Wie üblich in Disputationen nennt Thomas zunächst die Argumente, die gegen diese These sprechen. So lautet der dritte Einwand, dass nichts nach dem strebt, „was es flieht. Einige aber fliehen Gott, weil sie ihn hassen“, wozu offensichtlich die Atheisten gehören. Woraus man schließen kann: „Nicht alle also streben nach Gott“.
Zunächst antwortet Thomas nun allgemein auf die Quaestio, ob alles nach Gott strebt. Seine Antwort lautet, dass tatsächlich alles nach Gott strebt, aber nur implizit und nicht explizit. Dies wird nun wie folgt bewiesen (hier das Argument):
1. Eine Zweitursache (d.i. alle die Ursachen, wie wir sie in der Welt kennen und sie von der Wissenschaft untersucht werden) kann nur eine Wirkung erzielen, wenn sie ihre Wirkkraft von der Erstursache empfängt (Erstursache ist die Ursache, die selbst durch nichts verursacht ist und dies gilt nur von Gott).
2. Das Erzielen einer Wirkung ist eine Tätigkeit.
3. Das Erzielen einer Zweckursache (eines Zieles oder Zwecks) ist ein Streben.
4. Eine untergeordnete Tätigkeit ist nur tätig aufgrund der Kraft, die sie von der übergeordneten Tätigkeit empfängt.
5. Ähnliches gilt für die Zweckursache: ein untergeordneter Zweck wird erstrebt nur aufgrund des Hauptzwecks.
6. Gott ist von allem Tätigen die Erstursache.
7. Alle Zwecke streben auf einen letzten Zweck, die die letzte Zweckursache ist. „Das aber bedeutet, implizit nach Gott streben.
Dies gilt auch unabhängig davon, dass man an Gott glaubt oder nicht. Es ist eine unleugbare Tatsache, dass alles nach dem Guten strebt. Auch jeder Mensch, selbst Richard Dawkins, strebt nach dem Guten. Er, und nicht nur er, hält etwas Schlechtes aber für etwas Gutes, ein Fehler, der bei uns allen leider allzu oft vorkommt. Dies ändert aber nichts daran, dass er etwas Gutes, jedenfalls etwas vermeintlich Gutes erstrebt.
Nun ist das Streben des Menschen nicht nur auf dieses oder jenes Gute gerichtet, wie dies selbst bei Tieren und Pflanzen der Fall ist. Das menschliche Streben ist auf das Gute selbst, dass absolut Gute gerichtet. Dies sieht man u.a. daran, dass sich das menschliche Streben mit nichts Endlichem zufrieden gibt und immer weiter geht. Dieses absolut Gute ist aber per definitionem Gott.
Auf den oben vorgestellten Einwand, dass es Menschen gibt, die Gott hassen und folglich nicht nach dem streben, was sie hassen (es im Gegenteil meiden, wie z.B. Richard Dawkins dies tut, indem er sogar behauptet, diesen Gott gäbe es gar nicht), antwortet Thomas dann in den Erwiderungen:
Man kann Gott in sich selbst betrachten und in seinen Wirkungen. In sich selbst betrachtet ist es aber unmöglich, Gott nicht zu lieben, weil er selbst das Gute ist (nach dem auch der Atheist strebt). Würde wir Gott in seinem Wesen sehen (was hier auf Erden allerdings nicht der Fall ist), so würden wir ihn lieben.
Betrachtet man hingegen Gott in seinen Wirkungen, zumindest in einigen seiner Wirkungen, dann wird er gehasst und man flieht vor Gott. Dies ist nämlich überall dort der Fall, wo die Wirkungen Gottes dem eigenen Willen entgegengesetzt sind. Wenn jemand z.B. etwas tun möchte, was eine Beleidigung Gottes ist und seinen Vorschriften (eines seiner Wirkungen) widerspricht, so wird man Gott als Hindernis sehen und wenn sich diese Haltung durchhält, wird man letztlich leugnen, dass es Gott überhaupt gibt, „damit alles erlaubt ist“, wie Dostojewski sagt.
Andere Wirkungen Gottes allerdings werden selbst von Atheisten und sogar den Dämonen, wie Thomas anführt, geliebt, zum Beispiel ihr eigenes Leben. Deshalb streben die Dämonen, weil sie nach Sein und Leben streben, nach Gott, denn Gott ist die Quelle allen Lebens und des Seins.
Natürlich kann man gegen diese Argument des Aquinaten allerlei Einwände erheben, insbesondere, dass sie die Existenz Gottes voraussetzen. Aber die Existenz Gottes sollte mit diesen Argumenten auch nicht bewiesen werden, denn dies hat Thomas an anderen Stellen bereits getan.
Wünschen wir also Herrn Dawkins und anderen Personen, die ihm folgen, er möge erkennen, wonach er wirklich strebt.
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