Der zweite Gottesbeweis Thomas von Aquins in der Summa theologiae, der auch als
Kausalbeweis bezeichnet wird, da er die effiziente Kausalität in den
Mittelpunkt der Argumentation stellt, hört sich sehr ähnlich an, wie der erste
Beweis. Dies hat zu einer langen Diskussion über die Frage geführt, worin denn
der wesentliche Unterschied beider Argumente besteht, sofern es einen solchen
Unterschied überhaupt gibt. Der „erste Weg“ geht aus von der Bewegung, bzw. der
Veränderung der Dinge, während der „zweite Weg“ von der Kausalität ausgeht.
Allerdings wird die Veränderung der Dinge auch durch die Kausalität erklärt.
Gleichwohl muss es einen deutlichen Unterschied geben, denn man wird Thomas
wohl kaum unterstellen wollen, dass er zweimal mehr oder weniger das Gleiche
sagen wollte. Im Verlauf der Geschichte wurden daher verschiedene Vorschläge
zur Lösung dieser Frage gemacht. Inzwischen scheint sich die Lösung
durchgesetzt zu haben, die meines Wissens erstmals von dem französischen
Thomisten Etienne Gilson vorgeschlagen wurde. Erst vor Kurzem wurde dazu eine
ausführliche Studie vorgelegt, die diese These untermauert (S. Kerr 2015; vgl.
auch Edward Feser 2009, 83f.) Gilson und Kerr, wie auch andere, bringen den
zweiten Weg Thomas von Aquins in Zusammenhang mit dem Gottesbeweis in der
Frühschrift des Aquinaten De Ente et
Essentia. Es ist kaum denkbar, so argumentieren diese Autoren meiner
Meinung nach richtig, dass Thomas in der Summa
die fünf Wege zum Beweis Gottes vorstellt, ohne dass er dabei Bezug nimmt zu
seinem Gottesbeweis, den er bereits viele Jahre zuvor entwickelt hatte. Aber
auch abgesehen von diesem ad hominem
Argument gibt es sachliche Gründe, beide Argumente zusammenzunehmen, denn auf
dieser Grundlage ergibt sich eine schlüssige Argumentation.
Kurz zusammengefasst argumentiert Gilson, dass der erste Weg
erklärt, warum die Dinge sich verändern, während der zweite Weg zu erklären
versucht, warum es die Dinge überhaupt gibt. Deshalb könnte man den zweite Weg
auch als Existenzbeweis bezeichnen. Demnach versucht Thomas im ersten Weg
verständlich zu machen, warum die Dinge sich hier und jetzt verändern, während
er im zweiten Weg dafür argumentiert, dass hier und jetzt nichts existieren
könnte, wenn Gott es nicht verursacht. Lesen wir zunächst einmal den zweiten
Weg in voller Länge:
Der zweite Weg geht vom Gedanken der Wirkursache aus. Wir stellen nämlich
fest, dass es in der sichtbaren Welt eine Über- und Unterordnung von
Wirkursachen gibt; dabei ist es niemals festgestellt worden und es ist auch
nicht möglich, dass etwas seine eigene Wirk- und Entstehungsursache ist. Denn
dann müsste es sich selbst im Sein vorausgehen, und das ist unmöglich. Es ist
aber ebenso unmöglich, in der Über- und Unterordnung von Wirkursachen ins
Unendliche zu gehen, sowohl nach oben als nach unten. Denn in dieser Ordnung
von Wirkursachen ist das Erste die Ursache des Mittleren und das Mittlere die
Ursache des Letzten, ob nun viele Zwischenglieder sind oder nur eines. Mit der
Ursache aber fällt auch die Wirkung. Gibt es also kein Erstes in dieser
Ordnung, dann kann es auch kein Letztes oder Mittleres geben. Lassen wir die
Reihe der Ursachen aber ins Unendliche gehen, dann kommen wir nie zu einer
ersten Ursache und so werden wir weder eine letzte Wirkung noch Mittel-Ursachen
haben. Das widerspricht aber den offenkundigen Tatsachen. Wir müssen also
notwendig eine erste Wirk- oder Entstehungsursache annehmen: und die wird von
allen „Gott“ genannt.
