Samstag, 31. Dezember 2022

Ist die Existenz Gottes eine "Hypothese"?


Von Edward Feser 

Bei Twitter habe ich mit meinem Einwand gegen den Ausdruck „die Gotteshypothese“ für einige Verärgerung gesorgt , und zwar im Zusammenhang mit einer Diskussion über Stephen Meyers Buch Return of the God Hypothesis: Three Scientific Discoveries That Reveal the Mind Behind the Universe. Meiner Ansicht nach ist die Darstellung des Theismus als „Hypothese“, die durch wissenschaftliche Erkenntnisse bestätigt werden könnte, bestenfalls irrelevant für den tatsächlichen Nachweis der Existenz Gottes und schlimmstenfalls schädlich, da sie ernsthafte Missverständnisse über das Wesen Gottes und seine Beziehung zur Welt unterstellt. Da Twitter kein Medium ist, das einer detaillierten und nuancierten Darlegung förderlich ist, hier ein Beitrag, in dem ich ausführlicher erkläre, was ich meine.

 

Montag, 19. Dezember 2022

Neuerscheinung zu den thomistischen Gottesbeweisen


 Der Verlag editiones scholasticae hat vor einigen Wochen ein Buch des renommierten irischen Philosophen Gaven Kerr veröffentlicht, der sich besonders auf die Gottesbeweise bei Thomas von Aquin spezialisiert hat und dazu bereits zwei wichtige Bücher im Verlag Oxford University Press veröffentlicht hat. Dieses Buch versammelt verstreute Artikel aus verschiedenen Fachzeitschriften, die z.T. nur schwer zugänglich sind. Das Buch behandelt alle fünf Gottesbeweise bei Thomas von Aquin und setzt sich mit den Einwänden gegen diese Argumente auseinander. Das Buch ist in englischer Sprache erschienen. 

 

Agenskausalität – per accidens und per se


 Der folgende Artikel wurde in der aktuellen Ausgabe der polnischen Fachzeitschrift für Philosophie und Theologie, Studia Elbląskie XXIII (2022), veröffentlicht. Er behandelt ein zentrales Thema der scholastischen Philosophie, nämlich die Theorie der Wirkursachen, bei der es eine Unterscheidung zweier verschiedener Arten gibt. Dieses Argument spielt bei den Gottesbeweisen Thomas von Aquins eine wichtige Rolle. Obwohl der Beitrag für eine Fachzeitschrift verfasst wurde und daher etwas schwierig sein kann, glaube ich, dass philosophisch Interessierte dennoch davon profitieren können.

 

Donnerstag, 20. Oktober 2022

Vollkommene Weltunordnung

 


Edward Feser schreibt über unsere politische Unordnung - und wie man sie beenden kann.

 

I.

Was ist Ordnung? Was ist Unordnung? Beginnen wir mit der ersten Frage; die Antwort darauf wird natürlich auch eine Antwort auf die zweite Frage geben. Das klassische und mittelalterliche Verständnis von Ordnung wird in einem alten Nachschlagewerk, das von uns nicht-rekonstruierenden Thomisten geliebt wird, dem Dictionary of Scholastic Philosophy von Pater Bernard Wuellner, sehr schön zusammengefasst.  Er definiert Ordnung als „die Anordnung von vielen Dingen zu einer Einheit nach einem bestimmten Prinzip. Die Hauptarten sind die Ordnung der Teile zu einem Ganzen und der Mittel zu einem Zweck". Die erste dieser beiden Arten ist nicht unabhängig von der zweiten. Etwas ist gerade deshalb Teil eines Ganzen, weil es zur Verwirklichung eines Zwecks dieses Ganzen beiträgt. So ist beispielsweise die Linse Teil des Auges, insofern sie dazu dient, das vom Auge verarbeitete Licht zu bündeln, und das Auge wiederum ist Teil des Tieres, insofern es ihm das Sehen ermöglicht.

 

Sonntag, 4. September 2022

Platons Analyse der modernen Gesellschaft. Die woke Ideologie ist eine psychologische Störung


Platon zeigt uns, wer die wahren Tyrannen sind.

 

Seit der Wahl 2016 ist die These, dass Platons Kritik an der Demokratie in Der Staat der Schlüssel zum Verständnis des Aufstiegs von Donald Trump ist, zu einem Klischee der linken Mittelschicht geworden. Ganz falsch ist sie nicht. Doch meist wird die Tatsache ignoriert, dass die Tendenz zur Tyrannei, die Platon den Demokratien zuschrieb, eine Folge ihres Egalitarismus, des moralischen Relativismus und ihrer sexuellen Freizügigkeit war – was nicht gerade rechte Ursachen sind.

