Sonntag, 4. September 2022

Platons Analyse der modernen Gesellschaft. Die woke Ideologie ist eine psychologische Störung


Platon zeigt uns, wer die wahren Tyrannen sind.

 

Seit der Wahl 2016 ist die These, dass Platons Kritik an der Demokratie in Der Staat der Schlüssel zum Verständnis des Aufstiegs von Donald Trump ist, zu einem Klischee der linken Mittelschicht geworden. Ganz falsch ist sie nicht. Doch meist wird die Tatsache ignoriert, dass die Tendenz zur Tyrannei, die Platon den Demokratien zuschrieb, eine Folge ihres Egalitarismus, des moralischen Relativismus und ihrer sexuellen Freizügigkeit war – was nicht gerade rechte Ursachen sind.

 

Es ist kein großes Kunststück, aus Platon Zeilen herauszupicken, die, aus dem Zusammenhang gerissen, auf einen Politiker anwendbar erscheinen, den man nicht mag. Eine ernsthafte Behandlung muss mit Platons Psychologie beginnen, die die Grundlage für seine politische Philosophie bildet. Sie muss sich mit Platons Darstellung der vier Stadien befassen, in denen der Verstand allmählich gestört werden kann, und mit der Art und Weise, in der vier zunehmend korrupte Gesellschaftstypen diesen Graden psychologischer Störung entsprechen.

 

Dann wird deutlich, dass die reinste zeitgenössische Umsetzung des tyrannischen Persönlichkeitstyps, vor dem uns Platon gewarnt hat, der linke Social Justice Warrior ist. Wenn der woke Pöbel dies erkennt, werden zweifellos Platons Statuen als nächstes gestürzt werden - und nach den Statuen die Menschen.

 

Gesunde und kranke Seelen

 

Platon unterscheidet drei Hauptteile der Psyche: Vernunft, Geist und Verlangen. Das Verlangen umfasst natürlich das Verlangen nach Essen, Trinken, Sex, Geld und ganz allgemein nach allem, was Freude bereitet. Solche Begierden sind eine natürliche Begleiterscheinung unseres Daseins als Körper und als solche nicht an sich schlecht. Schlecht ist es, ihnen in einer Weise zu frönen, die der Vernunft widerspricht.

 

Rationalität, wie sie die modernen Ökonomen verstehen, bedeutet die Maximierung der Befriedigung aller Wünsche, die wir zufällig haben. Das ist ganz und gar nicht das, was Platon darunter versteht. Er würde diese Auffassung von Vernunft sogar als Zeichen eines verdorbenen Geistes betrachten. Für Platon ist die Vernunft dasjenige Vermögen, mit dem wir die Natur der Dinge verstehen - was er bekanntlich ihre Formen (Ideen) nennt.

 

Wenn man zum Beispiel versteht, dass ein Dreieck eine geschlossene ebene Figur mit drei geraden Seiten ist, begreift man seine Natur oder Form, und das Studium der Geometrie vertieft das Verständnis für diese Natur. Man lernt zum Beispiel, dass die Summe der Innenwinkel eines euklidischen Dreiecks gleich zwei rechten Winkeln ist, dass die Länge einer der Seiten immer kürzer ist als die Summe der beiden anderen, und so weiter.

 

Es handelt sich um objektive Tatsachen und nicht um Artefakte menschlicher Konventionen. Dasselbe gilt bei Platon für die Natur anderer Dinge - Felsen und Bäume, Hunde und Katzen, Gerechtigkeit und Frömmigkeit, und auch für Menschen. In jedem Fall gibt es eine objektive Tatsache darüber, was es heißt, ein Ding jeder dieser Arten zu sein. Und das bringt einen objektiven Maßstab dafür mit sich, was als gutes oder schlechtes Beispiel für jede dieser Arten von Dingen gilt.

 

In Anbetracht dessen, was ein Dreieck ist, ist ein mit krummen Seiten gezeichnetes Dreieck in der Tat ein schlechtes oder fehlerhaftes Dreieck; in Anbetracht dessen, was ein Baum ist, ist ein Baum mit beschädigten Wurzeln in der Tat ein schlechter oder fehlerhafter Baum; und so weiter.

 

Ebenso ist es angesichts dessen, was die Natur uns an Wünschen eingepflanzt hat, eine objektive Tatsache, ob bestimmte Wünsche gut oder schlecht sind. So wäre beispielsweise das Verlangen, Schmutz, Steine, Fäkalien, Metall oder eine andere nicht nahrhafte Substanz zu essen (ein psychologischer Zustand, der als Pica bekannt ist), insofern schlecht, als es auf die falsche Art von Objekten gerichtet ist.

