David Oderberg, einer der einflussreichsten und bekanntesten
thomistischen Philosophen der Gegenwart, hat in einem Aufsatz für eine
Fachzeitschrift (2019) eine Analyse des Hirntodkriteriums, aber auch anderer
Todeskriterien veröffentlicht. In seinem Beitrag argumentiert Oderberg, dass alle
derzeitig gebräuchlichen empirisches Kriterien zur Bestimmung des
Todeszeitpunkts unzuverlässig sind und das nur die Philosophie, bzw. die
Metaphysik in der Lage ist, zu bestimmen, was der Tod ist. In der
aristotelisch-thomistischen Metaphysik wird aber die Trennung von Leib und
Seele als Tod definiert. Diese Trennung von Leib und Seele ist empirisch auf
jeden Fall gegeben, wenn die Verwesung des Körpers eintritt. Oderberg folgert
deshalb, dass jede Organtransplantation seit den 1950er Jahren, bei der die
Organe einem Menschen entnommen wurden, der mit dem Hirntodkriterium für tot
erklärt wurde, letztlich die Tötung eines Menschen darstellt. Er tritt ein für
ein Moratorium für alle weiteren Transplantationen, bei denen der Tod nicht
zumindest durch die Totenstarre festgestellt wird.
Einleitung
Die Fragestellung seines Aufsatzes lautet: Ist es möglich,
eine metaphysisch korrekte, klinisch relevante Analyse des menschlichen Todes
zu geben, die eine Organspende möglich macht? Diese Frage ist grundlegend für
die gesamte Diskussion zur Ethik der postmortalen Organspende.
Zur Beantwortung dieser Frage steht im Mittelpunkt die
Beantwortung der Frage, was der Tod ist und wie sich der Tod empirisch
feststellen lässt. Die letztere Frage lässt sich formulieren als die Frage nach
einen Todeskriterium. Die heute üblichen Todeskriterien sind bekanntlich der
Herztod, oder präziser, der Kreislauftod, d.h. der Stillstand von Herz und
Kreislauf, sowie der Hirntod, also die vollständige Inaktivität jeder
Hirntätigkeit, einschließlich des Kleinhirns. Die allermeisten Ethiker,
darunter auch solche, die sich selbst als Neoaristoteliker oder Thomisten
bezeichnen würden, akzeptieren das Kriterium des Kreislauftods. Immer mehr
Ethiker akzeptieren aber heute auch das Hirntodkriterium, darunter auch einige
Neoaristoteliker und Thomisten (Patrick Lee & Germain Grisez 2012, Jason
Eberl 2015). So gut wie alle akzeptieren die Regel für die postmortalen
Organspende, wonach keiner lebensfähigen Person funktionsfähige Organe
entnommen werden dürfen, zumindest nicht ohne deren Zustimmung. Wenn dies dennoch
geschieht, handelt es sich um Mord.
Die erste Frage, was der Tod ist, lässt sich nur
philosophisch beantworten, weil es sich nicht um eine empirische Frage handelt.
Eine Antwort auf diese Frage setzt ein richtiges aristotelisches Verständnis des
Todes als Trennung von Leib und Seele voraus. Oderberg wendet dann dieses
Verständnis auf die Idee an, dass der Tod der Verlust der Integrität des
Menschen ist. Bei vielen Ethikern, aber auch im verbreiteten
Allgemeinverständnis, ist das Gehirn der „Integrator“ des Menschen, also das
Organ, dass alle Teile des Organismus zusammenhält. Wenn deshalb das Gehirn
seine Tätigkeit komplett einstellt, verliert der Organismus ipso facto
seine Integrität und ist folglich tot. Oderberg erläutert auch die alternative
Theorie, wonach das Herz bzw. das Kreislaufsystem diese Integrationsfunktion
übernimmt und der Organismus durch den Kreislaufstillstand seine Integrität
verliert, also tot ist. Eine weitere Frage in diesem Zusammenhang betrifft die
Irreversibilität. Ist Irreversibilität für den Tod notwendig und wenn ja, wie
kann Irreversibilität verifiziert werden?
Der Tod als Trennung von Leib und Seele
Der Tod ist die Trennung von Leib und Seele. Ob die Seele
nach dem Tod weiterexistiert spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Nach
der Trennung der Seele vom Leib ist das, was übrigbleibt, ein Klumpen Fleisch,
der auf dem Weg zu einem Kadaver ist, um es mal etwas drastisch auszudrücken.
