Dekonstruktivismus in Politik, Kultur und Kirche
Beginnen
wir mit einer dekonstruktivistischen Theorie, die sich heute in allen Bereichen
des gesellschaftlichen Lebens wiederfindet und in der Politik, der Kultur, in
den Medien und auch in der Kirche ihren Niederschlag gefunden hat. Ich meine
die Gendertheorie, die inzwischen an vielen Universitäten Deutschlands gelehrt
wird und etabliert ist. Diese Theorie geht vor allem zurück auf Judith Butler.
Die Kernthese von Judith Butler ist, dass Geschlecht nicht als eine vorgegebene
biologische Tatsache betrachtet werden sollte, sondern als ein soziales
Konstrukt, das durch wiederholte „Performanz und Inszenierung“ erzeugt wird.
Butler argumentiert, dass Geschlechteridentitäten und -ausdrücke nicht
natürlich oder angeboren sind, sondern vielmehr durch gesellschaftliche Normen
und Erwartungen geprägt werden, die durch wiederholte Handlungen und
Interaktionen in der Gesellschaft aufrechterhalten werden. Butler betont auch,
dass Geschlecht mit anderen sozialen Kategorien wie Rasse, Klasse und
Sexualität verbunden ist und dass das Verständnis von Geschlecht durch diese „Intersektionalität“
beeinflusst wird. Butler hat mit ihren Ideen die feministische Theorie und
Queer-Theorie maßgeblich beeinflusst und die Debatte über Geschlechteridentität
und Geschlechterkonstruktion erweitert. Die Theorie Butlers hat inzwischen
Eingang gefunden in die Gesetzgebung, so dass in mehreren Ländern, so auch in
Deutschland, jeder sein Geschlecht selbst festlegen kann. Zudem wird der
Unterschied zwischen biologischem und sprachlichem Geschlecht nivelliert. Eine
objektive Grundlage für die geschlechtliche Identität, die im Wesen oder der
Natur des Menschen verankert ist und biologische Ausprägungen hat, wird
geleugnet. Durch einen Willensakt entscheidet jeder selbst über sein Geschlecht
und identifiziert sich mit dieser selbstgewählten „Rolle“ für eine gewisse
Zeit.
Dass die Gendersprache
einen nominalistischen Hintergrund hat, wird durch folgende Überlegung
deutlich. Das generische Maskulinum, dass sich in nahezu allen Sprachen findet
und seit Beginn der deutschen Sprache nachweisbar ist, stellt eine Abstraktion
dar. Es abstrahiert von allen individuellen Merkmalen und Eigenschaften von
Personen, wie Hautfarbe, Herkunft, Alter und auch vom Geschlecht. Für einen
Nominalisten ist eine solche Abstraktion inakzeptabel und er versucht diese
rückgängig zu machen, indem er in die Sprache diese Abstraktion beseitigt, um
auf diese Weise das Geschlecht oder andere Eigenschaften von Personen sichtbar
zu machen. Natürlich würde dies die Sprache enorm verkomplizieren, was an der
Gendersprache sichtbar wird. Man kann vermuten, dass aufgrund der aktuellen
Debatte über Antirassismus künftig auch Versuche unternommen werden, die
Herkunft und Rasse in die sprachliche Kommunikation aufzunehmen. Auf Dauer wird
damit Kommunikation mehr und mehr unmöglich. Das sind allerdings eher
praktische oder pragmatische Einwände gegen die Gendertheorie.
Natürlich
hat die dekonstruktivistische Philosophin Judith Butler Argumente für ihre
Position, die sich allerdings als schwach erweisen. Ein zentrales Argument ist
sprachwissenschaftlicher Natur, das sogenannte performative Argument.
Das Argument stützt sich auf J. L. Austins Begriff der „performativen Äußerung“,
d. h. einer Äußerung, durch deren Vollzug etwas der Fall werden kann. So kann zum Beispiel die Äußerung eines
Richters „Ich verurteile Sie zu zehn Jahren Gefängnis“ unter den richtigen
Umständen dazu führen, dass ein Straftäter tatsächlich zu zehn Jahren Gefängnis
verurteilt wird. Selbstverständlich ist
ein solches Urteil sozial konstruiert.
Es ist nur eine Frage der Konvention, dass eine Person, die als Richter
handelt, unter bestimmten Umständen dafür sorgen kann, dass ein Straftäter eine
solche Strafe erhält.