 

Eine Begierde kann auch auf die richtige Art von Objekt abzielen, aber dennoch schlecht sein, wenn man ihr in übermäßiger Weise nachgibt, wie bei übermäßigem Essen und Trinken. Für Platon sagt uns die Vernunft zwar, wie wir eine zufällige Begierde befriedigen können, aber wichtiger ist, ob wir sie befriedigen sollten - oder ob wir ihr stattdessen als objektiv ungeordnet widerstehen sollten.

 

Platon ist also einer Art Essenzialismus verpflichtet. Das heißt, er geht davon aus, dass die Dinge als objektive Tatsache Wesenheiten oder Naturen haben. Er ist der Ansicht, dass die Vernunft in der Lage ist, diese Naturen zu erkennen, und dass, da die Natur einer Sache bestimmt, was gut oder schlecht für sie ist, die Vernunft auch in der Lage ist, zu erkennen, was objektiv gut oder schlecht ist.

 

Er verwirft damit die relativistische Auffassung, dass das, was eine Sache ist und was für sie gut ist, eher eine Frage menschlicher Konvention als eine objektive Tatsache ist. Er widerlegt auch die skeptische Position, dass wir nicht wissen können, ob es objektive Tatsachen über diese Dinge gibt oder nicht.

 

Ein vernunftbegabter Mensch wird also nach Platons Auffassung der Begierde nur dann nachgeben, wenn die Vernunft, geleitet von ihrer Kenntnis der menschlichen Natur, diese Nachgiebigkeit als gut erachtet. Aber Begierden können mächtig sein, und das Urteil der Vernunft kann blutleer und abstrakt erscheinen. Wie also kann die Vernunft die Kontrolle über den Verlangen ausüben?

 

An dieser Stelle kommt der verbleibende Teil der Psyche, der Geist, ins Spiel. Für das griechische Wort, das mit "Geist" (thumos) übersetzt wird, gibt es im deutschen kein angemessenes Äquivalent in Form eines Wortes. Was Platon im Sinn hat, ist der Aspekt unserer Natur, der sich in gerechtem Zorn, in dem Impuls, Ungerechtigkeit zu korrigieren, und in dem Streben nach dem, was ehrenhaft ist, und dem Vermeiden dessen, was schändlich ist, manifestiert.

 

Nehmen wir an, ein Mann sieht, wie eine alte Frau überfallen wird, und obwohl er um seine eigene Sicherheit fürchtet, eilt er ihr aus Empörung über das, was ihr angetan wird, zu Hilfe. Oder nehmen wir an, er ist versucht, mit der Frau eines anderen Mannes zu schlafen, unterlässt es aber, weil er sich bei dem Gedanken daran schämt. Dies wären Beispiele für gelebten Geist.

 

Obwohl die Vernunft dem Menschen sagt, er solle im ersten Fall den Schmerz riskieren und im zweiten Fall das Vergnügen ignorieren, könnte ihn der Verlangen dennoch überwältigen, wenn der Geist ihn nicht mit den Gefühlen, die mit Gerechtigkeit und Ehre verbunden sind, ausgleichen würde. Der Geist ist der Verbündete der Vernunft bei der Beherrschung des Verlangens.

 

Eine gesunde Psyche ist eine solche, bei der Vernunft, Geist und Verlangen in dieser hierarchischen Weise geordnet sind und alle richtig funktionieren. Sie zeigt sich insbesondere in einem Menschen, der die Natur der Dinge richtig versteht, der das richtige Maß an Zustimmung für das empfindet, was die Vernunft für gut hält, und das richtige Maß an Scham oder Abscheu für das, was die Vernunft für schlecht hält, und dessen Begierden natürlich und maßvoll sind und der sich nur dem hingibt, was die Vernunft für die richtige Zeit, den richtigen Ort und die richtige Art und Weise hält und was der Geist für ehrenhaft hält.

 

Ein solcher Mensch weist die Kardinaltugenden oder "Vorzüge" auf: Weisheit, Mut, Mäßigung und Gerechtigkeit. Er ist weise, weil sein Verstand die objektive Wirklichkeit erfasst, mutig, weil er sich weder von der Angst vor Schmerzen noch von der Lust am Vergnügen vom richtigen Weg abbringen lässt, gemäßigt, weil seine Wünsche angemessen sind und nur dann befriedigt werden, wenn es angebracht ist, und gerecht, weil Vernunft, Geist und Verlangen in der Hierarchie ihre richtige Rolle spielen.

