Donnerstag, 17. Juli 2014

„Physische Intentionalität“ in der Gegenwartsphilosophie

In der gegenwärtigen analytischen Philosophie gibt es seit einiger Zeit eine Rückkehr zu den Prinzipien der Finalität und zwar von Seiten von Philosophen, die Kräfte, bzw. Vermögen (power) in ihren Theorien integrieren. Dabei wird zumeist der Begriff „Finalität“ oder „Finalursache“ vermieden. Stattdessen sprechen diese Philosophen von Kräften, Vermögen oder Dispositionen, die auf bestimmte, charakteristische Manifestationen gerichtet sind. Dies wird dann nach dem Modell der Gerichtetheit, die von der menschlichen Intentionalität bekannt ist, beschrieben. Daher sprechen diese Philosophen, zu denen z.B. John Heil, George Molnar und U. T. Place gehören, von „physischer Intentionalität“ oder „natürlicher Intentionalität bzw. „intentionalen Zuständen“.


George Molnar, der mit John Heil wohl zu den bekanntesten Theoretikern gehört, die eine solche „Intentionalität“ annehmen, die eine große Ähnlichkeit mit der Finalursache der scholastischen Philosophie hat, nennt vier Kriterien für die Existenz von Intentionalität (Powers: A Study in Metaphysics):

(1)    Ein intentionaler Zustand ist auf ein Objekt gerichtet. So ist z.B. der Gedanke, „die Katze liegt auf dem Teppich“, auf den Sachverhalt gerichtet, dass die Katze auf dem Teppich liegt.
(2)    Das intentionale Objekt kann existieren, muss aber nicht existieren. Man kann z.B. denken, dass die Katze auf dem Teppich liegt, obwohl sie dort nicht liegt.
(3)    Das intentionale Objekt kann unbestimmt sein, entweder weil es nur in einer Teilaspekt betrachtet wird oder weil es einfach unklar, vage ist. So kann man z.B. denken, dass die Katze auf dem Teppich ist, ohne daran zu denken, welche bestimmte Farbe oder welches Gewicht die Katze hat. Oder man denkt, dass dies oder das in dieser Richtung liegt, wobei das Objekt vage bleibt.
(4)    Zuschreibungen intentionaler Zustände können eine sogenannte „referentielle Opazität“ zeigen. Ein Beispiel dafür wäre, wenn jemand den Gedanke hat, dass die Katze auf dem Teppich ist und die Katze den Namen Felix hat, daraus nicht folgt, dass Felix auf dem Teppich ist.

Nun versucht Molnar dafür zu argumentieren, dass Kräfte, bzw. Vermögen ebenfalls diese vier Charakteristiken zeigen:

(1)    Vermögen sind auf eine bestimmte Manifestation gerichtet. Z.B. ist die Wasserlöslichkeit darauf gerichtet, sich in Flüssigkeiten aufzulösen.
(2)    Die Manifestation, auf die das Vermögen gerichtet ist, muss nicht stattfinden, d.h. die Wasserlöslichkeit eines bestimmtes Quantum Salz z.B. muss sich nicht manifestieren, wenn dieses Salz z.B. nie mit Wasser in Berührung kommt.
(3)    Das Vermögen kann ein unbestimmtes Objekt haben. So gibt es keinen bestimmten Moment, in dem die Disposition eines bestimmten Radiumatoms zu zerfallen, sich manifestiert.
(4)    Auch Zuschreibungen von Vermögen oder Kräften können eine referentielle Opazität besitzen. Zum Beispiel beinhaltet das Vermögen von Säure, ein bestimmtes Stück Lachmuspapier rot zu färben nicht, dass Säure das Vermögen hat, ein bestimmtes Stück Lachmuspapier in die Farbe der Schuhe von Papst Benedikt zu färben.

Gegen die beiden letzten Punkte hat Alexander Bird verschiedene Argumente angeführt, die ich hier aber nicht wiederholen möchte. Allerdings scheinen diese Argumente, wie auch andere Kritiker der Theorie Molnars, zutreffend zu sein und ein guter Grund zu sein, die traditionelle scholastische Redeweise von Finalität zu bevorzugen. Ein weiterer Grund besteht darin, dass sich diesen Philosophen durch die Erklärung kausaler Kräfte nach dem Modell der menschlichen Intentionalität unnötigerweise dem Einwand aussetzten, dass ihre Theorie eine bestimmte Variante des Panpsychismus darstellt, d.h. einer Theorie, dass sich mentale Eigenschaften bei allen natürlichen Ursachen finden.

Das Hauptproblem bei der Rede von Intentionalität in der analytischen Gegenwartsphilosophie scheint zu sein, dass die verschiedenen Phänomene dadurch nicht klar genug unterschieden werden. Zur Intentionalität gehört Bewusstsein. Wenn Intentionalität allein durch die Gerichtetheit auf eine bestimmte Manifestation bestimmt wird, ist sie kein Kennzeichen des Bewusstseins mehr. Warum also spricht man nicht einfach, wie dies Jahrhunderte lang in der Philosophie üblich war, von Finalursache oder Finalität?

Weitere Ausführungen in: Edward Feser: Scholastic Metaphysics, S. 100 – 105. 

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