Wer mit dem Begriff „Seele“ nichts anzufangen weiß, der kann ihn ersetzen durch
den aristotelischen Begriff der „Form“ oder, um eine bevorzugte moderne
Terminologie zu verwenden, durch den Begriff des „Organisationsprinzips“. Der
Tod ist schlicht der Verlust des Organisationsprinzips, der Form, die in allen
Teilen des Organismus, bis hinunter zu den Atomen und subatomaren Partikeln den
Organismus bestimmt. Die Form ist auch nicht selbst ein Teil des Organismus,
wie die Organe Teile sind, sondern sie ist in jedem Teil vollständig
gegenwärtig. Wenn dieses Organisationsprinzip, die Seele, sich vom Körper
trennt, handelt es sich nicht einmal mehr um einen Organismus. Dieser Trennung
von Leib und Seele geht ein Prozess vorher, dessen Höhepunkt eben diese
Trennung darstellt. Dieser Prozess kann längere Zeit dauern, aber der Tod, also
die Trennung von Form und Materie des Organismus, ist immer augenblicklich. Man
kann deshalb ebenso wenig „ein bisschen tot sein“, wie man auch nicht „ein
bisschen schwanger“ sein kann, denn Existenz und Nicht-Existenz schließen sich
logisch und ontologisch aus.
Der Tod und die Desintegration
In vielen Fällen wird von den Verteidigern der postmortalen
Organspende die Bedeutung der Integrität für das organische Leben besonders
betont. Sowohl Verteidiger des Gehirntodkriteriums als auch deren Gegner stimmen
darin überein, dass der Verlust der Integrität des Organismus die biologische
Tatsache ist, in die der Tod besteht. Der Unterschied zwischen den Verteidigern
und den Gegnern des Hirntodkriteriums besteht nur in der Antwort auf die Frage,
ob der Hirntod oder etwas anderes mit der Desintegration gleichgesetzt werden
sollte.
Anders als bei der Trennung von Leib und Seele scheint die
Integration bzw. der Zerfall der Einheit ein Prozess zu sein und nicht
augenblicklich einzutreten. Integrität wird oftmals verstanden als Interaktion
und Austausch von Informationen innerhalb des Organismus, zwischen seinen
Teilen und seinen Subsystemen, sowie die Interaktion mit seiner Umwelt. In
diesem Fall kann Integrität nicht alles oder nichts sein, wie Leben und Tod.
Auf jeden Fall lassen sich Integrität und Trennung von Leib und Seele nicht
identifizieren. Allerdings analysiert Oderberg Integrität im Sinne von Alles
oder nichts, aber nicht unter dem zuvor genannten Verständnis der Integrität. Entweder
ist der Organismus ein Ganzes, oder er ist es nicht. Wenn der Organismus informiert
wird, ist die Integrität präsent und es gibt einen ganzen Organismus. Wenn
jedoch die Form verloren geht, dann auch die Integrität und es gibt keinen
Organismus mehr. Integrität muss von der Theorie von Form und Materie her
verstanden werden und dann ergibt sich dasselbe wie bei der Analyse des Todes
als Trennung von Leib und Seele. Die Form vereint die Materie in ein
substanzielles Ganzes und durchdringt jeden einzelnen Teil dieser Substanz. Wenn
dies nicht der Fall wäre, so Oderberg, dann wäre die Substanz, bzw. der
Organismus, eine akzidentelle Einheit, ein Artefakt.
Ist das Gehirn der Integrator?
In dem mit dieser Überschrift versehenen Absatz seines
Aufsatzes argumentiert Oderberg nun, dass es keinen empirischen „Integrator“
geben kann, der alle Teile eines Organismus zu einer Ganzheit zusammenfügt. Ein
empirischer „Integrator“ kann nämlich nur ein Organ sein, das selbst integriert
werden muss, und zwar unabhängig davon, ob es sich um das Gehirn, das Herz oder
ein anderes zentrales Organ eines Organismus handelt. Jedes dieser Organe ist
ein Teil des Ganzen und nicht selbst das Ganze. Als Teil muss es in das Ganze
integriert werden. Auch ein bestimmter Teil des Gehirns, der das Gehirn in den
Gesamtorganismus integriert, wäre nicht denkbar, denn auch dieser Teil müsste
wieder integriert werden usw., so dass ein infiniter Regress entstünde.
