Donnerstag, 26. Oktober 2017

Neue Bücher von Edward Feser: Die Todesstrafe



Der wohl bekannteste analytische Thomist der USA, Edward Feser, Associate Professor für Philosophie am Pasadena City College in Pasadena in Kalifornien, hat in diesem Jahr bereits zwei neue Bücher veröffentlicht. Soeben ist erschienen sein Buch „Five Proofs of the Existence of God“, ein Buch zu verschiedenen Gottesbeweisen, die aber nicht identisch sind mit den „fünf Wegen“ Thomas von Aquins. Vor einigen Monaten erschien ein Buch, dass ich in einem kurzen Blogbeitrag erwähnt habe und die naturrechtliche Auffassung zur Todesstrafe verteidigt. Dieses Buch wurde zusammen mit Joseph M. Bessette geschrieben, einem führenden amerikanischen Juristen und Professor für Government und Ethik. Ich möchte dieses Buch hier kurz vorstellen und seine zentralen Thesen darlegen. In Europa findet die Todesstrafe eine tiefe und radikale Ablehnung, anders als in den USA und man kann der Auffassung sein, dass eine Diskussion dieses Themas zumindest überflüssig, wenn nicht schädlich ist für die Debatte um das Naturrecht. Doch dem würden die beiden Autoren entschieden widersprechen.



Das Buch richtet sich in erster Linie an Katholiken und stellt sich kritisch zu den Bestrebungen der katholischen Kirche, die Todesstrafe grundsätzlich zu verdammen. Beide Autoren sind glaubenstreue und papsttreue Katholiken, sie kritisieren in diesem Buch aber Papst Franziskus für seine Äußerungen zur Todesstrafe, der diese als „in sich schlecht“ bezeichnet hat, was nach Auffassung der Autoren gegen die traditionelle Lehre der Kirche verstößt und einen Bruch darstellt.

Der Titel des Buches lautet „By Man Shall his Blood be Sheed. A Catholic Defense ofCapital Punishment“. Der erste Teil des Buches ist ein Zitat aus der Hl. Schrift und zwar Genesis 9:6 und heißt auf Deutsch übersetzt in etwa „Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut wird durch Menschen vergossen“. Eine katholische Verteidigung der Todesstrafe.

Nach einem Vorwort und einer Einleitung legen die Autoren in vier Kapiteln ihre Auffassung zur Todesstrafe dar. Im ersten Kapitel, das vor allem von Edward Feser geschrieben sein dürfte (die Autoren betonen, dass sie alles gemeinsam geschrieben haben, aber mit gewissen Schwerpunkten), wird die naturrechtliche Auffassung zur Todesstrafe vorgestellt (90 Seiten). Dieser Teil ist sehr lesenswert, da er zugleich eine sehr gute Zusammenfassung der Theorie des Naturrechts bietet. Im zweiten Teil stellen die Autoren die Lehre der Kirche zur Todesstrafe dar und zwar sehr ausführlich und umfangreich von den Kirchenvätern bis zur Gegenwart, d.h. vor allem bis zum Katechismus der Katholischen Kirche aus den 1990er Jahren. Dieses Kapitel umfasst weit über 100 Seiten. Das dritte Kapitel über austeilende Gerechtigkeit in dieser Welt und Erlösung in der nächsten Welt, wird das zweite Kapitel fortgeführt und vertieft. Das vierte Kapitel setzt sich dann mit der Kampagne der amerikanischen Bischöfe gegen die Todesstrafe auseinander, eine Kampagne, die etwa mit den 1960er Jahren begonnen hat und seither zunehmend an Fahrt aufgenommen hat. Dieser Teil lässt sich eins zu eins auf die deutschen oder europäischen Bischöfe übertragen. In diesem Kapitel werden die US-Bischöfe heftig kritisiert, da ihre Position sich zunehmend von der Tradition der Kirche löst und immer weiter entfernt hat, die aber der Maßstab für die Lehre der Kirche ist und daher nicht übergangen werden kann. Diese Kritik wird auch an päpstlichen Äußerungen widerholt, zunächst in Bezug auf Johannes Paul II., dessen Äußerungen zur Todesstrafe missverstanden werden konnten aber von dem damaligen Kardinal Ratzinger klargestellt wurden, und dann gegen Äußerungen von Papst Franziskus, die allerdings keinen lehramtlichen Charakter haben.

Ich kann natürlich hier nicht den Inhalt auch nur andeutungsweise wiedergeben und empfehle daher jedem Leser, der sich für dieses Thema interessiert und nicht mit ideologischen Scheuklappen die Todesstrafe als „in sich böse“ ablehnt (was bei gewissen Linken unglaubwürdig ist, die zugleich ein Recht auf Abtreibung fordern), dieses Buch zu lesen. Ich möchte aber das zentrale Argument der Autoren für die Todesstrafe herausstellen, woraus auch deutlich wird, dass diese Diskussion kein überflüssiges Nebengleis darstellt, sondern für das Verständnis von Rechtsprechung, Strafe, Wiedergutmachung und diesen ganzen Bereich zentral ist.

