Dienstag, 5. Januar 2021

Neue Buchreihe zur klassischen aristotelischen Logik


 Im Verlag editiones scholasticae erscheint in Kürze eine neue dreibändige Reihe zur Einführung in die klassische aristotelische Logik von Rafael Hüntelmann. Die drei Bände sind so angelegt, dass sie für jeden Interessierten verständlich sind und sogar für Schüler geeignet sein sollen. Der erste Band erscheint bereits in etwa einer Woche, die beiden anderen Bände kommen noch in diesem Jahr. Weitere Informationen zu Reihe hier. Grundkurs klassische aristotelische Logik – Editiones Scholasticae (editiones-scholasticae.de)

 

 

Allgemein wird heute gesagt, dass die aristotelische Logik ist überholt sei und durch die moderne mathematische Logik integriert werden kann. Dies wird mit der neuen Buchreihe bestritten. Zum ersten Band heißt es:

 

Die klassische aristotelische Logik ist durch ihre intuitive Verständlichkeit nach wie vor ein hervorragender Einstieg für das Studium der Philosophie und der Geisteswissenschaften. Sie verhilft zu einem klaren und geordneten Denken und ist trotz der modernen mathematischen Logik nicht überholt. Gerade für die Geisteswissenschaften ist die klassische Logik vollkommen ausreichend. Die klassische Logik ist eine Logik der linguistischen Ausdrücke. Diese drücken mentale Begriffe aus, welche reale Wesenheiten, bzw. die Natur der Dinge repräsentieren. Der vorliegende 1. Band der Reihe von insgesamt drei Bänden, zeichnet sich durch besondere Klarheit, Einfachheit und regelmäßige Wiederholung des Gelernten aus. Daher richtet er sich vor allem an Schüler der Sekundarstufe II und Studierende im Grundstudium.

 

Da das Vorwort des ersten Bandes eine gute Begründung für die Selbständigkeit und Bedeutung der klassischen Logik gibt, soll dieses hier wiedergegeben werden. Besonders interessant ist der Aufweis, dass die moderne Logik auf die Mathematik ausgerichtet ist und philosophisch einen nominalistischen Hintergrund hat, während die klassische Logik auf die Philosophie und die Geisteswissenschaften hin orientiert ist und philosophisch von der Existenz von Wesenheiten ausgeht, also eine realistische Grundlage hat.

 

Vorwort zu Band 1

 

Warum klassische

aristotelische Logik?

 

 

 

Immanuel Kant hat einmal Aristoteles als den Vater der Logik bezeichnet. Die auf Aristoteles zurückgehende Logik war über 2000 Jahre die Grundlage für die gesamte Philosophie und Wissenschaft. Natürlich gab es im Verlauf der Geschichte eine Weiterentwicklung der Logik, deren Grundlage aber immer die Logik des Aristoteles geblieben ist. Erst im späten 19. Jahrhundert und dann vor allem im 20. Jahrhundert wurde im Zusammenhang mit der Mathematik eine Logik entwickelt, die in verschiedener Hinsicht die Grundlagen der aristotelischen Logik verlassen hat. Dazu später mehr.

 

Hinsichtlich der klassischen oder formalen Logik hat Kant also zweifellos Recht. Die klassische aristotelische Logik hat sich natürlich, wie schon gesagt, deutlich weiterentwickelt. Bereits in der Antike wurden z.B. von Seiten der Stoiker weitere Möglichkeiten der aristotelischen Logik entdeckt. Große Bedeutung hatte der griechische Philosoph Chrysippos von Soloi (279–206 v. Chr.), der eine klare Unterscheidung von Objekt, Bedeutung und sprachlicher Bezeichnung über Aristoteles hinaus entwickelte. Auch im Mittelalter gab es einige Weiterentwicklungen der klassischen formalen Logik. Besonders aber im 17. und 18. Jahrhundert machte die aristotelische Logik deutliche Fortschritte, und hier ist besonders der Philosoph und Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) zu nennen.

