Samstag, 28. Mai 2016

Richard Swinburnes Gottesbeweise


Richard Swinburne, Professor für Religionsphilosophie an der Oxford University, gehört derzeit zu den bekanntesten und meist diskutierten Religionsphilosophen. Er feierte im vergangenen Jahr seinen 80. Geburtstag und dazu gab es eine internationale Konferenz in den USA. Swinburne hat eine neue Art von Gottesbeweisen in die Philosophie eingeführt, nachdem er zu der Auffassung gekommen ist, dass alle bisherigen Beweise für die Existenz Gottes, also auch die „fünf Wege“ Thomas von Aquins oder die Beweise Leibniz‘, gescheitert sind. Dennoch hat Swinburne nicht völlig neue Gottesbeweise vorgestellt, sondern es ist seine Methode, die sich von früheren Gottesbeweisen unterscheidet. Diese Methode ist induktiv und beruht auf der Wahrscheinlichkeitstheorie (Bayesianische Theorie der Bestätigung wissenschaftlicher Hypothesen).



Swinburne kumuliert verschiedene Argumente für die Existenz Gottes, die z.T. auch schon vor ihm verwendet wurden, mit Hilfe der Bayesianische Theorie der Bestätigung wissenschaftlicher Hypothesen und errechnet so die Wahrscheinlichkeit für die Existenz eines intelligenten, allmächtigen, allwissenden Wesens, das man Gott nennt. Damit geht er wie ein Naturwissenschaftler an das Problem der Gottesbeweise heran. Swinburne meint, dass es keine logisch zwingenden Argumente für die Existenz Gottes gibt, weil die Welt in der wir leben, auch ohne Gott existieren könnte. Thomas von Aquins „fünf Wege“ haben genau das Gegenteil gezeigt, aber ich vermute, dass Swinburne diese Argumente nicht genau genug kennt. Swinburnes philosophischer Hintergrund ist der Empirismus, wenn auch nicht in einem so radikalen Sinne wie bei David Hume, aber Swinburne teilt nicht die Auffassung Thomas von Aquins über die Kausalität oder die interne Finalität. Deshalb sucht Swinburne nach empirischen Hinweisen für die Existenz Gottes. 

Swinburne kritisiert, dass die bisherigen Theorien für die Existenz Gottes nicht die Möglichkeit in Betracht gezogen haben, die verschiedenen Beweise und Hinweise auf die Existenz Gottes miteinander zu verbinden und dadurch die Wahrscheinlichkeit für die Existenz eines Gottes zu erhöhen. Jedes einzelne Argument für die Existenz Gottes für sich betrachtet hält Swinburne für schwach, denn ein solches Argument lässt sich fast immer durch Gegenargumente in seiner Überzeugungskraft unterminieren. Durch die Kombination der verschiedenen Argumente, so meint Swinburne, erhöht sich allerdings die Wahrscheinlichkeit für die Existenz Gottes ganz erheblich. Man könnte hier einwenden, dass Thomas doch auch fünf Argumente für Gottes Existenz angeführt hat. Allerdings hat Swinburne insofern recht, als Thomas der Überzeugung war, dass jedes einzelne Argument für sich betrachtet ausreicht, um die Existenz Gottes zu beweisen. Thomas will durch die fünf Wege nicht die Wahrscheinlichkeit für Gottes Existenz erhöhen.

Swinburne lehnt aus diesen Gründen auch nicht alle bisherigen Argumente für die Existenz Gottes ab, sondern übernimmt einige von ihnen, um sie mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitstheorie als Hypothesen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zu rekonstruieren. Dabei geht er gewissermaßen wir ein Richter in einem Indizienprozess vor. Die Indizien, also Hinweise, die die Existenz Gottes wahrscheinlich machen, werden kumuliert, woraus sich dann eine höhere Wahrscheinlichkeit ergibt, dass Gott existiert. Zumindest ist diese Wahrscheinlichkeit nach Swinburnes Auffassung höher als die Gegenthese, dass Gott nicht existiert und deshalb ist es rational, an die Existenz Gottes zu glauben. Die Berechnung der Wahrscheinlichkeit mit Hilfe der Bayesianische Theorie der Bestätigung wissenschaftlicher Hypothesen will ich hier nicht näher erläutern, da diese Theorie recht komplex und umfangreich ist. Angriffe auf Swinburne beziehen sich oft auf Argumente gegen diese Wahrscheinlichkeitstheorie, die im Bereich der Wissenschaftstheorie durchaus umstritten ist. Der wichtigste und meines Erachtens auch stärkste Einwand besteht darin, dass die Berechnung der Wahrscheinlichkeit einer Hypothese im Wesentlichen auf subjektiven Überzeugungen beruht. Dies wird besonders deutlich, wenn man die Beweise oder Hinweise Swinburnes betrachtet, die dieser für die Existenz Gottes ins Feld führt. Im Allgemeinen werden sechs Hinweise genannt, doch die Zahl könnte prinzipiell auch vermehrt werden.

1.     Die Komplexität des Universums
2.     Die ungeheure Ordnung des Universums
3.     Die Existenz von Wesen mit Bewusstsein, also die Existenz von Tieren und Menschen
4.     Die Kompatibilität der Bedürfnisse von Menschen und Tieren mit den Umweltverhältnissen
5.     Das Vorkommen von Wundern
6.     Die Feinabstimmung des Universums, ohne die all das, was wir in unserer Welt kennen, z.B. Menschen und Tiere, nicht existieren würde.

Swinburne sieht dabei stets die religiösen Erfahrungen die sich bei zahlreichen Menschen finden, als das Fundament. Diese ist nicht selbst ein Argument, sondern das Entscheidende. Und genau damit wird die ganze Argumentation subjektiv.

Um die Wahrscheinlichkeit dieser Hypothesen für die Existenz Gottes zu berechnen, müssen auch die Gegenargumente berücksichtigt werden, wie bei einem Indizienprozess. Nach Swinburne gibt es aber nur ein ernstzunehmendes Gegenargument, nämlich das Leid und Übel in der Welt. Warum gibt es so viel Leiden in der Welt, wenn es doch einen guten Gott gibt? Swinburne hat auch darauf eine Antwort: Gott lässt das Übel und das Leid zu, damit die Menschen durch Forschung und Entwicklung, durch ihr Erkenntnisvermögen Mittel entwickeln, um dieses Leid zu mindern und dadurch einen technologischen Fortschritt zu schaffen. Swinburne hält dieses Gegenargument deshalb für eher schwach.

Gegen die von Swinburne genannten Hinweise für die Existenz Gottes, die alle aus den empirischen Wissenschaften stammen, sind verschiedene Gegenargumente vorgebracht worden, ebenso wie gegen die Methode der Kumulation und der Wahrscheinlichkeitstheorie. Die Beurteilung des Übels und des Bösen als Gegenargument wird nach Auffassung verschiedener Kritiker als verharmlosend kritisiert. Die Beurteilung der Ordnung und Schönheit des Universums wird als sehr stark subjektiv geprägt bezeichnet und die Bedeutung von Wundern wird mit Hinweis auf David Humes Kritik an der Existenz von Wundern entschieden zurückgewiesen. Besonders aber steht die Verwendung der Wahrscheinlichkeitstheorie im Fokus der Kritiker, weil diese keine objektive Abschätzung der Wahrscheinlichkeit erlaubt.

Alles in Allem halte ich Swinburnes Argumentation für sehr schwach. Allenfalls können die Hinweise als zusätzliche Bestätigung für die Existenz Gottes dienen, wenn dessen Existenz Gottes bereits bewiesen ist.

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