Die Prämissen des Arguments sind einfach. Wie schon beim
ersten Argument geht Thomas von der sinnlichen Erfahrung aus, nämlich davon,
dass wir Kausalbeziehungen wahrnehmen können. Damit widerspricht er allerdings
sowohl David Hume, als auch Immanuel Kant. Die ganze Argumentation Humes gegen
Kausalität beruht auf der empiristischen Voraussetzung, dass wir nur bestimmte Ereignisse wahrnehmen, von denen eines
früher und das andere später ist. Da wir wahrnehmen, dass zwei bestimmte
Ereignisse häufig aufeinander folgen, sind wir geneigt, so Hume, sie als
Kausalbeziehung anzusehen. Nach Hume lässt sich aber keine Relation wahrnehmen.
Kant hat diese Voraussetzungen geteilt und das Problem dadurch zu umgehen
versucht, dass er Kausalität als synthetisches Apriori analysiert, was aber zur
Folge hat, dass es die Kausalbeziehung letztlich nur in unserem Bewusstsein
gibt. Humes Argumentation gegen Kausalität beruht auf einem sehr engen Begriff
der Wahrnehmung, nach der wir nur Sinnesdaten erfassen können, was bei Thomas
in etwa dem sensus communis entspricht,
der sich auch bei Tieren findet. Mit Hilfe der vis cogitativa (bei Tieren der vis
aetimativa) geht die menschliche Wahrnehmung aber deutlich darüber hinaus
und insofern hat man als Thomist Argumente gegen die Wahrnehmungstheorie sowohl
Humes, als auch Kants (vgl. Anthony Lisska 2016, 237-272)
Die zweite Prämisse im Argument des hl. Thomas behauptet,
dass nichts sich selbst verursacht haben kann. Das gilt übrigens auch von Gott,
denn im Unterschied z.B. zu Spinoza und anderen neuzeitlichen Denkern ist
Thomas nicht der Auffassung, dass Gott causa
sui, Ursache seiner selbst ist. Dass etwas nicht seine eigne Wirk- oder Enstehungsursache
sein kann, wird von Thomas logisch begründet. Denn etwas, dass sich selbst
hervorbringt, muss bereits existiert haben, bevor es sich selbst hervorbringt,
was selbstwidersprüchlich ist. Anschließend greift Thomas das Argument auf,
dass ich bereits beim ersten Gottesbeweis vorgestellt habe und das auf der
Unterscheidung zweier Ursachenarten beruht, nämlich der causa per accidens und der causa
per se. Während es durchaus denkbar ist, dass die cause per accidens bis ins Unendliche zurückgeht, ist dies bei der cause per se nicht denkbar, denn bei
Letzterer sind Ursache und Wirkung simultan. Um Thomas‘ eigenes Beispiel noch
einmal aufzugreifen: der Stein bewegt sich nur deshalb und solange, wie der
Stab, der ihn bewegt, bewegt wird und der Stab bewegt sich ebenfalls nur,
solange der Arm ihn bewegt. „Gibt es also kein Erstes in dieser Ordnung, dann
kann es auch kein Letztes oder Mittleres geben.“ Hier aber geht es nicht um die
Bewegung, sondern – um die Existenz einer Entität. Ohne diese Annahme, dass
Thomas hier die Existenz einer beliebigen Entität zu erklären versucht,
erscheint das Argument in der Tat unverständlich oder redundant. Was Thomas
nach meiner Interpretation hier sagen will, ist, dass die Existenz jeder
beliebigen Entität hier und jetzt nur dadurch verständlich gemacht werden kann,
dass sie in diesem Augenblick von einer ersten Ursache verursacht wird. Es geht
nicht um den Anfang irgendeiner
Entität, obwohl dieser Anfang im Argument ebenfalls impliziert ist, sondern,
wie schon beim ersten Argument, um die Existenz einer Entität hier und jetzt.
Das ich in diesem Augenblick hier sitze und schreibe ist sowohl hinsichtlich
meiner Existenz – dass ich überhaupt bin – als auch hinsichtlich meiner
Tätigkeit, aktuell von Gott verursacht. Dies schließt die Zweitursachen
selbstverständlich nicht aus, denn Thomas ist kein Okkasionalist. Aber alle
Zweitursachen, wie meine Eltern, die mich gezeugt und geboren haben, setzen
eine Erstursache voraus und diese Erstursache ist allein Gott.