Zunächst einige kurze Bemerkungen zum Wesen der Strafe, ohne die die Bedeutung der Todesstrafe nicht zu verstehen ist. Das Wesen der Strafe ist nach naturrechtlicher Auffassung und auch Thomas von Aquins in drei Punkten zusammenzufassen: Die Strafe dient der Vergeltung für ein begangenes Übel, sie dient darüber hinaus der Besserung des Übeltäters und drittens der Abschreckung für andere Personen, die geneigt sein könnten, ein ähnliches Übel zu verursachen. In der modernen Welt gilt insbesondere die Vergeltung sehr umstritten und wird in großen Teilen insbesondere der postmodernen Weltanschauung entschieden abgelehnt. Allerdings werden inzwischen auch die beiden anderen Aspekte der Strafe und damit die Strafe insgesamt in bestimmten Ideologien abgelehnt. Aussagen im politischen Bereich hierzu finden sich z.B. bei Mitgliedern der Partei Bündnis 90 / Die Grünen.

Für die natürliche Ethik ist aber die Vergeltung nicht nur ein legitimes Ziel der Strafe, sondern gerade das zentrale und fundamentale Ziel schlechthin. Ohne den Aspekt der Vergeltung hört die Strafe auf, Strafe zu sein. Die Vergeltung bildet somit das Zentrum der Bestrafung. Wenn dieser Aspekt in Frage gestellt wird, dann wird die Strafe insgesamt in Frage gestellt.

Zur Vergeltung und damit zur Strafe gehört nun die Angemessenheit. Eine Strafe muss der Tat angemessen sein, sie sollte weder zu harsch, noch zu milde ausfallen. Dies wird im Prinzip der Proportionalität ausgedrückt, wonach die Strafe proportional zu dem Verstoß sein sollte. Dies wird von jedem Menschen intuitiv verstanden und die meisten Menschen haben auch ein Gefühl dafür, ob eine Strafe angemessen ist oder nicht.

Damit lässt sich nun das zentrale Argument für die Todesstrafe darstellen (Seite 52 im Buch):

1. Ein Übeltäter verdient Strafe.
      2. Die schwerer die Übeltat, desto strenger ist die verdiente Strafe.
      3. Einige Verbrechen sind so schwerwiegend, dass keine andere Strafe als der Tod proportional zu der Schwere des Verbrechens ist.
      4. Deshalb verdienen Übeltäter die eines solchen Verbrechens schuldig sind, den Tod.
      5. Die öffentliche Autorität (der Staat) hat im Prinzip das Recht, einem Übeltäter die Strafe zuzufügen, die er verdient.
      6. Deshalb hat die öffentliche Autorität im Prinzip das Recht, die Todesstrafe aufzuerlegen für solche Verbrecher, die der schwersten Verbrechen schuldig geworden sind.

Dies ist das zentrale Argument der Autoren für die Todesstrafe. Die Prämissen und Schlüsse des Arguments werden im Weiteren ausführlich erläutert und weiter begründet. Wichtig ist hier vor allem die dritte Prämisse, die eigentlich offensichtlich wahr ist, die aber bestritten werden kann, wenn man bestreitet, dass die Vergeltung ein zentraler Aspekt der Strafe ist. Das Argument geht in etwa folgendermaßen: Wenn die Vergeltung der zentrale Aspekt der Strafe ist und wenn die Strafe in einem angemessenen Verhältnis zum Verbrechen stehen muss, dann muss die Todesstrafe die Vergeltung für die schlimmsten Verbrechen sein.

Man sieht hier leicht, dass die prinzipielle Ablehnung der Todesstrafe zu einer prinzipiellen Ablehnung der Angemessenheit der Bestrafung und damit der Vergeltung als Zentrum der Strafe führt. Und dies ist der entscheidende Punkt in der Argumentation der Autoren für die Todesstrafe: Wenn die Todesstrafe prinzipiell bestreitet, der bestreitet die Notwendigkeit und auch Güte der Strafe insgesamt (zuvor haben die Autoren gezeigt, dass die Strafe nicht nur notwendig, sondern in sich gut ist, S. 37 - 40).

Damit hat aber die Ablehnung der Todesstrafe weitreichende Folgen, denn sie stellt das gesamte Rechtssystem in Frage, wie dies die Postmoderne und ihre Vertreter in Politik, Gesellschaft und Staat schon seit längerem tun. Die Autoren konzentrieren sich allerdings weniger auf diese linksliberalen, autonomistischen postmodernen Kreise, die immer weitere Meinungshoheit in den westlichen Ländern erobern, sondern auf die Katholiken, die grundsätzlich die Prinzipien der Strafe und Vergeltung anerkennen und in Selbstwidersprüche geraten, wenn sie prinzipiell die Todesstrafe ablehnen. Man kann, wie die Autoren feststellen, gegen die Anwendung der Todesstrafe sein, sowohl in bestimmten Einzelfällen als auch für eine bestimmte Zeit, aber nicht grundsätzlich.

Für bestimmte Kreise innerhalb der Politik und Gesellschaft, die inzwischen die Herrschaft über die Medien und die Öffentlichkeit erlangt hat und die ich unter dem Begriff Postmoderne zusammenfasse, wird die Verteidigung der Todesstrafe mit dem Schimpfwort „Nazi“ belegt und der Verteidiger von jeder weiteren Diskussion ausgeschlossen. Dieses Verfahren ist nicht nur radikal undemokratisch, sondern auch völlig argumentationsfrei. Man kann selbstverständlich gegen die hier von den Autoren vorgestellte stringente Argumentation sein, aber dies sollte man mit Argumenten belegen und nicht mit dem Ausschluss von der Diskussion und Strafandrohungen.

Das zweite Buch Edward Fesers habe ich noch nicht ganz gelesen. Ich werde es zu gegebener Zeit hier im Blog vorstellen.


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