 

Eine ungesunde Psyche ist eine, die von dieser Ordnung der Dinge abweicht, und je größer die Abweichung ist, desto größer ist die Verderbtheit der Psyche. Dies bringt uns zu Platons Klassifizierung der Gesellschaftstypen, die auch eine Klassifizierung der Seelentypen ist, denn was eine Gesellschaft charakterisiert, ist der Seelentyp, der sie beherrscht.

 

Gesunde und kranke Gesellschaften

 

Vernunft, Geist und Begierde sind in allen Menschen zu finden. Aber jeder von ihnen ist bei einigen Menschen stärker ausgeprägt als bei anderen, und welcher von ihnen einen Menschen am meisten charakterisiert, bestimmt, in welche der drei sozialen Klassen von Platons idealer Gesellschaft er fallen wird.

 

Die große Mehrheit der Menschen ist begehrlich. Das bedeutet nicht, dass ihre Begierden nicht von Vernunft und Geist beherrscht werden, sondern dass Vernunft und Geist bei ihnen in erster Linie nicht auf das Streben nach Weisheit und Ehre um ihrer selbst willen ausgerichtet sind, sondern auf das Streben nach Essen und Trinken, nach Besitz, Ehe und Familie und nach materiellen Gütern im Allgemeinen. Sie bilden die produktive Klasse in Platons Staat: Bauern, Kaufleute, Arbeiter und so weiter.

 

Eine weitaus kleinere Gruppe ist in erster Linie temperamentvoll und von ihrem Wesen her auf das Streben nach Ehre und Gerechtigkeit ausgerichtet. Diese bilden die Hilfsklasse, die in Platons idealer Stadt das Militär und die Polizei stellt.

 

Die kleinste und herrschende Klasse sind die Philosophenkönige, bei denen die Vernunft so sehr dominiert, dass das Streben nach dem Wahren und Guten um ihrer selbst willen ihre Grundorientierung ist.

 

Es kann nicht oft genug betont werden, dass sich Platons Vorstellung von einem Philosophen von dem, was die meisten Menschen heute denken, wenn sie dieses Wort hören, genauso unterscheidet wie seine Auffassung von Vernunft von der des modernen Ökonomen. Er spricht nicht von einer Gesellschaft, die von verweichlichten Universitätsprofessoren der Mittelklasse geführt wird. Er denkt auch nicht an Denker, die irgendeinem alten philosophischen System anhängen.

 

Er spricht insbesondere über platonische Philosophen, was (unter anderem) diejenigen einschließt, die dem Essentialismus verpflichtet sind und Relativismus, Skeptizismus und verwandte Lehren ablehnen. Und er spricht von einer Elite, die aus der Hilfsklasse stammt und einem Regime unterworfen ist, das körperlich, intellektuell und moralisch so anspruchsvoll ist, dass niemand, der zu einem Leben in ständiger Bequemlichkeit neigt, dazu in der Lage oder auch nur daran interessiert wäre.

 

Bekanntlich leben die Wächter von Platons idealer Gesellschaft (die sich aus der Hilfsklasse und den Philosophenkönigen zusammensetzen) in einer Gemeinschaft und dürfen keine Ehepartner, Familien und kein eigenes Privateigentum haben. Dies ist kein Sozialismus, der in der realen Welt der Mehrheit Sparsamkeit auferlegt, während die Herrschenden wie Kapitalisten leben. Im Gegenteil: Der Mehrheit in Platons Staat - der produktiven Klasse - werden die Freiheit, die materiellen Vorteile und das normale Familienleben gewährt, die der Elite verwehrt sind.

 

Der Egalitarismus der Wächterklassen ist vielmehr derjenige der Kaserne oder des Klosters, der nur wenigen aufgezwungen wird, weil nur wenige dazu fähig sind. Es geht darum, die Wächter so weit wie möglich davon abzuhalten, ein persönliches oder materielles Interesse an der Regierungspolitik zu haben, so dass sie sich nur von der uneigennützigen Vernunft leiten lassen.

 

Aus heutiger Sicht geht es nicht um die Einzelheiten von Platons idealer Gesellschaft, sondern vielmehr um die Idealisierung einer bestimmten Auffassung von Vernunft, sowohl im Individuum als auch in der soziopolitischen Ordnung. Wie der Philosoph John Wild Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts argumentierte, war Platon im Wesentlichen der Begründer der Naturrechtstradition in der westlichen Ethik.

