Richard Swinburne, Professor für Religionsphilosophie an der Oxford University, gehört derzeit zu den bekanntesten und meist diskutierten Religionsphilosophen. Er feierte im vergangenen Jahr seinen 80. Geburtstag und dazu gab es eine internationale Konferenz in den USA. Swinburne hat eine neue Art von Gottesbeweisen in die Philosophie eingeführt, nachdem er zu der Auffassung gekommen ist, dass alle bisherigen Beweise für die Existenz Gottes, also auch die „fünf Wege“ Thomas von Aquins oder die Beweise Leibniz‘, gescheitert sind. Dennoch hat Swinburne nicht völlig neue Gottesbeweise vorgestellt, sondern es ist seine Methode, die sich von früheren Gottesbeweisen unterscheidet. Diese Methode ist induktiv und beruht auf der Wahrscheinlichkeitstheorie (Bayesianische Theorie der Bestätigung wissenschaftlicher Hypothesen).
Swinburne kumuliert verschiedene Argumente für die Existenz
Gottes, die z.T. auch schon vor ihm verwendet wurden, mit Hilfe der Bayesianische
Theorie der Bestätigung wissenschaftlicher Hypothesen und errechnet so die
Wahrscheinlichkeit für die Existenz eines intelligenten, allmächtigen,
allwissenden Wesens, das man Gott nennt. Damit geht er wie ein
Naturwissenschaftler an das Problem der Gottesbeweise heran. Swinburne meint,
dass es keine logisch zwingenden Argumente für die Existenz Gottes gibt, weil
die Welt in der wir leben, auch ohne Gott existieren könnte. Thomas von Aquins „fünf
Wege“ haben genau das Gegenteil gezeigt, aber ich vermute, dass Swinburne diese
Argumente nicht genau genug kennt. Swinburnes philosophischer Hintergrund ist
der Empirismus, wenn auch nicht in einem so radikalen Sinne wie bei David Hume,
aber Swinburne teilt nicht die Auffassung Thomas von Aquins über die Kausalität
oder die interne Finalität. Deshalb sucht Swinburne nach empirischen Hinweisen
für die Existenz Gottes.
Swinburne kritisiert, dass die bisherigen Theorien für die
Existenz Gottes nicht die Möglichkeit in Betracht gezogen haben, die
verschiedenen Beweise und Hinweise auf die Existenz Gottes miteinander zu
verbinden und dadurch die Wahrscheinlichkeit für die Existenz eines Gottes zu
erhöhen. Jedes einzelne Argument für die Existenz Gottes für sich betrachtet
hält Swinburne für schwach, denn ein solches Argument lässt sich fast immer
durch Gegenargumente in seiner Überzeugungskraft unterminieren. Durch die
Kombination der verschiedenen Argumente, so meint Swinburne, erhöht sich
allerdings die Wahrscheinlichkeit für die Existenz Gottes ganz erheblich. Man
könnte hier einwenden, dass Thomas doch auch fünf Argumente für Gottes Existenz
angeführt hat. Allerdings hat Swinburne insofern recht, als Thomas der
Überzeugung war, dass jedes einzelne Argument für sich betrachtet ausreicht, um
die Existenz Gottes zu beweisen. Thomas will durch die fünf Wege nicht die
Wahrscheinlichkeit für Gottes Existenz erhöhen.
Swinburne lehnt aus diesen Gründen auch nicht alle
bisherigen Argumente für die Existenz Gottes ab, sondern übernimmt einige von
ihnen, um sie mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitstheorie als Hypothesen mit einer
bestimmten Wahrscheinlichkeit zu rekonstruieren. Dabei geht er gewissermaßen wir ein
Richter in einem Indizienprozess vor. Die Indizien, also Hinweise, die die
Existenz Gottes wahrscheinlich machen, werden kumuliert, woraus sich dann eine
höhere Wahrscheinlichkeit ergibt, dass Gott existiert. Zumindest ist diese
Wahrscheinlichkeit nach Swinburnes Auffassung höher als die Gegenthese, dass Gott
nicht existiert und deshalb ist es rational, an die Existenz Gottes zu glauben.
