Der dritte thomistische Gottesbeweis geht, wie alle „fünf Wege“, von einer alltäglichen Erfahrung aus. Wir sehen, dass bestimmte Dinge in unserer Welt kontingent sind, d.h. dass sie nicht notwendigerweise existieren müssen. Dies zeigt sich schon daran, dass sie irgendwann einmal nicht existiert haben und dass sie auch irgendwann aufhören zu existieren. Niemand wird diese Tatsache ernsthaft in Frage stellen.
Damit sich etwas verändert oder
entsteht und vergeht, muss es aus Akt und Potenz zusammengesetzt sein. Veränderung wird nämlich von Thomas von Aquin als
Übergang von Potenz zu Akt, von Möglichkeit zu Wirklichkeit analysiert. Wenn
etwas, dass bisher noch nicht wirklich ist, das aber möglich ist, wie z.B.,
dass aus einem Samen eine Blume wird – der Samen selbst ist wirklich, enthält
aber auch zugleich die Möglichkeit, eine Rose zu werden – dann wird diese im
Samen liegende Möglichkeit verwirklicht, aktualisiert. Alle materiellen Dinge
sind aus Wirklichkeit und Möglichkeit zusammengesetzt. Darauf beruht die
Veränderbarkeit der Dinge. Diese Zusammensetzung in materiellen Dingen ist die
Zusammensetzung durch Materie und Form.
Die Form ist das wirkliche und bestimmende Prinzip, während die Materie das
potenzielle oder bestimmbare Prinzip im Aufbau einer Substanz ist.
Die Formen selbst vergehen und
entstehen nicht. Das Gleiche gilt auch von der Materie als Materie, d.h. die
materia prima, die völlig unbestimmte aber bestimmbare Materie. Materie und
Form entstehen nicht und sie vergehen nicht. Veränderung, Bewegung oder Werden
betrifft nur die Dinge, die aus Materie und Form zusammengesetzt sind.
Dies wird auf folgende Weise
verständlich. Die Materie ist reine Potenz, die nicht unabhängig von der Form,
die sie bestimmt existiert. Die Formen als solche existieren aber auch nicht
unabhängig von den materiellen Gegenständen, deren Formen sie sind. Als Formen
sind sie Abstraktionen des Verstandes. Darum können Materie und Formen als
solche nicht entstehen oder vergehen.
Da sowohl die Materie nicht ohne die
Form, als auch die Form nicht ohne Materie existieren kann, haben sie ihre
Notwendigkeit nicht in sich selbst. Daher kann ihre Notwendigkeit nur eine
abgeleitete sein, sie existieren nicht in sich selbst notwendigerweise. Dies
bedeutet aber, dass es etwas geben muss, wodurch sie zusammengesetzt werden,
denn jede materielle Substanz ist aus Akt und Potenz, bzw. aus Form und Materie
zusammengesetzt.
Sollte es eine Entität geben, die
notwendigerweise existiert, dann ist diese Notwendigkeit entweder abgeleitet
von einer anderen notwendigen Entität oder diese Entität existiert aus sich
selbst notwendigerweise. Sofern die Notwendigkeit abgeleitet ist, ergibt sich
dasselbe: diese Notwendigkeit ist wieder entweder abgeleitet oder in sich
selbst notwendig.
Nun ist aber ein Regress notwendiger
Entitäten nicht bis ins Unendliche möglich, denn bei einer solchen Reihe
handelt es sich um eine per se
geordnete Kausalreihe und nicht um eine Kausalreihe per accidens.
Daraus aber folgt, dass es etwas
geben muss, das in einer absoluten Weise notwendig ist, das in sich selbst und
durch sich selbst notwendig existiert und seine Notwendigkeit nicht in einem anderen
hat und daher auch nicht aus Form und Materie, bzw. aus Akt und Potenz
zusammengesetzt sein kann. Ein solches absolut notwendiges Seiendes ist aber
weder entstanden, noch kann es vergehen. Es kann sich auch nicht ändern, denn
es ist die Fülle der Wirklichkeit. Ein solches Seiendes kann nur Gott sein.
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