Zunächst stellt Oderberg die Frage, ob es sich bei der
Theorie, dass das Gehirn der Integrator ist, überhaupt um eine empirische
Theorie handelt oder um eine metaphysische. Ist es die Physiologie, die uns
darüber unterrichtet, dass das Gehirn der Integrator des Organismus ist, oder
kommt man zu dieser Annahme auf Grund einer metaphysischen Auffassung, die
empirische Daten in dieser Weise interpretiert? Oderberg macht deutlich, dass
eine rein empirische Theorie nicht in der Lage ist, eine solche Behauptung zu
verteidigen, z.B. deshalb nicht, weil zahlreiche Prozesse und Funktionen des Gehirns
überhaupt keine Bedeutung für die Integration des Organismus haben und
umgekehrt benötigen viele integrative Funktionen des Organismus kein Gehirn. Anders
ist z.B. auch nicht verständlich, warum viele Funktionen und Organe eines
Organismus weiterhin funktionieren, obwohl ein Hirntod diagnostiziert wurde.
Da sich empirisch in keiner Weise zeigen lässt, dass das
Gehirn den Organismus zu einer Ganzheit integriert, wendet sich Oderberg den
begrifflichen oder theoretischen Problemen einer solchen Auffassung zu. Der
erste theoretische Einwand gegen diese Auffassung besteht darin, dass der
Organismus ohne Gehirn existieren kann, denn der menschliche Organismus beginnt
seine Existenz und damit die Integration der Organe und Lebensprozesse ohne ein
Gehirn. Die Stammzellen, die in der Lage sind, Hirnzellen zu produzieren, erscheinen
nicht vor der dritten Schwangerschaftswoche und bringen dann tatsächlich das
Gehirn hervor. Alle Wachstums- und Integrationsprozesse finden bis dahin ohne
Gehirn statt. Hierher, also bei den theoretischen Einwänden, gehört auch der
Einwand: Was integriert den Integrator, wenn dieser selbst ein Organ ist?
Dieser Einwand, der von Michel Accad (2015) stammt und auf den Oderberg
verweist, führt zu einem infiniten Regress. Das Hauptproblem ist aber, so
Oderberg, nicht der infinite Regress, sondern dass es ein völliges
Missverständnis des ganzen Phänomens der Integration offenbart. Nach der
Theorie des Hylemorphismus bestimmt die Form vollständig den gesamten
Organismus bis hinunter zu den kleinsten chemischen Teilen, die den Organismus
konstituieren. Oderberg drückt dies deutlich aus mit den Worten: „I am as much
a human being in my little toe as in my whole body.” (2019). Das Menschsein
findet sich in jedem Teil unseres Organismus ganz. Wir sind ganz Mensch im
Gehirn und ebenso in unseren kleinen Zeh. Daraus schließt Oderberg: Es ist
konfuses Denken, wenn man meint, dass ein Produkt der körperlichen Integrität
selbst zum Hervorbringer der Integrität werden könnte.
Kriterium des Todes
In einem weiteren Abschnitt seines Artikels geht Oderberg
der Frage nach, ob es ein anderes Kriterium für den Tod eines Menschen geben
kann, wenn nach den vorherigen Argumenten als erwiesen gilt, dass der Hirntod
nicht der Tod des Menschen ist. Als bester und bekanntester Kandidat kommt hier
der Herz- bzw. Kreislauftod in Frage, der auch von zahlreichen Gegnern der
Hirntodthese angeführt wird, zumal dies das übliche Todeskriterium war, bevor
es darum ging, Organe für die Transplantation zu gewinnen. Als Zeichen des
Herztodes gilt der Verlust des Herzschlags oder des Pulses, der Atmung oder
ähnlicher charakteristischen Zeichen. Entgegen der landläufigen Auffassung konnte
allerdings keines dieser Zeichen, ob einzeln oder zusammengenommen, als
hinreichend für den Tod eines Organismus erwiesen werden. Auch Oderberg gesteht
aber zu, dass das Herztodkriterium ein weit besseres, wenn auch nicht
zuverlässiges Kriterium zur Bestimmung des Todes ist, als das Hirntodkriterium.
