Kathrin Koslicki |
In den letzten Jahren hat es zumindest im angelsächsischen
Raum eine Renaissance des Hylemorphismus gegeben. Außer Philosophen, die den
klassischen Hylemorphismus von Aristoteles und Thomas von Aquin weiterführen,
gibt es auch eine neue Theorie des Hylemorphismus, die Oderberg als „strukturellen
Hylemorphismus“ bezeichnet hat und der sich deutlich von der klassischen
Theorie unterscheidet. Hauptvertreter dieses strukturellen Hylemorphismus sind
Kathrin Koslicki und William Jaworski.
Zunächst besteht der Unterschied zwischen klassischem und
strukturellem Hylemorphismus darin, dass der letztere, wie der Begriff der
Struktur bereits andeutet, quantitativ ist, denn der Begriff der „Struktur“ ist
ein quantitativer Ausdruck. Natürlich gibt es auch im
aristotelisch-thomistischen (A-T) Hylemorphismus quantitative Formen, nämlich z.B.
die Formen mathematischer Entitäten, aber im Allgemeinen werden die Formen der
Entitäten qualitativ verstanden. Daher ist der Begriff der Struktur zumindest
nicht dazu geeignet, den Begriff der Form in der A-T Philosophie voll
abzudecken.
Darüberhinaus hat
Oderberg gezeigt (2014),
dass der strukturelle Hylemorphismus mit Problemen konfrontiert ist, die sich
aus der Frage ergeben, welche Elemente von der Struktur strukturiert werden. Als
Beispiel führt Oderberg die Struktur von Wasser an. Sind es die Atome des
Wassers, die durch die Struktur strukturiert werden oder sind es vielmehr
grundlegendere Teilchen, aus denen die Atome zusammengesetzt sind? Die
strukturellen Relationen in die die Atome in einem Wassermolekül zueinander
stehen, unterscheiden sich deutlich von den Relationen, in die die Quarks in
einem Wassermolekül zueinander stehen. Wenn man daher sagt, die Atome seien die
Elemente, die strukturiert werden, spricht man über eine andere Struktur als
wenn man sagt, es seien die Quarks die strukturiert werden. Daher spricht man
bei diesen zwei Fällen von zwei verschiedenen Formen bzw. Strukturen, obwohl es
sich um ein und dasselbe Wassermolekül handelt. Wenn der strukturelle
Hylemorphist darauf antwortet, dass die Antwort jeweils von dem abhängt, was
man betrachten will, dann bedeutet das, dass die Form der Dinge (bzw. die
Struktur) von unserer Betrachtung, d.h. von subjektiven Faktoren abhängig ist
und kein reales Merkmal der Wirklichkeit ist.
Als weitere Probleme
des strukturellen Hylemorphismus werden von David Oderberg erwähnt: Wenn jede
der beiden in Frage stehenden Strukturen, die atomare Struktur und die Struktur
der Quarks, als real gegenwärtig im Wasser verstanden werden (im Gegensatz zu
einer bloß von unseren Interessen abhängigen Betrachtungsweise), dann steht
diese Auffassung im Gegensatz zur Einheit der substanziellen Form. Wie Thomas
und andere Scholastiker betont haben, kann eine Substanz nur eine einzige Form
haben, weil sonst die Einheit der Substanz problematisch wird.
Zudem ist es für den
scholastischen Begriff des Hylemorphismus ein schwerwiegender Fehler zu
behaupten, dass die Komponenten einer Substanz früher als diese selbst
existieren und sozusagen darauf warten, strukturiert zu werden. Innerhalb einer
Substanz existieren diese Komponenten bestenfalls virtuell, aber nicht aktual,
denn was existiert ist die Substanz als Ganze. Daher kommt Edward Feser (2014,
188) zu dem Schluss, dass der strukturelle Hylemorphismus, „ebenso wie der
nicht-reduktive Materialismus (…) und der Eigenschaftsdualismus, obwohl
nützlich in ihren Angriffen auf den Reduktionismus und eliminativen
Materialismus, gleichwohl nur unzureichend radikal sind“.
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