Die ersten drei Gottesbeweise bei Thomas von Aquin werden
oft unter dem Titel „kosmologische Gottesbeweise“ zusammengefasst. Bei dieser
Art von Argumenten für die Existenz Gottes werden reale Verhältnisse in der
Welt zum Ausgangspunkt für ein Argument für die Existenz Gottes genommen. Bei
Thomas ist dies die Tatsache, dass es Veränderungen in der Welt gibt
oder dass es kausale Beziehungenzwischen den Dingen gibt,
bzw. dass die Dinge der Welt nicht notwendigerweise existieren.
Bereits vor Thomas gab es natürlich auch schon kosmologische Gottesbeweise und
ebenso nach Thomas. Am Bekanntesten ist der kosmologische Gottesbeweis von
Leibniz. In jüngerer Zeit hat der Philosoph William Lane Craig
einen Gottesbeweis neu in die Debatte eingeführt, der ursprünglich auf die
islamische Philosophie zurückgeht.
Für Leibniz gibt es ein zentrales Prinzip in seiner
rationalistischen Philosophie, das er auch für seinen kosmologischen
Gottesbeweis verwendet. Es ist das Prinzip vom zureichenden Grund, über das ich
bereits an anderer Stelle im Blog geschrieben habe.
Bei Leibniz wird dieses Prinzip mit der folgenden Formulierungen vorgestellt: „Im
Sinne des zureichenden Grundes finden wir, dass keine Tatsache als wahr oder
existierend gelten kann und keine Aussage als richtig, ohne dass es einen
zureichenden Grund dafür gibt, dass es so und nicht anders ist, obwohl uns
diese Gründe meistens nicht bekannt sein mögen“. Dieser Satz findet sich in
einem Hauptwerk Leibniz‘, der „Monadologie“ (§ 32). Kurz gesagt: Nichts ist
ohne Grund. Es handelt sich in der Tat um ein zentrales philosophisches und vor
allem erkenntnistheoretisches Prinzip, obwohl auch dieses Prinzip später
verschiedenen Einwänden ausgesetzt war und bis heute ist, die oft auf David
Hume zurückgehen.
Wie der „dritte Weg“ Thomas von Aquins geht nun Leibniz von
der Kontingenz der Welt aus, d.h. von der Tatsache, dass die meisten uns bekannten
Dinge dieser Welt nicht notwendigerweise existieren, denn es gab sie früher
einmal nicht und es wird sie auch eines Tages nicht mehr geben. Das gilt auch
für uns selbst. Wenn dem so ist, meint Leibniz, dann muss es für diese
Kontingenz auch einen „zureichenden Grund“ geben. Natürlich kann auch dieser
Grund selbst wieder kontingent sein und dieser kontingente Grund kann wiederum
kontingent sein usw. Diese Kette der Gründe kann im Prinzip bis ins Unendliche
zurückreichen: B ist der Grund von A, C ist der Grund von B, D ist der Grund
von E usw. ad infinitum.
Leibniz stellt nun aber die Frage, warum es solche Ketten
von Gründen, seien diese nun endlich oder unendlich – überhaupt gibt. Diese
Ketten von Gründen sind ja ebenfalls kontingent so wie die Dinge in der Welt, aber
auch die Welt als Ganzes. Weiterhin sagt Leibniz, dass kein einzelner Teil der
Welt der Grund für die Existenz der ganzen Welt sein kann, was sich logisch
daraus ergibt, dass dieser Teil der Welt letztlich selbst kontingent ist.
Leibniz schließt daraus, dass es einen letzten zureichenden Grund für die
Ketten von Gründen ebenso geben muss, wie für die Existenz der Welt als Ganzes
und dass dieser Grund nicht ein Teil der Welt sein kann. Der zureichende Grund
für die Existenz der Ketten von Gründen oder für die Existenz der Welt als Ganzes
ist somit „außerhalb“ der Welt. Dieser letzte Grund muss zudem selbst „ohne
Grund“ sein und dies trifft allein auf Gott zu.
Nun kann man freilich einwenden, warum es nicht einen
innerweltlichen Grund gebe kann, der selbst notwendig ist. Leibniz kennt diesen
Einwand selbst. Nach Leibniz gibt es zwei verschiedene Arten von Notwendigkeit.
Alles innerweltlichen Gründe, wie wir sie aus diesem Ketten von Gründen kennen,
sind immer hypothetischer Natur. Damit meint er, dass es sich dabei um Gründe
handelt, die nur insofern Gründe sind, als es die Welt gibt. Also: Wenn A der
Grund von B ist, dann deshalb, weil es die Welt W gibt. Ein zureichender Grund
für die Existenz der Welt selbst kann kein hypothetischer Grund sein, d.h. der
Grund kann nicht nur eine hypothetische Notwendigkeit besitzen. Die Art der
Notwendigkeit, die als zureichender Grund für die Existenz der Welt als Ganzes
in Frage kommt, ist eine metaphysische
Notwendigkeit. Diese Art der Notwendigkeit könnte man als absolut
bezeichnen und dies gilt nur von Gott. Gott ist absolut oder metaphysisch
notwendiger Grund für die Existenz der Welt.
Weitere Einwände gegen diesen Gottesbeweis möchte ich hier beiseitelassen.
Es gibt sie natürlich, doch ich denke, dass sich diese Einwände widerlegen
lassen. Leibniz‘ Gottesbeweis ist unter der Voraussetzung des Satzes vom Grund
durchaus ein starkes Argument für die Existenz Gottes.
William Lane Craig
Craig gehört zu den bekanntesten und renommiertesten
Religionsphilosophen der Gegenwart und er ist ein liebenswürdiger Mensch.