Die Berechnung der Wahrscheinlichkeit mit Hilfe der Bayesianische Theorie der
Bestätigung wissenschaftlicher Hypothesen will ich hier nicht näher erläutern,
da diese Theorie recht komplex und umfangreich ist. Angriffe auf Swinburne
beziehen sich oft auf Argumente gegen diese Wahrscheinlichkeitstheorie, die im
Bereich der Wissenschaftstheorie durchaus umstritten ist. Der wichtigste und
meines Erachtens auch stärkste Einwand besteht darin, dass die Berechnung der
Wahrscheinlichkeit einer Hypothese im Wesentlichen auf subjektiven
Überzeugungen beruht. Dies wird besonders deutlich, wenn man die Beweise oder
Hinweise Swinburnes betrachtet, die dieser für die Existenz Gottes ins Feld führt.
Im Allgemeinen werden sechs Hinweise genannt, doch die Zahl könnte prinzipiell
auch vermehrt werden.
1.
Die Komplexität des Universums
2.
Die ungeheure Ordnung des Universums
3.
Die Existenz von Wesen mit Bewusstsein, also die
Existenz von Tieren und Menschen
4.
Die Kompatibilität der Bedürfnisse von Menschen
und Tieren mit den Umweltverhältnissen
5.
Das Vorkommen von Wundern
6.
Die Feinabstimmung des Universums, ohne die all
das, was wir in unserer Welt kennen, z.B. Menschen und Tiere, nicht existieren
würde.
Swinburne sieht dabei stets die religiösen Erfahrungen die sich bei zahlreichen Menschen finden, als
das Fundament. Diese ist nicht selbst ein
Argument, sondern das Entscheidende. Und genau damit wird die ganze
Argumentation subjektiv.
Um die Wahrscheinlichkeit dieser Hypothesen für die Existenz
Gottes zu berechnen, müssen auch die Gegenargumente berücksichtigt werden, wie
bei einem Indizienprozess. Nach Swinburne gibt es aber nur ein ernstzunehmendes
Gegenargument, nämlich das Leid und Übel in der Welt. Warum gibt es so viel
Leiden in der Welt, wenn es doch einen guten Gott gibt? Swinburne hat auch
darauf eine Antwort: Gott lässt das Übel und das Leid zu, damit die Menschen
durch Forschung und Entwicklung, durch ihr Erkenntnisvermögen Mittel
entwickeln, um dieses Leid zu mindern und dadurch einen technologischen
Fortschritt zu schaffen. Swinburne hält dieses Gegenargument deshalb für eher schwach.
Gegen die von Swinburne genannten Hinweise für die Existenz
Gottes, die alle aus den empirischen Wissenschaften stammen, sind verschiedene
Gegenargumente vorgebracht worden, ebenso wie gegen die Methode der Kumulation
und der Wahrscheinlichkeitstheorie. Die Beurteilung des Übels und des Bösen als
Gegenargument wird nach Auffassung verschiedener Kritiker als verharmlosend kritisiert.
Die Beurteilung der Ordnung und Schönheit des Universums wird als sehr stark
subjektiv geprägt bezeichnet und die Bedeutung von Wundern wird mit Hinweis auf
David Humes Kritik an der Existenz von Wundern entschieden zurückgewiesen.
Besonders aber steht die Verwendung der Wahrscheinlichkeitstheorie im Fokus der
Kritiker, weil diese keine objektive Abschätzung der Wahrscheinlichkeit
erlaubt.
Alles in Allem halte ich Swinburnes Argumentation für sehr
schwach. Allenfalls können die Hinweise als zusätzliche Bestätigung für die
Existenz Gottes dienen, wenn dessen Existenz Gottes bereits bewiesen ist.
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