Der Herztod als Kriterium für den Tod eines Menschen wird mit
der Begründung herangezogen, dass nach einer gewissen Zeit ohne Herzschlag,
Kreislauftätigkeit und Atmung ein irreversibler Schaden an einer kritischen
Anzahl von Organen eintritt, so dass ein unwiderruflicher Prozess der
Desintegration begonnen hat (D. Alan Shewman 2009). Oderberg konzentriert sich
in einer kritischen Auseinandersetzung mit dieser These auf den Begriff der Irreversibilität
und macht deutlich, dass dieser Begriff entweder inadäquat ist oder unbeantwortbare
Fragen aufwirft. Dem stellt er entgegen, dass auf der Grundlage einer
hylemorphistischen Theorie es keinen einfachen wissenschaftlichen Test gibt,
der feststellt, ob ein Organismus irreversibel zerstört ist. Die metaphysische
Frage lautet hier: Ist der Organismus als Ganzes gegenwärtig und tut er das,
was Organismen eines bestimmten Typs üblicherweise tun? Nur eine Definition der
Irreversibilität, die diese Elemente berücksichtigt, ist vollständig. Jede
andere Definition der Irreversibilität ist unzureichend. Irreversibilität ist,
so Oderberg, kein Todeskriterium, sondern nur ein Symptom des Todes.
Verwesung als einziges sicheres Zeichen des Todes
Abschließend kommt Oderberg dann auf das einzige wirklich
zuverlässige Zeichen für die Trennung von Leib und Seele zu sprechen: Die
Verwesung des Organismus. Verwesung ist der Zerfall des Körpers und dies ist
zweifellos ein klares Zeichen des Todes. Physische Desintegration ist die
Manifestation einer Desintegration auf der metaphysischen Ebene – des Verlusts
der Integrität des Organismus, der bestehen muss, wenn die Form sich von der
Materie trennt. Zerfall beinhaltet Selbstauflösung des Organismus durch seine
eigenen Enzyme, und Heterolyse, die Verdauung des Organismus durch interne und
externe Mikroben und andere Organismen.
Natürlich gibt es niemanden, der ernsthaft dieses
Todeszeichen ist Frage stellt. Warum sollte man also nicht, so fragt Oderberg,
die ersten Zeichen der Verwesung (z.B. Totenstarre, Leichenflecken) als sicheren
Test für den Tod anerkennen? Schließlich war dies die Praxis in den meisten
Kulturen seit Beginn der Menschheit. Eingewendet wird dagegen, dass diese
Zeichen „zu weit vom eigentlichen Tod“ entfernt sind und „klinisch nicht sehr
hilfreich“? Doch was soll das bedeuten? Was dies bedeuten soll, ist bei
Anhängern der Organtransplantation klar: Bei diesen Kriterien für den Tod
lassen sich keine Organe mehr entnehmen und verpflanzen. Doch dies bedeutet, nach
all dem bisher gesagten, dass man Menschen töten muss, um ihre Organe zur
Transplantation zur Verfügung zu haben. Dies verstößt jedoch gegen die Regeln
der postmortalen Organspende, wonach Organe nur von Toten verpflanzt werden
dürfen. Klar, dass diese Regel inzwischen vielfach in Frage gestellt wird, (Nair-Collins,
M.; Green, S. R.; Sutin, a. R. 2014), und auch vom Deutschen Ethikrat
diskutiert wird (Deutscher Ethikrat 2015).
Zusammengefasst bedeutet dies, wie Oderberg abschließend
sagt, dass vor dem Zerfall der Organismus die Regel der postmortalen
Organspende unter den gegenwärtigen Umständen immer verletzt wird. Bevor der Organismus
zerfällt, was z.B. an der Leichenstarre oder an Leichenflecken erkennbar wird,
ist der Organismus nicht tot. Werden vorher Organe entnommen, handelt es sich
um eine Tötung, ob diese nun intendiert ist oder nicht. Zumindest aber gibt es ein
mehr als vernachlässigbares Risiko, dass die Regel verletzt wird, wonach nur
Toten Organe entnommen werden dürfen. Ob es sich um eine gewollte oder eine
ungewollte Tötung handelt ist moralisch relevant, spielt aber in diesem
Zusammenhang eine untergeordnete Rolle. Auf jeden Fall handelt es sich derzeit
bei jeder Organspende einer als Hirntod, bzw. Herztod erklärten Person um die
Tötung eines Menschen durch einen anderen Menschen, im Allgemeinen durch einen
Arzt. Wer bei einer solchen Tötung mitwirkt, ob als Empfänger eines für Tod
erklärten Menschen oder als medizinische Hilfskraft, beteiligt sich an der
Tötung eines Menschen.