Gegen diesen Gottesbeweis wurden verschiedene Einwände
vorgebracht, von denen ich die wichtigsten kurz vorstellen und widerlegen
möchte. Ein geradezu primitiver Einwand, der durch eine völlige Unkenntnis der
Argumente Thomas von Aquins gekennzeichnet ist, stammt von Bertrand Russell,
der in seiner „Philosophie des Abendlandes“, für die er sogar den
Literatur-Nobelpreis erhielt, schreibt, dass dann, wenn alles eine Ursache hat,
auch Gott eine Ursache haben müsse. Noch erstaunlicher (oder vielleicht auch
nicht?) ist die Tatsache, dass ein deutscher Lehrstuhlinhaber für Fundamentaltheologie
diesen Einwand nicht nur wiederholt, sondern sogar ernst nimmt (vgl. Armin
Kreiner 2013, 335). Dies zeigt mit geradezu drastischer Deutlichkeit, wozu die
Ablehnung der scholastischen Philosophie seit den 1960er Jahren in der
Theologie inzwischen geführt hat. Der Einwand Russells ist schon deshalb völlig
unhaltbar, weil weder Thomas von Aquin, noch irgendein anderer theistischer
Philosoph, wie z.B. Leibniz, jemals behauptet hat, dass alles eine Ursache hat.
Thomas argumentiert, wie man weiter oben nachlesen kann, dass alles, was einen
zeitlichen Anfang an, also auch nicht sein könnte und einmal nicht war, eine
Ursache haben muss, durch die es existiert.
Die meisten Argumente gegen den zweiten Gottesbeweis richten
sich, wie schon zuvor erwähnt, gegen die thomistische Kausaltheorie. Diese
Argumente beziehen sich zumeist auf die Kausalskepsis David Humes oder auf
Immanuel Kants Argumentation gegen Gottesbeweise. Gegen diese Argumente habe
ich weiter oben bereits Stellung bezogen. Selbst für den Fall, dass es
zutreffen sollte, dass unser Wissen über das Kausalprinzip allein auf
Sinnesdaten beruht, folgt daraus nicht, dass dieses Wissen nicht auch außerhalb
der Sinnesdaten, in der realen Welt, Anwendung finden kann. Das Kausalprinzip
ist auf die realen Dinge nicht deshalb anwendbar, weil sie sinnlich sind,
sondern insofern sie existieren. Ein sinnlicher Gegenstand hat nicht deshalb
eine Ursache, weil er ein sinnlicher Gegenstand ist, sondern weil er ein
Gegenstand ist, der aus Wesenheit und Existenz zusammengesetzt ist und weil es
etwas geben muss, dass diese Zusammensetzung verursacht. Der Begriff der
Existenz ist schließlich nicht identisch mit dem Begriff eines sinnlichen
Gegenstandes. Deshalb ist es kein Argument zu behaupten, dass man das
Kausalprinzip nicht auf Dinge anwenden kann, die keine sinnlichen Dinge sind.
Ein anderes Argument gegen den zweiten Gottesbeweis behauptet,
Thomas falle bei seinem Argument in den sogenannten „Trugschluss der
Komposition“, einem bekannten logischen Fehlschluss. Dieser Fehlschluss lässt
sich an folgendem Beispiel verdeutlichen, ein Beispiel übrigens, dass sich bei
einigen physikalistisch gesinnten Materialisten tatsächlich findet: Wenn alle
Atome farblos sind und diese Rose aus Atomen besteht, dann ist diese Rose
farblos. Das Argument ist natürlich falsch, denn wenn alles aus Atomen besteht
und Atome farblos sind, bedeutet das nicht, dass auch die Zusammensetzung
farblos sein muss. Durch die Zusammensetzung können neue Eigenschaften
hinzukommen. In Bezug zum Argument Thomas‘ angewendet bedeutet dies: Wenn jedes
Ding im Universum eine Ursache benötigt um zu existieren, dann muss dies nicht
bedeuten, dass auch das Universum als Ganzes eine Ursache seiner Existenz
benötigt. In Bezug auf den Gottesbeweis Thomas von Aquins ist dieses Argument
allerdings wenig überzeugend. Der Trugschluss der Komposition ist zunächst
nicht in jedem Fall anwendbar, wo es um ein Teil-Ganzes-Verhältnis geht. Denn
wenn z.B. jeder Stein einer Mauer rot ist, dann ist auch die Mauer als ganze
rot. Ähnlich verhält es sich beim Universum und seinen Teilen. Da alle
materiellen Dinge im Universum aus Wesenheit und Existenz zusammengesetzt sind
und das Universum als Ganzes auch ein materieller Gegenstand ist, muss auch für
das Universum als Ganzes gelten, dass es eine Ursache benötigt, durch die die
Wesenheit mit der Existenz verbunden wird. Außerdem würde es keine Schwächung
des Gottesbeweises bedeuten, wenn man nur behauptet, dass die Dinge im
Universum, die aus Wesenheit und Existenz zusammengesetzt sind, von Gott
verursacht werden und wenn man das Universum als Ganzes nur so betrachtet, dass
es aus diesen materiellen Dinge besteht, d.h., dass man das Universum nicht als
eine eigene Entität neben den Dingen in ihm beschreibt.
