Die 14. These lautet: „Die Seelen pflanzlicher und sinnlicher Ordnung bestehen keineswegs an sich, noch werden sie an sich hervorgebracht, sondern sie sind lediglich als Prinzip, durch das das Lebende ist und lebt, und da sie ganz von der Materie abhängen, werden sie, wenn das Zusammengefügte zerstört wird, eben dadurch in akzidenteller Weise zerstört.“
Diese These behauptet drei Dinge: 1. dass das „Lebensprinzip“ der Pflanzen und Tiere, mit anderen Worten die Form des Lebendigen, nicht an sich existiert und auch nicht an sich hervorgebracht wird, 2. dass der Begriff der „Seele“ bei diesen Lebewesen nichts anderes bedeutet als das Lebensprinzip und 3. dass diese Seelen mit dem Ende einer Pflanze oder eines Tieres ebenso zu Ende ist und nicht, wie bei der menschlichen Seele, nach dem Tod des Körpers weiter existiert. Das Argument für die Unsterblichkeit der menschlichen Seele können Sie hier nachlesen.
Zunächst zum ersten Punkt. Wer das Wort „Seele“ nicht verwenden möchte wenn es um Fragen der Biologie geht, also in Bezug zu Pflanzen und Tieren, der kann stattdessen überall das Wort „substanzielle Form“ oder einfach „Form“ einsetzen. Seit der Moderne, vor allem seit Descartes und der mechanistischen Philosophie ist die Rede von einer Seele von Pflanzen und Tieren so ziemlich vollständig außer Gebrauch gekommen und eine Seele wird, wenn überhaupt, nur dem Menschen zugeschrieben.
Allerdings hat auch die aristotelisch-scholastische Philosophie keineswegs an einer Allbeseelung geglaubt, wie bestimmte Theorien, die erst in der Neuzeit populär wurden. Leibniz Monadenlehre ist ein Beispiel für die Auffassung, dass alles eine Seele besitzt, selbst die Atome und die daraus bestehende „tote“ Materie. Diese Auffassung ist dann im frühen 20. Jahrhundert in abgewandelter Form im Panpsychismus wieder auferstanden, eine Theorie, auf Bertrand Russell und Whitehead zurückgeht und derzeit erneut diskutiert wird, vor allem als ein Lösungsversuch für die Auseinandersetzung um eine dualistische oder rein materialistische Weltanschauung.
Die aristotelisch-thomistische Philosophie hat unter der Seele im Allgemeinen zunächst nichts anderes verstanden als die substanzielle Form alles Lebendigen, also der Pflanzen, Tiere und des Menschen. Der erste Teil der 14. These behauptet nichts anderes als dass die Seele, also die Form der pflanzlichen und tierischen Lebewesen, in keiner Weise selbständig ist, sondern vollständig in den Organismus, den sie „formt“, bzw. belebt, eingesunken ist. Betont wird dies von Thomas, Aristoteles und allen scholastischen Philosophen deshalb, weil dies der wesentliche Unterschied dieser Lebewesen zum Menschen ist. Der Beweis dafür, nur kurz zur Erinnerung angedeutet, besteht darin, dass der Mensch die Fähigkeit zu Abstraktion hat und völlig abstrakte Begriffe oder mathematische Begriffe bilden und erfassen kann, die keinerlei materiellen Bezug haben, sondern gerade dadurch gebildet werden, dass sie von aller Materie abstrahieren. Dies setzt aber ein Vermögen voraus, das selbst nicht materiell ist, nämlich den Verstand. Dieser ist bei Tieren nicht vorhanden, selbst wenn man ihnen Fähigkeiten wie sinnliche Wahrnehmung, Erinnerung und viele andere sinnliche Vermögen keineswegs abstreiten muss.
Die Form, bzw. die Seele der Pflanzen und Tiere geht aber völlig in der Funktion für den Organismus auf und zeigt keinerlei Selbständigkeit diesem gegenüber, wie dies beim Verstand durchaus der Fall ist. Folglich gibt es kein einziges philosophisches Argument für die Annahme mancher Tierfreunde, dass die Seele ihres Hundes Brutus, der wirklich sehr klug ist, nach seinem Tod weiterlebt und eines Tages, nach dem Tod des Frauchens, diesem wieder zur Seite steht.
Die Seele ist das Prinzip des Lebens und aller lebendigen Tätigkeiten der Lebewesen, von der Ernährung, dem Stoffwechsel und anderer rein organischer Vollzüge, bis hin zu den Wahrnehmungen der Tiere und die Seele als Form des Organismus ist zugleich die Einheit aller dieser Vorgänge.
Übrigens bedeutet der Begriff „akzidentelle Zerstörung“, dass das Lebewesen durch das Abstreben oder Verenden nicht vollständig vernichtet wird, d.h. restlos ins Nichts zurückfällt, was es faktisch bei keinem Seienden gibt und nur von Gott bewirkt werden könnte (wie die Erschaffung aus dem Nichts), sondern dass es aufhört zu sein, weil das Ganze, das aus Materie und Form besteht, zugrunde geht, in dem ein Wesensteil (eben die Materie) zugrunde geht und der andere Teil (die Form) nicht ohne den zugrunde gegangenen Teil existieren kann.
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