 

Donnerstag, 14. Juli 2022

Ein neues Buch von Edward Feser | Update




 Ende dieses Monats erscheint ein neues Buch des US-amerikanischen Philosophen Edward Feser. Feser gehört zu den prominentesten thomistischen Philosophen der USA und in meinem Blog habe ich zahlreiche seiner Beiträge übernommen. Nun hat sich Feser mit der haarsträubenden Ideologie der Critical Race Theory, der Kritische Rassentheorie auseinandergesetzt, die auch in Deutschland und Europa immer mehr Einfluss zu gewinnen scheint und die Cancel Culture weiter vorantreibt. Das Buch wird Ende Juli erscheinen und bereits kurz danach gibt es eine deutsche Übersetzung im Verlag editiones scholasticae

 DIE DEUTSCHE ÜBERSETZUNG IST FERTIG UND ERSCHEINT AM 15. September

 

Mittwoch, 29. Juni 2022

Klimapolitik und das Naturverständnis der „Grünen“


Die Partei Bündnis 90 / Die Grünen ist an der Macht. Gewissermaßen als höchstes Staatsziel wurde von ihnen die Klimapolitik ausgerufen, bei der es vor allem darum geht, die Verbrennung und damit den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) zu senken, um so die „Natur“ und letztlich die gesamte Menschheit zu retten. Ein hoher Anspruch, bei dem so etwas wie Ideologie durchscheint. Wer einen einzelnen Punkt über alles andere stellt und sogar bereit ist, alles andere – auch die Freiheit und Selbstverantwortung – diesem Ziel unterzuordnen, ist offensichtlich totalitär gesinnt. Im Hintergrund dieser Politik der „Grünen“ steht aber auch ein bestimmtes Naturverständnis, das sich vom dem Naturbegriff der abendländischen philosophischen Tradition deutlich unterscheidet und letztlich die Ursache für die heute bekannten, sogenannten „Umweltprobleme“ ist.

Mittwoch, 8. Juni 2022

Das hohle Universum der modernen Physik


 Die Aussage, dass allein die materielle Welt existiert, ist nicht sehr aufschlussreich, wenn wir nicht wissen, was Materie ist.  Diejenigen, die am meisten zum Materialismus neigen, neigen auch dazu zu antworten, dass Materie das ist, was die Physik sagt.  Das Problem dabei ist, dass die Physik uns weniger über die Natur der Materie sagt, als es den Anschein hat.  Wie Poincaré, Duhem, Russell, Eddington und andere Philosophen und Wissenschaftler des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts betonten, gibt uns die Physik die abstrakte mathematische Struktur der materiellen Welt, aber nicht die gesamte Natur der konkreten Entitäten, die diese Struktur haben.  Sie erfasst ebenso wenig die gesamte physikalische Realität wie ein Bauplan alles erfasst, was ein Haus ausmacht.  Das ist ein Argument, das ich schon seit langem vorbringe (zum Beispiel in Aristotle’s Revenge).

Donnerstag, 5. Mai 2022

Sokratische Loyalität


Der folgende Text aus der Feder von Edward Feser betrifft die Frage der Loyalität gegenüber einem ungerechten Staat und der Kirche, die durch ihre Prälaten falsche Lehren verbreitet. Der Text bezieht sich an verschiedenen Stellen auf Verhältnisse in den USA, die aber in unserem Land sehr ähnlich sind und deshalb problemlos übertragen werden können:

Sokrates war so kritisch gegenüber seinem Land, dass er von diesem hingerichtet wurde.  Dennoch hätte er der Hinrichtung entgehen können, wenn er gewollt hätte.  Der Grund, warum er das nicht tat, war, wie er in Platons Kriton erklärte, die Loyalität gegenüber dem Land, das er so kritisierte und das ihn vernichten wollte. 

 

Mittwoch, 6. April 2022

Chomskys "Propagandamodell" der Massenmedien. Der ökonomisch-industrielle Komplex und die Medien

 


Ein häufiger Fehler, der bei der Bewertung einer Theorie gemacht wird, besteht darin, dass man nicht zwischen der Theorie selbst, ihrer Anwendung auf bestimmte Fälle und den zusätzlichen Annahmen, die ein Verfechter der Theorie bei der Entwicklung dieser Anwendung macht, unterscheidet.  Oft lehnen Menschen eine Theorie ab, weil sie eine bestimmte Anwendung problematisch finden, obwohl sie bei genauerem Nachdenken erkennen würden, dass das Problem nur bei dieser Anwendung und/oder bei den Zusatzannahmen liegt und nicht bei der Theorie selbst.

 

 

Montag, 14. März 2022

McDowells aristotelischer Beinahe-Fehlschlag

 


Von Edward Feser

John McDowells Aufsatz "Singular Thought and the Extent of Inner Space" (Singuläres Denken und die Ausdehnung des inneren Raums) hat mich während meines Studiums sehr beeindruckt, etwa zur gleichen Zeit, als sein einflussreiches Buch Mind and World veröffentlicht wurde.  Wie viele Philosophen glaubte ich, dass in McDowells Arbeit etwas Tiefgründiges vor sich ging, obwohl ich (wie wohl viele andere Philosophen auch) nicht ganz sicher war, was ich davon halten sollte.  Das hat zum Teil mit der Schwierigkeit von McDowells Stil zu tun, aber diese Schwierigkeit spiegelt, zumindest teilweise, die Schwierigkeit des Themas wider.  Die Natur des Denkens und der Erfahrung ist uns so nahe - wie eine Nasenspitze, die immer im Blickfeld ist und daher selten wahrgenommen wird -, dass sie genau aus diesem Grund schwieriger zu erfassen ist als die nicht-mentale Welt.

