Mittwoch, 6. August 2014

Bertrand Russells Einwand gegen das Kausalprinzip



Bertrand Russell gehört zu den einflussreichsten Philosophen des 20. Jahrhunderts und gilt als einer der Väter der analytischen Philosophie. Stark beeinflusst von David Hume aber auch von Franz Brentano und Alexius Meinong, hat er verschiedene philosophische Entwicklungen durchlaufen. In einem Werk aus seiner frühen Phase („On the Notion of Cause“) behauptet er, dass das „Gesetz der Kausalität ein Relikt aus einem vergangenen Zeitalter ist, das nur, wie die Monarchie, überlebte, weil es fälschlicherweise als unschädlich betrachtet wurde“. Nach seiner Auffassung zeigt die Physik, dass es keine Kausalität gibt. Physik beschreibt nämlich, nach Auffassung Russells, die Welt in Differenzialgleichungen, die funktionale Beziehungen zwischen Ereignissen beschreiben und diese Gleichungen beziehen sich nicht auf Ursachen.




„In den Bewegungen der wechselseitigen gravitierenden Körper gibt es nichts, dass als eine Ursache bezeichnet werden kann und nichts, dass als Wirkung bezeichnet werden kann; es gibt lediglich eine Formel“ heißt es in der zuvor genannten Schrift Russells. Während Ursachen Wirkungen hervorbringen und nicht umgekehrt, gibt es keine derartige Asymmetrie in den Gleichungen der Physik, denn diese Gleichungen sind symmetrisch und können in jede Richtung weisen.

Dieses Argument hat aber gleich mehrere Probleme. Zunächst würden die Scholastiker bestreiten, dass alle Ursachen und Wirkungen zeitlich asymmetrisch sind. Die unmittelbare Ursache einer Wirkung ist simultan mit dieser, wie gegen Hume betont wurde. Außerdem beweist Russells Argument sozusagen zu viel. Wenn es nämlich ausreicht zu zeigen, dass ein Ding nicht existiert, weil es nicht in den Gleichungen der Physik vorkommt, dann müsste man nicht nur Kausalität, sondern auch andere Arten fundamentaler Begriffe eliminieren, einschließlich solcher Begriffe, die wesentlich für das Verständnis der Wissenschaften sind.

Ein weiteres Problem beim Argument Russells gegen das Kausalprinzip besteht darin, dass es alles andere als klar ist, dass die Physik frei von Kausalbegriffen ist. So sind Dispositionseigenschaften, die für den scholastischen Begriff der Kausalität ganz zentral sind, auf der fundamentalen Ebene der Physik überall gegenwärtig (vgl. C.B. Martin, 2008

Das vierte Problem mit dem Argument Russells lässt sich so formulieren: Unabhängig davon, ob Kausalbegriffe in der Physik vorkommen, sind sie auf jeden Fall in den Wissenschaften gegenwärtig. Und dass die anderen Wissenschaften, wie Chemie, Biologie und noch weniger Soziologie oder Psychologie auf die Physik reduzierbar sind, ist auch in der Gegenwartsphilosophie weitgehend akzeptiert. Hinzu kommt, dass der philosophische Naturalismus, dem Bertrand Russell zu dieser Zeit verpflichtet war, gerade in der Gegenwartsphilosophie gar nicht artikuliert und verteidigt werden kann, ohne die Bezugnahme auf Kausalbegriffe. Naturalisten verteidigen Kausaltheorien der Erkenntnis, Kausaltheorien der Wahrnehmung, des repräsentationalen Inhalts und vieles andere mehr. Wenn Kausalität also zentral für die Argumente der Naturalisten ist, dann müssen Naturalisten Kausalität in jedem Fall verteidigen, selbst dann, wenn sie in der Physik nicht vorkommt.

Doch das grundlegendste Problem im Argument Russells haben wir noch gar nicht genannt: Es gibt einfach keinen Grund anzunehmen, dass die Physik uns irgendeine auch nur annähernd vollständige Erklärung derWirklichkeit gibt. Im Gegenteil gibt es eine Menge von Gründen anzunehmen, dass sie dies nicht tut. Ironischerweise hat Russell dies später selbst deutlich gesehen, wenn er sagte, dass die Physik uns nichts über den intrinsischen Charakter von Ereignissen sagen kann. „Alles was die Physik uns gibt, sind gewisse Gleichungen, die abstrakte Eigenschaften der Veränderungen wiedergeben“.

Die moderne Physik konzentriert sich auf solche Aspekte der Wirklichkeit, die in der Sprache der Mathematik beschrieben werden können und die von allem anderen abstrahieren. Wenn es Merkmale in der Welt gibt, die diese Mathematisierung erlauben, dann ist die Physik gut geeignet, um sie zu finden und mit dieser Methode zu beschreiben. Doch bei Merkmalen der Wirklichkeit, die nicht mit dieser Methode erfasst werden können, kann die Physik diese Merkmale sicher nicht finden. Wenn man von dem Erfolg für bestimmte Vorhersagen, die die Physik machen kann, wie z.B. die Stellung der Planeten unseres Sonnensystems zueinander in 328 Jahren, darauf schließt, dass die Physik eine nahezu vollständige Erklärung der Welt liefern kann, dann ist dies ein wirklich sehr grober Fehlschluss.

Wenn das, was eine mathematische Gleichung der Physik beschreibt wirklich eine Veränderung ist, dann, so argumentiert der Scholastiker, beinhaltet diese Veränderung die Theorie von Akt und Potenz. Dies bedeutet, dass bei den intrinsischen Merkmalen eines Dinges, die die Physik beschreibt, so etwas wie reale Potenzen vorhanden sein müssen und dies sind natürlich kausale Eigenschaften.

2 Kommentare:

  1. Bertrand Russell war kein Philosoph. Dagegen sprechen sein dümmlich-plakativer "Atheismus" und seine ausgesprochen sozialistisch-bolschewistischen Neigungen.

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