Eine für die scholastische Kausaltheorie zentrale
Unterscheidung ist die zwischen Kausalität per se (causa per se) und Kausalität
per Akzidenz (causa per accidens). Diese Unterscheidung zweier grundlegend
verschiedener Arten von Kausalität findet sich in der Scholastik nicht nur bei
Thomas von Aquin, sondern ebenso bei Duns Scotus und fast allen anderen
Scholastikern und gehört insofern zum Gemeingut der scholastischen Philosophie.
Sie findet sich jedoch in der neuzeitlichen und modernen Philosophie nicht mehr.
Ursachen per se unterscheiden sich in dreifacher Hinsicht von akzidentellen
Ursachen, wie Duns Scotus herausgestellt hat.
Zunächst besteht der Unterschied darin, dass die akzidentelle
Ursache von der Ursache per se oder der essentiellen Ursache abhängig ist und
zwar hinsichtlich des Aktes der Verursachung. Das klassische Beispiel hierfür
ist ein Stab, der einen Stein bewegt. Der Stab verursacht, dass der Stein sich
bewegt aber nicht durch seine eigene Kraft. Der Stab bewegt den Stein durch die
Bewegung der Hand, die den Stab führt bzw. bewegt. Die Hand, oder besser gesagt
die Person, ist das, was die Scholastiker als Erstursache bezeichnen, während
der Stab, der den Stein bewegt, die Zweitursache oder die instrumentelle
Ursache ist. Der Stab hat die Kraft den Stein zu bewegen nur durch die Kraft
der Person, die den Stab bewegt. Diese Art der Abhängigkeit ist das bestimmende
Merkmal für eine essentiell oder per se geordnete Kausalreihe.
Akzidentell geordnete Kausalreihen sind davon deutlich
verschieden. Duns Scotus erläutert eine solche Kausalreihe wieder an einem einfachen
und leicht nachvollziehbaren Beispiel: Ein Vater zeugt einen Sohn, der
seinerseits wieder einen Sohn zeugt. Obwohl der Sohn nur existiert, weil der
Vater ihn gezeugt hat, ist der Sohn, nachdem er einmal existiert, in der Lage,
seinen eigenen Sohn zu zeugen, gleichgültig, ob der Vater in der Nähe ist, oder
vielleicht sogar schon gestorben ist. Dies ist ein deutlicher Unterschied zu
dem Stab, der nicht vermag, den Stein zu bewegen, wenn nicht die Hand den Stab
bewegt. Im Unterschied zum Stab hat nämlich der Sohn die Kraft zur Zeugung „in
sich“, während der Stab keine Kraft in sich hat. In diesem Sinne ist die
Beziehung zwischen den Mitgliedern einer akzidentellen Kausalreihe „akzidentell“
oder „nicht-wesentlich“.
Ein weiterer Unterschied zwischen diesen beiden Arten von
Ursachen besteht darin, dass bei per se geordneten Kausalreihen die Kausalität
zu einer anderen Natur oder Ordnung gehört als bei der akzidentellen
Kausalreihe und zwar insofern, als die höhere Ursache vollkommener ist. Der
Stab hat keine Kraft in sich selbst, den Stein zu bewegen, während die Person
diese Kraft in sich selbst hat. In diesem Sinne hat der Beweger des Stabes, die
Person eine kausale Kraft einer anderen Ordnung oder einer anderen Natur als
der Stab und zwar von einer „vollkommeneren Art“. Daher ist die Erstursache
oder die nicht-abgeleitete Ursache von einer höheren und vollkommeneren Art als
die instrumentelle oder bloß abgeleitete Kausalität.
Der dritte Unterschied zwischen per se Kausalität und
akzidenteller Kausalität besteht darin, dass die erstere Kausalreihe
gleichzeitig ist, was bei der letzteren Kausalreihe nicht der Fall sein muss.
Der Stab bewegt den Stein nur dann und nur so lange, wie die Person den Stab
bewegt. Demgegenüber ist die Zeugung eines eigenen Sohnes durch den Sohn des
Vaters unabhängig davon, ob der Vater überhaupt noch existiert.
Nun gehört es zu der Standardtheorie der Scholastik, dass
akzidentell geordnete Kausalreihen zumindest prinzipiell unendlich weit
zurückreichen können, während dies bei per se oder essentiell geordneten
Kausalreihen nicht der Fall ist. Denn weil jedes Glied einer akzidentell
geordneten Kausalreihe ihre kausale Kraft in sich selbst und nicht abgeleitet
hat, gibt es keine Notwendigkeit, irgendein Glied als das Letzte bzw. als das
Erste anzusetzen. Der Vater kann selbst wieder von einem anderen Vater gezeugt
worden sein und dieser wieder von einem anderen und so weiter bis ins
Unendliche. Zumindest prinzipiell muss eine solche Kausalreihe keinen Anfang
haben.
Ganz anders sieht es hingegen bei der essentiellen oder per
se Kausalität aus. Thomas von Aquin erläutert dies folgendermaßen: „Dasjenige,
das als eine instrumentelle Ursache bewegt, kann nicht bewegen außer es gibt
eine erste bewegende Ursache. Aber wenn wir in die Unendlichkeit fortfahren mit
Bewegern und bewegten Dingen, wären alle Beweger instrumentelle Ursache, weil sie
bewegte Beweger sind und es nichts gäbe, was ein erster Beweger wäre. Deshalb
würde nichts bewegt.“ Die Grundidee dabei ist die, dass ein späteres Glied
einer per se geordneten Kausalreihe keine kausale Kraft in sich selbst besitzt,
sondern dass es diese Kraft vollständig von einer anderen Ursache empfängt, die
eine inhärente kausale Kraft besitzt. Wären alle Ursache dieser Reihe instrumentell,
dann käme es zu gar keine Bewegung.
Gegen mögliche Einwände sei betont, dass mit der „ersten“
Ursache keine zeitliche Folge gemeint ist, also nicht die Ursache, die vor der
zweiten, der dritten oder vierten Ursache kommt, sondern die „nicht von einer
anderen abgeleitet ist“, d.h. die ihre kausale Kraft in sich selbst hat im
Unterschied zu einer Ursache, die ihre Kraft allein von einer anderen Ursache
hat.
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