Wie steht es um das Verhältnis von Naturphilosophie und
Naturwissenschaft? Diese Frage eröffnet ein weites Feld, aber einige
einleitende Worte, insbesondere aus erkenntnistheoretischer Sicht, können
hilfreich sein, um dieses Verhältnis zu beleuchten und die Einwände, die häufig
von Naturwissenschaftlern und insbesondere von szientistisch orientieren
Philosophen aufzugreifen und zu entkräften.
Edward Feser hat dazu bereits zu Beginn seines neuen Buches Aristotle’s
Revenge. The Metaphysical Foundation of Physical and Biological Science
(Seite 6/7), einige klare Hinweise gegeben, die hier erstmals in deutscher
Sprache erscheinen:
Worum handelt es sich bei der Erkenntnistheorie der Naturphilosophie
selbst? Ist es eine a priori Disziplin,
ähnlich wie Mathematik und Metaphysik?
Oder unterliegen ihre Behauptungen einer empirischen Falsifikation, wie
sie für naturwissenschaftliche Behauptungen typisch ist? Diese beiden Alternativen werden oft genommen,
um alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die es in dieser Frage gibt, aber sie erschöpfen
nicht alle Möglichkeiten und dies zu erkennen, ist entscheidend, um zu
verstehen, wie sich die Naturphilosophie von der Naturwissenschaft unterscheidet. Es gibt Propositionen, die eher empirisch als
a priori sind, aber dennoch keiner empirischen Falsifikation fähig sind. Zum Beispiel ist die These, dass es Veränderung
gibt, eine solche, die wir nur durch Erfahrung kennen. Aber keine Erfahrung könnte diese Proposition
umstürzen, denn jede Erfahrung, die dies angeblich tun würde, müsste selbst Veränderungen
beinhalten. (…) Allgemeiner gesagt,
könnte es sehr umfassende Merkmale von Erfahrungen geben, die, sofern sie
Merkmale von Erfahrungen sind, nicht a priori erkannt werden,
aber dennoch, weil sie so extrem umfassend sind, in jeder möglichen
Erfahrung vorkommen, einschließlich solcher Erfahrungen, die man heranziehen
könnten, um zu versuchen, Behauptungen als falsch zu erweisen.
Solche Merkmale gehören zu denen, mit denen sich die
Naturphilosophie im Besonderen beschäftigt, denn sie sind relevant für die
Bestimmung, wie eine mögliche materielle und empirische Welt aussehen
müsste. (Einige aristotelische Naturphilosophen
haben diese besondere Art von Erfahrungsgrundlage für die Naturphilosophie „vorwissenschaftliche
Erfahrung“ genannt. Vgl. Koren 1962, S.
8-10; Van Melsen 1954, S. 12-15.) Aber
auch der Naturphilosoph ist verpflichtet, empirisches Wissen der üblichen Art,
insbesondere das Wissen aus den Naturwissenschaften selbst, zu nutzen. Es liegt nichts in der Natur dieses Themas, wodurch
wir alle grundlegenden Merkmale eines natürlichen Phänomens sozusagen
aus dem Sessel bestimmen könnten. Zum
Beispiel hält der aristotelische Naturphilosoph, wie wir später sehen werden,
fest, dass alle Naturphänomene zumindest sehr rudimentäre teleologische
Eigenschaften aufweisen. Aber was genau
die spezifischen teleologischen Eigenschaften eines bestimmten Naturphänomens
sind, ob seine scheinbaren teleologischen Eigenschaften real oder auf eine
grundlegendere Art reduzierbar sind und ähnliche Fragen, können nur beantwortet
werden, wenn man das, was wir aus Chemie, Biologie und den anderen Spezialwissenschaften
kennen, in die Tat umsetzen.
Zu einem Streit in der aristotelisch-thomistischen
Philosophie des 20. Jahrhunderts über das Verhältnis von Naturwissenschaft,
Metaphysik und Naturphilosophie ist ein kurzer Kommentar notwendig. Thomas Aquinas unterschied zwischen drei
Abstraktionen des Intellekts von der konkreten Realität (die inzwischen als die
drei „Abstraktionsgrade“ bezeichnet werden) und drei entsprechenden
Untersuchungsfeldern. Erstens abstrahiert der Intellekt von den
individualisierenden Merkmalen konkreter materieller Dinge, betrachtet sie aber
dennoch im Hinblick auf die sinnlichen Eigenschaften, die sie gemeinsam
haben. Die Naturwissenschaft und das,
was heute Naturphilosophie genannt wird (nicht von Thomas selbst unterschieden,
wie auch nicht von Aristoteles), entsprechen diesem Abstraktionsgrad. Zweitens abstrahiert der Intellekt selbst von
den gemeinsamen sinnlichen Merkmalen der Dinge und betrachtet nur deren
quantitative Merkmale. Mathematik ist
das Forschungsgebiet, das diesem Abstraktionsgrad entspricht. Drittens abstrahiert das Intellekt sogar von
den quantitativen Merkmalen und betrachtet nur die allgemeinsten Arten, wie
eine Sache charakterisiert werden kann – in Bezug auf Begriffe wie Substanz,
Attribut, Wesenheit, Existenz, etc.
Metaphysik ist das Forschungsgebiet, das diesem letzten Grad der
Abstraktion entspricht. Für den
aristotelischen Naturphilosophen stellt sich natürlich die Frage, ob und wie
diese Art der Aufteilung des Begriffsgebietes heute Anwendung findet.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen