Wenn wir die Vorgänge in der belebten Natur betrachten, so
sehen wir, dass hier Lebewesen tätig sind, die durch diese Tätigkeit bestimmte
Wirkungen erzielen. Pflanzen produzieren Früchte die Samen enthalten, durch die
sie sich vermehren. Sie ziehen Nährstoffe durch ihre Wurzeln aus dem Boden,
durch die sie sich ernähren. Tiere jagen und bauen Höhlen oder Nester um sich
vor Witterung zu schützen und ihren Nachwuchs aufzuziehen. Dabei ist ganz offensichtlich,
dass diese Lebewesen, im Unterschied zu Menschen, diese Tätigkeiten nicht
bewusst tun und die erzielten Wirkungen nicht in der bewussten Absicht der
Lebewesen liegen, dass sie aber trotzdem oft erfolgreich tätig sind. Dies ist
die empirische Ausgangslage des fünften Gottesbeweises, des sogenannten fünften Weges, bei Thomas von Aquin.
Bei diesen Tätigkeiten und ihren Wirkungen handelt es sich
um regelmäßig wiederkehrende Beziehungen zwischen einer Tätigkeit und einer
Wirkung, um feststehende Regularitäten also, die von den Wissenschaften
untersucht werden. Es ist offensichtlich, dass die Tätigkeit eines Lebewesens
auf ein bestimmtes Ziel gerichtet ist, dass das Tier oder die Pflanze mit der
Tätigkeit eine bestimmte Wirkung zu erzielen beabsichtigt, allerdings so, dass
dies dem Lebewesen selbst völlig oder zumindest weitgehend nicht bewusst ist.
Die Tätigkeit des Lebewesens scheint aber auf etwas gerichtet zu sein, obwohl
dieses Lebewesen diese Tätigkeit gleichsam unbewusst, instinktiv durchführt und
dabei in vielen Fällen erfolgreich in der Selbsterhaltung und Fortpflanzung
ist.
Aus diesen Hinweisen, die sich überall in der belebten Natur
finden, kann man schließen, dass es Ziele und Zwecke gibt, die den Lebewesen
und ihren Tätigkeiten immanent sind,
d.h. die in ihnen selbst liegen. Denn die Tiere oder Pflanzen werden nicht von
außen gesteuert, wie ein Fahrzeug oder sonst ein Gerät oder eine Maschine, die
von Menschen geschaffen wurde. Die Lebewesen vollziehen ihre Tätigkeit aus sich
selbst, wobei diese Tätigkeiten auf Wirkungen gerichtet sind, die das Ziel der
Tätigkeit sind, ohne dass den Lebewesen dieser Zusammenhang selbst bewusst ist.
Diese Einsicht in die immanenten und zielgerichteten Tätigkeiten der Lebewesen
stammt bereits von Aristoteles, der damit auch Platon wiederspricht, der der
Auffassung war, dass diese zielgerichteten Tätigkeiten von außen kommen müssen,
dass die Lebewesen gleichsam wie menschliche Produkte einen äußerlich
eingegebenen Zweck verfolgen. Genau diese platonische Auffassung finden wir
heute wieder in der „Intelligent Design Theorie“, die auf den anglikanischen
Geistlichen William Paley im 19. Jahrhundert zurückgeht. Ich habe dazu in
diesem Blog verschiedene Posts veröffentlicht
und diese Theorie kritisiert. Aristoteles und mit ihm Thomas von Aquin lehnen
diese Auffassung ausdrücklich ab und verteidigen die Theorie der immanenten Ziel- und Zweckgerichtetheit
der Lebewesen. Lebewesen sind keine von Gott oder einem Demiurg gesteuerten
Roboter.
Doch dies bedeutet nicht, dass die immanente zielgerichtete
Tätigkeit ohne Gott verständlich ist. Und darauf beruht nun der 5. Gottesbeweis
Thomas von Aquins, den Aristoteles nicht kannte und der sich auch nicht
unmittelbar aus der Tatsache der zielgerichteten Tätigkeit der Lebewesen
ergibt, wie dies nach Auffassung der Intelligent Design Theorie der Fall ist.