 

Gute Menschen sind nach Platons Ansicht diejenigen, bei denen die Begierde der objektiven natürlichen Ordnung der Dinge, die von der Vernunft erfasst wird, untergeordnet ist, und eine gute Gesellschaft ist eine, die von denen regiert wird, die dieses Naturgesetz am besten kennen und praktizieren. So wie eine richtig geordnete Psyche eine ist, in der die Vernunft die Begierden durch die Vermittlung des Geistes beherrscht, so ist auch eine richtig geordnete Gesellschaft eine, in der Philosophenkönige die produktive Klasse durch die Hilfskräfte beherrschen.

 

Je größer die Abweichung von diesem Modell ist, desto ungerechter und ungeordneter wird eine Gesellschaft, und die Grade der Abweichung entsprechen den Graden der Verderbtheit, die in einer individuellen Psyche existieren können. Für Platon werden ungerechte Gesellschaftsformen weniger durch ihre Regierungsverfahren definiert als durch die gestörten Charaktertypen, die sie beherrschen und in ihnen bewundert werden.

 

Es gibt vier, von denen jede schlimmer ist als ihre Vorgängerin: Timokratie, Oligarchie, Demokratie und Tyrannei.

 

Die Timokratie ist die Herrschaft des temperamentvollen Teils der Psyche, in der die Ehre die Weisheit als höchstes Ziel ablöst. Der timokratische Charakter schätzt die militärischen Tugenden über alle anderen, so dass das Ethos der Hilfstruppen das der Philosophenkönige als herrschendes Ideal verdrängt. Spartanische Strenge wäre das Paradigma.

 

Die Begierden werden beim timokratischen Persönlichkeitstyp ebenso wie beim Philosophenkönig im Zaum gehalten, aber eher aus Ehre als aus Rücksicht auf die Vernunft als solche. Die Timokratie bedeutet auch eine Abkehr von der Uneigennützigkeit der Vernunft des Philosophenkönigs, denn die übermäßige Ehrsucht des timokratischen Menschen macht ihn sehr wettbewerbsorientiert. Aus diesem Grund ist Platon der Ansicht, dass die timokratische Persönlichkeit schließlich ein übermäßiges Interesse an Geld als Ersatz für kriegerische Leistungen entwickelt. Auf diese Weise haben die Timokratien die Tendenz, Oligarchien zu werden.

 

Die Oligarchie ist das erste von drei degenerierten Regimen, in denen der Verlangen nach und nach den Einzelnen und die Gesellschaft beherrscht, aber sie ist das am wenigsten schlechte von ihnen. Der oligarchische Persönlichkeitstyp ist einer, bei dem Geld zum dominierenden Ziel wird. Die Begierden gewinnen so die Oberhand über die Vernunft und den Geist.

 

Da der Erwerb von Reichtum jedoch Zeit und Disziplin erfordert, schränkt auch der oligarchische Mensch seine Begierden ein. Die timokratischen Ideale der Ehre und des Mutes weichen, aber sie werden durch bürgerliche Tugenden wie Sparsamkeit, harte Arbeit und Sorge um Anstand ersetzt.

 

Doch mit der Befriedigung niederer Begierden lässt sich Geld machen. Als würde er die jüngste Geschichte der amerikanischen Wirtschaft beschreiben, sagt Platon, dass die Oligarchen nicht widerstehen können, die frivolen und unmoralischen Wünsche der Jugend zu befriedigen und die Dummheit derer auszunutzen, die bereit sind, sich massiv zu verschulden. Auch ihre eigenen Kinder werden verwöhnt, weich, faul und verschwenderisch.

 

"Die Liebe zum Geld und eine angemessene Selbstdisziplin der Bürger sind zwei Dinge, die in keiner Gesellschaft nebeneinander bestehen können", sagt Platon. Die Reichen haben "keine größere Sorge um das Gute als die Armen". Unter Berufung auf eine Insektenmetapher sagt Platon, dass in dieser Dekadenz eine Klasse von unfähigen und widerspenstigen "Drohnen" entsteht, die von "unnötigen Begierden" wie einem übermäßigen Interesse an Sex und einer Vorliebe für "eine abwechslungsreiche und luxuriöse Ernährung" beherrscht werden. (Eine Mischung aus Hooligans, Swingern und "Feinschmeckern" sozusagen.) Auf diese Weise weicht die Oligarchie tendenziell der Demokratie.