Allerdings kann ich seine philosophischen Positionen zum größten Teil nicht
teilen. Craig gehört zu der Gruppe von Religionsphilosophen, die der Thomist
Brian Davies
als „theologische Personalisten“ bezeichnet hat. Dies sind Philosophen, die
z.B. die Ewigkeit Gottes, die Allwissenheit und andere klassische Attribute
Gottes bestreiten und stattdessen davon ausgehen, dass Gott z.B. zeitlich ist
usw. Ich werde vielleicht später einmal in einem eigenen Blogbeitrag darauf
zurückkommen.
Craig bezieht sich mit seinem kosmologischen Argument (a)
historisch auf den sogenannten kalam Gottesbeweis aus der islamischen
Philosophie des Mittelalters und (b) auf moderne Erkenntnisse der big-bang
theory, also der Urknalltheorie. Ausgangspunkt ist also die These, dass die
Welt, bzw. das Universum, einen Anfang hat. Diese These ist heute zur
Standardtheorie in der Physik geworden, doch es gibt auch Argumente, die dagegensprechen.
Die physikalischen Beweise für den Urknall sind für Craig nicht von
ausschlaggebender Bedeutung, allerdings geht es davon aus, dass es auf jeden
Fall einen Anfang der Welt gibt. Dafür gibt es Argumente, die unabhängig von
der empirischen Physik sind, z.B., dass es aktual unendliches Universum ohne
einen Anfang zu zahlreichen absurden Konsequenzen führen würde. Ein solches
Universum bestände aus einer aktual unendlichen Menge von Dingen, was in einer
Welt mit raumzeitlichen Dingen nicht sein kann. Nimmt man hingegen an, dass das
Universum nur potenziell unendlich ist, dann könnte dieses Problem gelöst
werden, denn dies wäre ein Universum mit einer endlichen Zahl von Dingen, zu
denen immer wieder neue Dinge hinzukommen. Allerdings ist dieser Ausweg bei der
Annahme eines unendlichen Universums nicht möglich, denn eine Reihe von Dingen
ohne Anfang in der Zeit wäre ein aktual unendliches Universum. Craig hat dies
mit Hilfe des sogenannten Paradoxes vom „unendlichen Hotel“ gezeigt, ein
Gedankenexperiment, das auf den Mathematiker Hilbert zurückgeht.
Kommen wir nun zum Argument von Craig für die Existenz
Gottes (ich gebe hier die Zusammenfassung wider, die von Edward Feser stammt):
1.
Es
gibt keine aktual unendliche Ansammlung von Entitäten.
2.
Ein
Universum ohne einen Anfang würde ein aktual unendliches Universum
konstituieren.
3.
Deshalb
muss das Universum einen Anfang haben.
4.
Alles,
was einen Anfang seiner Existenz hat, hat eine Ursache.
5.
Also
hat das Universum eine Ursache.
Was damit bewiesen wird, ist zunächst nur, dass es eine
Ursache für die Existenz des Universums gibt. Craig bleibt allerdings nicht dabei
stehen, sondern versucht jetzt mit weiteren Argumenten zu zeigen, dass eine
solche Ursache intelligent sein muss, dass diese Ursache nicht räumlich
ausgedehnt sein kann, dass sie nicht veränderbar ist, nicht in der Zeit ist,
wie die Dinge, von denen die Ursache eine Ursache ist und dass diese Ursache
letztlich eine Person sein muss. Diese Argumente sind allerdings so
umfangreich, dass sie für einen Blogbeitrag nicht mehr geeignet sind.
Weitere Vertreter kosmologischer Argumente für die Existenz
Gottes sind Alvin Plantinga, den ich schon im Zusammenhang mit ontologischen
Gottesbeweisen vorgestellt habe und Richard Swinburne. Die Position Swinburne
unterscheidet sich aber in verschiedener Hinsicht und ihm werde ich einen
eigenen Blogbeitrag widmen.
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AntwortenLöschen„Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“
AntwortenLöschenAlbert Einstein
Als die Naturwissenschaft trotz des Widerstandes der „hohen Geistlichkeit“ herausfand, dass das Universum sehr viel größer ist als zuvor angenommen, musste der „liebe Gott“ entsprechend mitwachsen. Die Genesis konnte man nicht mehr umschreiben, ohne sich unglaubwürdig zu machen, also wurde in der Disziplin Volksverdummung noch mal kräftig nachgelegt.
„Was man messen kann, das existiert auch.“
Max Planck
Die Volksverdummung lässt sich daran messen, wie lange die Befreiung der Marktwirtschaft (Paradies) vom parasitären Gegenprinzip des Privatkapitalismus (Erbsünde) hinausgezögert werden kann, obwohl die Natürliche Wirtschaftsordnung „ja doch nur aus einer Reihe banalster Selbstverständlichkeiten besteht“ (Zitat: Silvio Gesell):
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2015/09/die-idiotie-vom-unverzichtbaren-zins.html
Dass Zinsen nicht auf „Apfelbäumchen“ wachsen, sondern durch die Mehrarbeit anderer, begreift jedes Kind; nicht aber „Erwachsene“, die den künstlichen Archetyp Jahwe=Investor im kollektiv Unbewussten als den „lieben Gott“ anbeten. Wer nun glaubt, die ganze Volksverdummung damit erfasst zu haben, irrt noch immer um 2000 Prozent. Denn die „unterirdischte Verschwörung, die es je gegeben hat“ (Zitat: Friedrich Nietzsche) verzögert den eigentlichen Beginn der menschlichen Zivilisation nicht erst seit einem Jahrhundert, sondern schon seit Jesus von Nazareth:
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2017/04/das-zivilisatorische-mittelalter.html