Dienstag, 27. März 2018

Ist Gott männlich?

Moderne Theologinnen kritisieren die klassische Theologie unter anderem deshalb, weil sie Gott als männlich charakterisiert und ihn stets mit männlichen Artikeln anspricht. Darin sehen diese Theolog_innen einen schwerwiegenden sexistischen Irrtum. Sie plädieren dafür, Gott entweder mit weiblichen Artikeln (sie, ihr) oder stets mit er/sie/es anzusprechen. 
Edward Feser geht in seinem jüngsten Buch über die fünf Gottesbeweise in einem kurzen Anhang zum sechsten Kapitel auf diese Frage ein. Scholastiker hat diesen kurzen Text übersetzt und stellt ihn hier den Lesern dieses Blogs zur Verfügung. Die deutsche Übersetzung des kompletten Buches ist in Vorbereitung und wird nach Angaben des Verlags im Frühsommer erscheinen.





Da Gott immateriell und unkörperlich ist, ist er kein Sinneswesen und somit auch kein vernünftiges Sinneswesen oder ein Mensch. Und da er kein Mensch ist, ist er weder ein Mann noch eine Frau. Er ist geschlechtslos. Dennoch ist es traditionelle Praxis, Gott in männlichen Begriffen zu charakterisieren, und ich bin dieser Praxis in diesem Buch gefolgt. Einige zeitgenössische Schriftsteller lehnen diesen Gebrauch ab, indem sie ihn als „sexistisch“ und ohne rationale Rechtfertigung abtun. Daher nehmen sie oft die „politisch korrekte“ und ungeschickte Praxis an, Gott als „er/sie/es“ zu bezeichnen. Tatsächlich gibt es aber gute philosophische Gründe für den traditionellen Sprachgebrauch.


Betrachten wir zunächst einmal, wie wir gesehen haben, dass es in Gott Intellekt und Wille gibt, und diese Attribute sind entscheidend für die Personalität. Dementsprechend kann Gott nicht in unpersönlicher Weise als „es“ bezeichnet werden. Aber warum dann „er“ und „ihm“, statt „sie“ und „ihr“?


Der Grund dafür ist, dass Gottes Beziehung zur Welt viel mehr einer väterlichen als einer mütterlichen Beziehung gleicht. Biologisch gesehen ist die Rolle des Vaters in der Fortpflanzung insofern aktiv, als er befruchtet, und die der Mutter insofern passiv, als sie befruchtet wird. An der Physiologie des Vaters ändert sich durch die Befruchtung nichts, während sich die Physiologie der Mutter radikal ändert. Die Mutter wird physisch stärker vom Vater abhängig, der für seine Partnerin und ihr ungeborenes Kind sorgen muss – auch wenn leider einige Väter ihre Pflicht in dieser Hinsicht nicht erfüllen. Wie diese traurige Tatsache zeigt, ist der Vater in keiner Weise physisch von seiner Partnerin oder seinem Kind abhängig, weshalb er die Szene verlassen kann (auch wenn er es nicht sollte). Es gibt auch eine wörtliche physiologische Verbindung zwischen dem Kind und seiner Mutter, die nicht zwischen dem Kind und seinem Vater besteht, der während des gesamten Schwangerschaftsprozesses buchstäblich weiter entfernt ist.


Nun gibt es hier offensichtliche Analogien zu Gottes Beziehung zur Welt. Gott ist insofern aktiv, als er die Welt erschafft, während die Welt insofern passiv ist, als sie von Gott erschaffen wurde. Als reine Aktualität ist Gott völlig unveränderlich, während die Welt eine Mischung aus Aktualität und Potentialität ist, die sich ständig verändert. Die Welt hängt in jedem Augenblick ganz von Gott ab, während Gott in keiner Weise von der Welt abhängt. Die Welt könnte ohne Gott nicht existieren, obwohl er ohne sie existieren könnte. Gott ist auch völlig verschieden von der Welt und nicht identisch mit ihr (wie im Pantheismus) oder sogar kontinuierlich mit ihr (wie im Panentheismus).


Angesichts der Schlüsselelemente des klassischen Theismus, der in diesem Buch vertreten wird, ist die natürlichste und am wenigsten irreführende Art, Gott zu charakterisieren, väterlicher und damit männlicher Natur. Mütterliche Bilder würden suggerieren, dass Gott veränderbar oder kontinuierlich mit der Welt ist, was wiederum eine panentheistische Vorstellung von Gott oder eine pantheistische Vorstellung oder eine Vorstellung suggerieren würde, die in irgendeiner anderen Weise im Widerspruch zu Gottes Unveränderlichkeit, Immaterialität, Ewigkeit und reinen Aktualität steht.

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