 

Der Dēmos und seine Dämonen

 

Um Platons Analyse der Demokratie zu verstehen, muss man sich zunächst vor Augen halten, dass es ihm nicht in erster Linie um Verfahrensfragen geht, wie etwa die Art und Weise, in der Menschen gewählt oder politische Entscheidungen getroffen werden. Worum es ihm geht, ist der Charaktertyp, der in einer Gesellschaft vorherrscht.

 

Mit "Demokratie" meint Platon eine liberalistische und egalitäre Gesellschaft, in der "jedes Individuum frei ist, zu tun, was es will". Die bürgerlichen Zügel des Verlangens verschwinden, so dass die Begierden nur durch konkurrierende Begierden und nicht durch die Vernunft, den Geist oder gar die bürgerliche Sturheit des Oligarchen kontrolliert werden. Die Demokratie, wie Platon sie beschreibt, ist im Grunde das, was die amerikanische Gesellschaft [und die westlichen Gesellschaften insgesamt; Anm. des Übersetzers] im einundzwanzigsten Jahrhundert geworden ist - so sehr, dass man sich bei der Lektüre von Platons Ausführungen zur Demokratie fragt, ob er Zugang zu einer Zeitmaschine hatte.

 

Die Demokratie zeichnet sich nach Platon durch die "Vielfalt ihrer Charaktere" aus und "behandelt alle Menschen als gleich, ob sie gleich sind oder nicht". Insbesondere behandelt sie alle Lebensweisen als gleich, unabhängig davon, wie kindisch, irrational oder unmoralisch sie sind.

 

Die Jugendlichen "werfen alle Hemmungen ab" und zelebrieren "Frechheit, Freizügigkeit, Extravaganz und Schamlosigkeit". Sie treiben von einer Aktivität zur nächsten. In einem Moment streben sie nach "Wein, Weib und Gesang", im nächsten nach "Wasser zum Trinken und strenger Diät"; ein eifriges Interesse an "harter körperlicher Ertüchtigung" kann "Trägheit und Sorglosigkeit" weichen; heute widmen sie sich philosophischen Studien, morgen der Politik und übermorgen dem Geschäft. Wenn jemand versucht, ihnen zu sagen, dass manche Begierden schlecht sind und unterdrückt werden sollten, "hören sie nicht zu", sondern bestehen darauf, dass "alle Vergnügungen gleich sind und gleiche Rechte haben sollten".

 

Diese Zügellosigkeit und Gleichmacherei wird immer extremer. Die Bürger kümmern sich nicht um den Charakter ihrer Führer, solange sie dem Volk schmeicheln. Dies führt zu "Herrschern, die sich wie Untertanen verhalten, und Untertanen, die sich wie Herrscher verhalten". Die Autorität löst sich auf. Väter und Söhne "tauschen die Plätze" in der gesellschaftlichen Stellung, "der Vater steht in Ehrfurcht vor seinem Sohn, und der Sohn respektiert und fürchtet seine Eltern nicht."

 

Im Allgemeinen stellen sich die Jungen gegen die Älteren, während die Älteren fürchten, als "unangenehm oder streng" zu gelten, und sich darauf beschränken, "die Jungen zu imitieren und sich mit ihnen auf eine einfache Art und Weise zu vertragen". Der Lehrer "fürchtet sich vor seinen Schülern und gibt ihnen nach", aber die Schüler verachten ihn trotzdem. Der demokratische Mensch besteht auf "völliger Gleichheit und Freiheit in den Beziehungen zwischen den Geschlechtern" und darauf, "keinen Unterschied zwischen Ausländern, Bürgern und Fremden" zu machen. Platon sagt uns, dass diese Freiheit sogar auf Haustiere ausgedehnt wird, die sich frei auf den Straßen der demokratischen Stadt bewegen.

 

Das Endergebnis ist, dass "die Gemüter der Bürger so empfindlich werden, dass der geringste Anflug von Zurückhaltung als unerträglich empfunden wird." Am Ende, "in ihrer Entschlossenheit, keinen Herrn zu haben", missachten die Bürger einer Demokratie "alle Gesetze, ob geschrieben oder ungeschrieben".