Oderberg argumentiert hier ohne Zweifel für eine sehr
radikale Position, doch mir scheinen seine Argumente überzeugend und nur schwer
widerlegbar. Trifft dies zu, so hat er Recht mit seiner abschließenden
Forderung nach einem Moratorium für alle weiteren postmortalen Organtransplantationen
und bis zur Klärung der Frage nach einem sicheren Todeskriterium. Die von ihm
genannten sicheren Todeskriterien, z.B. die Totenstarre, machen es nach
derzeitigem Stand der medizinischen Wissenschaften unmöglich, dass Organe
transplantiert werden.
Bibliografie
Accad,
Michel (2015): Of
Wholes and Parts: A Thomistic Refutation of ‘Brain Death’, in: Linacre Quarterly
82: 217-234.
Deutscher Ethikrat (2015): Hirntod
und Entscheidung zur Organspende. Stellungnahme, 2015 https://www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Stellungnahmen/deutsch/stellungnahme-hirntod-und-entscheidung-zur-organspende.pdf).
Eberl, Jason (2015): A Thomistic Defense of
Whole-Brain Death, in: Linacre Quarterly 82: 235-250.
Oderberg,
David (2019): Death,
Unity, and the Brian, in: Theoretical Medicine and Bioethics, https://link.springer.com/epdf/10.1007/s11017-019-09479-8?author_access_token=aFf_I6Mkmpr2OkyqLfwUYPe4RwlQNchNByi7wbcMAY6uUcnWhB82qjw53orpK8r2eSAKbNIV60Gm_8OY9LCyHDHyi1KNPyfZym5ryYoaVrKdtSlHQaBWp0skrJdwB5u31tMY-Khqab70n2twq6wZOA%3D%3D.
Patrick Lee
& Germain Grisez
(2012): Total Brian Dead: A Reply to Alan Shewmon, in: Bioethics 26:
275-284.
Nair-Collins,
M.; Green, S. R.; Sutin, a. R. (2014): Abandoning the Dead Donor Rule? A National Survey of Public Views
on Death and Organ Donation. Journal of Medical Ethics. Online First:
26.09.2014. DOI: 10.1136/medethics-2014-10222.
Shewman, D.
Alan (2009): Brian
Death: Can it be resuscitated? In: Hastings Center Report 39(2): 18-24.
Der Aufsatz von Dr. Rafael Hüntelmann erschien zuerst in THEOLOGISCHES. Katholische Monatsschrift, Jahrgang 49, Nr. 09/10, Sept./Okt. 2019.
"...man muss Menschen töten, um ihre Organe zur Transplantation zur Verfügung zu haben. Dies verstößt jedoch gegen die Regeln der postmortalen Organspende, wonach Organe nur von Toten verpflanzt werden dürfen. ..."
AntwortenLöschenDer Summa von David Oderberg ist also vollumfänglich zuzustimmen, wenn er zu dem Schluss kommt:
"Auf jeden Fall handelt es sich derzeit bei jeder Organspende einer als Hirntod, bzw. Herztod erklärten Person um die Tötung eines Menschen durch einen anderen Menschen, im Allgemeinen durch einen Arzt. Wer bei einer solchen Tötung mitwirkt, ob als Empfänger eines für Tod erklärten Menschen oder als medizinische Hilfskraft, beteiligt sich an der Tötung eines Menschen."
Weiters stellt Oderberg fest:
"Ob es sich um eine gewollte oder eine ungewollte Tötung handelt ist moralisch relevant, spielt aber in diesem Zusammenhang eine untergeordnete Rolle."
Aus dem weiter unten genannten Grund möchte ich aber doch erwähnt wissen, dass es nicht nur moralisch sondern juristisch relevant ist, ob es sich um eine gewollte oder ungewollte Tötung handelt, denn das Gesetz ist hier eindeutig:
In der Rechtsprechung existiert der Unterschied zwischen "Totschlag"und "Mord". Mord unterliegt nicht der Verjährung, aber Totschlag unterliegt der Verjährung > https://www.verjaehrungsfristen.org/totschlag/ und zwar je nach Massgabe des Strafmasses, zwischen 10 und 30 Jahren, weshalb ich genau an diesem Punkt das Gezerre um die Auslegung des Todeszeitpunktes sehr gut nachvollziehen kann.
