In der Werbung gibt es nicht selten Sprüche wie „No limits“
oder „Alles ist möglich“. Dass dies leider nie der Fall ist, wissen wir
natürlich. Doch warum ist alles begrenzt, und zwar nicht nur räumlich und
zeitlich, sondern auch in anderen Hinsichten. Dies versucht die Theorie von
Form und Materie (Hylemorphismus) zu erklären. Die Theorie ist Fundament für
die gesamte Philosophie der materiellen Entitäten. Ein Baum ist ein Baum und
keine Rose und es ist ein bestimmter Baum, nicht die Gattung Baum. Der Baum ist
zudem sowohl räumlich, als auch zeitlich begrenzt, wenn auch die Lebensdauer
eines Baumes hundert Mal so groß sein kann, wie die eines Menschen.
Edward Feser bezieht sich auf ein einfacheres Beispiel: die Rundheit selbst und als solche
ist universal und nichts Einzelnes; sie ist vollkommen und exakt und nicht, wie
ein konkreter runder Gegenstand, einzeln und bestenfalls nur annähernd
vollkommen und exakt. Jeder runde Gegenstand ist immer nur eine unvollkommene
und ungefähre Annährung an die Rundheit, sei es nun ein Kreis, den ich zeichne,
oder ein runder Tisch. Diese konkreten, einzelnen runden Dinge sind Instanzen
der Rundheit als solcher. Sie sind in Raum und Zeit begrenzt, aber auch
begrenzt in ihrer Annährung an die allgemeine Rundheit. Sie sind rund in einem
bestimmten Grad von Rundheit. Wenn Rundheit eine Art ist aktual zu sein, dann
ist die Rundheit in dieser begrenzten Form, wie sie sich bei allen runden
Gegenständen findet, eine Art von Potenzialität. Denn insofern der gezeichnete Kreis
oder der runde Gegenstand nur unvollkommener rund sind, haben sie nur teilweise
eine Potenz zur Rundheit aktualisiert. Und insofern der runde Gegenstand in
Raum und Zeit ist, ist er potenziell zu dieser Zeit und in diesem Raum und
nicht zu einer anderen Zeit oder in einem anderen Raum.
Das nun, wodurch der Kreis oder der runde Tisch aktual rund sind,
ist die Form und dasjenige, wodurch der runde Gegenstand begrenzt ist, sowohl
in Raum und Zeit als auch in den anderen Hinsichten, ist die Materie. Die
Materie ist der Grund für die Begrenzung der materiellen Dinge. Die Form als
solche, die Rundheit als Rundheit, ist nicht durch irgendetwas begrenzt. Ihre Begrenzung
erfährt sie, wenn sie mit der Materie verbunden wird, wenn ich einen Kreis auf
Papier zeichne oder einen runden Tisch herstelle.
Insofern ist der Hylemorphismus eigentlich nichts anderes
als die Anwendung der universalen Akt-Potenz Theorie auf materielle Körper. Die
Form ist in der „Rolle“ des Aktes, die Materie in der „Rolle“ der Potenz. Form
ist das intrinsische Prinzip in jeder materiellen Entität, durch die diese ihre
bestimmte (begrenzte) Vollkommenheit hat, ihre Dauerhaftigkeit und auch ihre
Identität als das, was der Gegenstand ist.
Wie Akt und Potenz sind auch Form und Materie in jedem
Körper verschiedenen aber nicht zu trennen. Materie ist passiv, aufnehmend und
unbestimmt, die Form ist aktiv und bestimmend. Materie ohne jede Form wäre
nichts andere als Potenz ohne jede Bestimmung – nichts. Daher gibt es keine „reine
Materie“ ohne Form. Was wir als Materie im Alltag verstehen – Steine, Berge,
Flüsse, oder auch Atome und subatomare Teilchen – ist immer schon bestimmte,
geformte Materie.
Ebenso wie aber ein reiner Akt durchaus denkbar ist, ist
auch reine Form denkbar. So ist für scholastische Philosophen der Geist oder
der Verstand immateriell und insofern reine Form, Form die, zumindest im
Prinzip, ohne Materie existieren kann. Eine rein intellektuelle Substanz, eine
Substanz, die nur aus einer Form besteht und nicht mit Materie verbunden ist,
dies ist es, was die Scholastik unter dem Begriff eines „Engels“ versteht.
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