Das
performative Argument besagt nun nach Butler, dass die Äußerung eines Arztes
„Es ist ein Junge“ eine solche Aussage ist.
Die Idee dabei ist, dass der Arzt, wenn er dies sagt, im Grunde genommen
aussagt, dass das Baby, von dem er spricht, ein Junge ist, so wie der Richter
durch seine Äußerung aussagt, dass ein Straftäter eine Strafe erhalten hat.
In einer Kritik hat der amerikanische
Philosoph Alex Byrne betont, dass ein Problem bei diesem Argument darin besteht,
dass performative Äußerungen nicht fehleranfällig sind, solange die
entsprechenden Bedingungen erfüllt sind[1]. Wenn der Richter die fragliche Äußerung unter
den richtigen Umständen macht, hat er den Straftäter notwendigerweise zu zehn
Jahren verurteilt. Er mag einen Fehler
in dem Sinne gemacht haben, dass er diese Strafe nicht hätte aussprechen
dürfen, aber der Punkt ist, dass er sie tatsächlich erfolgreich ausgesprochen
hat, unabhängig davon, ob er es hätte tun sollen oder nicht, und selbst wenn er
sie später widerrufen kann. Im Gegensatz
dazu ist die Erklärung des Arztes fehleranfällig. Der Arzt berichtet, was er glaubt
herausgefunden zu haben, und versucht nicht, etwas zu beweisen.
Um Byrnes
Einwand zu ergänzen, hat Edward Feser angemerkt[2], dass die Behauptung, die
Erklärung der Arztes „Es ist ein Junge“ aus dem Baby einen Junge macht, genauso
unsinnig ist wie die Behauptung, die Erklärung eines Arztes „Es ist Krebs“ bewirke,
dass ein Patient Krebs hat. (Sollte ein solcher Patient den Arzt verklagen,
weil er ihn krank gemacht hat? Könnte
der Arzt auch sagen, „Sie haben keinen Krebs“, wodurch der Patient dann keinen
Krebs hat?) Genauso gut könnte man
sagen, dass ein Hühnerzüchter die Zahl der Hühner eines Landwirts erhöhen kann,
indem er einfach erklärt, dass alle Küken, die er heute findet, weiblich sind.
Byrne
befasst sich mit einem zweiten Argument Judith Butlers, das er das Zuweisungsargument
nennt. Die Idee dabei ist, dass in
Fällen, in denen ein Baby mit bestimmten Missbildungen der Genitalien geboren
wird, die Ärzte dem Baby ein bestimmtes Geschlecht zuweisen, und dass
Überlegungen darüber, was die Gesellschaft als paradigmatisch männlich oder
weiblich betrachtet, teilweise bestimmen, wie dies geschieht. Daher, so die Schlussfolgerung, ist das
Geschlecht tatsächlich sozial konstruiert.
Byrne
weist zu Recht darauf hin, dass bei diesem Argument die Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Klasse mit der tatsächlichen Zugehörigkeit zu dieser Klasse
verwechselt wird. Die Tatsache, dass die
Ärzte einem Baby ein bestimmtes Geschlecht zuweisen, bedeutet noch lange nicht,
dass das Baby auch wirklich zu diesem Geschlecht gehört. Auch in diesem Fall könnte der Arzt einfach
einen Fehler machen (auch wenn es in solchen Fällen schwierig ist, den Fehler
zu erkennen).
Man kann
auch darauf hinweisen, dass es ein Fehler ist, vorschnell zu verallgemeinern,
wenn man annimmt, dass das, was für ungewöhnliche Fälle wie die, die das
Zuweisungsargument anführt, gilt, für alle Fälle gilt. Die Tatsache, dass es einige wenige Fälle
gibt, in denen Ärzte die Notwendigkeit sehen, einem Baby ein Geschlecht
zuzuweisen, bedeutet nicht, dass das Geschlecht, dem ein Baby angehört, immer
eine Frage der Zuweisung eines Geschlechts durch den Arzt ist.
Wie bei
anderen metaphysischen Fragen ist es auch hier ein Trugschluss anzunehmen, dass
das Vorhandensein von Grenzfällen bedeutet, dass die Zugehörigkeit einer Sache
zu einer bestimmten Klasse nicht gegeben ist. Das vernünftige Verfahren besteht
darin, mit den eindeutigen Fällen zu beginnen und die Grenzfälle im Hinblick
auf diese zu bewerten, und nicht umgekehrt.
