Oxford University Press, der größte Verlag für Geisteswissenschaften
in Europa, publiziert seit vielen Jahren eine Reihe mit dem Titel „A Very Short Introduction“. Der Reihe umfasst inzwischen weit über 300 Titel, in denen in die
verschiedensten Themen und Gebiete auf sehr kurze (ca. 100 Seite) und prägnante
Weise eingeführt wird. Naturgemäß ist die Qualität dieser kleinen Bücher sehr
unterschiedlich und im wesentlichen von den Autoren abhängig. Ich habe in den
vergangenen Wochen drei Titel dieser Reihe gelesen und möchte Sie Ihnen hier
kurz vorstellen: Metaphysics, Aristotle
und Thomas Aquinas.
Stephen
Mumford
OUP, 113
Seiten, EUR 10,99
Der Einführungstext von Mumford in die Metaphysik ist
ausgezeichnet und das Beste, was man in so kurzer Form sagen konnte. Der Autor
führt in die wichtigsten Grundfragen der Metaphysik in Gegenwart und Vergangenheit
auf systematische Weise ein. Er beginnt mit der Frage „What is a table?“ und
erläutert bereits anhand dieses einfachen, alltäglichen Gegenstandes einige
wichtige Probleme der Metaphysik. Metaphysik fragt nach der Natur der Dinge in
sehr allgemeinen Begriffen. Sie geht dabei von den offensichtlichen Merkmalen
der Dinge aus, das sind vor allem die sinnlich wahrnehmbaren Dinge wie die
Farbe, die Festigkeit, der Geruch etc. und verallgemeinert von dort ausgehend
immer weiter bis sie zu bestimmten letzten Gegebenheiten kommt.
Mumford liefert keine fertigen Lösungen, sondern gibt
bestimmte, heute diskutierte Antworten auf metaphysische Fragen und stellt
diese dann wieder durch andere Auffassungen in Frage. Dadurch findet der Leser
einen sehr guten Zugang zu den heute hauptsächlich diskutierten Problemen der
Metaphysik, die freilich bereits seit Jahrhunderten diskutiert werden.
So werden verschiedene Theorien von Eigenschaften und
Beziehungen, sowie der Substanz vorgestellt. Weiter wird in die Frage von Teil
und Ganzem eingeführt, die Frage gestellt „Was ist Veränderung?“ und die
verschiedenen Theorien der Kausalität angeschnitten. Raum und Zeit sowie die
Frage nach dem Wesen der Person werden ebenfalls angerissen.
„Was ist möglich?“ bzw. gibt es so etwas wie Möglichkeiten,
sind Möglichkeiten so etwas wie Dinge oder wie unterscheiden sich Möglichkeiten
von wirklichen Dingen, sind weitere Fragen, bevor abschließend die Frage „Was
ist Metaphysik?“ zu beantworten versucht wird.
Der besondere Vorzug dieses Buches besteht darin, dass es
dem Autor gelingt, den Leser zum selber nachdenken zu bewegen und nur
verschiedene Antworten andeutet. Vom Aufbau und der Thematik hat es eine
gewisse Ähnlichkeit mit dem hier schon vorgestellten neuen Buch von Rafael
Hüntelmann, http://www.scholastiker.blogspot.de/2012/09/neuerscheinung-zur-einfuhrung-in-die.html
der aber eindeutig Stellung bezieht und in die genannten Fragen auf der
Grundlage der aristotelisch-thomistischen Philosophie einführt.
Das Buch von Mumford ist voll und ganz zu empfehlen und jeder,
der Englisch lesen kann und eine wirklich hilfreiche, gut verständliche und
lebendige Einführung in die Fragen der Metaphysik sucht, wird hier fündig.
Jonathan
Barnes
OUP, 176
Seiten, EUR 10,99
Ganz anders muss man die kurze Einführung in die Philosophie
des “größten Philosophen aller Zeiten”, Aristoteles bewerten. Barnes ist
analytisch orientierter Philosophiehistoriker und Spezialist für antike
Philosophie, doch in diesem Buch ist davon wenig zu merken. Grundsätzlich ist
eine systematisch-analytische Herangehensweise an historische Texte der
Philosophie sehr zu begrüßen und führt weiter als die in Deutschland noch
vorherrschende hermeneutische Methode. Allerdings hat man den Eindruck beim
Lesen des Buches über Aristoteles, als ob der Autor Aristoteles nicht besonders
mag. Jedenfalls vergleicht er Seitenlang die naturphilosophischen Auffassungen
mit den Erkenntnissen der modernen Naturwissenschaft, was selbstverständlich
sehr zu Ungunsten Aristoteles‘ ausfallen muss. Dabei wird auch nicht die völlig
andere Grundstellung der antiken Philosophie, der es ja nicht um
Naturbeherrschung, sondern um Weisheit und ein glückliches Leben ging,
ausführlich erläutert.