 

Dienstag, 8. März 2022

Die Theorie des gerechten Krieges und der russisch-ukrainische Krieg


 Eines der auffälligsten Merkmale der Katastrophe in der Ukraine ist, wie eindeutig die Grundsätze der Lehre vom gerechten Krieg zu gelten scheinen.  Einerseits ist der Einmarsch Russlands nach den Kriterien der Theorie des gerechten Krieges nicht zu rechtfertigen.  Andererseits wäre auch ein militärisches Vorgehen der NATO gegen Russland nicht zu rechtfertigen.  Hier sind die Kriterien für eine gerechte militärische Aktion, wie sie in Abschnitt 2309 des Katechismus der Katholischen Kirche dargelegt sind:

 

Mittwoch, 23. Februar 2022

Der Unterschied zwischen traditioneller und moderner Logik


Der folgende Text stammt von einem amerikanischen Philosophen und Logiker, den ich sehr schätze, insbesondere wegen seiner Beiträge zur klassischen aristotelischen Logik. Martin Cothran, so sein Name, unterrichtet Logik an verschiedenen Colleges der USA. Der folgende Text, der zuerst in einem Blog erschienen ist und von mir übersetzt wurde, fasst in kurzen und klaren Sätzen den Unterschied zwischen den beiden Arten der Logik, der klassischen-aristotelischen Logik und der modernen mathematischen Logik wieder. Für eine weitere Vertiefung dieser Thematik empfehle ich die dreibändige Ausgabe zur Einführung in die klassische-aristotelische Logik von Rafael Hüntelmann.

 

Mittwoch, 9. Februar 2022

Das Naturrecht


Der folgende Artikel von Rafael Hüntelmann ist zuerst erschienen auf der Website The Cathwalk.de, einem Internetportal, das sich besonders an junge Christen und solche, die es werden wollen, wendet. Der Beitrag bietet eine gute und kurze Zusammenfassung des Naturrechts und ich darf ihn auch in diesem Blog veröffentlichen.

 

Montag, 31. Januar 2022

Inkonsistenzen in der Corona-Politik


Immer mehr Menschen scheinen zu bemerken, dass in der Coronapolitik in Deutschland und in vielen anderen Ländern etwas nicht stimmt. Logisch betrachtet handelt es sich dabei um Inkonsistenzen. Eine Inkonsistenz ist ein logischer Widerspruch. Ein runder Quadrat ist ein solches inkonsistentes „Ding“, denn kein Ding kann zugleich rund und quadratisch sein. Wenn ein Ding quadratisch ist, dann ist es nicht rund und umgekehrt. Letztlich liegt einer Inkonsistenz ein Verstoß gegen das oberste Prinzip der Logik zugrunde, ein Verstoß gegen das Nichtwiderspruchsprinzip.

 

Donnerstag, 6. Januar 2022

Der katholische Mittelweg zur Covid-19-Impfung

 

Von Edward Feser
Ich empfehle Ihnen das jüngste EDIFY-Video des katholischen Philosophen Josh Hochschild, das sich mit der Frage "Sind Impfvorschriften ethisch?" befasst.  Er vertritt den Standpunkt, dass diejenigen, die sich mit einem der Covid-19-Impfstoffe impfen lassen wollen, dies mit gutem Gewissen tun können, dass die Impfung aber auch freiwillig sein muss.  Wie regelmäßige Leser dieses Blogs wissen, ist dies auch meine eigene Position.  Und was noch wichtiger ist: Es ist die Lehre der Kirche.  Ich empfehle auch sehr den Artikel "Using Abortion-Derived Vaccines: A Moral Analysis" von Pater Ezra Sullivan und Pater Leon Kuriakos Pereira, der in der aktuellen Ausgabe von Nova et Vetera erscheint.  Es ist die gründlichste Verteidigung der Lehre der Kirche zu diesem Thema, die mir bekannt ist.  Er ist auch ein heilsames Gegenmittel gegen den Fanatismus, der leider auf beiden Seiten dieses Themas tiefe Wurzeln geschlagen hat, bei denen, die darauf bestehen, dass jeder die Impfung ablehnen muss, und bei denen, die darauf bestehen, dass jeder geimpft werden muss.  Beide Positionen widersprechen der Vernunft und der Nächstenliebe.  Dies ist eine Angelegenheit, bei der das individuelle Gewissen frei sein sollte.