Freitag, 15. Juli 2011

Evolution und Teleologie

Teleologie hat nichts mit Theologie zu tun, obgleich auch die Theologie teleologisch argumentiert. Teleologie ist die Lehre, dass alles was es gibt einen Zweck hat bzw. einem Ziel zustrebt, das es zu erreichen trachtet. Dies gilt nicht nur für menschliche Handlungen, für die auch moderne Philosophen Zwecke zugestehen, sondern auch für alle anderen Lebewesen und selbst für einfache materielle Dinge. Die moderne Naturwissenschaft und mit ihr die mechanistische Philosophie ist bestrebt, Zwecke bzw. Zweckursachen durch Wirkursachen zu erklären. Darüber wurde hier bereits mehrfach geschrieben. Im Besonderen trifft dies für die Evolutionstheorie zu und für streng naturalistische Philosophen, die die Evolutionstheorie missbrauchen, um die Naturalisierung der Zweckursachen zu begründen.





Einer der bekanntesten Vertreter einer Naturalisierung der Teleologie ist der Philosoph Daniel Dennett. Dennett benutzt die Evolutionstheorie vor allem auch dazu, um seinen Atheismus zu verteidigen, wodurch seine Philosophie eine stark ideologische Schlagseite erhält. Es geht ihm, wie auch anderen Vertretern einer Theorie der Naturalisierung von Zwecken darum, alle Zwecke, Ziele oder Funktionen von Lebewesen oder Organen durch „kausale Erklärungen“ zu ersetzen, wobei hier unter „kausal“ natürlich ausschließlich die Wirkursachen (cause efficiens) verstanden werden.

So versucht man beispielsweise den Sachverhalt, dass die Existenz von Nieren in bestimmten Organismen die Funktion haben, dass Blut zu reinigen durch eine kausale Erklärung der folgenden Art zu ersetzen: Die Vorfahren dieses Organismus, die zuallererst Nieren bildeten, die das Ergebnis einer zufälligen genetischen Mutation war, überlebten in größerer Zahl als solche Lebewesen der Art, die keine Nieren bildeten, denn das Blut der Lebewesen mit Nieren wurde gereinigt. Die führte nun dazu, dass die Gene für die Bildung von Nieren sich durchsetzen und sich auch in Zukunft immer Nieren bildeten. Damit lässt sich, so die Auffassung dieser Naturalisten, die Behauptung, dass die Funktion eines Organs darin besteht, X zu tun, ersetzen durch die Behauptung, dass dieses Organ durch evolutionäre Selektion hervorgebracht wurde, weil sein Vorläufer X tat.

Natürlich ist diese Darstellung eine massive Vereinfachung, doch es geht hier nicht um eine ausführliche Erklärung der evolutiven Mechanismen, sondern um das Prinzip der Erklärung von Zweckursachen durch Wirkursachen, das der gesamten modernen naturalistischen Philosophie zugrunde liegt.

Wenn wir uns diese Argumentation genauer ansehen, so werden wir allerdings einige absurde Schlussfolgerungen bemerken. Zunächst ergibt sich nämlich aus diesem naturalistischen Ansatz die Implikation, dass man die Funktion eines Organs nicht wissen kann, ohne etwas über seine evolutionäre Geschichte zu wissen. Es ist aber ganz offensichtlich, dass man nichts über die Evolution einer Hand wissen muss, um die Funktion der menschlichen Hand zu kennen (dies ist ein guter Einwand von Jerry Fodor). Das Gleiche gilt selbstverständlich auch für andere Organe. Die Funktion der Nieren war längst bekannt, bevor die Evolutionstheorie die Entstehung der Nieren bei bestimmten Tieren entdeckte.

Eine weitere absurde Implikation der zuvor dargestellten Erklärung besteht darin, dass etwas, dass sich nicht entwickelt hat, keine biologische Funktion haben kann, oder anders: nur etwas, dass eine evolutionäre Geschichte hat, hat auch eine Funktion. Nach der evolutionistischen Theorie hatten aber die ersten Nieren keine Funktion, weil sie nur das Produkt einer zufälligen genetischen Mutation und noch nicht durch Evolution ausgewählt waren.

Das entscheidende Problem aller naturalistischen Versuche, teleologische Erklärungen durch Kausalerklärungen im Sinne der Wirkkausalität zu ersetzen besteht aber darin, wie John Searle herausgestellt hat, dass natürliche Selektion überhaupt nichts mit Teleologie oder natürlichen Funktionen zu tun hat. Dass ein bestimmtes Organ durch die Evolution ausgewählt wurde kann nicht erklären, wie es die Funktion hat, die es hat. Eine solche „Erklärung“ beseitigt die Zwecke und Funktionen von Organen, erklärt sie aber nicht. Searle, der keineswegs ein Freund teleologischer Erklärungen ist, plädiert deshalb dafür, natürliche Funktionen völlig aus den Theorien zu verbannen und stattdessen anzuerkennen, dass biologische Phänomene vollständig frei von Zwecken oder Teleologie sind. Teleologische Merkmale sind nach seiner Auffassung ausschließlich im Geist des Beobachters, nicht aber in der Natur selbst.

Nach Searles Auffassung sind Funktionen, die wir in der Natur entdecken, nicht objektiv in der Natur vorhanden, sondern nur relativ zum Beobachter, der diesen Phänomenen einen normativen Wert zuspricht. Dagegen lässt sich sofort einwenden, dass das Zusprechen eines normativen Wertes selbst ein zweckgerichtetes Handeln ist. Es ist dies eine Art von Teleologie, die Lebewesen mit einem Geist charakterisieren, also Menschen. Und damit ist zumindest diese Teleologie objektiv. Wir haben aber bereits in früheren Beiträgen die Objektivität der Zwecke deutlich zu machen versucht.

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