Wie zuvor erwähnt, steht der „zweite Weg“ meines Erachtens
in einem Zusammenhang mit dem Gottesbeweis in De Ente et Essentia. Dieser frühere Gottesbeweis hebt direkt ab auf
den von Thomas postulierten realen Unterschied von Wesenheit und Existenz.
Thomas beantwortet in dieser Schrift die Frage, wie etwas in die Existenz
kommt. Da alles Existierende aus Wesenheit und Existenz zusammengesetzt ist,
kann man die Frage auch so formulieren: Was bewirkt, dass Wesenheit und
Existenz in einer Entität zusammengebracht werden? Gefragt wird damit nach
einer Wirkursache für die Zusammensetzung von Wesenheit und Existenz. Die
Wesenheit einer Entität kann nicht selbst diese gesuchte Ursache sein, denn die
Wesenheit als solche ist nur
potenziell und nichts bloß Potenzielles kann sich selbst aktualisieren. Hier
kommt der Satz aus dem zweiten Weg zur Anwendung: „Denn dann müsste es sich
selbst im Sein vorausgehen, und das ist unmöglich.“ Deshalb ist es für alle Entitäten,
deren Wesenheit von ihrer Existenz verschieden ist, notwendig, dass sie ihre
Existenz von etwas anderem erhalten. Eine kausale Reihe, bei der eine Entität
ihre Existenz von einer anderen Entität erhält, kann nicht ins Unendliche
zurückgehen, denn dann würde gar nichts existieren. Das heißt, diese
Kausalreihe ist eine solche per se.
Daraus folgt, dass es etwas geben muss, dass die Existenz aller Dinge
verursacht und das selbst nicht wieder aus Wesenheit und Existenz
zusammengesetzt ist, sondern dessen Wesenheit seine Existenz ist. Ein solches
„etwas“ aber „nennen alle Gott“. Und da die Wesenheit von der Existenz immer
real verschieden ist, auch nachdem Wesenheit und Existenz miteinander verbunden
sind, muss Gott die Wesenheit zu jedem Zeitpunkt der Existenz einer Entität mit
dessen Existenz verbinden. Gott ist somit die erste Ursache dafür, dass diese
bestimmte Entität, z.B. ich selbst, hier und jetzt existiert.
Der amerikanischen Religionsphilosophen William Lane Craig
(1980) hat zwei Argumente gegen diese Interpretation des zweiten Weges als
Wiederaufnahme des Gottesbeweises in De
Ente et Essentia vorgetragen, die ich nicht unerwähnt lassen möchte.
Zunächst behauptet Craig, dass Thomas im zweiten Weg Kausalketten zum
Ausgangspunkt seiner Interpretation verwendet, die für unsere Sinne zugänglich
sind. In der Frühschrift hingegen spricht Thomas von einer Kausalität, die für
unsere Sinne unzugänglich ist, denn die kausale Verbindung von Wesenheit und
Existenz kann nicht beobachtet werden. Das zweite Argument gegen die von
Gilson, Feser, Kerr und anderen favorisierte Interpretation des zweiten Weges
als Wiederaufnahme des Gottesbeweises in De
Ente et Essentia lautet, dass nach der Lehre Thomas von Aquins
ausschließlich Gott in der Lage ist, Wesenheit und Existenz miteinander zu
verbinden, so dass die Frage nach einer Kausalkette, wie sie im zweiten Weg
thematisiert wird, hier erst gar nicht aufkommen kann, weil im Falle der
Verbindung von Wesenheit und Existenz die Tätigkeit Gottes direkt sein muss und
nicht über den Umweg über Zweitursachen geschieht. Dementsprechend muss der
zweite Weg Thomas von Aquins nach Craig in der Weise interpretiert werden, dass
ein Ding hier und jetzt ein anderes Ding hier und jetzt verursacht, ganz
ähnlich wie meine Existenz hier und jetzt abhängig ist von der Erdtemperatur
und der Atmosphäre auf der Erde, die wiederum abhängig ist von dem Abstand der
Erde zur Sonne usw. (E. Feser 2009, 86).
