Die Wesenheit einer Sache ist ihre Natur, das, wodurch sie
das ist, was sie ist. Die Wesenheit
ist das, was wir intellektuell erfassen, wenn wir die Gattung und den spezifischen Unterschied einer Sache erfassen. Das
klassische Beispiel zur Erläuterung der Wesenheit ist die Definition der
Wesenheit des Menschen bei Aristoteles als rationales Sinneswesen. In dieser
Definition wird Sinneswesen als
Gattung betrachtet, unter die der Mensch fällt und Rationalität als das, was den Menschen als Art von der Gattung unterscheidet. Wenn die Definition richtig ist,
dann gibt sie uns das Wesen des Menschen an.
Die Form einer materiellen Substanz bestimmt die Wesenheit
einer solchen Substanz. Oft werden die Begriffe „Form“ und „Wesenheit“ in der
scholastischen Philosophie synonym verwendet. Dies ist allerdings genau
genommen nicht richtig, da die Wesenheit einer materiellen Substanz aus Form
und Materie besteht, denn die Materie ist wesentlich für die Tätigkeit der
materiellen Substanzen. Bei einer immateriellen Substanz allerdings wäre die
Form identisch mit der Substanz.
Unter dem Begriff Essentialismus,
der in der Gegenwartsphilosophie häufiger zu hören ist, versteht man ganz
allgemein die Auffassung, dass es wirkliche oder echte Wesenheiten gibt. Lässt
sich dies beweisen? Ein Ansatz zur Begründung der Realität von Wesenheit kann
sich auf Aristoteles berufen (Buch II der Physik),
wenn er sagt, dass es absurd wäre zu versuchen, die Natur der Dinge zu
beweisen. Damit meint Aristoteles, dass es nicht zweifelhaft sein kann, dass
Dinge Wesenheiten oder Naturen haben, da dies ganz offensichtlich ist. Er meint,
dass es offensichtlicher ist, dass Dinge Wesenheiten haben als jeder Beweis für
die Existenz von Wesenheiten oder Naturen. Nur unter höchst kontroversen und
dubiosen philosophischen Annahme lässt sich die Realität der Wesenheiten in Zweifel
ziehen.
Nun gibt es aber tatsächlich Zweifel an der Realität der
Wesenheiten und insofern muss man mehr zur Rechtfertigung der Wesenheiten sagen
als Aristoteles dies getan hat. Edward Feser nennt in seinem Buch Scholastic Metaphysics,
(auch dieser Blogbeitrag ist eine Zusammenfassung des entsprechenden Kapitels der
Seiten 211 – 216) mehrere Argumente aus der jüngeren Zeit, die zumeist von
neueren Essentialisten stammen.
So kann man das Argument von Hilary Putnam für den „wissenschaftlichen
Realismus“ auch auf die Wesenheiten anwenden. Die Welt ist so verfasst wie wir
es erwarten, wenn die Dinge wirklich Wesenheiten haben. Insbesondere zeigen
Dinge eine Einheit, die wir erwarten können, wenn Dinge eine Wesenheit haben
und zwar in zwei Hinsichten. Zunächst stehen die Dinge miteinander in einer
Weise in Verbindung, dass sie eine Einheit bzw. Gemeinsamkeit zeigen. Eine
Eiche und eine weitere Eiche sind so verbunden, wie sie es nicht mit Steinen,
Hunden oder Menschen sind. Dieser Eisbär und jener Eisbär und ein weiterer
Eisbär sind in einer ähnlichen Weise miteinander verbunden. Dieses bestimmte
Kupferstück und jenes und ein drittes bilden ebenfalls eine Einheit und so
weiter. Diese Gruppen von Dingen manifestieren gemeinsame kausale Kräfte und
andere Eigenschaften in genau der Art und Weise die wir erwarten würden, wenn
es gemeinsame reale Wesenheiten oder Naturen gibt, die von den Dingen instanziiert
werden, die aber mysteriös wären – ein „Wunder“ wie Putnam sagen würde (daher
der Name dieses Arguments: no miracles
argument) – wenn ihre Zusammenstellung allein durch menschliche Konvention
zustande kommt.
Zudem zeigt jedes individuelle Ding eine ihm eigene Einheit.
Eine Eiche, ein Eisbär, ein Stück Kupfer wird sich im Verlauf der Zeit immer in
einer einheitlichen und vorhersagbaren Weise verhalten. Sie zeigen ganz
charakteristische Eigenschaften und Verhaltensmuster, bestehen durch die Zeit trotz
Veränderungen ihrer oberflächlichen Merkmale, und die Teile dieser Dinge funktionieren
in einer integrativen Art und Weise. Und genau das ist es, was wir erwarten
würden, wenn es Wesenheiten oder Naturen gibt und es wäre sehr mysteriös, wenn
es keine solchen Wesenheiten gäbe.
Natürlich ist damit keineswegs gesagt, dass es immer oder
auch nur zumeist einfach ist, bestimmte Dinge einer bestimmten Klasse oder
Gruppe zuzuordnen oder genauer gesagt, dass es einfach ist, die Wesenheiten der
Dinge zu bestimmen. Doch Schwierigkeiten bei der Bestimmung oder der Erkenntnis
von Wesenheiten bedeuten nicht, dass es keine Wesenheiten gibt. Der Punkt im
Argument Putnams ist, dass es sehr mysteriös wäre, wenn die Einheit und Ordnung
der Dinge nicht auf ihren bewusstseinsunabhängigen Wesenheiten beruhen würden.
Die weiteren Argumente möchte ich für den nächsten
Blogbeitrag zurückstellen.
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