Unter scholastischen Philosophen gibt es einen Disput über
die Frage, ob das Kausalprinzip positiv verteidigt werden kann, bzw. ob es einer
solchen Verteidigung überhaupt bedarf und wenn ja, wie dieses Prinzip verteidigt
werden kann. Dieser Disput betrifft die Frage, ob das Kausalprinzip
selbstevident ist, d.h. ob es durch sich selbst einleuchtet und daher einer
Begründung weder fähig, noch bedürftig ist.
Nun könnte man natürlich einwenden, dass es durchaus nicht
unmittelbar und durch sich selbst einleuchtend ist, dass etwas in Potenz nicht
aktual werden kann ohne etwas, das bereits aktual ist. Denn es könnte zumindest
im Prinzip möglich sein, dass etwas Potenzielles aktual werden kann, ohne den
Eingriff von etwas bereits Aktualem.
Doch ist dieser Einwand eher schwach, denn er beruht auf
Überlegungen, die mit David Hume zusammenhängen und die bereits früherdiskutiert und zurückgewiesen wurden.
Daher sind solche Einwände gegen die Selbstevidenz des Kausalprinzips nicht gut
begründet.
Allerdings haben verschiedene Autoren darauf hingewiesen,
dass es Argumente für die Verteidigung des Kausalprinzips gibt, d.h. für das
Prinzip, dass etwas Potenzielles nur durch etwas bereits Aktuales aktualisiert
werden kann. Eine Überlegung, die in diese Richtung weist, ist der Gedanke,
dass die Wirklichkeit individueller Vorkommnisse von Kausalität, also bestimmte
einzelne kausale Ereignisse, uns durch die Erfahrung sowohl der äußeren Welt,
als auch durch unsere Handlungen bekannt sind. Stephan Mumford und Anjum haben
diese Auffassung vertreten, also gewissermaßen eine empirische Begründung des
Kausalprinzips.
Hume würde diese empirische Begründung natürlich
zurückweisen, weil sein Verständnis von Erfahrung extrem eng und einseitig ist.
Er würde behauptet, dass wir ausschließlich zwei Ereignisse A und B wahrnehmen,
bei denen B auf A folgt, nicht jedoch, dass A die Ursache von B ist. Nach Hume
sind wir nicht in der Lage eine Relation wahrzunehmen. Diese Auffassung wird
ein Scholastiker zurückweisen, wie bereits früher gezeigt wurde: Weder ist Kausalität
eine Abfolge von getrennten Ereignissen, noch können Relationen nicht
wahrgenommen werden.
Üblicherweise verteidigen Scholastiker allerdings das
Kausalprinzip nicht durch empirische und somit induktive Argumente.
Scholastische Philosophen, die das Kausalprinzip nicht als selbstevident
anerkennen, sind nämlich der Auffassung, dass es von anderen Prinzipien
deduktiv abgeleitet und bewiesen werden kann. Ein solcher Ansatz besteht darin,
dass Kausalprinzip aus dem Nichtwiderspruchsprinzip abzuleiten. Das Argument kann
folgendermaßen wiedergegeben werden (Henri Renard, 1946, 121f.; vgl. Edward
Feser: Scholastic Metaphysics, S. 134): Wenn eine Entität A eine Entität B nur
dann bewegt oder verändert, wenn A selbst aktual ist, A aber nur dann bewegt
oder verändert wird, wenn es potentiell ist und weiterhin nicht zugleich und in
derselben Hinsicht aktual und potenziell sein kann, dann kann nichts sich
selbst bewegen oder verändern (in derselben Hinsicht und zur gleichen Zeit).
Wenn man dies dennoch annimmt, dann bedeutet dies, dass etwas zugleich und in
derselben Hinsicht aktual und potentiell ist und dies eben ist ein Widerspruch.
Allerdings ist dieses Argument für das Kausalprinzip
problematisch: Der Kritiker des Kausalprinzips könnte nämlich argumentieren,
dass er nicht behaupten muss, dass eine Potenz sich selbst aktualisieren kann.
Er könnte sagen, dass sie weder durch ein anderes, noch durch sich selbst
aktualisiert werden kann. So würde vermutlich ein Humeaner argumentieren.
Auch wenn man dagegen einwendet, dass eine Potenz nicht
durch nichts aktualisiert werden kann, weil aus Nichts nichts entsteht, ist
dies nicht ausreichend, um den Einwand des Humeaners zurückzuweisen. Dieser
könnte nämlich sagen, dass er nicht behauptet, dass Nichts etwas verursacht.
Der Humeaner könnte sagen, dass einem bestimmten Ereignis schlicht jede Ursache
fehlt. Thomas von Aquin hat allerdings auch nicht das Kausalprinzip aus dem
Nichtwiderspruchsprinzip abgeleitet. Einige Thomisten haben sogar ausdrücklich
Versuche zurückgewiesen, dass Kausalprinzip aus dem Nichtwiderspruchsprinzip zu
deduzieren.
Allerdings sind die zuvor genannten Einwände gegen eine
Ableitung des Kausalprinzips aus dem Nichtwiderspruchsprinzip nicht direkt gegen
die fundamentale Formulierung des Kausalprinzips gerichtet. Diese Formulierung
lautet, dass eine aktualisierte Potenz immer durch etwas bereits Aktuales
aktualisiert wird. Es geht nicht darum, dass etwas, das überhaupt nicht
existiert, dann existiert, also nicht um einen „Übergang“ von Nichts zu Sein.
Insofern gibt es keinen direkten Widerspruch, der ja bedeuten würde, dass etwas
zur gleichen Zeit und in der gleichen Hinsicht existiert und nicht existiert.
Die Potenz zu existieren ist nicht Nichts, auch wenn sie nicht aktual ist.
Wenn nun die Kritik des Kausalprinzips besagt, dass die
Potenz zur Existenz zu einem bestimmten Moment aktualisiert werden kann, ohne
dass es irgendetwas gibt, wodurch diese Potenz aktualisiert wird, bedeutet dies
dann nicht, dass man behauptet, dass dieses Ding zu einem bestimmten Moment
gleichzeitig aktual und potentiell hinsichtlich der Existenz ist? Und ist dies
kein Widerspruch?
Doch ist diese Schlussfolgerung zu schnell. Denn auch
Scholastiker würden nicht bestreiten, dass ein Ding zu einem bestimmten Moment
sowohl potenziell als auch aktual ist. Dies ist überhaupt kein Widerspruch,
weil ein Ding zugleich potenziell und aktual in verschiedenen Hinsichten ist. Das
Ding ist in Potenz hinsichtlich seiner Wesenheit und aktual hinsichtlich seiner
Existenz. Darauf könnte sich die Kritik am Kausalprinzip berufen, wenn ihr
vorgehalten wird, dass sie widersprüchlich ist. Insofern scheint eine
Begründung des Kausalprinzips durch das Nichtwiderspruchsprinzip eher nicht
möglich zu sein.
Hier ein meines Erachtens sehr interessanter Versuch, das metaphysische Kausalprinzip auf das Nichtwiderspruchsprinzip zurückzuführen:
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