Die 16. These der 24 bestätigten Thesen der derThomistischen Philosophie
bezieht sich auf den sogenannten Hylemorphismus.
Entsprechend dieser aristotelisch-thomistischen Theorie ist jeder
materielle Gegenstand aus Materie (griechisch: hylé) und Form (griechisch: morphé)
zusammengesetzt. Dies gilt auch für den Menschen. Beim Menschen ist die Seele
die Form des Körpers. Diese Seele bestimmt somit den Körper bis in seine
letzten Bestandteile und macht den Körper zu dem, was er ist, zu einem
menschlichen Leib. Der menschliche Leib ist nicht als solcher die Materie. Was
wir wahrnehmen, wenn wir einen Menschen sehen, ist der „geformte“ Leib, der
Körper, der bereits durch die Form, d.i. die Seele bestimmt ist. Die
eigentliche Materie ist immer die materia prima, die völlig unbestimmte, reine
Materie, die ohne Form nie existiert. Im Unterschied zur Pflanze oder zum Tier
ist aber die menschliche Form, also die Seele des Menschen, in einem gewissen Sinne
ohne den Körper existenzfähig.
Dies wird in der 16. These zum Ausdruck gebracht, in der es
heißt:
16. Dieselbe
vernunftbegabte Seele wird so mit dem Leib geeint, dass sie dessen einzige
substantielle Form ist, und durch sie hat der Mensch, dass er Mensch,
Sinnenwesen, Lebewesen, Körper, Substanz und Seiendes ist. Die Seele verleiht
dem Menschen also jeden wesenhaften Grad der Vollkommenheit; überdies teilt sie
dem Leib den Akt des Seins mit, durch den sie selbst ist.
Der erste Satz der These hebt hervor, dass es nur eine Form,
d.h. nur eine menschliche Seele bei jedem Menschen gibt und nicht mehrere. Dies
wird deshalb eigens betont, weil es im Mittelalter, durch den Einfluss des
Platonismus, eine fast allgemein vertretene Auffassung war, dass der Mensch aus
drei Seelenbestandteilen besteht, nämlich einer rationalen (geistigen) Seele,
einer sinnlichen Seele und einer vegetativen Seele. Diese Auffassung wurde
selbst von Thomas von Aquins Lehrer, Albertus Magnus, vertreten. Thomas betonte
dagegen, dass es nur eine Form für jeden materiellen Gegenstand, einschließlich
des Menschen geben kann und nicht mehrere. Natürlich bestreitet auch Thomas
nicht, dass es beim Menschen Sinnlichkeit und selbst vegetative Funktionen
gibt, die der Mensch mit Tieren und Pflanzen gemeinsam hat, aber alle „Bestandteile“
des Menschen werden „überformt“ durch die rationale Seele. Die anderen
seelischen Bestandteile besitzen demnach keine Selbständigkeit gegenüber der
rationalen Seele.
Diese einzige und einheitliche Form, so heißt es in der
These weiter, bestimmt den Menschen zu dem, was er ist: zum Menschen. Der
Mensch ist Mensch durch die Geistseele, durch diese bestimmte Form, die alles
andere determiniert und als solche auch in allen anderen Teilen gegenwärtig
ist. Die Form gestaltet auch die Einheit aller Teile des Körpers,
einschließlich der vegetativen und sinnlichen Teile des Menschen. Durch die
Form ist der Mensch ein Mensch und dieser Mensch. Diese Bestimmung oder
Determinierung ist aber nicht als Wirkursache zu verstehen. Es handelt sich um
eine eigene Form der Kausalität, nämlich um die Formursache. Die causa formalis oder formale Kausalität
ist etwas anderes als die causa efficiens,
die Wirkursache. Alle Wirkursachen folgen erst aus der Formursache, denn jede
Entität wirkt entsprechend ihrer jeweiligen Form. Dass der Mensch argumentieren
und logisch schlussfolgern kann, folgt aus seiner Form, seiner rationalen
Seele. Dazu sind Tiere und Pflanzen nicht in der Lage, obwohl auch sie
bestimmte Wirkungen hervorrufen können. Entsprechend seiner rationalen Seele,
die den Menschen zum Menschen gestimmt, hat dieser seine ihm eigene
Vollkommenheit. Der Begriff „Vollkommenheit“ hat hier eine etwas andere
Bedeutung als in unserem Alltagsverständnis. Er meint nur, dass jede Entität,
jedes Seiende ihm entsprechende Vermögen, Fertigkeiten, Kräfte etc. hat.
Im letzten Satz wird gesagt, dass die Form der „Akt“ der
Materie, beim Menschen der Akt des Leibes ist. Bei Thomas heißt es dazu „forma dat esse“, die Form gibt das Sein.
Gemeint ist damit, dass die Form – beim Menschen die Geistseele – die Wirklichkeit
des ganzen Seienden, also des Menschen gibt. Die Form ist bei jedem Seienden
das, was die Wirklichkeit an die Materie mitteilt, was die Materie
verwirklicht. Durch die Form ist eine Entität wirklich, weil die Materie reine
Potenz, prima materia, Urmaterie ist und als sich, also für sich selbst und in
sich selbst keine Wirklichkeit besitzt. Die Form ist immer das Prinzip der
Wirklichkeit, die Materie ist das Prinzip der Möglichkeit.
Zu all diesen Themen und den angesprochenen Begriffen finden
Sie weitere Informationen in diesem Blog. Über die Suchfunktion oben rechts
können Sie nach den entsprechenden Begriffen suchen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen