Insbesondere in den USA sind Argumente für die Existenz
Gottes verbreitet, die unter dem Begriff „teleologische Gottesbeweise“
zusammengefasst werden. Diese Beweise gehen zurück auf den anglikanischen
Pfarrer William Paley
Sie unterscheiden sich grundsätzlich vom bekannten „fünften Weg“
Thomas von Aquins, obwohl sie
bedauerlicherweise immer wieder mit diesem Gottesbeweis von Thomas in denselben
Topf geworfen werden. Gemeinsam ist beiden Argumenten für die Existenz Gottes
nur, dass sie von der alltäglichen Erfahrung ausgehen, dass viele lebendige
Vorgänge in der Natur offensichtlich zielgerichtet sind.
So verfolgen Tiere bei der Nahrungssuche gezielt die
Nahrungsmittel, die zu ihrer Selbsterhaltung zuträglich sind. William Paley
vergleicht die zweckvolle Einrichtung der Natur mit einem vom Menschen
hergestellten Gegenstand. Wenn jemand, so Paley, in der Wüste einen
bearbeiteten Stein oder eine Uhr oder ein schön geformtes Metallstück findet,
so wird er unmittelbar daraus schließen, dass dieser Gegenstand von einem
intelligenten Wesen dort hinterlassen wurde. Viel vollkommener und zweckvoller
sind aber die Erscheinungen der Natur. Deshalb muss man daraus schließen, dass
auch diese Dinge der Natur – die Pflanzen und Tiere und erst recht der Mensch –
von einem intelligenten Wesen geschaffen worden sind.
Im Gefolge von William Paley hat sich im 20. Jahrhundert
dann eine Theorie entwickelt, die heute zumeist unter dem Begriff des „Intelligent
Design“ (ID) zusammengefasst wird. Diese Theorie konzentriert sich besonders
auf eine kritische Auseinandersetzung mit der Evolutionstheorie und stellt
deren Ergebnisse und Ansprüche zumindest teilweise in Frage. Stattdessen
behauptet die ID-Theorie, dass die gesamte Evolution von Anfang an darauf
gerichtet war, intelligente Wesen wie den Menschen hervorzubringen. Dazu werden
Erkenntnisse der Naturwissenschaft, v.a. der Biologie, herangezogen und in
dieser Weise neu interpretiert. Die Argumente sind folglich induktiv, d.h. sie
gehen von empirischen Erfahrungen aus und folgern daraus mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit, dass das evolutionäre Geschehen von einem intelligenten
Designer von außen gesteuert wird. Hier liegt ein Unterschied zu den Argumenten
Thomas von Aquins und auch des ontologischen Gottesbeweises, die deduktiv sind.
Für die Tatsache eines intelligenten Designers werden
besonders komplexe Phänomene herangezogen. Dazu zählt zunächst die ungeheure
Komplexität des Universums selbst, aber auch bestimmte Organe wie das Auge. Die
ID-Theoretiker, wie bereits Paley, versuchen nun zu zeigen, dass es sehr
unwahrscheinlich ist, dass eine solche Komplexität allein durch Zufall
entstanden sein kann. Dies wäre vergleichbar mit der Behauptung, dass ein Gedicht
von William Shakespeare allein durch das Durcheinander würfeln von einigen
Tausend Buchstaben entstehen könnte. Da die Wahrscheinlichkeit, dass auch nur
ein einziger sinnvoller Satz durch ein solches zufälliges Geschehen entstehen
könnte, sehr gering ist und die Komplexität natürlicher Phänomene sehr viel
höher ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass solche Lebewesen allein durch Mutation
und Selektion – wie von der Evolutionstheorie behauptet – entstehen, noch weit
geringer. Dies aber spricht nach Auffassung der ID-Theorie für einen
intelligenten Designer, den viele ID-Theoeretiker mit Gott identifizieren.
Diese Theorie, die vor allem auf Analogien zwischen
menschlicher Herstellung und Schöpfung beruht, ist auf den ersten Blick sehr
einleuchtend, und hat deshalb unter Christen verschiedenster Konfession, aber
auch unter Moslems und Juden, eine gewisse Verbreitung gefunden.
Das Argument lässt sich auf folgende Weise zusammenfassen
(Winfried Löffler: Einführung in die Religionsphilosophie, 2013, S. 69)
„1.
Verschiedene Naturphänomene sind nur erklärbar, wenn man sie als Resultat von
intelligenter Planung betrachtet.
2. Jede
intelligente Planung verweist auf eine planende Intelligenz.
3. Die
planende Intelligenz liegt nicht in diesen Phänomenen selbst.
4. Also
gibt es eine planende Intelligenz außerhalb dieser Phänomene.
5. Diese planende Intelligenz kann mit Gott im Sinne des
Theismus gleichgesetzt werden.“
Als Scholastiker halte ich dieses Argument für schwach.
Nicht umsonst haben sich die sogenannten „Neuen Atheisten“ besonders intensiv
auf die Argumente der ID-Theoretiker gestürzt, zumal sie glauben, dass sie
damit auch die klassischen Gottesbeweise erledigt haben. Dies ist allerdings
nicht der Fall.
Zunächst kann man als Thomist einwenden, dass die
ID-Argumente für die Existenz Gottes sicher nicht einen Gott im Sinne des
klassischen Gottesbegriffs beweisen, wie er sich in allen drei
Offenbarungsreligionen findet. Bestenfalls wird ein intelligenter Baumeister
bewiesen, der den ganzen Weltverlauf steuert. Dies ist aber der Gott des
Deismus, also ein Gott, der wie ein menschlicher Ingenieur, nur eben extrem
mächtig und intelligent, die Welt konstruiert hat wie eine hoch komplexe
Maschine, die dann anschließend ohne göttliches „Eingreifen“ ihr Programm
abspielt. Der ID-Theorie liegt eine mehr oder weniger ausgeprägte
Identifizierung von artifiziellen (vom Menschen hergestellten) Entitäten mit
natürlichen Entitäten zugrunde. Doch beide Arten von Entitäten sind
metaphysisch grundsätzlich verschieden.
Damit ist ein weiteres Argument gegen die ID-Theorie
verbunden, nämlich der Vorwurf, dass dieser Gott ein „Lückenbüßer-Gott“ ist. Die
Argumente der ID-Theorie nehmen direkt Bezug auf naturwissenschaftliche
Erkenntnisse, auf empirische Daten. Nach dem derzeitigen Stand der
Naturwissenschaft gibt es zahlreiche Phänomene, insbesondere komplexe Phänomene
wie das Auge, der Entstehung in der Evolutionsgeschichte nicht vollständig zu
erklären sind. Hier setzt die ID-Theorie an und versucht mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit zu zeigen, dass solche Phänomene nicht durch Zufalls
erklärbar sind, sondern auf ein intelligentes Wesen verweisen. Allerdings kann
es jederzeit neue wissenschaftliche Erkenntnisse geben – zumindest grundsätzlich
– die die Wahrscheinlichkeit für eine naturwissenschaftliche Erklärung deutlich
erhöhen. Zumindest prinzipiell ist eine spontane Entstehung komplexer Entitäten
nicht ausgeschlossen. Der fünfte Weg Thomas von Aquins ist von einem solchen
Einwand völlig unberührt. Selbst wenn eines Tages die gesamte Evolutionstheorie
als wahr erwiesen werden sollte (was ich für mehr als unwahrscheinlich halte),
wäre damit nichts gegen das fünfte Argument für die Existenz Gottes bei Thomas
gesagt.
Ein grundsätzliches Argument gegen die ID-Theorie und
William Paley ist allerdings, dass diese Theorie die gleichen „mechanistischen“
Voraussetzungen der modernen Weltauffassung, des Szientismus, teilt. Diese
Voraussetzung ist insbesondere die fehlende ontologische Unterscheidung
zwischen Artefakten und natürlichen Entitäten und dies steht wieder im engen
Zusammenhang mit der fehlenden Unterscheidung von interner und externer
Finalität. Nach thomistischer Theorie haben die lebendigen Entitäten eine
interne, aus ihrem Wesen folgende zielgerichtete Tätigkeit, die zunächst völlig
unabhängig von der Existenz Gottes beschrieben und untersucht werden kann,
genauso, wie jede andere Kausalität ohne Bezugnahme auf Gott untersucht werden
kann, obwohl Thomas von Aquin in den beiden ersten Argumenten für die Existenz
Gottes auch auf die Wirkursache Bezug nimmt und durch zusätzliche Argumente zur Existenz Gottes führt. Aristoteles, von
dem die Theorie der internen Finalität stammt, hat daraus kein Argument für die
Existenz Gottes abgeleitet. Dies ist nur möglich, wenn man Finalität im Sinne
einer bewussten, den Dingen äußerlichen Ziel- und Zweckgerichtetheit versteht,
wie dies bei Platon oder auch bei Newton und verschiedenen Deisten des 17. und 18.
Jahrhunderts der Fall ist.
Nach der aristotelisch-thomistischen Philosophie ist die
ID-Theorie nicht nur unvollständig, sondern schlicht falsch und deshalb nicht
akzeptabel, schreibt Rafael Hüntelmann im jüngsten Band des Grundkurs Philosophie
deshalb zu Recht. Hier finden Sie auch weitere Argumente, die ausführlicher
begründet werden, als dies in einem Blogbeitrag möglich ist.
Wieso ist ID induktiv und der hl. Thomas deduktiv. Das ist leider nicht nachvollziehbar und geht auch aus dem Aufsatz nicht hervor.
AntwortenLöschenEin deduktiver Beweis geht von einer allgemeinen Prämisse aus, wie z.B.: "Alles was sich verändert, ist auf ein Ziel gerichtet". Eine induktive Prämisse geht von einer oder meist von mehreren empirischen Erkenntnissen aus, z.B. einer solchen der Naturwissenschaft aus. Induktive Beweise sind deshalb immer wahrscheinlich im Gegensatz zu deduktiven Beweisen, die "zwingend" sind, also notwendig, sofern die Prämissen zutreffen. Wenn Sie die Beweise der ID mit den "fünf Wegen" von Thomas vergleichen, fällt Ihnen dieser Unterschied sicher auf. Bei der ID-Theorie verwendet man z.B. sehr komplexe Entitäten, wie das Auge, die DNS oder das Universum als ganzes und beweist dann z.B. mit Hilfe der Mathematik, wie wahrscheinlich es ist, dass ein solches komplexes Gebilde spontan, bzw. zufällig entsteht. Dies ist ein empirischer, induktiver Beweis.
AntwortenLöschenIch habe den Eindruck, ID wird hier vollkommen missverstanden. ID will kein Gottesbeweis sein. ID will vor allem zeigen, dass das Leben sich nicht allein durch Zufall und Selektion bzw. Naturgesetze entwickelt haben kann. Hier geht es z.B. darum, welche Art von Komplexität die Zell- und DNA-Forschung finden.
AntwortenLöschenID ist also keinesfalls Religionsphilosophie, sondern es sind Theorieansätze von Naturwissenschaftlern wie Michael Behe (Darwin´s Black Box), Bildungskritik (Jonathan Wells, Zombie Science) Wissenschaftsphilosophie (Stephen C. Meyer Darwin´s Doubt). Viele ID-Vertreter bekennen sich zum Glauben, aber nicht alle.
Man kann auch der Meinung sein, dass die Welt derzeit wohl viel dringender als einen Gottesbeweis (der von der Naturwissenschaft ohnehin ignoriert wird) eine offizielle Anerkennung der Falsifizierung der Evolutionslehre braucht. "ID" als Markenname ist wohl eher dem Umstand geschuldet, dass die Wissenschaft verlangt, dass der, der eine Theorie angreift, eine bessere zur Hand haben soll.
ID ist erbittertster (und manchmal auch polemischer) Kritiker der "Neuen Atheisten" und von Darwins Evolutionslehre. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass sie von diesen massiv angegriffen werden. Es ist jedoch empfehlenswert, zum Beispiel auf der Seite Evolutionnews.org mal die Antworten auf diese Kritiken zu lesen.
AntwortenLöschenSie haben Recht. Ich habe aber auch nicht behauptet, dass ID primär ein Gottesbeweis ist, sondern dass es einen Gottesbeweis auf der Grundlage der ID gibt, der historisch auf den anglikanischen Pfarrer Pailey zurückgeht. Meine Kritik richtet sich vor allem gegen die Theorie einer externen Finalität. Ich glaube nicht, dass man auf diese Weise der Evolutionstheorie bzw. dem Evolutionismus angemessen begegnen kann.
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