 

Diese demokratische Gesetzlosigkeit ist, wie Platon sagt, "die Wurzel, aus der die Tyrannei entspringt". Es ist von entscheidender Bedeutung zu verstehen, dass dies nicht nur auf das Chaos zurückzuführen ist, das entsteht, wenn Gesetze und Sitten nicht mehr respektiert werden, was die Menschen dazu veranlasst, sich für einen starken Mann zu entscheiden, der die Ordnung wiederherstellt. Es hat mit dem tiefen Irrationalismus egalitärer Gesellschaften zu tun. Sie werden nicht von der Vernunft, nicht vom Geist, nicht einmal von den besser kontrollierbaren Begierden des Oligarchen beherrscht, sondern von den niederen und unbändigen Begierden nach Sex, Essen, Trinken und Sinneslust im Allgemeinen, die am ehesten dazu neigen, die Vernunft zu blenden. Der Gedanke an eine natürliche Ordnung der Dinge, die bestimmt, dass einige Begierden ungeordnet und von der Vernunft verboten sind, ist dem demokratischen Menschen verhasst.

 

Dies ist die Bedeutung von Platons berühmtem Höhlengleichnis. Die Höhlenbewohner sind so angekettet, dass sie nur schemenhafte Bilder an der Wand sehen können, die von Statuen und flackernden Flammen geworfen werden. Die Statuen sind Darstellungen von Alltagsgegenständen außerhalb der Höhle (Hunde, Katzen, Bäume usw.). Als ein Höhlenbewohner flieht und sich einen Weg nach draußen bahnt, stellt er fest, dass das, was er und seine Gefährten für die Realität gehalten hatten, in Wirklichkeit nur blasse und verzerrte Bilder von Kopien realer Dinge sind. Er kehrt in die Höhle zurück und versucht, ihnen dies zu erklären, aber sie halten ihn für verrückt und sind so beleidigt über seine Kritik an ihren falschen Vorstellungen, dass sie ihn töten wollen.

 

Die Höhlenbewohner in dieser Allegorie stehen für die Bürger einer Demokratie wie dem Athen zu Platons Zeiten, und die Schatten an der Wand stellen das illusorische Glaubenssystem der demokratischen Psyche dar, die vom Verlangen beherrscht und von der Rhetorik der Sophisten und Demagogen beeinflusst wird, die ihnen schmeicheln und ihre ungeordneten Wünsche rationalisieren helfen. Platon charakterisiert ihre Wahnvorstellungen als "tote Gewichte", die "durch sinnliche Genüsse wie die Völlerei an ihnen befestigt sind, die den Blick ihres Geistes auf niedrigere Dinge lenken".

 

Der Mann, der entkommt, ist der platonische Philosoph, für den Platons Vorbild Sokrates ist. Die Gegenstände in der gewöhnlichen Welt außerhalb der Höhle stellen die Formen oder die Natur der Dinge dar, wie sie im Lichte des platonischen Essentialismus verstanden werden. Die Sonne, die diese Gegenstände beleuchtet, entspricht dem, was Platon "die Form des Guten" nennt, die die göttliche Quelle der Formen ist. Die Feindseligkeit der Höhlenbewohner gegenüber dem Ausbrecher steht für die Feindseligkeit der Bürger einer Demokratie gegenüber einem Philosophen, der ihre egalitären Illusionen entlarvt - wie Sokrates, der vom demokratischen Athen ermordet wurde.

 

Platon warnt davor, dass Kunst und Musik, die sich durch "hässliche Formen, schlechten Rhythmus und Disharmonie" auszeichnen, und eine Populärkultur, die "schlechten Charakter, schlechte Disziplin, Gemeinheit oder Hässlichkeit" verherrlicht, "kumulativen psychologischen Schaden" anrichten und das moralische Empfinden und die Fähigkeit zum rationalen Argumentieren verderben.

 

Das Gleiche gelte für die Beschäftigung mit der Suche nach Vergnügen, die eine Seele zu "Raserei und Exzess" und "Gewalt und Disziplinlosigkeit" neige, und er warnt, dass dies besonders für das sexuelle Vergnügen gelte. Die Kultur einer gesunden Gesellschaft muss daher die Vernunft, die Schönheit, das Gute und die Mäßigung feiern. Eine unangemessene Charakterbildung führt zu dem, was Platon "Misologie" oder Hass auf den rationalen Diskurs nennt, und bringt Bürger hervor, die "keinen Nutzen für eine vernünftige Diskussion haben und eine tierische Sucht, alles mit roher Gewalt zu regeln".