Wie das Zuordnungsargument zeigt, ist die fragliche Unbestimmtheit in
den von ihm angeführten Fällen lediglich epistemologisch und nicht metaphysisch.
Das
dritte Argument, das Byrne diskutiert, nennt er das Erklärungsargument. Dieses Argument beruht auf der Prämisse,
dass, wenn eine bestimmte Kategorie in erster Linie zur Erklärung sozialer und
nicht natürlicher Tatsachen dient, diese Kategorie wahrscheinlich sozial
konstruiert ist. Das Argument besagt,
dass die Kategorien männlich und weiblich in erster Linie dazu dienen, soziale
Tatsachen zu erklären, so dass diese Kategorien als sozial konstruiert
angesehen werden können.
Byrnes
Haupteinwand besteht hier darin, dass er darauf hinzuweist, dass es Kategorien
geben kann, die in erster Linie zur Erklärung sozialer Tatsachen dienen, aber
dennoch eindeutig natürlich und nicht sozial konstruiert sind. So ist es beispielsweise plausibel, dass wir
die Kategorie Gold in erster Linie in Kontexten anwenden, die verschiedene
soziale Tatsachen betreffen (z. B. Tatsachen über Schmuck oder die industrielle
Verwendung von Gold), aber Gold ist gleichwohl eine natürliche Art und keine
sozial konstruierte Kategorie.
Es gibt
auch natürliche und nicht sozial konstruierte Tatsachen, die wir durch die
Verwendung der Kategorien männlich und weiblich erklären. Zum Beispiel sind Fakten über
Schwangerschaft, Geburt und dergleichen in dieser Weise verfasst. (Ganz zu schweigen von Fakten über Tiere, wie
in dem Beispiel mit dem Hühnergeschlecht).
Byrne geht selbst nicht auf diesen Punkt ein, sondern stellt fest, dass
ein Verfechter des Erklärungsarguments behauptet, dass diese reproduktiven
Tatsachen durch physiologische Beschreibungen und nicht durch Kategorien wie
männlich und weiblich erklärt werden können.
Allerdings
ist dies kein beeindruckendes Gegenargument.
Zum einen könnten wir zwar theoretisch versuchen, einen Weg zu finden,
die fraglichen reproduktiven Tatsachen zu erklären, ohne die Kategorien
männlich und weiblich zu verwenden, aber die Tatsache, dass wir diese Kategorien
in der Realität üblicherweise verwenden, um diese Tatsachen zu erklären, reicht
aus, um das Erklärungsargument ernsthaft in Zweifel zu stellen. Zum anderen muss der Verfechter des
Erklärungsarguments uns genau sagen, wie wir die relevanten physiologischen
Prozesse spezifizieren können, ohne die Begriffe männlich und weiblich implizit
einzuschmuggeln. Und es ist keineswegs
offensichtlich, dass dies möglich ist.
Wie sollen wir zum Beispiel die Fortpflanzungsprozesse charakterisieren,
ohne auf ihre Funktion zu verweisen, kleinere Gameten mit größeren
zusammenzubringen – wobei der Verweis auf diesen Unterschied in der
Gametengröße genau der Verweis auf die Unterscheidung zwischen männlich und
weiblich ist?
Lassen
wir es bei diesen Argumenten gegen die Gendertheorie, die die logische
Inkonsistenz und Irrationalität der Gendertheorie verdeutlichen.
Selbstverständlich lassen sich diese Argumente auch verallgemeinert auf den
Konstruktivismus bzw. den Dekonstruktivismus anwenden.
Ein
besonders deutliches Zeichen für die Vorherrschaft des Konstruktivismus bzw.
