Freitag, 22. Mai 2015

Quines Anti-Essentialismus. Teil 1

Antiessentialismus ist die Auffassung, dass es keine Wesenheiten oder Naturen gibt. Diese Auffassung ist so alt wie die Philosophie selbst, wurde aber in der neuzeitlichen Philosophie die vorherrschende Theorie und zwar unabhängig davon, ob es sich um Vertreter der Rationalismus, Konzeptualismus oder Nominalismus handelt. Während der Nominalismus rundweg bestreitet, dass es überhaupt Wesenheiten gibt und selbst Begriffe als bloße Worte versteht, behaupten Rationalisten bzw. Konzeptualisten, dass es in der Realität keine Wesenheiten oder Naturen gibt, dass wir aber in unserem Denken Allgemeinbegriffe bilden können, denen allerdings in der Welt nichts entspricht. Für die analytisch orientierte Gegenwartsphilosophie sind die Argumente des strengen Nominalisten Willard van Orman Quine (1908-2000) sehr einflussreich geworden.

Dienstag, 12. Mai 2015

Wesenheiten in der Wissenschaftstheorie



Argumente für die bewusstseinsunabhängige, also objektive Realität von Wesenheiten werden seit einiger Zeit auch von Vertretern einer Wissenschaftstheorie geliefert, die als „Neue Essentialisten“ (New Essentialists) bezeichnet werden. Bekannte Vertreter dieser wissenschaftstheoretischen Richtung sind Nancy Cartwright oder Brain Ellis. Neue Essentialisten vertreten die Auffassung, dass es die Aufgabe der Naturwissenschaften ist, Wesenheiten und kausale Kräfte (Dispositionen) zu entdecken und zu erforschen. Kausale Kräfte sind dieser Auffassung entsprechend Kräfte, die Dinge aufgrund ihrer Wesenheiten besitzen, bzw. die die Dinge wesentlich besitzen. Hierfür wurden von den Neuen Essentialisten weitere Argumente für die Objektivität von Wesenheiten genannt.

Mittwoch, 29. April 2015

Die Realität der Wesenheiten



Die Wesenheit einer Sache ist ihre Natur, das, wodurch sie das ist, was sie ist. Die Wesenheit ist das, was wir intellektuell erfassen, wenn wir die Gattung und den spezifischen Unterschied einer Sache erfassen. Das klassische Beispiel zur Erläuterung der Wesenheit ist die Definition der Wesenheit des Menschen bei Aristoteles als rationales Sinneswesen. In dieser Definition wird Sinneswesen als Gattung betrachtet, unter die der Mensch fällt und Rationalität als das, was den Menschen als Art von der Gattung unterscheidet. Wenn die Definition richtig ist, dann gibt sie uns das Wesen des Menschen an.

Mittwoch, 22. April 2015

Der Neoaristotelismus breitet sich aus



Wenn man unter dem Begriff „Neoaristotelismus“ alle philosophischen Positionen zusammenfasst, die sich mehr oder weniger stark auf Aristoteles und die aristotelische Tradition in der Philosophie beziehen (dazu gehören insbesondere die neuen Scholastiker und Thomisten, die oft auch als analytische Scholastiker oder Thomisten bezeichnet werden), dann gibt es eine sehr erfreulich Entwicklung. Im aktuellen Heft der Zeitschrift RATIO. An international Journal for analytic philosophy, eines der führenden philosophischen Fachzeitschriften für analytische Philosophie, sind soeben gleich zwei ausgezeichnete Beiträge von Neoaristotelikern erschienen, die ich kurz vorstellen möchte. Der erste Beitrag von Travis Dumsday zeigt die „ontologischen Konsequenzen des Atomismus“ auf und zieht daraus die Konsequenz, dass diese Position unhaltbar ist. Der zweite Beitrag von Nicah Newman verteidigt auf der Grundlage eines naturalistischen Ansatzes die klassische Auffassung zur Sexualethik.
Dass solche Aufsätze in einem führenden Organ für analytische Philosophie erscheinen, wäre noch vor fünf Jahren undenkbar gewesen.

Dienstag, 21. April 2015

Das Leib-Seele Problem: Grundkurs IV erschienen



Der vierte Band des Grundkurs Philosophie von Rafael Hüntelmann ist jetzt lieferbar. Thema dieses vierten Bandes ist „Das Leib-Seele-Problem“, eines der derzeit meistdiskutierten Themen in der Philosophie. Wie für alle Bände dieser Reihe üblich, werden nicht nur die wichtigsten Theorien und Argumente der Gegenwartsphilosophie zum Thema Philosophie des Geistes vorgestellt, sondern insbesondere die aristotelisch-thomistische Theorie zum Leib-Seele-Problem.


