Dienstag, 11. Juni 2013

De Veritate: Erster Band der Übersetzung erschienen

Der Verlag Felix Meiner hat erfreulicherweise die Aufgabe übernommen, die Quaestiones disputatae, eines der großen Werke Thomas von Aquins, erstmals vollständig ins Deutsche zu übersetzen (bedauerlicherweise ohne lateinischen Text. Die Schuld darin liegt allerdings bei der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), die nicht bereit war, das Projekt finanziell mit einem Druckkostenzuschuss zu unterstützen, was zeigt, wie weit sich die die DBK von der großen Tradition der Philosophie entfernt hat). Der größte Teil der Quaestiones besteht aus dem Werk De Veritate / Über die Wahrheit, von dem es bisher nur ein stark gekürzte und nicht immer einwandfreie Übersetzung von Edith Stein gibt, die aber auch erst seit kurzem wieder zugänglich gemacht wurde. Das Werk in der Ausgabe des Verlags Felix Meiner ist auf insgesamt sechs Bände angelegt; der fünfte Band ist soeben erscheinen und Scholastiker hat ihn gelesen.






Der, wie alle Bände der Reihe Quaestiones disputatae, sehr schön aufgemachte Band 5 (warum gerade mit diesem begonnen wurde bleibt unerklärt) enthält die Quaestiones 21 bis 24 und dazu ein sehr ausführliches Nachwort, vermutlich des Übersetzers, was aber nicht genau zu erkennen ist. Übersetzt wurde der Band von dem Dominikaner Tilman Anselm Ramelow O.P. der offensichtlich vorwiegend in den USA lebt und dort tätig ist.

Die Übersetzung ist, soweit ich das beurteilen kann, gut gelungen. Wünschenswert wäre allerdings auch bei künftigen Bänden, dass man zumindest die Grundbegriffe in Klammern auf Latein hinzufügt.

Kritisch anzumerken ist bei diesem Band die enorme Zahl von Rechtschreibfehlern; fast über den gesamte Band hinweg sind auf fast jeder Seite solche Fehler zu finden, was darauf schließen lässt, dass der Verlag es versäumt hat, den Band ausreichend lektorieren zu lassen. Es ist mir durchaus bewusst, dass aktuelle wissenschaftliche Literatur, besonders im Bereich der Geisteswissenschaften, nur noch von wenigen Verlagen lektoriert wird, was ich auch durchaus verstehen kann und wofür es gute Gründe gibt. Diese Gründe gibt es allerdings nicht bei einem klassischen Werk der Philosophie. Hier ist ein ausgiebiges und gutes Lektorat unbedingt notwendig, zumal der Band 98,00 Euro kostet, was solche Kosten abdecken sollte.

Doch nun einige Worte zum Inhalt dieses Bandes. Themen der 21. bis 24. Quaestiones sind das Gute (21), das Streben nach dem Guten (22), sowie die Lehre des hl. Thomas zum Willen Gottes (22) und zur Entscheidungsfreiheit (24). Philosophische und theologische Fragestellungen sind nicht getrennt und gehen ineinander über. Die gleichen oder ähnliche Fragen werden von Thomas auch in anderen Schriften behandelt, so in De potentia und besonders in der Summa theologiae, allerdings wohl nirgendwo so ausführlich wie hier.

Die sehr ausführlichen Erläuterungen im Nachwort des Bandes (fast 90 Seiten) sind meines Erachtens nur teilweise hilfreich, da sie, so scheint mir zumindest, vom sogenannten Transzendentalthomismus und Personalismus beeinflusst sind, beides Auffassungen, die Thomas für bestimmte Zwecke missbrauchen und ihm sicher nicht gerecht werden. Hauptvertreter dieser heute eigentlich überholten Thomas-Exegese ist, zumindest im Bereich der Theologie, Karl Rahner, dessen Theorien viel mehr Gemeinsamkeiten mit Kant, dem Deutschen Idealismus und Heidegger haben, als mit Thomas.

Ich werde in Kürze einen Artikel aus diesem Band vorstellen, nämlich den 2. Artikel der Quaestio 22 hinsichtlich der Frage – um es modern auszudrücken – ob Richard Dawkins nach Gott strebt.

2 Kommentare:

  1. Vielen Dank für diesen hilfreichen Leseeindruck und die wie immer hervorragende Arbeit! Ich freue mich schon auf die Vorstellung des Artikels.

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  2. Danke auch. Erschütternd, mit welchen Schwierigkeiten die Herausgabe solch grundlegender Werke heute verbunden ist und wie weit die Front der Ablehnung reicht.

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