Es bedarf zusätzlicher Prämissen und Argumente, um von der Beobachtung der
zielgerichteten Tätigkeit zu Gott zu gelangen, so wie die Erkenntnis der
Wirkkausalität nicht direkt zur Erkenntnis Gottes als der Erstursache führt (1.
und 2. Gottesbeweis).
Die zusätzliche Prämisse lautet: Eine nicht-intelligente
Ursache kann nur auf ein bestimmtes Ziel gerichtet sein, wenn sie auf dieses
Ziel hingelenkt wird. Natürlich kann man diese Prämisse in Frage stellen und es
wurde dagegen immer wieder argumentiert. Wichtige Gegenargumente finden Sie in
dem jüngst erschienen 5. Band des Grundkurs Philosophie.
Hier kann ich diese Gegenargumente nicht wiederholen. Man kann zur Begründung
der zusätzlichen Prämissen nur auf unsere eigene Erfahrung verweisen: Wie soll
etwas tätig sein und eine bestimmte Wirkung erzielen, wenn dieses Etwas
überhaupt kein Verständnis für den Zusammenhang von Tätigkeit, Ursache und
Wirkung hat?
Trifft dies aber zu, dann muss es eine Intelligenz geben,
die die Tätigkeit der Lebewesen irgendwie lenkt. Nun sind aber, wie ich betont
habe, die Ziele und Zwecke den Lebewesen gleichwohl inhärent und nicht von außen gesteuert wie bei einem Roboter. Deshalb
muss man annehmen, dass die Intelligenz, die die Lebewesen auf ein Ziel
richtet, auch die Ursache der Natur und der Wesenheit der natürlichen Dinge
ist. Diese Intelligenz muss also nicht nur die natürlichen Dinge auf ein Ziel
ausrichten, sondern zugleich diese Dinge erschaffen. Hier kann man durchaus die
Analogie zum Menschen verwenden, wenn auch der Mensch keine Dinge im
eigentlichen Sinne erschafft. Dass ein Messer schneidet, ist dem Stahl oder der
Keramik – dem Material aus dem das Messer gefertigt wird – nicht inhärent. Stahl hat keine inhärente
Neigung oder Disposition zum Schneiden. Der Hersteller des Messer bearbeitet
das Material in der Weise, dass ihm diese Fähigkeit zu schneiden „aufgezwungen“
wird. Bei Lebewesen ist diese Fähigkeit, diese Neigung, auf ein bestimmtes Ziel
gerichtet zu sein, den Dingen nicht äußerlich, wie dem Stahl das Schneiden,
sondern innerlich. Und dies kann nur eine Intelligenz bewerkstelligen, die die
Dinge „von Grund auf“ erschaffen hat.
Diese Intelligenz muss das Sein geschaffen haben, das
Existenz und Wesenheit beinhaltet und sie muss Existenz und Wesenheit
miteinander verbunden haben. Dies aber ist nur einem Wesen möglich, bei dem
Wesenheit und Existenz nicht real verschieden, sondern identisch sind und damit
verweisen wir zurück auf den zweiten Gottesbeweis.
Nur eine Entität, bei der Existenz und Wesenheit identisch sind, ist in der
Lage etwas zu erschaffen, d.h. Existenz und Wesenheit miteinander verbinden und
zwar so, dass dieses geschaffene Seiende in seiner Tätigkeit inhärente Ziele
und Zwecke verfolgt, durch die es sich selbst am Leben erhält und seine Art
durch Fortpflanzung erhält.
Man muss zu diesem Gottesbeweis erheblich mehr ausführen,
als in einem Blogbeitrag möglich ist. Es kommt mir hier vor allem auch darauf
an, deutlich zu machen, dass der fünfte Weg Thomas von Aquins grundlegend
verschieden ist von den Gottesbeweisen der Intelligent Design Theorie. Wer mehr
über diesen Gottesbeweis wissen möchte und die Gegenargumente kennenlernen
will, sowie deren Widerlegung, den verweise ich auf das bereits oben genannte
Buch oder auf das „Wochenende mit Thomas von Aquin“
wo diese Dinge sicher auch ausführlicher behandelt werden.
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