Zu Beginn gibt Barnes eine ganz interessant zu lesende kurze
Biographie des Aristoteles wieder und stellt die wichtigsten Werke des
Philosophen vor. Hier gelingt es ihm auch die Situation der Philosophie im
antiken Griechenland mit ihren verschiedenen Schulen darzustellen.
Im Weiteren allerdings geht Barnes sehr ausführlich auf die „naturwissenschaftlichen“
Erkenntnisse und Schriften Aristoteles ein, die heute von eher untergeordneter
Bedeutung sind. Dies beginnt mit den zoologischen Studien Aristoteles‘, die
durchaus einiges für sich haben, wenn sie auch oft nicht durch persönliche
Forschung zustande gekommen sind.
Behandelt wird weiterhin die Logik, die von Aristoteles „erfunden“
wurde, die allerdings von Barnes nicht genügend gewürdigt wird. Verglichen mit
der modernen mathematischen Logik ist die aristotelische Logik sicher
rudimentär, allerdings hat sie dafür auch erheblich weniger metaphysische
Voraussetzungen und entspricht dem „gesunden Menschenverstand“ weit mehr als
die moderne symbolische Logik.
Die wichtigsten metaphysischen Theorien, insbesondere Akt
und Potenz sowie Form und Materie werden nur kurz angerissen – ähnliches gilt
auch für die vier Ursachenlehre, die etwas besser weg kommt – während immer
wieder kritisch Bezug genommen wird auf empirisch-wissenschaftliche
Erkenntnisse.
Zusammenfassend wird das im 14. Kapitel das „Weltbild“ des
Aristoteles dargestellt, wobei man fragen könnte, ob er oder überhaupt die
Griechen über ein solches Weltbild verfügten. Barnes klassifiziert Aristoteles
als Wissenschaftler und Philosophen, wobei ihn, wie gesagt, die einzelwissenschaftlichen
Studien offenbar mehr interessieren, obwohl für Aristoteles diese Studien stets
im Zusammenhang mit seiner philosophischen Theorie standen, was man von der
modernen Wissenschaft nun sicher nicht sagen kann.
Insgesamt ist die Einführung von Barnes stark von
gegenwärtigen Fragestellungen bestimmt, was durchaus nicht falsch sein muss,
wenn man zeigen kann, dass man auch auf diese gegenwärtigen Fragen zumindest
mit der aristotelischen Methode Antworten anbieten kann. Dies allerdings ist
offenbar nicht die Absicht von Barnes.
Im Kapitel 17 wird die für Aristoteles kennzeichnende
Teleologie vorgestellt. Barnes macht deutlich, dass dieser Begriff bei
Aristoteles sich deutlich von späteren Begriffen der Teleologie dadurch
unterscheidet, dass Aristoteles eine innere Teleologie vertritt. Auch hier geht
Barnes immer wieder auf die „biologischen“ Studien des Aristoteles ein, anhand
derer er zeigt, wie er die Zweckursachen in den biologischen Substanzen
entdeckt. Leider wird der Begriff der Zweckursache bei Aristoteles von Barnes
an verschiedenen Stellen mit dem Begriff der Funktion gleichgestellt.
Funktionen sind sicher ein Teil dessen, was mit Zweckursachen gemeint ist,
allerdings bedeutet letzteres erheblich mehr als eine Funktion.
Zum Schluss geht der Autor auf die Nikomachische Ethik des
Aristoteles ein. Zunächst zeigt er sehr gut auf, dass der Begriff „Ethik“ bei
Aristoteles eine ganz andere Bedeutung hat als heute und das auch der
Grundbegriff dieser Ethik, die Eudaimonia, die im Englischen zumeist mit „happiness“
übersetzt wird, etwas anderes meint als die im Englischen übliche Bedeutung von
Euphorie. Das deutsche Wort „Glückseligkeit“ ist hier durchaus treffender. Die
Grundfrage des Aristoteles in seiner Ethik ist die, was uns glückselig macht
und damit unterscheidet sie sich deutlich von modernen ethischen Theorien. Hier
hätte Barnes moderne Moralphilosophien gut mit der aristotelischen
kontrastieren können, was er leider aber nur in Andeutungen tut.
In der politischen Philosophie wird von Barnes die
Auffassung des Aristoteles zutreffend wiedergegeben, wenn er das Ziel des
Staates im Gemeinwohl sieht, wobei Aristoteles, im Unterschied zu Thomas von
Aquin, ein Übergewicht des Staates vor dem Einzelnen konstatiert. Allerdings
zeigt sich die ganze urgeschichtliche Auffassung des Autors darin, dass er
Aristoteles eine mehr oder weniger totalitäre Staatsauffassung vorwirft, weil
dieser kein Liberaler war, die es in der Antike und im Mittelalter auch gar
nicht gab, selbst nicht in der Theorie. Barnes meint, dass diejenigen, die den
Staat als Förderer des Gemeinwohls betrachten als Verteidiger der Repression
enden. Mit Aristoteles und Thomas könnte man geradezu das Gegenteil sagen,
abgesehen von der Unordnung im Staat die dadurch entsteht, dass dieser sich
nicht um das Gemeinwohl kümmert.
