Mittwoch, 16. März 2016

Ontologische Gottesbeweise



Schon seit der Antike und bis in unsere Zeit sind sogenannte „ontologische Gottesbeweise“ immer wieder in der Diskussion. Obwohl die meisten Varianten schon seit langem widerlegt wurden, wird immer wieder versucht, diese pima facie sehr einleuchtenden Gottesbeweise neu zu beleben. Sogar der Mathematiker Kurt Gödel hat einen ontologischen Gottesbeweis mit Hilfe der modernen Logik vorgestellt. Ich möchte heute zunächst allgemein diesen Gottesbeweis vorstellen und dann eine moderne Variante desselben von Alvin Plantinga.



Am bekanntesten ist das Argument von Anselm von Canterbury, obwohl dieser vermutlich gar nicht vorhatte, einen Gottesbeweis im streng philosophischen Sinne zu geben. Anselm behauptet ganz zu Recht, dass wir unter Gott etwas denken, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann. Gott ist absolut vollkommen und es lässt sich nichts denken, was vollkommener ist als Gott. Dies wird nach Anselm selbst von einfachen Menschen verstanden. Gott übersteigt all unser Denken und jeden Begriff, den wir uns von ihm machen können. Dabei wird selbstverständlich nicht vorausgesetzt, dass es diesen Gott gibt, aber wenn es einen Gott geben sollte, dann müsste er in dieser Weise gedacht werden als der, über den hinaus nichts Größeres gedacht werden kann.

Was mit diesem Satz aber sicher ist, ist, dass Gott in unserem Verstand existiert. Dies kann auch kein Atheist ernsthaft bestreiten, denn wir können ja diesen Begriff bilden: Ein Wesen, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann. Also gibt es diesen Begriff Gottes in unserem Verstand.

Gott existiert also in unserem Verstand. Doch wenn Gott nur in unserem Verstand existiert, dann ist er nicht vollkommen. Denn zur Vollkommenheit von etwas gehört es, dass es nicht nur gedacht wird, sondern auch existiert. Da nun Gott dasjenige ist, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, muss Gott nicht nur in unserem Verstand existieren, sondern auch wirklich, denn sonst wäre Gott unvollkommen. Etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, existiert also nicht nur in unserem Verstand, sondern wirklich. Es gibt also einen Gott.

Schon zu Zeiten des hl. Anselm von Canterbury und selbst aus seinem Umfeld wurde die Gültigkeit dieses Arguments bezweifelt. Und insbesondere Thomas von Aquin, der 150 Jahre später als Anselm lebte, hat diesen Gottesbeweis in Frage gestellt, obwohl Thomas den Begriff Gottes, wie Anselm ihn uns vorstellt, teilt, denn Thomas argumentiert dafür, dass zum Wesen Gottes, also zum Begriff Gottes, dessen Existenz gehört. Thomas zeigt dies argumentativ in seinem zweiten Gottesbeweis. Anders als Anselm zeigt Thomas aber, dass dies nicht a priori erkannt werden kann. Während Anselm allein aus dem Begriff Gottes dessen Existenz ableiten will, zeigt Thomas, dass jede Erkenntnis mit den Sinnen beginnt und dass wir nicht allein aus einem Begriff zu Erkenntnissen der Existenz kommen können.

Thomas erläutert dies in der Summa theologiae folgendermaßen:


„An sich ist der Satz: Es gibt einen Gott – von selbst einleuchtend, also selbst-verständlich, denn es wird später gezeigt werden, dass Subjekt und Prädikat dieses Satzes eins sind: Gott nämlich ist sein Dasein. Weil aber wir nicht wissen, was Gott ist, so ist der Satz vom Dasein Gottes für uns nicht selbst-verständlich, muss vielmehr bewiesen werden aus den Wirkungen Gottes, die zwar der Ordnung der Natur nach später als die Ursache, also weniger selbst-verständlich, unserem Erkennen aber früher gegeben als die Ursache, also leichter zugänglich sind.“ (I.2.1)


Thomas führt weiter aus, dass nicht jeder, der an Gott denkt, diesen als das Wesen denkt, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann. Denn es gab und gibt Menschen, die Gott zum Beispiel als ein körperliches Wesen denken oder in irgendeiner Weise als begrenzt. Man denke hier nur an die Götter Griechenlands oder des Hinduismus.