 

Eine neue Art der Logik wurde im frühen 19. Jahrhundert von dem englischen Philosophen John Stuart Mill (1806–1873) entwickelt, die sogenannte „induktive Logik“. Das Neue an dieser Logik besteht darin, dass von partikularen Sätzen auf allgemeine Aussagen geschlossen wird, was nach Aristoteles nicht möglich ist. Diese Art der Logik spielt aber für die modernen Naturwissenschaften eine wichtige Rolle, doch ihre Erkenntnisse haben immer nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit.

 

Am Ende des 19. Jahrhunderts und bis in das 20. Jahrhundert hinein wurde dann eine neuartige Methode der Logik entwickelt, die im Unterschied zur klassischen formalen Logik, die auf Aristoteles zurückgeht, weit mehr mit Mathematik zu tun hat als mit Philosophie (oder Theologie und anderen Geisteswissenschaften). Diese logische Methode wird deshalb auch oft als mathematische Logik bezeichnet, spielt aber in der Philosophie der Gegenwart, besonders in der analytischen Philosophie, eine zentrale Rolle. Diese moderne Logik beinhaltet zwei verschiedene, aber zusammengehörende Systeme: die Aussagenlogik und die Prädikatenlogik. Die wichtigsten Namen, die mit dieser modernen Logik verbunden werden, sind Gottlob Frege (1848–1925), Alfred North Whitehead (1861–1947) und Bertrand Russell (1872–1970). Praktisch alle modernen Lehrbücher zur Logik verwenden ausschließlich die moderne mathematische Logik. Sofern die klassische Logik noch Erwähnung findet, wird sie mit Hilfe der modernen logischen Symbolik dargestellt.

 

Warum schreiben wir dann aber eine klassische aristotelische Logik? Zunächst gibt es einen ganz einfachen Grund: Die klassische aristotelische Logik ist in verschiedener Hinsicht deutlich einfacher als die moderne mathematische Logik, und sie ist für die Zwecke der Philosophie, der Theologie und anderer Geisteswissenschaften völlig ausreichend und genauso hilfreich, wie sie es vor 2300 Jahren war.

 

Es gibt aber noch weitere Gründe, die aristotelische Logik zu bevorzugen. Zunächst einmal sind die beiden logischen Systeme, die traditionelle und die moderne Logik, sehr verschieden im Hinblick auf das, womit sie sich beschäftigen. Die klassische Logik beschäftigt sich vor allem mit den Beziehungen zwischen sprachlichen Ausdrücken, den Termen in einem Argument, in denen das Wort „sein“ (oder „ist“, „sind“, „bin“) als Verbinder zwischen den Termen verwendet wird. Am Beispiel dargestellt:

 

Alle Menschen sind sterblich.

Sokrates ist ein Mensch.

Also ist Sokrates sterblich.

 

Dieses Argument handelt von den Beziehungen zwischen den Ausdrücken „Mensch“, „sterblich“ und „Sokrates“.

 

Im Unterschied dazu handelt die moderne Logik von den Beziehungen zwischen Sätzen in einem Argument, ohne dabei die innere Struktur der Aussagen zu berücksichtigen. Damit begrenzt sich die moderne Logik auf ein hypothetisches Argumentieren und ignoriert das kategorische Argumentieren, wie es in der aristotelischen Logik üblich ist.