 

Die Anwendbarkeit auf die moderne amerikanische [und westliche; Anm. des Übersetzers] Popkultur ist offensichtlich, und nur die Details müssen aktualisiert werden. Die Mauern von Platons Höhle wurden durch Mobiltelefone ersetzt, die Netflix und Pornografie streamen, und die Misologie manifestiert sich jetzt in Twitter-Mobs und "Cancel Culture" statt im Schierling des Henkers (zumindest im Moment).

 

Eintritt in die Tyrannei, Bühne links

 

Platon schlägt einen Mechanismus vor, durch den die Demokratie schließlich zur Tyrannei mutiert. Er sagt uns, dass die parasitäre "Drohnen"-Klasse, die sich unter der späten Oligarchie und Demokratie bildet, in zwei Unterklassen unterteilt werden kann, die Drohnen mit "Stacheln" und die ohne. Diejenigen ohne sind die passiven Mitläufer, während die Drohnen mit "Stachel" die böseren sind, die aggressiv sind und den Rest zum Aufruhr anstacheln wollen. Man denke an den Wokester aus der oberen Mittelschicht, der sich für einen nutzlosen Hochschulabschluss in "grievance studies" verschuldet hat und dessen Idee, endlich etwas aus seinem Leben zu machen, darin besteht, sich der Antifa oder den Bernie Bros. anzuschließen.

 

Eine zweite Gruppe, die beim Übergang zur Tyrannei eine Rolle spielt, sind laut Platon die Reichen, die Angst haben, als "Verschwörer gegen das Volk und als Reaktionäre und Oligarchen" beschuldigt zu werden. Infolgedessen bezahlen sie die Drohnenklasse. Man denke nur an die Kriecherei der Unternehmen vor der politischen Korrektheit und das Ausstellen eines Schecks nach dem anderen zur Finanzierung verschiedener linker Anliegen. Eine dritte, letzte und größte Gruppe sind die Massen, die der Politik nicht viel Aufmerksamkeit schenken, aber gerne einen Anteil an dem nehmen, was die Drohnen von den Reichen abziehen.

 

Diese Auszahlungsregelung ist instabil und wartet auf den Aufstieg einer Drohne, die rücksichtslos genug ist, um aufs Ganze zu gehen und einen "Klassenkrieg gegen die Eigentümer des Eigentums" zu führen. Das ist der Tyrann, und der tyrannische Persönlichkeitstyp ist eine Erweiterung des demokratischen Persönlichkeitstyps, der seine charakteristische Gesetzlosigkeit zur vollen Entfaltung bringt.

 

Platon beschreibt ihn als einen vollkommenen Wüstling, der "die Eigenschaften der Trunkenheit, der Lust und des Wahnsinns in sich vereint" und sich der Kriminalität und "ausschweifenden Festen und Orgien und Sex und so weiter" hingibt. Er regiert durch "Verbannungen, Hinrichtungen, Andeutungen von Schuldenerlass und Umverteilung von Land". Der Schlüssel zu seinem Charakter liegt darin, dass die letzten schwachen Hemmungen für die Begierden des demokratischen Menschen völlig verschwinden. Der Tyrann, so Platon, ist "ohne Sinn und Scham", so dass es "kein Tabu, keinen noch so schrecklichen Mord gibt, vor dem er zurückschreckt", und er neigt zu einer "furchtbar bestialischen und unmoralischen Art der Begierde, die sich besonders in Träumen manifestiert", wie etwa "der Versuch des Verkehrs ... mit einer Mutter oder irgendjemand anderem, einem Menschen, einem Tier oder einem Gott".

 

Seine Kriminalität wird nicht einmal durch kindliche Ehrfurcht gebremst, so dass er ein "Vatermörder" ist, der sogar seine eigenen Eltern ausplündern und tyrannisieren wird. Wenn das Volk sich ihm nicht unterwirft, "wird er sein Land bestrafen, wenn er kann, so wie er seine Eltern bestraft hat". Plato beschreibt ihn als den "unglücklichsten aller Menschen", der "neidisch, unzuverlässig, ungerecht, freundlos und gottlos" ist. Er hat keine wirklichen Gefährten, sondern verbündet sich nur mit ähnlichen Verbrechertypen.

 

Bei aller Vulgarität und allem Egoismus, die Trump an den Tag legt, auch wenn Populismus und der Verfall des Anstands offensichtlich zu seinem Aufstieg beigetragen haben, ist es lächerlich, in ihm einen platonischen Tyrannen zu sehen. Ein Tyrann würde die Lockdowns von COVID-19 als Mittel zur Sicherung einer größeren Kontrolle über das Volk begrüßen, anstatt sich dagegen zu wehren; er hätte auf Unruhen mit der Verhängung des Kriegsrechts reagiert, anstatt sich auf Twitter zu melden.

