Dienstag, 19. April 2011

Vier, nicht eine Ursachenart. Die Wirkursache

Einer der wohl wichtigsten Unterschiede zwischen der neuzeitlichen Philosophie und der Scholastik ist die Theorie über Kausalität. Während die neuzeitliche Philosophie, einschließlich der Gegenwartsphilosophie, insbesondere die analytische Philosophie, nur die Wirkursache als echte Kausalität anerkennt, unterscheidet die Scholastik mit Aristoteles vier verschiedene Ursachenarten. Neben der Wirkursache, deren Verständnis sich zudem von modernen Kausaltheorien unterscheidet, werden die materiale Ursache, die Formursache und die Finalursache genannt. Thomas von Aquin hält die Finalursache sogar für die mit Abstand wichtigste Ursache, da sie alle anderen, vor allem jedoch die Wirkursache erst verständlich macht.


Bei aller Verschiedenheit der aktuellen diskutierten Kausaltheorien stimmen diese grundsätzlich darin überein, dass Ursache und Wirkung auseinanderliegen. In dieser Hinsicht teilen fast alle Kausaltheorien die Auffassung Humes. Nach Hume gibt es keinen notwendigen Kausalzusammenhang, sondern nur das Nacheinander verschiedener Ereignisse. Demgegenüber verteidigt die Philosophie des Essentialismus die Auffassung, dass man bei der Wirkursache eine solche per se und per accidence unterscheiden muss.

Bei der akzidentellen Verursachung ist das Verursachte in der Lage, selbst Ursache für ein weiteres Ereignis zu sein, so wenn der Vater einen Sohn zeugt, der seinerseits wieder einen Sohn zeugt. Der Vater ist nicht die wirkliche Ursache seines Enkelkindes, sondern nur die akzidentelle Ursache desselben.

Bei der per se Kausalität, oder der essentiellen Kausalität hingegen fallen Ursache und Wirkung nicht auseinander, sondern sie sind synchron. Hugo, ein professioneller Billardspieler, der den Queue gegen die Billardkugel stößt, der Queue, der die weiße Kugel in Bewegung versetzt und die rote Kugel anstößt und in Bewegung versetzt usw. ist die Ursache für jede einzelne dieser Bewegungen, die Bewegung des Queue, der weißen und der roten Kugel. Ursache und Wirkung sind hier synchron, ein und derselbe Vorgang.

Nach Humes Theorie und der vieler moderner Philosophen wird dies, wenn auch zumeist nicht explizit bestritten. Die Bewegung von Hugos Arm, die Bewegung des Queues, die Bewegung der Billardkugel usw. sind verschiedene Ereignisse, die nacheinander folgen und deren Zusammenhang durch verschiedene Theorien erklärt wird. Verbreitet ist hier die Auffassung, dass der Zusammenhang durch bestimmte Gesetze gestiftet wird, die man im Sinne der logischen Implikation (wenn x, dann y) versteht. Zudem sind es Dinge, die verursachen und verursacht werden, nicht, wie in der modernen, von Hume inspirierten Auffassung, Ereignisse.

Dass diese Humesche Auffassung kontraintuitiv ist, lässt sich wohl kaum bezweifeln, wenn dies auch noch kein Argument gegen diese Theorie ist. Andererseits wäre es zunächst auch Hume und die ihm folgenden Philosophen, die die Auffassung der Scholastik widerlegen müssten. Diese Widerlegung beruht allerdings auf Voraussetzungen, nämlich Humes striktem Empirismus, die ihrerseits durchaus problematisch sind.

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