Es geht weiter: Inzwischen sind neun von zwölf Büchern des
bekannten Kommentars Thomas von Aquins zur Metaphysik
des Aristoteles erschienen. Der Kommentar
des hl. Thomas stellt das wohl umfangreichste philosophische Werk Thomas von
Aquins dar und zeigt nicht nur die Nähe Thomas‘ zur Philosophie des
Aristoteles, sondern zugleich auch seine Selbständigkeit und die
Weiterentwicklung der von Aristoteles entwickelten Grundlagen der Philosophie.
Selbst Philosophen, die keine besondere Nähe zu Thomas haben gestehen gerne zu,
dass der Kommentar Thomas von Aquins bis heute die beste Interpretation zur
aristotelischen Metaphysik darstellt. Es gibt keine Interpretation der
Metaphysik des Aristoteles, die keinen Bezug nimmt auf den Kommentar von Thomas.
In den vergangenen Monaten sind zu den bereits erschienen
Bänden fünf Bänden, die ich hier im Blog bereits kurz vorgestellt habe zwei weitere Bände in deutscher Übersetzung erschienen. Der Band „Materie und Form. Aktualität und Potenzialität“ enthält gewissermaßen
das Herz der gesamten aristotelisch-thomistischen Philosophie, nämlich die
sogenannte Akt-Potenz-Theorie. Diese Theorie, die für die gesamte scholastische
Philosophie zentral ist und für Thomas noch mehr als bei allen anderen Scholastikern,
wird hier von Aristoteles erstmals entwickelt und von Thomas kommentiert. Schon
vor meinem Urlaub und in diesem selbst habe ich mir die Zeit genommen, diesen
Text erstmals in deutscher Übersetzung zu lesen. Bisher gab es nur eine
englische Übersetzung für diejenigen, die der lateinischen Sprache nicht so
mächtig sind, dass sie den gesamten Text in Latein studieren können (zu denen
ich selbst auch gehöre). Die deutsche Übersetzung ist sehr gelungen und wurde
von dem Theologen und Thomas-Spezialisten, Privatdozent Dr. Klaus Obenauer
besorgt, der unter anderem an der berühmten „Deutschen Thomas-Ausgabe“
mitarbeitet und Herausgeber der ganzen Übersetzung ist. Eine gute Übersetzung
bedeutet natürlich nicht unbedingt, dass der Text leicht zu lesen ist.
Der Band enthält die Übersetzung von zwei Büchern des Kommentars, nämlich des 8. und 9.
Buches. Der achte Band stellt die Lehre von Form und Materie vor und zwar in
Auseinandersetzung mit verschiedenen anderen griechischen Philosophen,
insbesondere mit den Atomisten, die eine gegensätzliche Theorie vertreten. Bis
heute stellt der Atomismus, der sich natürlich inzwischen weiterentwickelt hat,
die Gegenposition zur Akt-Potenz-Theorie dar. Der Atomismus vertritt eine aktualistische
Theorie, d.h. er bestreitet, dass es Potenzen gibt. Aristoteles und mit ihm
Thomas setzt sich differenziert mit dieser Gegenposition auseinander, aber
ebenso mit Platon und der platonischen Schule, die der Auffassung gibt, dass
Formen („Ideen“ in der platonischen Begrifflichkeit) in einem eigenen
Ideenreich existieren und nicht nur instanziiert in den individuellen
Vorkommnissen, wie dies die Auffassung von Aristoteles und Thomas ist.
Das neunte Buch ist dann der Einführung der
Akt-Potenz-Theorie gewidmet, wobei auch der grundlegende Unterschied zwischen
logischer und realer Möglichkeit ausführlich diskutiert wird. Die einzelnen
Lektionen, also Kapitel, erläutern Themen wie „Wirkliches – Mögliches –
Unmögliches“, also das, was in der Philosophie auch als Modalitäten bezeichnet
wird, die sehr wichtige Frage nach der „Überführung der Potenz in den Akt“
(Lektion 4), „Wann ist etwas eine Potenz?“ (Lektion 6) und andere zentrale
Fragen.
Einführungsschriften in die aristotelische-thomistische
Philosophie ersetzen nicht das Studium der „Klassiker“, sondern sollten dieses
Studium motivieren. Ich möchte Sie herzlich einladen, die ursprünglichen Texte
zu lesen. Sie motivieren zum selbständigen Nach- und Weiterdenken. Die Bände
sind alle im Buchhandel erhältlich, natürlich auch im Onlinehandel.
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