Ein weiterer ontologische Gottesbeweis findet sich zum Beispiel auch bei René Descartes oder auch bei Leibniz. Selbst der „große Kant“ hat in seiner vorkritischen Periode, also der Zeit vor seiner „Kritik der reinen Vernunft“, als er der Philosophie des Rationalismus der Leibniz-Schule (Wolff, Baumgarten) nahestand, den ontologischen Gottesbeweis für den einzig möglichen gehalten. Alle diese Gottesbeweise sind Varianten des Anselmschen Gottesbeweises, die versuchen, die Schwächen Anselms zu umgehen.

In der Gegenwartsphilosophie ist es vor allem Alvin Plantinga der als Vertreter eines ontologischen Gottesbeweises bekannt ist, obwohl er auch weitere Gottesbeweise vorgestellt hat. Plantinga argumentiert hier auf der Grundlage der Modalontologie, die heute oft im Zusammenhang mit der Semantik möglicher Welten operiert. Was das bedeutet, wird gleich verständlicher: Plantinga schließt nicht, wie Anselm oder andere, vom Begriff Gottes auf dessen notwendiger Existenz, sondern er geht aus von dem Begriff der Möglichkeit.

Die erste Prämisse bei Plantinga lautet, dass die Existenz Gottes möglich ist. Dies ist nun eine Prämisse, die wirklich von niemandem bestritten wird. Dass die Existenz Gottes möglich ist, bedeutet in der Semantik möglicher Welten, dass es mindestens eine mögliche Welt (von prinzipiell unendlichen vielen Welten) gibt, in der Gott existiert. Wenn man als Atheist auch bestreitet, dass dies nicht unsere Welt, in der wir leben, der Fall ist, so kann auch ein Atheist nicht bestreiten, dass es eine solche mögliche Welt geben könnte.

Die zweite Prämisse nimmt nun den Begriff Gottes von Anselm auf, wonach Gott „maximal vollkommen“ ist, wie Plantinga dies ausdrückt. Dies bedeutet aber, dass Gott in jeder möglichen Welt als maximal vollkommen definiert werden muss, denn diese Bestimmung kommt Gott notwendigerweise zu. Notwendigkeit wird aber logisch mit Hilfe der Semantik möglicher Welten genauso ausgedrückt, dass es in allem möglichen Welten besteht. So ist die Eigenschaft von Wasser, dass es H2O ist, eine notwendige Eigenschaft von Wasser und es ist keine Welt denkbar, in der etwas so wie Wasser ist, aber nicht H2O. Deshalb gibt es auch keinen möglichen Gott, ohne dass dieser maximal vollkommen ist.

Daraus folgt nun aber, dass (1) Gott in der möglichen Welt in der er existiert, notwendigerweise maximal vollkommen ist und (2) da diese Bestimmung Gottes für alle möglichen Welten gilt, Gott in jeder möglichen Welt maximal vollkommen ist. Deshalb muss Gott in jeder möglichen Welt, auch in der unsrigen, wirklich existieren.

Plantinga hält das für ein starkes Argument, obwohl er zugesteht, dass die Prämisse, dass die maximale Vollkommenheit in irgendeinem Wesen instanziiert ist, für rational angreifbar hält.

Die Kritik Thomas von Aquins gegen Anselms Gottesbeweis trifft im Prinzip auch auf Plantingas Gottesbeweis zu, weil auch dieser von einem Begriff Gottes auf dessen Existenz schließt, was unter der Voraussetzung, dass alle unsere Erkenntnisse auf Wahrnehmungen zurückgehen, nicht möglich ist. Zusätzlich könnte man gegen dieses Argument Plantingas anführen, dass es nur unter der Voraussetzung gültig ist, dass sich die Modallogik möglicher Welten direkt ontologisch interpretieren lässt, was man als Thomist entschieden bestreiten würden. Mehr zum Thema der Semantik möglicher Welten haben ich hier und hier geschrieben.

1 Kommentar:

  1. Die Behauptung, dass wirklich niemand Plantingas erste Prämisse bestreitet, dass die Existenz Gottes möglich ist, stimmt so nicht. Jede Person, die den (theistischen) Gottesbegriff für inkonsistent hält, bestreitet die Möglichkeit der Existenz Gottes, denn eine inkonsistente Proposition ist notwendigerweise falsch. Dies heißt nicht, dass der Gottesbegriff tatsächlich inkonsistent ist, aber es gibt genug Menschen, welche die Möglichkeit Gottes bestreiten.

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