 

Nein, der tyrannische Persönlichkeitstyp, wie ihn Platon versteht - der verbitterte Revolutionär, der dem Libertinismus verfallen ist, der die Vernunft verachtet, der auf Klassenkampf und die Enteignung der Reichen aus ist und der weder dem Erbe seiner Eltern noch seinem Land gegenüber loyal ist - steht ganz offensichtlich auf der Seite von Trumps schärfsten Gegnern, dem wachen Mob.

 

Während Trump seine "Tyrannei" auf Schimpfworte beschränkt, führen Linke der Social Justice Warrior Krieg gegen die Polizei, brennen Geschäfte nieder, stürzen Denkmäler, übernehmen Stadtteile, bringen Andersdenkende zum Schweigen, wo sie können, und zerstören rücksichtslos den Ruf und die Lebensgrundlage derer, die sie nicht zum Schweigen bringen können - alles im Namen eines "intersektionellen" Programms des Sozialismus und der radikalen sexuellen Befreiung.

 

Aber einen tyrannischen Persönlichkeitstyp zu haben ist eine Sache, eine Tyrannei tatsächlich durchzusetzen eine andere. Es bleibt abzuwarten, ob es unter den woken Horden jemanden gibt, der die Kombination aus Talent und Rücksichtslosigkeit besitzt, um tatsächlich den Regierungsapparat zu übernehmen, und ob die Masse der Gesellschaft die Schwelle zur Dekadenz bereits zu weit überschritten hat, um Widerstand zu leisten. Selbst jetzt erscheint die Aussicht auf einen amerikanischen Tyrannen nach platonischem Vorbild weit hergeholt - aber, wie so vieles in diesen bizarren Zeiten, nicht ganz so weit hergeholt, wie es noch vor wenigen Jahren schien.

 

Platons Klassifizierung von Persönlichkeitstypen und Regimen ist eine Idealisierung. Er war nicht der Meinung, dass alle Gesellschaften der realen Welt genau einer seiner Kategorien entsprechen. Tatsächliche Gesellschaften sind in der Regel Mischungen aus den von ihm beschriebenen Tendenzen, auch wenn die eine oder andere Tendenz oft überwiegt. Auch ist der Übergang von einer Gesellschaftsform zu einer degenerierteren Form nicht unvermeidlich. Vielleicht stehen wir gar nicht so nahe am Abgrund, wie es scheint; vielleicht können wir uns, selbst wenn wir nahe dran sind, noch zurückziehen.

 

Dies würde jedoch eine Wiederbelebung der Glut der Vernunft erfordern, und die ist schwach. Platon beschrieb die Philosophen seiner Zeit als "nutzlos" und "Schurken", korrumpiert durch Sophisterei und den Druck der egalitären öffentlichen Meinung.

 

Eingeschüchtert von den aggressivsten Elementen des Pöbels wird der Intellektuelle in einer demokratischen Gesellschaft "von der Flut des Lobes und Tadels des Volkes überschwemmt und mit dem Strom mitgerissen, bis er sich mit den populären Vorstellungen von dem, was bewundernswert oder schändlich ist, einverstanden erklärt, sich wie die Menge verhält und einer von ihnen wird". Wie in Erfüllung dieser platonischen Prophezeiung hat ein radikaler und intoleranter Egalitarismus die amerikanische Intelligenz - die Akademie, den Journalismus, die Kunst und die Populärkultur - erfasst, deren Führer selbst durch die unbegründetsten Anschuldigungen der Bigotterie routinemäßig zur Unterwerfung gezwungen werden.

 

Platon sagt, es bedürfe eines "Wunders" oder einer "göttlichen Vorsehung", um zu verhindern, dass die Philosophen unter solchen Umständen korrumpiert werden, und dass selbst dann nur ein "sehr kleiner Rest" Widerstand leisten werde. Wie die Hinrichtung von Sokrates zeigt, mag dieser Widerstand kurzfristig sogar aussichtslos erscheinen. Aber die langfristigen Auswirkungen sind das Entscheidende. Heute kennt außer einigen wenigen Gelehrten niemand die Namen der Verfolger von Sokrates. Es ist sein größter Schüler, Platon selbst, an den wir uns erinnern.

 

Quelle: https://americanmind.org/salvo/woke-ideology-is-a-psychological-disorder/

Deutsche Übersetzung: scholastiker.blogspot.com

 

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