Setzen wir unsere Blogbeiträge zur natürlichen Theologie
fort. Die Argumente für die Existenz Gottes führen unmittelbar zu bestimmten
Eigenschaften Gottes. Thomas von Aquin geht bei der Frage nach den Eigenschaften
Gottes so vor, dass er drei Wege zur Erkenntnis Gottes vorstellt, nämlich der
Weg der Kausalität (via causalitatis),
den Weg der Negation (via negativa)
und drittens den Weg der Steigerung (via
eminentia). Dabei bezieht er sich auf einen antiken Vorläufer, Dionysius
Areopagita, der heute zumeist als Pseudo- Dionysius Areopagita bezeichnet wird,
weil es nicht der Philosoph ist, den Paulus in Athen getroffen hat, obwohl
Thomas dies wohl noch glaubte.
Die via causalitatis
führt zur Erkenntnis Gottes durch die Erkenntnis der Welt und den Schluss auf
die erste Ursache dieser Dinge in der Welt. Auf diese Weise argumentieren z.B.
die Gottesbeweise. Die via negativa geht
so vor, dass alle Bestimmungen von Gott negiert werden, die mit dem Wesen
Gottes als erster Ursache und als reiner Akt unvereinbar sind, also z.B. die
Materialität. Und die via eminentia
steigert bestimmte Attribute, die uns aus der Welt bekannt sind, bis ins
Unendliche. Wenn man beispielsweise von Gott sagt, dass er groß ist, dann muss
man sagen, dass er die absolute Größe ist. Auf diese Weise werden von Thomas
nun eine ganze Reihe von Eigenschaften Gottes thematisiert, von denen ich
einige kurz vorstellen möchte.
Unveränderlichkeit
Diese Eigenschaft Gottes folgt unmittelbar aus dem Wesen
Gottes, wie wir es in den Gottesbeweisen kennengelernt haben. Jede Veränderung
ist die Aktualisierung einer Potenz. Etwas, dass nur potenziell ist, wird durch
eine Ursache, die aktual ist, aktualisiert, d.h. verwirklicht. Dies kann von
Gott nicht behauptet werden, denn Gott ist reiner Akt, absolute Wirklichkeit,
die einer Aktualisierung nicht fähig, weil nicht bedürftig ist. Dies folgt aus
dem Kausalbeweis und dem 2. Gottesbeweis.
Ein einziger Gott
Gott ist einer und einzig, d.h. es gibt nicht mehrere
Götter. Ein Einwand, der gelegentlich gegen die Gottesbeweise vorgetragen wird
lautet, dass diese nicht notwendigerweise beweisen, dass es nur einen Gott
gibt. Allerdings ist dieser Einwand unberechtigt, wenn wir uns die Beweise
genauer ansehen. Das Argument für die Einzigkeit Gottes lautet:
(1)
Wenn es mehr als einen Gott gibt, dann müssen
sich diese anderen Götter voneinander unterscheiden.
(2)
Einer der Götter hätte dann Eigenschaften, die
die anderen Götter nicht hätten.
(3)
Darauf folgt aber, dass Gott nicht reiner Akt
ist. Das Gott reiner Akt ist, wurde aber bereits in den Gottesbeweisen bewiesen.
Also gibt es nur einen Gott.
Es gibt noch weitere Argumente, die Thomas für die
Einzigkeit Gottes nennt, die ich hier aber übergehe.
Gott ist gut
Diese Eigenschaft Gottes ergibt sich aus dem vierten
Gottesbeweis. Alles was existiert hat einen bestimmten Grad an Güte, bzw. einen
bestimmten Grad an Vollkommenheit. Dieser Vollkommenheitsgrad bemisst sich an
dem Grad der Aktualität eines Seienden. Nach dieser Auffassung ist ein Hund
aktualer als ein Regenwurm und diese aktualer als eine Sonnenblume. Ein Hund
hat mehr Möglichkeiten der Aktualisierung, er ist gewissermaßen „wirklicher“
als ein Regenwurm oder eine Sonnenblume.
Nun sind Sein und Gutsein nach scholastischer Auffassung
gegeneinander austauschbar (ens et bonum
convertuntur, heißt es bei Thomas). Im Hintergrund dieser Behauptung steht
die Theorie der Transzendentalien, die ich hier in einem Blogbeitrag nicht
erklären kann. Gott ist absolut aktual, er ist reiner Akt, reine Wirklichkeit.
Die Konvertierbarkeit von Sein und Gutsein vorausgesetzt folgt daraus, dass
Gott absolut gut ist, dass er das Gute selbst ist.
Weitere Eigenschaften Gottes sind seine Unendlichkeit und
Ewigkeit und seine Einfachheit. Diese letzte Eigenschaft ist nun besonders
umstritten und zwar nicht nur bei Agnostikern und Atheisten, sondern auch bei
Theisten, insbesondere bei bestimmten christlichen Religionsphilosophen. Daher
dazu einige ausführlichere Bemerkungen.
