Mittwoch, 24. September 2014

Kausalreihen und Gleichzeitigkeit



Sind Ursache und Wirkung eines Ereignisses gleichzeitig oder nicht? Über diese Frage gibt es spätestens seit David Hume einen philosophischen Streit. Nach Auffassung scholastischer Metaphysiker sind Ursache und Wirkung immer simultan. Hume hingegen vertritt die Auffassung, dass die Ursache früher als die Wirkung ist und daher Ursache und Wirkung getrennt sind. Nach Hume handelt es sich deshalb bei Ursache und Wirkung um zwei Ereignisse. Der Grundgedanke der scholastischen Philosophen besteht darin, dass es keinen Sinn macht anzunehmen, dass es eine Ursache gibt, die keine Wirkung hat oder eine Wirkung ohne Ursache. Das Schneiden einer Orange mit dem Messer ist identisch mit dem geschnitten-werden der Orange mit einem Messer. In anderem Fall würde das Messer gar nichts schneiden und die Orange würde durch nichts geschnitten werden.


Es muss allerdings betont werden, dass Simultanität bzw. Gleichzeitigkeit nicht identisch ist mit Unmittelbarkeit. Ein kausales Ereignis kann sich natürlich über einen gewissen Zeitraum erstrecken. Vielmehr geht es darum, dass Ursache und Wirkung zu ein und demselben Ereignis gehören, dass die Hervorbringung einer Wirkung und die Verursachung dieser Wirkung – wie lang sich dieser Vorgang auch erstrecken mag – ein und derselbe Vorgang ist. Natürlich braucht es eine bestimmte Zeit, die Orange durchzuschneiden, aber es gibt keine Zeit zwischen dem Durchschneiden der Orange und dem geschnitten werden der Orange.

Man könnte nun gegen diese Theorie der Simultanität von Ursache und Wirkung einwenden, dass dies bedeuten würde, dass in einer Kausalreihe die gesamte kausale Kette gleichzeitig stattfinden würde. Wenn A B verursacht und B wiederum C bewirkt und C dann die Ursache von D ist, müssten alle diese Ursachen und Wirkungen gleichzeitig sein. Dies wiederum hätte die absurde Konsequenz, so der Einwand, dass die gesamte Kausalreihe nicht zeitlich ausgedehnt ist.

Doch dieser Einwand ist bereits dadurch widerlegt, dass zuvor betont wurde, dass Gleichzeitigkeit und Unmittelbarkeit nicht identisch sind. Eine Ursache, die eine bestimmte Wirkung erzielt, kann sich über einen gewissen Zeitraum erstrecken. Ein Stück Zucker, das sich in Ihrem Kaffee auflöst, braucht dazu einige Sekunden; eine Heizung braucht eine bestimmte Zeit, damit der Raum erwärmt ist usw. Die beiden englischen Philosophen Stephan Mumford und Rani Lill Anjum haben deshalb betont, dass man unterscheiden muss zwischen kausalen Episoden die Teil eines einzelnen Prozesses sind und kausalen Prozessen, die durch Kräfte hervorgebracht werden, die in früheren kausalen Prozessen instanziiert sind. Ihr Beispiel ist ein Zuckerstück das in Tee aufgelöst wird und dem Ereignis des Teetrinkens zehn Minuten später, das bei dem Teetrinker einen angenehmen Geschmack bewirkt, worauf dann, als weiteres Ereignis, die Umwandlung des gezuckerten Tees in Energie folgt, wenn dieser im Nagen verdaut wird. Jeder dieser drei Ereignisse ist ein kausaler Prozess, doch sind sie nicht kausal verbunden in dem Sinne wie die Kausalität in jedem einzelnen dieser Ereignisse. Dass Zucker sich im Tee auflöst ist ein kausaler Prozess, doch verursacht dieser nicht das Trinken des Tees. Vielmehr resultiert dieser Prozess unter bestimmten Bedingungen, die zehn Minuten später eine Rolle spielen, in einem getrennten kausalen Prozess des Teetrinkens. Ebenso wenig verursacht das Teetrinken die Umwandlung des Tees in Energie. Vielmehr ist es ein kausaler Prozess, der die Bedingungen für einen anderen kausalen Prozess bereitstellt. In jedem einzelnen dieser drei Prozesse sind Ursache und Wirkung simultan, aber natürlich nicht zwischen dem ersten und dem zweiten Prozess, weil der erste Prozess nicht die Ursache für den zweiten oder den dritten Prozess ist.

Auch ein weiterer Einwand soll noch kurz erwähnt werden. Dieser Einwand lautet: „Hat nicht Einstein gezeigt, dass Ursache und Wirkung nicht gleichzeitig sind, insofern als die spezielle Relativitätstheorie feststellt, dass es relativ in Bezug auf den Beobachter oder die Beobachtungssituation ist, ob zwei räumlich getrennte Ereignisse simultan sind?“ Die Antwort lautet: Nein! Die Theorie die wir verteidigen ist genau die, dass eine Wirkung und ihre unmittelbare Ursache Teile ein und desselben Ereignisses sind und nicht zwei verschiedene Ereignisse. Die Beispiele die wir dazu angeführt haben beinhalten Ursachen und Wirkungen die denselben Ort, denselben Raum einnehmen und nicht getrennte Orte. Daher ist die Relativität hier irrelevant.

Mehr und ausführlicher lesen Sie dazu in: Edward Feser: Scholastic Metaphysics. A ContemporaryIntroduction, editiones scholasticae 2014, S. 146-148. 

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