Donnerstag, 16. April 2015

Identität: Eine nicht-reduktionistische Analyse


Nachdem verschiedene Versuche dargestellt wurden, die Identität einer Entität durch Reduktion zu erklären, folgt heute eine nicht-reduktive Analyse der Identität, die dem „gesunden Menschenverstand“ näher steht, als die bisherigen Erklärungsversuche. Es ist die Analyse, wie sie von den scholastischen Philosophen entwickelt wurde, nach der Identität primitiv, d.h. einfach ist. Dies bedeutet nun auch wieder nicht, dass man nichts weiter darüber sagen kann. Identität beruht nach scholastischer Auffassung auf der substantiellen Form einer Entität, die die charakteristischen Eigenschaften, Kräfte, Vermögen, Dispositionen und anderes bestimmt.

Dienstag, 7. April 2015

Diachrone Identität oder Persistenz. Teil 2



Gegen die Theorie der zeitlichen Teile bzw. den Vierdimensionalismus wurden verschiedene Einwände vorgebracht. Die Theorie behauptet, wie im letzten Blogbeitrag dargestellt, dass ein persistierendes Objekt ein vierdimensionaler Raumzeitwurm ist. Ähnlich wie jedes materielle Objekt räumliche Teile hat, soll es dieser Theorie entsprechend auch zeitlichen Teile haben. Solche zeitlichen Teile sind z.B. „früher als“, „später als“ oder „gleichzeitig mit“. Dementsprechend ist jedes Stadium eines Objekts ein zeitlicher Teil des Objekts und das Objekt selbst ist entsprechend eine Zusammensetzung zeitlicher Teile, der selbst ein zeitlicher Teil ist, der die anderen zeitlichen Teile „überlappt“.

Mittwoch, 1. April 2015

Diachrone Identität oder Persistenz



Während die synchrone Identität einer Entität durch die vorbezeichnete Materie bestimmt wird, handelt es sich bei diachronen Identität um die Beständigkeit einer Entität im Wandel der Zeit. Synchrone Identität bedeutet, dass eine Entität genau diese Entität und keine andere zu einem bestimmten Zeitpunkt ist. Eine Entität verändert sich aber im Verlauf der Zeit. Alle Körperzellen eines Menschen werden im Verlauf von etwas sieben Jahren durch neue Zellen ersetzt. Trotzdem gehen wir davon aus, dass wir es mit derselben Person zu tun haben, die wir vor sieben Jahren getroffen haben. Worin diese Art der Identität besteht, ist die Frage nach der diachronen Identität.

Dienstag, 24. März 2015

Individuation



Was ist dafür verantwortlich, dass etwas Allgemeines wie Gold oder eine bestimmte Farbschattierung oder auch das allgemeine Wesen des Menschen individuiert wird? Nun, diese Frage habe ich schon einige Male in diese Blog thematisiert. Die Antwort lautet, ganz allgemein: die Materie. Nach scholastischer Auffassung ist die Materie das Prinzip der Individuation. Die Form, also z.B. die Form oder das Wesen von Gold ist etwas Allgemeines, eine Universalie. Ein bestimmtes Stück Gold, wie z.B. eine Unze (eine in diesen unsicheren Zeiten sicher gute Geldanlage), ist individuiert. Und in der Welt in der wir leben gibt es nur solche individuierten Dinge, keine abstrakten Dinge. Abstraktes Gold, die Form Gold, ist sicher keine gute Geldanlage und wenn Ihnen jemand so etwas zum Kauf anbietet, werden Sie sicher nichts dafür bezahlen. Nun ist es zwar richtig, dass die Materie das Prinzip der Individuation ist, aber nicht die Urmaterie, die materia prima, denn diese ist ja selbst völlig unbestimmt und somit nicht individuiert.


Montag, 16. März 2015

Sind Dinge Ereignisse?

Es gibt Philosophen, zu denen z.B. der späte Bertrand Russell, Whitehead und andere gehören, die der Auffassung sind, dass aufgrund der Erkenntnisse der modernen Physik die Dinge unserer Alltagswelt, die von der aristotelisch-scholastischen Philosophie, aber auch von vielen anderen Philosophen, als Substanzen analysiert werden, als Ereignisse zu analysieren sind. Ereignisse sind daher fundamentaler als Substanzen. Wie auch in zahlreichen anderen Fällen, in denen behauptet wird, dass die Ergebnisse der modernen Physik eine grundsätzliche Änderung der Philosophie erforderlich machen, zeigt sich bei einem genaueren Blick, dass sich die Ergebnisse der Physik auch alternativ interpretieren lassen.