Einfachheit Gottes
Zunächst zum Begriff der Einfachheit. Einfach ist etwas, das
nicht zusammengesetzt ist, das nicht aus Teilen besteht. Dies bedeutet nicht
nur, dass etwas einfach ist, dass keine Beine und Arme oder innere Organe hat,
sondern das auch keine metaphysischen Teile hat. Unter metaphysischen Teilen
versteht man z.B. Form und Materie oder Akt und Potenz oder Substanz und
Eigenschaften. Alle diese Teile hat nun ein Wesen, das reiner Akt ist,
logischerweise nicht. Gott ist weder aus Akt und Potenz und noch viel weniger
aus Form und Materie zusammengesetzt. Und auch die Unterscheidung von Substanz
und Eigenschaften trifft auf Gott nicht zu. Auch wenn ich hier von den „Eigenschaften
Gottes“ spreche, bedeutet dies nicht, dass Gott zunächst eine Substanz ist (was
im engeren Sinne von Substanz auch nicht auf Gott zutrifft) und dann noch
Eigenschaften hat, sondern dass Gott seine Eigenschaften ist. Gott ist einfach in dem Sinne, dass er reiner Akt ist. Gott
gehört auch nicht zu einer Art oder Gattung, denn auch dazu müssten sich bei
Gott Seinsakt und Wesenheit unterscheiden. Gott ist sein Wesen oder, wie schon
in den Gottesbeweisen mehrfach gesagt, die Wesenheit Gottes ist seine Existenz.
Nun werden diese Argumente für die Einfachheit Gottes von
vielen modernen Religionsphilosophen nicht geteilt, obwohl sie historisch
unumstritten waren, nicht nur bei christlichen Philosophen und Theologen vor
und nach Thomas von Aquin, sondern auch bei jüdischen Theologen wie Maimonides
oder islamischen Theologen wie Avicenna.
Der Einwand gegen die Einfachheit Gottes richtet sich
besonders gegen die Behauptung, dass Gott seine Eigenschaften ist, das heißt, dass Gott nicht die
Eigenschaft hat, gut, allmächtig, allwissend, ewig, unveränderlich usw. zu
sein, sondern dass er die Güte selbst ist, das er die Ewigkeit selbst ist, dass
er die Allwissenheit ist usw. Wenn nun Gott diese „Eigenschaften“ ist, wenn er
diese Eigenschaften nicht nur hat, sondern wenn er dies alles ist, dann
bedeutet dies weiterhin, dass diese „Eigenschaften“ in Gott nicht verschieden
sind, denn sonst hätte er ja doch wieder Teile. Nach der traditionellen Lehre
der natürlichen Theologie sind die unterschiedlichen Begriffe wie Allmacht,
Allwissenheit, Güte, Ewigkeit etc. nur unterschiedliche Arten von Gott zu sprechen, nicht aber in Gott selbst
verschieden. Wir Menschen machen mit unserem begrenzten Erkenntnisvermögen
diese Unterschiede. In Gott selbst gibt es diese Unterschiede nicht, denn absolute Ewigkeit, absolute Güte und absolute
Erkenntnis sind nicht voneinander verschieden.
Der Einwand dagegen lautet nun, dass dann Ewigkeit, Güte,
Weisheit, Macht etc. alles ein und dasselbe seien, was widersinnig ist. Macht
ist etwas anderes als Wissen und Wissen ist etwas anderes als Güte. Doch dies
ist nicht gemeint, wenn die Scholastiker und viele andere klassische Theologen
behaupten, dass die Eigenschaften Gottes mit Gott identisch ist.
Selbstverständlich ist Weisheit (Wissen) und Macht verschieden. Man kann
zunächst diesen Einwand durch einen Hinweis auf Freges Unterscheidung zwischen
Sinn und Bedeutung entkräften. Frege verwendet das Beispiel von Morgenstern und
Abendstern, bei denen es sich nur um zwei verschiedene Worte für ein und
dieselbe Entität handelt (den Planet Venus). So ist das, was wir Allmacht oder
Güte oder Allwissenheit nennen nur im „Sinn“ verschieden (wie die Worte
Morgenstern und Abendstern), nicht aber in der „Bedeutung“, denn diese Begriffe
meinen Gott.
Bei Thomas geht es aber um etwas anderes, nämlich um die
Analogie des Seins.
Sein ist ein analoger Begriff. Unter dieser Voraussetzung können Begriffe, die
wir aus unserer Erfahrungswelt kennen, nicht in gleicher (univoker) Weise auf
Gott, bzw. das Sein selbst anwenden. Wenn man die Begriffe Unveränderlichkeit,
Ewigkeit, Allmacht, Güte etc. univok auf Gott anwendet, dann würde das in der
Tat absurde Konsequenzen haben. In analoger Redeweise ist dies allerdings
durchaus sinnvoll. Denn es bedeutet dann, dass es etwas in Gott gibt, das
analog zu dem ist, was wir als Macht bezeichnen; dass es etwas in Gott gibt,
dass analog zu dem ist, was wir als Wissen bezeichnen usw. und dass all dies
letztlich dasselbe „Ding“ ist, das wir Gott nennen.
Als Geschöpfe, die restlos in ihrer Existenz und in ihrer
Tätigkeit von Gott abhängig sind (wie die „fünf Wege“ deutlich gemacht haben),
sind wir nicht annähernd in der Lage, den Schöpfer zu erkennen. Denn dazu
müssten wir z.B. den Schöpfungsakt selbst erkennen, sodass wir uns dann selbst
erschaffen könnten.
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