Samstag, 29. Oktober 2016

Der Abschuss des Flugzeugs – ein Fehler in der Argumentation



In zwei früheren Beiträgen (hier und hier) habe ich zu dem Film „Terror – Ihr Urteil“ Stellung genommen. Diese Stellungnahmen haben zu zahlreichen Diskussionen geführt, nicht nur in der Combox zu meinen Beiträgen, sondern auch über zahlreiche E-Mails, die mir zugesandt wurden. Dies hat dazu beigetragen, dass ich mein Urteil revidieren muss. Es gab in meiner Argumentation einen Fehler im Zusammenhang mit der Theorie der doppelten Wirkung.



Damit bei einer Handlung von einer doppelten Wirkung gesprochen werden kann, müssen vier Bedingungen erfüllt sein:

1.     Die beabsichtigte Handlung muss in sich selbst gut oder zumindest neutral sein.

2.     Die gute Wirkung der intendierten Handlung muss zumindest ebenso unmittelbar aus der Handlung folgen, wie die schlechte Wirkung. Dies ist nicht zeitlich gemeint, sondern kausal. Das bedeutet, dass die schlechte oder böse Wirkung entweder durch die gute Handlung verursacht werden muss oder aber direkt durch die Handlung verursacht wird, die auch direkt die gute Wirkung verursacht. Es ist nicht zulässig, dass die gute Wirkung durch die schlechte Wirkung verursacht wird.

3.    Die schlechte Wirkung darf niemals selbst beabsichtigt oder gewollt sein, sondern sie darf nur zugelassen werden, bzw. in Kauf genommen werden.

4.    Es muss eine Verhältnismäßigkeit zwischen der guten und der schlechten Wirkung bestehen, d.h. es muss ernsthafte Gründe geben für die Inkaufnahme der negativen Wirkung. Die gute Wirkung muss die schlechte Wirkung bei weitem überwiegen.

Ich hatte in meinem zweiten Beitrag zum Thema argumentiert, dass die Bedingungen 1, 3 und 4 erfüllt sind, während die zweite Bedingung nicht erfüllt ist. Für das Vorliegen einer Handlung mit doppelter Wirkung ist es aber notwendig und hinreichend, dass alle vier Bedingungen erfüllt sind.

Warum ist auch die zweite Bedingung erfüllt? Mein Fehler in der Argumentation bestand darin, dass ich den Abschuss des Flugzeugs mit dem Erschießen der 167 Passagiere identifizierte. Dies ist aber nicht der Fall! Es geht darum, dass Flugzeug, bzw. den Terroristen daran zu hindern, das Stadion zu erreichen um die dort befindlichen 70.000 Besucher zu töten. Deshalb richtet sich der Angriff des Kampfpiloten gegen das Flugzeug, bzw. den Terroristen und nicht gegen die Menschen, die sich in dem Flugzeug befinden. Ein Angriff auf ein Flugzeug aber ist neutral, bzw. ein Angriff gegen ein Flugzeug mit einem Terroristen kann man sogar als gut bezeichnen. Daher ist die Ursache für die gute Wirkung – die Rettung der Stadionbesucher – selbst zumindest neutral und dies reicht aus, damit die Bedingungen für eine Doppelwirkung alle erfüllt sind.

Dies bedeutet abschließend: Der Abschuss des Flugzeugs mit dem Terroristen und 167 Geiseln an Bord durch den Kampfpiloten war moralisch gerechtfertigt, selbst wenn er in diesem Fall juristisch nicht erlaubt war, da das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil für einen solchen Fall den Abschuss verboten hat.

2 Kommentare:

  1. Es freut mich, dass Sie schließlich ebenfalls zu diesem Schluss gekommen sind.

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  2. Der Sache nach scheint mir nun das Ergebnis der Argumentation richtig zu sein. Allerdings gilt zu beachten, dass der Abschuss des Flugzeuges und die Rettung der 70.000 Menschen ein und dieselbe Handlung darstellt. Die sehr bedauernswerte Tötung der Passagiere liegt in moralischer Hinsicht praeter intentionem. Es handelt sich nicht um einen Anwendungsfall des Prinzips, dass der gute Zweck nicht ein schlechtes Mittel rechtfertigen kann, weil keine voneinander unterschiedene Handlungen vorliegen, die man als moralisch schlecht oder gut qualifizieren könnte.

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