 

Dies wurde auch von verschiedenen klassischen Logikern bemängelt, wie z.B. von Peter Kreeft und Ronald Tacelli. Als Grund für diese neue Struktur der Logik, die nur die Relationen zwischen den Aussagen betrachtet, ohne die innere Struktur der Sätze zu untersuchen, haben sie die unterschiedlichen philosophischen Voraussetzungen der modernen und der klassischen Logik herausgestellt. Sie haben Folgendes analysiert (P. Kreeft & R. Tacelli 1994): Die klassische Logik ist eine Logik der linguistischen Ausdrücke. Diese drücken mentale Begriffe aus, welche reale Wesenheiten bzw. die Natur der Dinge repräsentieren. Das griechische Wort logos hat diese drei Bedeutungen. Modernen Philosophen sind aber Wesenheiten oder Naturen äußerst verdächtig und zweifelhaft. Was der gesunde Menschenverstand als selbstverständlich voraussetzt, wie dass Dinge reale Wesenheiten haben und dass diese von uns erkannt werden können, wird von modernen Philosophen seit Jahrhunderten in Frage gestellt. Die aristotelische Logik setzt aber die Existenz von Wesenheiten voraus und ebenso unsere Fähigkeit, diese zu erkennen. Nach dieser Auffassung sind unsere grundlegenden Ausdrücke, die Begriffe repräsentieren, die ihrerseits wieder Wesenheiten ausdrücken. Moderne Philosophen und die symbolische Logik hingegen lehnen den sogenannten metaphysischen Realismus ab, der dieser aristotelischen Philosophie zugrunde liegt. Sie vertreten hingegen einen metaphysischen Nominalismus (d.h., dass das, was man Wesenheiten nennt, nichts anderes sind als bloße Namen, lateinisch nomina, menschengemachte Etiketten). Die grundlegenden Einheiten dieser Philosophinnen und Logikerinnen sind nicht sprachliche Ausdrücke bzw. Worte, sondern Sätze, bzw., um den Fachbegriff zu verwenden, Propositionen. Diese Propositionen werden dann zu argumentativen Strukturen verbunden, so wie dies auch Computer tun: Wenn p, dann q; q, daher q.

 

Die Erwähnung des Computers in diesem Zusammenhang ist tatsächlich aufschlussreich, denn alle modernen Computer arbeiten heute mithilfe der modernen Logik, und sie wären gar nicht denkbar ohne diese mathematische Logik. Die moderne Logik lässt sich deshalb auch damit beschreiben, dass man sagt, dass sie wie ein Computer denkt. Aber Menschen sind keine Computer. Computer sind nicht in der Lage zu erkennen, was etwas ist, die Wesenheit oder die Natur einer Sache. Für die Programmierung von Computern, ohne die unser heutiges Leben gar nicht mehr denkbar wäre, ist die moderne Logik ein geeignetes und sehr hilfreiches Mittel. Aber das menschliche Denken unterscheidet sich vom „Denken“ eines Computers, und für dieses menschliche Denken und Erkennen ist die klassische aristotelische Logik das beste Mittel. Menschen haben eine Seele und sie haben die Fähigkeit, Wesenheiten zu erkennen, die Natur der uns umgebenden Dinge zu verstehen. Dazu ist die moderne Logik und dazu sind Computer nicht in der Lage, und sie werden dazu auch prinzipiell nicht in der Lage sein. Deshalb gibt es einige traditionelle Logiker, die sogar behaupten, dass die moderne Logik gar keine Logik sei, sondern eher die Wissenschaft von mathematischen, nichtlogischen Beziehungen. In den Anfangszeiten der modernen Logik wurde diese Wissenschaft deshalb auch gelegentlich als „Logistik“ bezeichnet.

 

Diese Überlegungen sollten uns überzeugen, dass es durchaus sinnvoll ist, die weiterentwickelte klassische aristotelische Logik zu studieren, insbesondere als Vorbereitung für das Studium der Philosophie und als ein hervorragendes Werkzeug, um Philosophie, Theologie oder andere Geisteswissenschaften zu betreiben, aber auch um richtiges und gutes Argumentieren zu erlernen.


Wer die moderne Logik kennenlernen möchte, dem empfehle ich das im gleichen Verlag erschienene Buch von Ludwig Neidhart: Einführung in die formale Logik.



Das Buch ist bereits im Buchhandel erhältlich. Zum Beispiel hier oder hier.

 

 

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