Sollte nämlich ein "Arzt"* aufgrund des (künftigen) Oderberg-Konsens einem Menschen Organe entnehmen, muss er ihn zwangsläufig töten und zwar zum Zweck der Verpflanzung in einen anderen Menschen zu wiederum dessen Lebensverlängerung, was wiederum den "Arzt" nicht nur zum Bruch seines Hippokratischen Eides > https://intrinsis.de/hippokratischer-eid/ brächte, was ihn - nebenbei bemerkt - zwingend in die Ehrlosigkeit eines "Quacksalbers" entliess, sondern vielmehr dem Arm des Gesetzes zuführen muss. Justitia wird dann entscheiden, ob der § 211 StGB > https://dejure.org/gesetze/StGB/211.html zum Ansatz kommt, wonach festgestellt werden muss, ob der "Arzt"* "aus (...) Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken", gehandelt hat oder ob §212 StGB (Totschlag) > https://dejure.org/gesetze/StGB/212.html in Betracht zu ziehen sei mit den erwähnten Verjährungsfristen.
Eine Ausschlussbehauptung Oderbergs möchte ich widerlegen, wonach "nur" die Philosophie, bzw. die Metaphysik in der Lage seien, zu bestimmen, was der Tod ist, denn ich denke, daß es möglich ist, interdiziplinär zu den naturrechtlich relevanten Schlüssen zu kommen, freilich auf Grundlage des (aristotelischen/thomistischen) Naturrechts. Es gibt überraschenderweise auch prominente Schützenhilfe aus der Physik und zwar vom Physik-Nobelpreisträger Erwin Schrödinger ("Schrödingers Katze"):
AntwortenLöschenDr. Paolo Bavastro hielt im Jahre 2007 einen erhellenden Vortrag über das Thema "Leben und Tod aus der Sicht der Physik":
“…E. Schrödinger, der Vater der Quantenmechanik, hatte 1944 die Fragen gestellt: 'Wie lassen sich die Vorgänge in Raum und Zeit, welche innerhalb der räumlichen Begrenzung eines lebenden Organismus vor sich gehen, durch die Physik und die Chemie erklären?'
'Was ist das Kennzeichen des Lebens?'
Seine Antwort: 'Wenn es fortwährend etwas tut, sich bewegt, mit der Umwelt Stoffliches austauscht usw. und zwar während einer viel längeren Zeit, als wir unter gleichen Bedingungen von einem unbelebten Stück Materie erwarten, dass es in Bewegung bleibe. Damit verschwindet die ganze Körperhaftigkeit, und übrig bleibt ein totes, träges Stück Materie… Der Physiker nennt dies den thermo-dynamischen Gleichgewichtszustand oder den Zustand maximaler Entropie”
Das “Kennzeichen des Lebens” sei der Widerstand, den es dem Niedergang entgegensetzt – nicht seine Fähigkeit, sich zu reproduzieren, zu wachsen, sich zu entwickeln, sondern dass es in der Lage ist, für eine so lange Zeit “in Bewegung zu bleiben”.
Der Kunstgriff, den Tod des Individuums abzuwehren, liegt nach Schrödinger in der “eigentümlichen Anordnung der Moleküle, für die die gewöhnlichen Gesetze der Physik nicht gelten”.
Solange ein Mensch, ein Organismus, lebt, gelten für ihn die gewöhnlichen Gesetze der Physik nicht; er entzieht sich dem Zerfall, er befreit sich von der Entropie, er entzieht sich dem Gleichgewicht mit der Umgebung: Erst im Tod, nach “Abschluss” des Sterbeprozesses gelten die Gesetze der Physik, der Entropie: Der Organismus zerfällt, die Organe lösen sich auf, ein thermodynamisches Gleichgewicht wird angestrebt.
Nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, also unter rein physikalischen Betrachtungen, ist der Mensch im Hirnversagen ein Lebender! Wir können Organe eines Menschen im Hirnversagen deshalb funktionsfähig transplantieren, weil sich ein solcher Spender noch nicht dem Zustand der Entropie “verfallen” ist, also noch lebt!
Halten wir also an dieser Stelle in aller Deutlichkeit fest: Es handelt sich bei den sogenannten “Hirntoten” biologisch, phänomenologisch, physikalisch und nicht zuletzt sprachlich um lebende Menschen! Es sind schwerstkranke, sterbende Menschen, ein Sterbender ist aber ein noch lebender Mensch.…"*
*Das Exzerpt ist entnommen aus INTRINSIS.de "Leben und Tod aus Sicht der Physik" > https://intrinsis.de/2016/09/21/leben-und-tod-aus-sicht-der-physik/