Ziel des Staates und aller staatlichen Maßnahmen ist das Gemeinwohl. Die Definition des Gemeinwohls lautet:
Das Gemeinwohl sollte in Übereinstimmung stehen mit dem Wohl
des Einzelnen, der Familien und der Gemeinden, bzw. mit den
Gliedgemeinschaften, die zu einem Staat gehören. Da dies nicht immer leicht zu
realisieren ist, kommt hier ein weiteres Prinzip zur Anwendung, das auf das
Engste mit dem Gemeinwohl verbunden ist, das Subsidiaritätsprinzip. Nach
dem Subsidiaritätsprinzip darf eine höherstehende Gesellschaft einer niedriger
stehende Gemeinschaft keine Aufgaben abnehmen, die diese selbst erledigen kann.
Im Staatsaufbau unseres Landes kommt dies zum Ausdruck durch die Gliederung:
Bundesstaat, Länder, Kreise und Gemeinden. Das Subsidiaritätsprinzip hat eine
außerordentlich große und kaum zu überschätzende Bedeutung für die
Verwirklichung des Gemeinwohls. Eingriffe des Bundesstaates in die Aufgaben der
Länder oder Gemeinden, aber auch Eingriffe der Länder und Gemeinden in die
Aufgaben der Familien stellen daher immer eine schwere Verletzung des
Gemeinwohls dar, sofern diese nicht von sich aus um die Hilfe der höheren
Gliederung bitten. Deshalb lässt sich sagen, dass das Subsidiaritätsprinzip
wesentlich der Verwirklichung des Gemeinwohls dient. Totalitäre Staaten sind
häufig allein daran erkennbar, dass sie das Subsidiaritätsprinzip missachten.
Bei der Corona-Pandemie handelt es sich um eine schwere Virusinfektion,
die vermutlich gefährlicher ist als eine durchschnittliche Grippewelle. Da zum
Gemeinwohl die Bewahrung und Erhaltung der Gesundheit der Menschen eines
Gemeinwesens gehört, ist es Aufgabe des Staates und seiner Gliederungen,
Maßnahmen zu ergreifen, die eine Ausbreitung der Krankheit verhindern oder
zumindest deutlich einschränken. Hierbei ist unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips
eine abgestufte Verantwortung der staatlichen Gliederungen erforderlich, wobei
der Bundesstaat den Rahmen festlegen kann, der dann in den Ländern, Kreisen und
Gemeinden weiter ausgearbeitet werden kann.
Das Gut der Gesundheit steht sehr hoch, da viele andere Güter
davon abhängen. Wer nicht gesund ist, kann seiner Arbeit, seinen täglichen
Verpflichtungen und der Sorge für die Familie nicht nachgehen. Allerdings steht
das Gut der Gesundheit neben vielen anderen Gütern, die für das Gemeinwohl
eines Landes und der Familien von Bedeutung sind. Daher ist eine angemessene Abwägung
der verschiedenen Güter (nicht der „Interessen“, wie heute oft im Sinne eines
liberalen Individualismus gesagt wird) von großer Bedeutung für Entscheidungen
der politisch Verantwortlichen, wenn es um die Gesundheit der Menschen eines
Gemeinwesens geht.
Ein allgemeiner Lockdown bei einer schweren Infektionsgefahr
ist das wohl weitgehendste Mittel zur Verhinderung der Ausbreitung eines Virus.
Zu Beginn der Covid-19 Pandemie wurde dieses Mittel von der Bundesregierung
ergriffen. Ob diese Maßnahme angemessen war oder übertrieben, lässt sich im
Nachhinein leichter entscheiden als zum Zeitpunkt, als diese Maßnahme ergriffen
wurde. Zum damaligen Zeitpunkt gab es zahlreiche Indikatoren, die auf eine
extreme Gefahr durch das Virus hinwiesen (China, Italien etc.) und zumindest
die harten Maßnahmen der Regierung verständlich machen.
Je länger ein Lockdown anhält, desto schwerwiegender werden
die Folgen für die gesamte Gesellschaft und für das Gemeinwohl. Millionen von
Menschen konnten nicht mehr ihrer Arbeit nachgehen und das Einkommen für ihre
Familien erwirtschaften. Zahlreiche Unternehmen mussten ihre Tätigkeit
einstellen und konnten keinen Umsatz generieren und viele dieser Unternehmen
haben inzwischen Konkurs anmelden müssen. Weitere Folgen sind bekannt und haben
zu einer erheblichen, bisher nicht gekannten Reduktion des Bruttoinlandsvermögens
geführt und werden auch weiterhin und noch über Jahre Folgen nach sich ziehen,
die zu einer zumindest partiellen Verarmung des Volkes führen könnten.
Daher ist eine weitere Verlängerung oder die derzeit
diskutierte Wiedereinführung eines allgemeinen oder regionalen Lockdowns von
Seiten der Befürworter begründungsbedürftig. Gründe für solche Maßnahmen müssen
in dem Nachweis bestehen, dass andere Maßnahmen nicht ausreichend sind und dass
nur ein Lockdown das Gemeinwohl sicherstellt.
Nachdem was mittlerweile über das Covid-19 Virus bekannt ist,
ist dieses weit weniger gefährlich als zu Beginn der Pandemie angenommen wurde.
Die Gefahr einer Überlastung der Krankenhäuser, die als Begründung für den
Lockdown zu Recht angeführt wurde, ist nicht eingetreten und auch jetzt nicht
absehbar. Die Auslastung der Intensivbetten liegt derzeit nach Angaben des RKI
bei etwa 70%. Davon sind nur ein sehr geringer Prozentsatz Patienten, die mit
dem Coronavirus infiziert sind (aktuell etwa 900 Patienten, davon ca. 50 mit
Beatmung). Es gibt weitere empirische Daten, die bestätigen können, dass die
Gefahren der Pandemie derzeit gut beherrschbar sind und keine allgemeine
Bedrohung der Gesundheit der gesamten Bevölkerung darstellen. Diese Zahlen
könnten erheblich klarer werden, wenn die Medien sich entschließen könnten,
statt der täglich aufgelisteten Neuinfektionen auch die Zahl der tatsächlich Erkrankten
zu nennen. Nach den Angaben, die man mit ein wenig Mühe auf der Website des RKI
nachlesen kann, zeigen viele Menschen überhaupt gar keine Symptome oder nur leichte
bis mittelschwere Symptome der Krankheit.
Es ist die Aufgabe der Regierung und der untergeordneten
staatlichen Gliederungen diese Daten abzuwägen und in Hinsicht auf das
Gemeinwohl ernsthaft zu prüfen. Was selbst ein Laie mit wissenschaftstheoretischen
Kenntnissen feststellen kann ist, dass weder ein lokaler noch ein regionaler
Lockdown sinnvoll ist. Dies gilt m.E. auch für Berchtesgaden, wo der Anteil der
tatsächlich Erkrankten, trotz der hohen Infektionszahlen, erstaunlich niedrig
ist.
Schwerwiegende Maßnahmen für die gesamte Bevölkerung einer
Region oder gar des ganzen Landes zu ergreifen, wenn die Neuinfektionen bei
über 50 auf 100.000 Einwohner liegen, kann nicht dem Gemeinwohl entsprechen.
Denn 50 oder auch 100 Personen, die erkrankt sind, behindern 99.900 Personen
daran, ihr Leben selbständig zu führen, arbeiten zu gehen, ihren alltäglichen Verpflichtungen
nachzukommen, ihre Familien zu versorgen, ihre Kinder zur Schule zu schicken
usw. Die Verhältnismäßigkeit, die ein Kriterium für das Gemeinwohl darstellt,
ist hier nicht gewahrt, zumal nicht klar ist, wie viele dieser Neuinfizierten
tatsächlich erkrankt sind. Es gibt viele andere Maßnahmen, insbesondere die
Isolation der Infizierten und der Personenkreise, die besonders durch eine
Infektion gefährdet werden, sowie die bereits bekannten Maßnahmen des
Abstandhaltens und des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes in allen geschlossenen
öffentlichen Räumen. Solche Maßnahmen beeinträchtigen das Gemeinwohl nur gering
und sind, konsequent angewendet, vermutlich nicht weniger wirkungsvoll wie ein
kompletter Lockdown. Sollte sich dann zeigen, dass die Auslastung der
Intensivbetten deutlich zunimmt und die Gefahr einer Überlastung entsteht, kann
immer noch ein Lockdown angeordnet werden. Niemand käme auf die Idee, den Straßenverkehr
zu verbieten, wenn die Zahl der Verkehrstoten zunimmt, da der Straßenverkehr bzw.
die Mobilität für das Gemeinwohl von außerordentlich großen Wert sind. Noch
deutlich höher ist das Wert der Arbeit und der wirtschaftlichen Entwicklung für
ein Land.
Warum die Politiker zusammen mit den Medien derzeit Angst
verbreiten und sich mit der Forderung nach weiteren Einschränkungen der
Freiheit übertreffen, lässt sich nur mutmaßen. Im Sinne des Gemeinwohls wäre eine Beruhigung der Bevölkerung. Angst ist stets ein schlechter Ratgeber, wird aber von totalitären Staaten angewendet, um ihre Politik durchzusetzen. Jedenfalls scheint dabei nicht
das Gemeinwohl der bestimmende Grund zu sein.
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