Mittwoch, 10. September 2014

Argumente für das scholastische Kausalprinzip



Unter scholastischen Philosophen gibt es einen Disput über die Frage, ob das Kausalprinzip positiv verteidigt werden kann, bzw. ob es einer solchen Verteidigung überhaupt bedarf und wenn ja, wie dieses Prinzip verteidigt werden kann. Dieser Disput betrifft die Frage, ob das Kausalprinzip selbstevident ist, d.h. ob es durch sich selbst einleuchtet und daher einer Begründung weder fähig, noch bedürftig ist.
Nun könnte man natürlich einwenden, dass es durchaus nicht unmittelbar und durch sich selbst einleuchtend ist, dass etwas in Potenz nicht aktual werden kann ohne etwas, das bereits aktual ist. Denn es könnte zumindest im Prinzip möglich sein, dass etwas Potenzielles aktual werden kann, ohne den Eingriff von etwas bereits Aktualem.



Doch ist dieser Einwand eher schwach, denn er beruht auf Überlegungen, die mit David Hume zusammenhängen und die bereits früherdiskutiert und zurückgewiesen wurden. Daher sind solche Einwände gegen die Selbstevidenz des Kausalprinzips nicht gut begründet.

Allerdings haben verschiedene Autoren darauf hingewiesen, dass es Argumente für die Verteidigung des Kausalprinzips gibt, d.h. für das Prinzip, dass etwas Potenzielles nur durch etwas bereits Aktuales aktualisiert werden kann. Eine Überlegung, die in diese Richtung weist, ist der Gedanke, dass die Wirklichkeit individueller Vorkommnisse von Kausalität, also bestimmte einzelne kausale Ereignisse, uns durch die Erfahrung sowohl der äußeren Welt, als auch durch unsere Handlungen bekannt sind. Stephan Mumford und Anjum haben diese Auffassung vertreten, also gewissermaßen eine empirische Begründung des Kausalprinzips.

Hume würde diese empirische Begründung natürlich zurückweisen, weil sein Verständnis von Erfahrung extrem eng und einseitig ist. Er würde behauptet, dass wir ausschließlich zwei Ereignisse A und B wahrnehmen, bei denen B auf A folgt, nicht jedoch, dass A die Ursache von B ist. Nach Hume sind wir nicht in der Lage eine Relation wahrzunehmen. Diese Auffassung wird ein Scholastiker zurückweisen, wie bereits früher gezeigt wurde: Weder ist Kausalität eine Abfolge von getrennten Ereignissen, noch können Relationen nicht wahrgenommen werden.

Üblicherweise verteidigen Scholastiker allerdings das Kausalprinzip nicht durch empirische und somit induktive Argumente. Scholastische Philosophen, die das Kausalprinzip nicht als selbstevident anerkennen, sind nämlich der Auffassung, dass es von anderen Prinzipien deduktiv abgeleitet und bewiesen werden kann. Ein solcher Ansatz besteht darin, dass Kausalprinzip aus dem Nichtwiderspruchsprinzip abzuleiten. Das Argument kann folgendermaßen wiedergegeben werden (Henri Renard, 1946, 121f.; vgl. Edward Feser: Scholastic Metaphysics, S. 134): Wenn eine Entität A eine Entität B nur dann bewegt oder verändert, wenn A selbst aktual ist, A aber nur dann bewegt oder verändert wird, wenn es potentiell ist und weiterhin nicht zugleich und in derselben Hinsicht aktual und potenziell sein kann, dann kann nichts sich selbst bewegen oder verändern (in derselben Hinsicht und zur gleichen Zeit). Wenn man dies dennoch annimmt, dann bedeutet dies, dass etwas zugleich und in derselben Hinsicht aktual und potentiell ist und dies eben ist ein Widerspruch.

Allerdings ist dieses Argument für das Kausalprinzip problematisch: Der Kritiker des Kausalprinzips könnte nämlich argumentieren, dass er nicht behaupten muss, dass eine Potenz sich selbst aktualisieren kann. Er könnte sagen, dass sie weder durch ein anderes, noch durch sich selbst aktualisiert werden kann. So würde vermutlich ein Humeaner argumentieren.

Auch wenn man dagegen einwendet, dass eine Potenz nicht durch nichts aktualisiert werden kann, weil aus Nichts nichts entsteht, ist dies nicht ausreichend, um den Einwand des Humeaners zurückzuweisen. Dieser könnte nämlich sagen, dass er nicht behauptet, dass Nichts etwas verursacht. Der Humeaner könnte sagen, dass einem bestimmten Ereignis schlicht jede Ursache fehlt. Thomas von Aquin hat allerdings auch nicht das Kausalprinzip aus dem Nichtwiderspruchsprinzip abgeleitet. Einige Thomisten haben sogar ausdrücklich Versuche zurückgewiesen, dass Kausalprinzip aus dem Nichtwiderspruchsprinzip zu deduzieren.

Allerdings sind die zuvor genannten Einwände gegen eine Ableitung des Kausalprinzips aus dem Nichtwiderspruchsprinzip nicht direkt gegen die fundamentale Formulierung des Kausalprinzips gerichtet. Diese Formulierung lautet, dass eine aktualisierte Potenz immer durch etwas bereits Aktuales aktualisiert wird. Es geht nicht darum, dass etwas, das überhaupt nicht existiert, dann existiert, also nicht um einen „Übergang“ von Nichts zu Sein. Insofern gibt es keinen direkten Widerspruch, der ja bedeuten würde, dass etwas zur gleichen Zeit und in der gleichen Hinsicht existiert und nicht existiert. Die Potenz zu existieren ist nicht Nichts, auch wenn sie nicht aktual ist.

Wenn nun die Kritik des Kausalprinzips besagt, dass die Potenz zur Existenz zu einem bestimmten Moment aktualisiert werden kann, ohne dass es irgendetwas gibt, wodurch diese Potenz aktualisiert wird, bedeutet dies dann nicht, dass man behauptet, dass dieses Ding zu einem bestimmten Moment gleichzeitig aktual und potentiell hinsichtlich der Existenz ist? Und ist dies kein Widerspruch?

Doch ist diese Schlussfolgerung zu schnell. Denn auch Scholastiker würden nicht bestreiten, dass ein Ding zu einem bestimmten Moment sowohl potenziell als auch aktual ist. Dies ist überhaupt kein Widerspruch, weil ein Ding zugleich potenziell und aktual in verschiedenen Hinsichten ist. Das Ding ist in Potenz hinsichtlich seiner Wesenheit und aktual hinsichtlich seiner Existenz. Darauf könnte sich die Kritik am Kausalprinzip berufen, wenn ihr vorgehalten wird, dass sie widersprüchlich ist. Insofern scheint eine Begründung des Kausalprinzips durch das Nichtwiderspruchsprinzip eher nicht möglich zu sein.


1 Kommentar:

  1. Hier ein meines Erachtens sehr interessanter Versuch, das metaphysische Kausalprinzip auf das Nichtwiderspruchsprinzip zurückzuführen:

    http://peter-knauer.de/DialektikRelation.doc

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