Mittwoch, 20. April 2011

Vier Ursachen, ein Beispiel

Eine vollständige philosophische oder metaphysische Erklärung eines Gegenstandes ist nur dann gegeben, wenn man alle vier Ursachen im Sinne des Aristoteles angibt. Moderne wissenschaftliche und philosophische Erklärungen belassen es bei zwei Ursachen, nämlich den materiellen Bestandteilen eines Gegenstandes und der Wirkursache. Dabei gilt die Materie im strengen Sinne nicht als Ursache und die Wirkursache wird anders interpretiert als bei Aristoteles. An einem Beispiel soll hier eine vollständige Erklärung eines Gegenstandes durch seine vier Ursachen erläutert werden.



Als Beispiel diene ein Tisch. Zwar ist ein Tisch ein artifizieller Gegenstand und deshalb nur bedingt tauglich zur Erklärung der vier Ursachen, die sich primär auf echte Substanzen beziehen. In einem bestimmten Sinne haben allerdings auch Artefakte und Bestandteile von Substanzen Ursachen.

Ein Tisch besteht zum Beispiel aus Holz als der Materialursache. Doch dies ist noch nicht die letzte Ebene der Bedeutung der Materialursache. Die aristotelische Materie ist im wesentlich durch ihre Potentialität bestimmt. Das Holz hat bestimmte Potentialitäten während ihm andere Potentialitäten fehlen. Deshalb kann Holz nur bestimmten Dingen als Ursache dienen, z.B. Tischen, Stühlen, überhaupt Möbeln, aber auch Papier, Karton uva., aber Holz hat z.B. nicht die Potenz zu einem Fell oder zu einem Stromkabel zu werden.

Die Formalursache eines Dinges ist das, was die verschiedenen Teile eines Gegenstandes zu einer organisierten Einheit und Ganzheit formt. In ihrer tiefsten Bedeutung ist die Formursache die substantielle Form oder Wesenheit eines Dinges, in unserem Beispiel des Tisches. Dass das Holz zur Herstellung eines Tisches und nicht zu einem Stuhl verwendet wird, dass die Bestandteile des Tisches – die Tischplatte, die Tischbeine usw. in dieser bestimmten Weise angeordnet sind, der Weise, dass es eben ein Tisch ist, dies wird durch die Form bewirkt.

Die Wirkursache des Tisches ist derjenige, der den Tisch herstellt, der Tischler oder der Schreiner. Der Schreiner hat die Form des Tisches in seinem Geist und bildet im Blick auf die Form den Tisch. Die Wirkursache ist stets äußerlich, sie muss von außen kommen, denn kein Tisch entsteht durch sich selbst oder durch zufälliges Zusammenfallen der Teile, sondern wird von außen, in diesem Fall durch den Tischler, verursacht.

Die wichtigste Ursache und gewissermaßen Voraussetzung für alle drei anderen Ursache ist allerdings die Final- oder Zweckursache. Erst auf Grund des Zweckes für den der Tisch hergestellt wird, wird das Material ausgewählt, wird die Form bestimmt und wird insbesondere die Tätigkeit des Tischlers, die Wirkursache bestimmt. Ein Tisch, der als Schreibtisch verwendet werden soll, kann zwar das gleiche Material haben, wie ein Esstisch, aber er hat z.B. andere Ausmaße. Ein Tisch, der v.a. als Ablage für schwere Gegenstände und zur Arbeit in einem Lager verwendet wird, unterscheidet sich u.U, auch im Material, weil man in diesem Fall möglicherweise Stahl dem Holz vorzieht. Auch die Höhe des Tisches entspricht der Höhe die erforderlich ist, damit ein Mensch daran stehend arbeiten kann.

Wichtig ist die Feststellung, dass es keine Wirkursache geben kann, ohne Zweckursache, denn die Wirkung ist stets auf etwas gerichtet, für das oder auf das sie hin wirkt. Dies gilt aber nicht nur und nicht einmal primär für Artefakte, sondern für alles Seiende. Die Zweckursache hat überhaupt nichts mit Bewusstsein zu tun, mit einem Wissen des Gegenstandes um seinen Zweck. Das menschliche Herz hat den Zweck, Blut in alle Teile des Körpers zu pumpen und diesem Zweck ist der anatomische Bau und die physiologischen Kausalprozesse des Herzens angemessen, ohne dass das Herz darum weiß.

Trotz dieser Tatsachen, die dem gesunden Menschenverstand selbstverständlich sind, würde jeder moderne Philosoph aber auch jeder Wissenschaftler, der auf diese Tatsachen hingewiesen wird, dies bestreiten. Gleichzeitig setzt z.B. die Medizin die Kenntnis um die „Funktion“ des Herzens bei allen Untersuchungen und Therapien voraus. Doch was ist eine Funktion denn anderes als ein Zweck, ein Ziel, die causa finalis?

Über die Gründe für diese Ablehnung, die zur Grundlage des mechanistischen Weltbildes der Neuzeit wurde, wollen wir hier zunächst nicht spekulieren. Wir kommen darauf aber später in unserem Blog zurück.

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