Dekonstruktivismus in der Kultur ist die sogenannte „Wokeness“, ein
Wort, das nur schwer ins Deutsche zu übersetzen ist. Das Wort bezeichnet so
etwas wie die „Erwachten“ oder die „Wachen“ und erinnert damit die antike
Gnosis. Dieser Vergleich ist nicht an den Haaren herbeigezogen, denn die Woken
teilen die gesamte Welt ebenfalls in Gut und Böse ein und moralisieren alle
politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Bezüge. An die Stelle von
Argumenten treten moralische Beurteilungen, wodurch jeder Diskurs von
vornherein unterbunden wird. Auf dieses Problem und damit verbundene Gefahr des
Totalitarismus hatte bereits in den 1980-er Jahren Hermann Lübbe mit seinem
Buch über den politischen Moralismus hingewiesen[3]. Wenn man Wokeness
definieren wollte, könnte man dies folgendermaßen tun: „Wokeness ist eine
paranoide, wahnhafte, hyper-egalitäre Denkweise, die dazu neigt, Unterdrückung
und Ungerechtigkeit dort zu sehen, wo sie nicht existieren, oder sie dort, wo
sie existieren, stark zu übertreiben.“[4]. Die Wokeness ist der
derzeitige Gipfel dessen, was man auch als „postfaktisches Zeitalter“
bezeichnet und philosophisch betrachtet eine Folge des Dekonstruktivismus.
„Beispiele
hierfür wären: Die Charakterisierung von Verhaltensweisen als rassistische ‚Mikroaggressionen‘,
die in Wirklichkeit entweder völlig harmlos oder schlimmstenfalls einfach nur
unhöflich sind; die Verurteilung bestimmter wirtschaftlicher Ergebnisse als
rassistische ‚Ungerechtigkeit‘, obwohl es keinerlei empirische Beweise dafür
gibt, dass sie auf Rassismus zurückzuführen sind; die Verurteilung der
Anerkennung der vernünftigen und wissenschaftlichen Tatsache, dass Geschlecht
binär ist, als ‚transphob‘; die Verurteilung der Ansicht als ‚rassistisch‘,
dass die öffentliche Politik farbenblind sein sollte und dass
Rassendiskriminierung falsch ist, unabhängig von der Rasse der diskriminierten
Personen; die Verurteilung der Ansicht als ‚homophob‘, dass es für Grundschulen
nicht angemessen ist, Fragen der Sexualität im Klassenzimmer ohne elterliche
Zustimmung zu behandeln, und so weiter.“[5]
Die von
Feser als „Wahn“ bezeichnete Wokeness könnte man auch als eine Folge des
Dekonstruktivismus bezeichnen, denn der Wahn besteht in einem massiven
Realitätsverlust. Wenn die Realität unserer Welt aber selbst konstruiert ist,
dann gibt es keine Realität, die unabhängig von uns besteht. Dann sind Begriffe
wie „Rasse“ oder „Geschlecht“ nicht etwas, dass sich auf eine von uns
unabhängige Realität bezieht, sondern Konstruktionen, die dazu dienen,
Herrschaftsverhältnisse zu zementieren.
Emotionalisierung
Ein weiterer wichtiger Punkt, der
zu den Folgen des Dekonstruktivismus gezählt werden sollte, ist die
Emotionalisierung aller Aspekte des Lebens. Die Gefühle bestimmen, wie wir die
Wirklichkeit interpretieren und diese emotionale Interpretation wird dann als
die eigentliche Realität aufgefasst. Die immer weiter voranschreitende
Verabschiedung der Rationalität ist eine Folge. Ein Blick in die aktuellen
Fernsehprogramme reicht aus, um diese Emotionalisierung der Gesellschaft
empirisch feststellen zu können. Egal zu welchem Thema berichtet wird, werden
Personen gefragt, was sie empfinden oder persönlich darüber denken, als ob dies
für die Tatsachen, die berichtet werden, eine zentrale Bedeutung hätte. Nicht
die objektiven Tatsachen selber stehen im Mittelpunkt der Berichte, sondern die
individuellen, persönlichen Gefühle und Erlebnisse mit diesen Tatsachen. In
Bezug zur Wokeness schreibt Edward Feser dazu:
„Sie
lehrt beispielsweise emotionales Denken, indem sie persönliche ‚Narrative‘ von
Unterdrückung gegen die Ideale von Rationalität und Objektivität ausspielt und
indem sie die subjektiven Reaktionen beleidigter Menschen zum Maßstab dafür
macht, ob sie Opfer von ‚Mikroaggressionen‘ sind. Es fördert
Schuldzuweisungen, indem es Anschuldigungen über Mikroaggressionen und andere
Missstände so behandelt, als könnten sie niemals vernünftigerweise als Folge
von Überempfindlichkeit oder Paranoia der beleidigten Person angesehen werden.
