Das Prinzip der Finalität lautet nach Thomas von Aquin: „Jedes
Tätige ist um eines Zieles willen tätig“ (Summa contra gentiles, III, 2). Oder
anders formuliert: Wenn A durch seine Natur die Wirkursache von B ist, dann ist
die Entstehung von B die Finalursache von A. Nehmen wir als Beispiel die
Neigung eines Eiswürfels eine Flüssigkeit oder die Luft in der Umgebung zu
kühlen. Oder die Neigung von Phosphor am Kopf eines Streichholzes eine Flamme
zu erzeugen, wenn das Streichholz an der Seitenfläche der Streichholzdose gerieben
wird. Dies sind die entsprechenden Wirkungen des Eiswürfels oder des Streichholz
unter normalen Umständen. Der Eiswürfel wird die Umgebung kühlen und nicht
erwärmen und der Phosphor am Streichholz wird eine Flamme erzeugen und erhitzen
und nicht kühlen. Das der Eiswürfel und der Phosphor genau diese Wirkungen und
nicht irgendwelche anderen oder gar keine Wirkungen erzeugen, ist nur dadurch
erklärlich, wenn wir annehmen, dass es etwas in ihnen gibt, das sie genau auf
dieses und kein anderes Ergebnis als ihr Ziel oder Zweck richtet. Dies ist die
Finalursache.
Moderne Philosophen sind schon seit Jahrhunderten der
Auffassung, dass man keine Finalursachen benötigt, weil die Wirkursachen allein
ausreichen, um kausale Regularitäten in der Natur zu erklären. Diese Auffassung
findet sich sogar bereits in der Spätscholastik, explizit bei William von
Occam. Nach Occam kann man nur bei Wesen mit einen freien Willen von Finalität
sprechen. Occam argumentiert für seine Sicht durch den Hinweis, dass wir,
abgesehen von der Offenbarung, nur sehr wenig über Finalität und Teleologie wissen
können. Hier ist bereits der spätere Skeptizismus vorgebildet.
Occam sagt: „Wenn ich keine Autorität [gemeint ist die
Wahrheit des Glaubens] anerkennen würde, würde ich behaupten, dass es nicht
bewiesen werden kann – weder durch Aussagen, die durch sich bekannt sind, noch
durch Erfahrung – dass jede Wirkung eine finale Ursache hat, die entweder
verschieden oder nicht verschieden von der Wirkursache ist. Denn es kann nicht
zureichend geprüft werden, dass jede Wirkung eine finale Ursache hat.“ (W. von
Occam, Quodlibet 4, q. 1. Eigene Übersetzung). Ähnliche Aussagen finden sich
auch bei anderen Nominalisten der Spätscholastik und im Gefolge dann in der
neuzeitlichen Philosophie, fast wörtlich vor allem bei John Locke und David
Hume.
Ein Argument gegen die Finalität besteht darin, dass
behauptet wird, dass eine Wirkursache ihre Wirkung notwendig hervorbringt und
deshalb keine Bezugnahme auf eine Zweckursache erforderlich ist. Doch ist dies
kein Argument: Wir wollen nämlich wissen, was es bedeutet, dass eine Wirkursache eine notwendige Wirkung
hervorbringt. Wir wollen eine Erklärung
dafür, warum diese Ursache genau diese und keine andere Wirkung hervorbringt.
Entweder beinhaltet die Notwendigkeit etwas, das intrinsisch in der Ursache
enthalten ist oder nicht. Jede der beiden Möglichkeiten führt aber zu
erheblichen Problemen für die Auffassung, dass die Wirkursache ausreicht, um
eine kausale Regularität zu erklären.
Dies wird folgendermaßen deutlich: Nehmen wir an, dass die
Notwendigkeit etwas ist, das Ursache und Wirkung äußerlich ist. In diesem Fall
hätte die Notwendigkeit der Wirkung B, die durch die Ursache A hervorgebracht
wird, nichts mit A oder B selbst zu tun, sondern mit etwas anderem. Doch womit?
Eine Möglichkeit wäre, dass Gott dafür sorgt, dass B auf A folgt. Doch dies
führt zu der Frage, wie Gott dies tut. Wenn man antwortet, dass er lediglich B dadurch
verursacht, dass er B notwendig macht, hat man das Problem nur umgangen aber
nicht gelöst. Wenn man hingegen antwortet, dass Gott B verursacht in dem er es
als Ziel im Blick hat, greift man doch wieder auf Finalität zurück und gibt die
Auffassung auf, dass Wirkkausalität alleine ausreicht, um Regularitäten in der
Natur zu erklären.
Doch anstatt auf Gott Bezug zu nehmen, was heute ohnehin
kaum noch ein Wissenschaftler akzeptieren würde, könnte man behaupten, dass B
auf A folgt auf bestimmten Naturgesetzen beruht. Doch wie bereits in einem
früheren Beitrag
herausgestellt wurde, erklären Naturgesetze überhaupt nichts, sondern sind nur
Beschreibungen von Regularitäten.
Somit bleibt letztlich nur die aristotelische Auffassung,
dass B notwendig auf A folgt, weil B das Ziel von A ist. Eine umfangreiche und
ausführliche Begründung der Finalität findet sich in dem Buch von
Garrigou-Lagrange, dass erst kürzlich in deutscher Sprache übersetzt wurde: DerRealismus der Finalität.
Auch im Buch Edward Fesers: Scholastic Metaphysics,
findet sich weit mehr zu diesem Thema. Der vorherige Text ist nur eine
Kurzzusammenfassung des Kapitels 2.2.1 dieses Buches.
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