Der folgende Text stammt von einem amerikanischen Philosophen und Logiker, den ich sehr schätze, insbesondere wegen seiner Beiträge zur klassischen aristotelischen Logik. Martin Cothran, so sein Name, unterrichtet Logik an verschiedenen Colleges der USA. Der folgende Text, der zuerst in einem Blog erschienen ist und von mir übersetzt wurde, fasst in kurzen und klaren Sätzen den Unterschied zwischen den beiden Arten der Logik, der klassischen-aristotelischen Logik und der modernen mathematischen Logik wieder. Für eine weitere Vertiefung dieser Thematik empfehle ich die dreibändige Ausgabe zur Einführung in die klassische-aristotelische Logik von Rafael Hüntelmann.
Ich werde oft gefragt, warum ich als Logiklehrer die
traditionelle Logik unterrichte und nicht das moderne System der Logik, das
heute viel weiter verbreitet ist. Ich
möchte diese Frage beantworten, indem ich erkläre, was die traditionelle Logik
ist und wie sie sich von der modernen Logik unterscheidet.
Bei der Analyse der Unterschiede zwischen der traditionellen
und der modernen Logik werden wir die den beiden Systemen zugrunde liegenden
Annahmen, die Struktur der Systeme und ihre konkurrierenden Ziele
erörtern. Dabei sollten wir uns darüber
im Klaren sein, dass die Art dieser Unterschiede von den Hauptvertretern der
beiden Systeme größtenteils nicht bestritten wird. Mit anderen Worten, sowohl die traditionellen
als auch die modernen Logiker sind sich einig, dass es sich hierbei um
Unterschiede handelt; ihre einzige Meinungsverschiedenheit betrifft das Ausmaß
der Unterschiede und den Wert der jeweiligen Systeme.
Was ist traditionelle Logik?
Die traditionelle Logik ist das System der Logik, das
ursprünglich von dem griechischen Philosophen Aristoteles im vierten
Jahrhundert v. Chr. formuliert wurde. Sie wurde von den großen christlichen
Denkern des Mittelalters aufgegriffen, die ihre Struktur vereinfachten und die
Methoden für den Unterricht formalisierten.
Die traditionelle Logik umfasst hauptsächlich das Studium
des klassischen Syllogismus. Hier
ist ein klassisches Beispiel für einen einfachen Syllogismus, an dem wir in
Kürze die Unterschiede zwischen den beiden Systemen der traditionellen und der
modernen Logik aufzeigen werden:
Alle Menschen sind sterblich
Sokrates ist ein Mensch
Daher ist Sokrates sterblich
Die traditionelle Logik wird auch als
"Begriffslogik" bezeichnet, da sie sich in erster Linie (aber nicht
ausschließlich) mit der Beziehung von Begriffen in einem Argument befasst (in
diesem Fall die Begriffe Mensch, sterblich und Sokrates). Ob die Argumentation
gültig ist, hängt von der richtigen Anordnung dieser Begriffe in einem Argument
ab.
Erst im 18. und 19. Jahrhundert geriet Aristoteles' System
der traditionellen Logik ins Wanken.
Seit der Aufklärung wuchs der Einfluss des wissenschaftlichen
Materialismus gewaltig. Aufgrund des
unglaublichen technischen Fortschritts, den die Wissenschaften ermöglichten,
wurden die quantitativen Methoden der Wissenschaft schließlich als
intellektuelles Elixier angesehen, das auf alle intellektuellen Disziplinen
anwendbar war. Die gesamte Disziplin der
Philosophie veränderte sich, angefangen bei Wilhelm von Ockham bis hin zum
radikalen Rationalismus von Descartes und dem radikalen Empirismus von Francis
Bacon – zwei intellektuelle Traditionen, die auch heute noch die beiden
Grundimpulse des modernen Geistes darstellen.
Die traditionelle Logik fand bei den mittelalterlichen
Denkern nicht nur deshalb Anklang, weil sie auf den metaphysischen Annahmen des
Aristoteles beruhte (was nicht weiter verwunderlich ist, da Aristoteles sie
überhaupt erst entwickelt hatte), sondern auch wegen ihres Nutzens für die
Bestimmung der christlichen Wahrheit. Sie wurde aus zwei Gründen von der
modernen mathematischen Logik verdrängt: erstens, weil die modernen Philosophen
bestimmte traditionelle Annahmen über Bedeutung und Realität ablehnten –
Annahmen, die das gesamte System der Logik beeinflussen; und zweitens, weil die
modernen Philosophen nach einer Möglichkeit suchten, aus dem menschlichen
Denken eine Wissenschaft zu machen – eine Möglichkeit, die Feinheiten
menschlicher Aussagen in einem formalen "wissenschaftlichen" System
vollständig zu erfassen.