Sie übt sich in negativer Filterung und der Abwertung von Positivem, indem sie
Begriffe wie ‚Rassismus‘, ‚Sexismus‘, ‚Transphobie‘, ‚Homophobie‘ und
dergleichen willkürlich so weit definiert, dass alles als rassistisch,
sexistisch, transphob oder homophob gelten kann, selbst das, was in der
Vergangenheit als paradigmatisch egalitäre Politik galt (wie farbenblinde oder
rassenneutrale Politik und Ablehnung jeglicher Rassendiskriminierung).“[6]
Dekonstruktivismus in der Kirche
Wohl nirgendwo zeigen sich die
Folgen des Konstruktivismus und der Dekonstruktion in der Kirche deutlicher als
im sogenannten „synodalen Weg“ der deutschen katholischen Kirche. Die Kirche
hat eine zweitausendjährige Geschichte, in deren Verlauf der Glaube der Kirche
eindeutig definiert und festgelegt wurde. Änderungen sind dementsprechend,
zumindest in den definierten Texten, den Dogmen, nicht möglich. Und für alle
anderen Lehren der Kirche gilt, dass jede Änderung nur insoweit möglich ist,
als dass sie der überlieferten Lehre nicht widersprechen darf. Für einen
Dekonstruktivisten kann dies aber nicht gelten. Nach dieser Theorie sind alle
Lehren der Kirche menschliche Konstrukte, deren letzte Basis die Machtausübung
ist: Macht von Priestern über die Gläubige, Macht von Bischöfen über die
Priester, Macht des absolutistischen Papstes über die Bischöfe und über die
gesamte Kirche usw. Mit dieser Theorie werden alle Grundpfeiler der Kirche,
einschließlich der Sakramente dekonstruiert und somit in Frage gestellt. Ein
objektiver Glaube wird damit vollständig beseitigt und alles in die
Beliebigkeit des Gewünschten umgedreht, so dass die „Identität“ der Kirche eine
andere und mit dem Zeitgeist kompatibel wird. Leider wird dieser
dekonstruktivistische Hintergrund von den Verantwortlichen in der Kirche,
insbesondere von den Bischöfen, nicht erkannt. Denn wenn dieser Hintergrund
offenbar würde, ließen sich die „Argumente“ der Dekonstrukteure leicht
widerlegen und die dahinterstehende Ideologie würde offensichtlich werden. Der
Dekonstruktivismus hat tatsächlich keine Argumente für seine Position. Dass in
allen Bereichen des menschlichen Lebens die Macht eine Rolle spielt muss man nicht
bestreiten. Doch diese ist in vielen oder den meisten Fällen so wenig von
Bedeutung, dass Macht faktisch kaum eine Rolle spielt. Man kann die Familie
dekonstruieren und dann hat man nur noch Machtbeziehungen übrig: Die Macht des
Vaters über die Mutter, die Macht der Eltern über die Kinder, die Macht des
ältesten Kindes über die Jüngeren usw. Doch das ist keine Familie, sondern ein
reduktionistisches Skelett. Wer allerdings Wesenheiten negiert und bestreitet,
dass es objektive Tatsachen gibt, die sich in objektiven Definitionen
niederschlagen, für den lässt sich ein Mann als eine Frau definieren und für
den sind kirchliche Definitionen, Dogmen und Lehrentscheidungen jederzeit zu
ändern.
Es wäre
m.E. wünschenswert, wenn die Auseinandersetzung mit dem „synodalen Weg“ den
philosophischen Hintergrund aufdecken würde und man in eine Debatte über diesen
philosophischen Hintergrund eintreten könnte. Ob die Akteure dazu bereit sind,
wird sich zeigen.
[1] Alex Byrne, Is
sex socially constructed? In
Arc Digital (December 1) 2018; weitere Hinweise bei http://www.alexbyrne.org/popular-pieces.html.
[2] Edward Feser,
Byrne on why sex is not a social construct, in
http://edwardfeser.blogspot.com/2018/12/byrne-on-why-sex-is-not-social-construct.html,
13.12.2018.
[3] Hermann
Lübbe, Politischer Moralismus. Der Triumpf der Gesinnung über die
Urteilskraft, Berlin 1987; Neuauflage Münster 2019.
[4] Edward Feser,
How to define “wokeness”, In http://edwardfeser.blogspot.com/2023/03/how-to-define-wokeness.html,
28.3.2023. Deutsche
Übersetzung: Wie definiert man „Wokeness“?, http://scholastiker.blogspot.com/2023/04/, 7.4.2023.
[5] Ebenda.
[6] Ebenda.
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