Zum Schluss geht Barnes auf die „Philosophie der Kunst“ des
Aristoteles ein und zeigt dann im letzten Kapitel 20 die bedeutende
Wirkungsgeschichte des Aristotelismus auf. Auch hier werden Seitenhiebe gegen
die katholische Kirche gerichtet, die angeblich Aristoteles unterdrücken
wollte. Solche falschen Behauptungen, die sich auch anderswo finden lassen,
sind eigentlich schon längst wiederlegt worden, was aber bestimmte Leute nicht
daran hindert, sie zu wiederholen. Es gab einzelne Kirchenmänner, Bischöfe und
auch Kardinäle, die Aristoteles für gefährlich hielten, weil sie diesen nur aus
den unzureichenden und schlechten Übersetzungen kannten, die aus dem arabischen
vorlagen. Das „die Kirche“ seine Philosophie zu verbieten trachtete ist schon
allein deshalb lächerlich, weil Albert der Große und Thomas von Aquin
ungehindert Aristoteles studieren und lehren konnten.
Grundsätzlich ist diese Einführung in Aristoteles nicht zu
empfehlen und es gibt erhebliche bessere.
Furges Kerr
OUP, 127
Seiten, EUR 10,99
Nicht nur zu Aristoteles, sondern auch zu Thomas von Aquin
sind in den vergangenen Jahren wieder häufiger Einführungstexte erschienen. Das
nach wie vor beste Buch zur Einführung wurde geschrieben von Edward Feser:Aquinas. A Beginners Guide Dieses Buch wird auch von dem hier zu besprechenden nicht übertroffen.
Der Autor dieser Very Short Introduction ist Dominikaner, gehört
somit dem Orden des hl. Thomas von Aquin an und hat verschiedene Bücher zur
Religionsphilosophie und Theologie, sowie zu Wittgenstein geschrieben. Seine
Grundorientierung an Wittgenstein ist in diesem kleinen Buch auch zu spüren.
Von Fesers Einführung unterscheidet sich diese vor allem
durch ihre deutlich stärker theologische Ausrichtung. Beim Lesen hat man den
Eindruck, dass der Autor zu viel gewollt hat. Naturgemäß kann man in einer
solchen kleinen Schrift nur sehr wenig über einen Theologen oder Philosophen
sagen. Daher ist es zu empfehlen, wie dies Mumford vorbildlich gelingt, nur
einige zentrale Themen auszuwählen und diese etwas ausführlicher darzustellen
und sie dann kurz mit anderen Bereichen in Verbindung zu bringen. Kerr geht
leider anders vor.
Sein Ausgangspunkt ist das Hauptwerk des Aquinaten, die
Summa Theologiae. Die anderen Schriften werden zu Beginn kurz vorgestellt. Dann
orientiert sich Kerr an der Summe und erläutert anhand dieser die Philosophie
und Theologie des hl. Thomas. Es handelt sich also eigentlich um eine Einführung
in die Summa Theologiae, die in ihren drei Teilen vorgestellt wird. Dagegen ist
nichts zu sagen, zumal es solche Einführungen eher selten gibt.
Allerdings ist diese Schrift des Aquinaten derartig
umfangreich, dass man besser einen bestimmten Teil herausgenommen und diesen
etwas ausführlicher vorgestellt hätte, als möglichst über jedes Thema etwas zu
sagen. Dies führt an verschiedenen Stellen, aber auch insgesamt zu einer eher
oberflächlichen Darstellung.
Gleichwohl ist die Schrift durchaus zu empfehlen, besonders
für diejenigen, die mehr über die Theologie des Thomas erfahren möchten. Die
philosophischen Themen, die auch in der Theologie eine beherrschende Rolle
spielen, kommen etwas zu kurz. So könnte man im Ausgang von der Theorie von Akt
und Potenz bzw. Form und Materie die verschiedenen theologischen Topoi bei Thomas
im Zusammenhang gut darstellen.
Gleichwohl kann man aus dieser Schrift einiges über die
Theologie des hl. Thomas lernen, die natürlich die Theologie und Dogmatik der
katholischen Kirche ist. Auch wird Thomas, wie dies nicht unüblich ist, nicht
verfälscht und für modernistische und liberale Positionen der Gegenwartstheologie
eingespannt, obgleich man an einigen Stellen erkennt, dass der Autor die
Auffassung des Thomas nicht unbedingt teilt. Er ist aber ehrlich und stellt Thomas
richtig dar, wobei er auch auf aktuelle Debatten (Priestertum der Frau)
zumindest teilweise Bezug nimmt und die Auffassung Thomas von Aquins zu dieser
Frage darstellt.
Insgesamt also zu empfehlen, zumal es so etwas in
Deutschland nicht gibt.
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