Die Hauptakteure in dem Drama, das die moderne Logik
hervorbrachte, waren Gottlob Frege, Bertrand Russell, Alfred North Whitehead
und Ludwig Wittgenstein. Frege entwickelte eine Methode zur
Quantifizierung von Gedanken und Schlussfolgerungen in einem Symbolsystem,
unter anderem durch seinen erfolglosen Versuch zu zeigen, dass die Mathematik
auf die Logik reduzierbar ist. Russell und Whitehead nutzten den grundlegenden
konzeptionellen Rahmen von Freges Symbolsystem, um in ihrem Buch Principia
Mathematica ein vollwertiges System der symbolischen Logik zu entwickeln,
das wie Freges Werk den Nachweis erbringen sollte, dass die Mathematik eine
Erweiterung der Logik ist, dessen einflussreichster Aspekt jedoch sein
Logiksystem war. Wittgenstein wurde von Russell sowohl beeinflusst aber auch Wittgenstein
beeinflusste Russell, und viele seiner Ideen haben die Principia
beeinflusst. Wittgenstein soll die Wahrheitstabellen erfunden haben, die zu
einem wesentlichen Bestandteil der modernen Logik geworden sind.
Die Unterschiede zwischen traditioneller und moderner
Logik
Das erste, was man über die Unterschiede zwischen traditioneller
und moderner Logik wissen sollte, ist, dass sie tatsächlich unterschiedlich
sind. Obwohl die meisten modernen
Logiker die Unterschiede als graduelle Unterschiede betrachten, halten sie
diese Unterschiede dennoch für bedeutsam.
Irving Copi, der Autor eines weit verbreiteten Logiklehrbuchs für
Hochschulen, lehnt das traditionelle System nicht ab, aber er betrachtet die
beiden Systeme als sehr unterschiedlich:
„Obwohl der Unterschied zwischen der modernen und der
klassischen Logik in dieser Hinsicht nicht in der Art, sondern im Grad liegt,
ist der Unterschied im Grad gewaltig." [Introduction to Logic, 3rd Ed., 1968, Irving Copi, p. 212]
Für den traditionellen Logiker geht der Unterschied sogar
noch tiefer:
"Aristotelische Logik und symbolische Logik",
sagt Edward Simmons, "sind radikal unterschiedliche Disziplinen."
[The Scientific Art of
Logic: An Introduction to the Principles of Formal and Material Logic, 1961, Edward D. Simmons, p. 322]
Jacques Maritain (unser Bild) ein traditioneller Logiker, der die
moderne symbolische Logik als "Logistik" bezeichnete,
formulierte es so:
Die Logistik unterscheidet sich wesentlich von der Logik
... Logistik und Logik bleiben getrennte Disziplinen, die einander völlig fremd
sind. (Hervorhebung im Original)
Viele traditionelle Logiker lehnen in der Tat einen Großteil
der modernen Logik als Irrtum ab.
Maritain geht sogar so weit zu behaupten, dass die moderne Logik
überhaupt keine Logik ist. Diese Gunst
wird von einigen modernen Logikern erwidert.
Die traditionelle Logik, sagt Bertrand Russell, einer der
Begründer des modernen Systems, "ist so eindeutig antiquiert wie die
ptolemäische Astronomie." [Bertrand Russell, Philosophie des
Abendlandes: Ihr Zusammenhang mit der politischen und der sozialen Entwicklung]. Wer Russells Ansicht über die aristotelische
Logik wissen will, findet sie am Ende seines Kapitels über Aristoteles in
diesem Buch:
Ich komme zu dem Schluss, dass die aristotelischen
Lehren, mit denen wir uns in diesem Kapitel befasst haben, völlig falsch sind,
mit Ausnahme der formalen Theorie des Syllogismus, die unbedeutend ist. Jeder Mensch, der heute Logik lernen will,
verschwendet seine Zeit, wenn er Aristoteles oder einen seiner Schüler liest.
(Russell, S. 202)
Das war's.
Kurz gesagt, einige der wichtigsten traditionellen und
modernen Logiker sind sich einig, dass die Systeme unterschiedlich sind, und
einige Verfechter der jeweiligen Systeme lehnen das gegnerische System ganz
oder teilweise ab.
Wie wir bereits erwähnt haben, unterscheiden sich die beiden Systeme in dreierlei Hinsicht: Erstens sind die Annahmen, die den beiden Systemen zugrunde liegen, unterschiedlich. Zweitens ist das Format oder die Struktur der beiden Systeme unterschiedlich. Drittens sind die jeweiligen Ziele der beiden Systeme unterschiedlich. In allen drei Fällen - bei den Annahmen, der Struktur und dem Zweck - spiegelt das traditionelle System traditionelle Ansichten wider, während das moderne System moderne Ansichten über die Realität widerspiegelt. Jedes System basiert auf einer anderen Metaphysik.
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