Allerdings
wurden beiden Einwände Craigs widerlegt (ibid.). Ganz allgemein kann man, wie
schon gesagt, zunächst annehmen, dass es eher seltsam wäre, wenn Thomas in der Summa ein Argument einfach weglassen
würde, das er in seiner Frühschrift entwickelt hat und dies gerade angesichts
der zentralen Bedeutung des realen Unterschieds von Wesenheit und Existenz in
der Philosophie des Aquinaten. Und dass der zweite Weg in der Summa eine deutliche Ähnlichkeit mit dem
Gottesbeweis in De Ente et Essentia
hat, dürfte auch Craig zugestehen. Es ist nicht ganz richtig, wenn Craig
behauptet, dass Thomas den Gottesbeweis in De
Ente et Essentia nicht im Zusammenhang mit einer Kausalkette thematisiert.
Denn immerhin sagt Thomas in dieser Schrift, dass die Erstursache für die
Existenz eines Dinges notwendig ist, weil wir sonst die Reihe der Ursachen ins
Unendliche fortsetzen müssten, was sich doch ganz ähnlich liest, wie der zweite
Weg in der Summa. Möglicherweise hat
Thomas die Kausalkette hier nur zum Zwecke des Arguments eingeführt, da Gott,
wie gesagt, die Verbindung von Wesenheit und Existenz direkt bewirkt, doch dann
gilt das Gleiche auch vom Gottesbeweis in seiner Frühschrift. Alle fünf Wege
gehen von etwas aus, was den Sinnen gegeben ist. Dies gilt auch für den ersten
Weg, den wir schon kennengelernt haben, und es gilt auch für den zweiten Weg.
Aber so wie Thomas auch beim ersten Weg gleich danach zur metaphysischen
Analyse übergeht, tut er dies auch beim zweiten Weg. Diese Vorgehensweise macht
es dem Leser verständlicher, warum eine erste Ursache unverursacht sein muss.
Wie dem auch
sei, es gibt m.E. keinen ernsthaften Einwand gegen den zweiten Weg für den
Beweis Gottes. Alle mir bekannten Einwände beruhen entweder auf bestimmten
Missverständnissen des Arguments oder sie sind eher schwach und lassen sich
argumentativ widerlegen. Selbstverständlich muss man für die Anerkennung der
thomistischen Gottesbeweise erhebliche metaphysische Voraussetzungen
akzeptieren oder wie man heute sagt, eine Reihe „metaphysischer
Verpflichtungen“ übernehmen, doch für welche Argumente gilt das nicht? Ich
glaube, dass sich auch heute diese metaphysischen Voraussetzungen verteidigen
lassen. In der Philosophie wie auch in anderen Wissenschaften gilt, dass eine
Theorie entweder wahr ist oder nicht. Wenn sie wahr ist, dann ist sie auch 700
Jahre nach dem Tod eines Philosophen wahr. In diesem Sinne gibt es keinen
Fortschritt in der Philosophie, was freilich nicht bedeutet, dass es überhaupt
keinen philosophischen Fortschritt gibt.
Literatur
Craig,
William Lane (1980): The Cosmological Argument from Plato
to Leibniz. New
York: Harper and Row.
Feser,
Edward (2009): Aquinas. Oxford: Oneworld.
Kerr,
Gaven (2015): Aquinas’s Way to God. The Proof in De
Ente et Essentia. Oxford: Oxford University Press.
Lisska, Anthony J. (2016): Aquina’s
Theory of Perception. An Analytic Reconstruction. Oxford: Oxford University
Press.
Kreiner, Armin
(2013): Glanz und Elend des kosmologischen Arguments In: Buchheim, Thomas et al. Hrsg. (2013): Gottesbeweise als Herausforderung für die
moderne Vernunft. Tübingen: Mohr Siebeck.
Thomas von Aquin (1982): Summa theologica. Deutsch-lateinische
Ausgabe. Band 1. Gottes Dasein und Wesen. Die Deutsche Thomas-Ausgabe. Graz,
Wien, Köln: Styria.
Thomas von Aquin (31996):
Die Gottesbeweise in der Summe gegen
die Heiden und der Summe der
Theologie. Lateinisch – Deutsch. Hrsg. von Horst Seidl, Hamburg: Felix Meiner.
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