Interview mit dem deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck. Der Bundespräsident ist in der DDR aufgewachsen und wurde dort zum evangelischen Pfarrer ausgebildet. Ob zur Ausbildung von Pfarrern in der DDR ein Studium der Philosophie gehörte, kann ich nicht sagen, aber nach den Äußerungen des Bundespräsidenten im Generalanzeiger würde ich das eher bezweifeln. Bestenfalls könnte ein Studium des Marxismus-Leninismus Teil des Studiums gewesen sein. Dies schließe ich aus der Äußerung von Herrn Gauck, man müsse den Begriff der „Nation“ heute umdefinieren.




In dem Interview ging es vor allem um die derzeitige Masseneinwanderung nach Deutschland besonders aus den arabischen Kriegsgebieten. In diesem Jahr werden nach offiziellen Angaben 800.000 Zuwanderer bzw. Flüchtlinge erwartet. Sollte sich die Mehrheit dieser Menschen dafür entscheiden, in Deutschland zu bleiben, wovon wohl auszugehen ist, dann könnte dies zu Veränderungen der Zusammensetzung der deutschen Bevölkerung führen. Soviel zum vermuteten Hintergrund des Interviews von Herrn Gauck.

Herr Gauck machte wohl auch deshalb den Vorschlag, man müsse den Begriff der „Nation“ künftig neu definieren und zwar als „Gemeinschaft der Verschiedenen“. Dieser Vorschlag ist in etwa so tiefschürfend wie der Vorschlag, den Begriff der Familie neu zu definieren als Gemeinschaft derjenigen, die den gleichen Kühlschrank benutzen.

Eine Definition, zumindest eine Realdefinition, ist der sprachliche Ausdruck für eine Wesenheit. Nun stehen Wesenheiten schlicht und einfach fest. Was ein Huhn, eine Katze, eine Eiche oder was Wasser ist, hängt nicht davon ab, wie man diese Dinge definiert, sondern sie werden definiert entsprechend dem, was sie sind. Das Gleiche gibt selbstverständlich auch für Begriffe wie Staat, Volk oder Nation. Den Begriff der Nation einfach neu zu definieren ist nur insofern möglich, als man bestreitet, dass es überhaupt eine Nation gibt. Aber dann ist auch eine Definition überflüssig, denn etwas, was es nicht gibt, kann man auch nicht ernsthaft definieren. Nominalisten bestreiten natürlich nicht nur, dass es Nationen gibt, sondern sie bestreiten auch, dass es Hühner, Katzen oder Eichen gibt. Sie bestreiten, dass es überhaupt Wesenheiten gibt. Welche Folgen der Nominalismus in allen Bereichen nicht nur der Philosophie hat, habe ich in diesem Blog an verschiedenen Stellen immer wieder deutlich zu machen versucht.

Dass man alles Mögliche, nicht nur die Nation, sondern auch Ehe und Familie oder viele andere Entitäten, umdefiniert, gehört zu den Kennzeichen der modernen Weltanschauung, wie sie in westlichen Ländern weit verbreitet ist. Hintergrund dieser Weltanschauung ist der Konstruktivismus. Dieser behauptet, es gäbe überhaupt keine Nationen, Hühner, Katzen, Bäume oder was auch immer. Es gäbe überhaupt nichts, das unabhängig vom Menschen existiert. Wir sind es, so meint der Konstruktivist, die die gesamte „Wirklichkeit“ durch unser Erkennen und Handeln erst hervorbringen. Wir sind die Konstrukteure der Welt. Dieses Ingenieursmäßige Weltbild liegt wohl auch den Äußerungen von Herrn Gauck zugrunde, denn besonders Politiker sind anfällig für die Vorstellung, dass sie es sind, die alles „machen“. Sie müssen die ganze Welt „machen“ und „retten“. Die „Rettung der Welt“ macht man, indem man alles Mögliche neu definiert.

Schon ein ganz unvoreingenommener Blick auf den Satz des Bundespräsidenten, Nation sei die Gemeinschaft von Verschiedenen, zeigt – entschuldigen Sie bitte dieses Wort – die Dummheit einer solchen Definition. Eine „Gemeinschaft der Verschiedenen“ ist natürlich auch die Weltgemeinschaft, oder die europäische Gemeinschaft und eigentlich jede Gemeinschaft. Die „Definition“ von Herrn Gauck sagt also – Garnichts!

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