Im 1. Teil wurden die Grundlagen für
eine Diskussion der Frage vorgestellt, ob die Maßnahmen der Regierung zur
Bekämpfung der Corona-Pandemie angemessen, bzw. ob diese Maßnahmen im Sinne des
Gemeinwohls sind. Dabei wurde der Begriff des Gemeinwohls definiert und die außerordentliche
große Bedeutung der Subsidiarität für das Gemeinwohl hervorgehoben. Es wurde
die Definition gegeben, dass etwas im Sinne des Gemeinwohls ist, genau dann,
wenn es die Mittel zur Verfügung stellt, damit eine Person, oder eine
Gemeinschaft in die Lage versetzt wird, ihren Zweck selbständig zu
verwirklichen.
Der entscheidende Eingriff im
Zusammenhang mit der Bekämpfung der Pandemie stellt zweifellos der sogenannte
Lockdown dar, die weitgehende Abriegelung der Wirtschaft, der Schulen, der
Universitäten und anderer Bildungseinrichtungen, teilweise der Betriebe, der kulturellen
Einrichtungen usw. Diese Maßnahmen hatten gravierende Auswirkung auf die
gesamte Gesellschaft und den Staat. Die Auswirkungen wurden und werden im
Verlauf des Lockdowns immer deutlicher und sie sind auch kaum noch umstritten.
So wurde darauf hingewiesen, dass die Bildung der Kinder in den Schulen etwa
ein halbes Jahr im Rückstand ist und daher kaum aufgeholt werden kann. Dies hat
für die spätere Laufbahn der Kinder weitere Auswirkungen, die erst in vielen
Jahren deutlich werden. Ähnliches gilt für die universitäre Bildung. Die
wirtschaftlichen Schäden sind noch gar nicht abzuschätzen. Dies bezieht sich
nicht nur auf so allgemeine Dinge wie der massive Rückgang des Bruttoinlandsprodukts,
sondern besonders auf den Verlust von Arbeitsplätzen, die Kurzarbeit, wodurch
die Arbeitnehmer nicht mehr in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu
erwirtschaften, sondern auf den Staat angewiesen sind. Die damit
zusammenhängenden Probleme in den Familien, die ihre regelmäßig anfallenden
Kosten und Darlehnsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können. Hinzu kommen
die Schäden im kulturellen Bereich, deren Bedeutung zumeist unterschätzt
werden, der aber für eine gesunde Gesellschaft und das Gemeinwohl von großer
Bedeutung ist. Dann könnte man erwähnen, dass bei vielen Menschen
psychologische Folgen festzustellen sind, besonders auch bei Kindern. Menschen
wurden durch die Berichterstattung der Medien in Angst versetzt, woraus sich
unterschiedliche Grade von psychischen Störungen und Auffälligkeiten ergeben.
Außerdem fehlt vielen Menschen die Möglichkeit zur Erholung, denn die
Reisemöglichkeiten wurden massiv beschränkt. Auch die wissenschaftliche Arbeit
wurde durch den Lockdown deutlich eingeschränkt, nicht nur, weil die Arbeit in
der Forschung z.T. beschränkt wurde, sondern vor allem auch durch die fehlende
oder eingeschränkte Kommunikation auf Konferenzen, Tagungen und Kongressen. Noch
nicht erwähnt wurde der extreme Anstieg der Staatsverschuldung, der von
späteren Generationen bezahlt werden muss und einen großen Schaden für das
Gemeinwohl darstellt. Diese Liste könnte fast bis ins Unendliche fortgesetzt
werden und ist auch kaum umstritten, wenn diese Folgen auch für die Betroffenen
sehr unterschiedlich ausgefallen sind und einige Berufsgruppen, besonders die
vom Staat bezahlten Personengruppen des öffentlichen Dienstes, nur geringfügig
betroffen sind.
Verbunden mit den Maßnahmen zur Bekämpfung
des Lockdown ist eine massive Einschränkung der Subsidiarität und der Freiheitsrechte,
ja sogar der von der Verfassung garantierten Grundrechte und damit grundsätzliche
Eingriffe in die Demokratie. Besonders bedauerlich ist es, dass eine freie
Debatte und Diskussion der Maßnahmen der Regierung von verschiedenen Seiten
behindert wurde und weiterhin behindert wird, was in diesem Ausmaß bisher in
westlichen Demokratien nicht bekannt war. Gerade angesichts solch massiver Eingriffe
in das Gemeinwohl ist eine Debatte über das Für und Wider wichtiger denn je.
Ich möchte hier solche Angriffe und Eingriffe auf die freie Meinungsäußerung
nicht im Einzelnen aufzählen, denn sie sollten bekannt sein. Die
öffentlich-rechtlichen Medien, denen diese Aufgabe besonders am Herzen liegen
müsste, machen für viele Menschen den Eindruck, als ob sie „gleichgeschaltet“
wären und freie Debatten geradezu verhindern.
Es geht mir aber nicht um die
Auflistung all dieser Folgen des Lockdowns (dazu empfehle ich das Buch von
Heinz-Lothar Barth und Josef Heinskill: Die Coronakrise)
sondern um die Frage, ob diese Maßnahmen dem Gemeinwohl dienen und daher gerechtfertigt
werden können. Zweifellos ist die Gesundheit des Volkes ein zentrales Element
des Gemeinwohls und der massenhafte Tod von Menschen hätte weit gravierendere
Folgen für das Gemeinwohl als ein Lockdown. Allerdings gilt auch in einem
solchen Fall, dass die Volksgesundheit nicht identisch ist mit dem Gemeinwohl.
Zuvor aber noch ein Wort zum
Gemeinwohl. Das Ziel des Staates und aller staatlichen Maßnahmen ist das
Gemeinwohl. Dies bedeutet, dass der Staat bzw. die staatlichen Organe die Mittel
zur Verfügung stellen müssen, damit die Gemeinschaften, insbesondere die Familien
und die Bürger ihre eigenen Zwecke und Ziele selbständig verwirklichen
können. Es ist also nicht die Aufgabe des Staates, den Familien ihre Aufgaben
abzunehmen, z.B. indem der Staat den Menschen das Geld für den Lebensunterhalt
bereitstellt. Aufgabe des Staates ist es allenfalls, Menschen zu unterstützen,
die, aus welchen Gründen auch immer, nicht in der Lage sind, ihren
Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Diese Unterstützung sollte dann so sein,
dass sie die Familien oder Personen in die Lage versetzt, dass sie künftig dazu
in der Lage sein werden, selbständig zu leben.
Dies gilt nun auch für die
Gesundheitsfürsorge. Ein vollständig verstaatlichtes Gesundheitswesen
widerspricht deshalb dem Gemeinwohl. Dies gibt es in Deutschland auch nicht,
auch wenn verschiedene Maßnahmen der letzten Jahrzehnte immer mehr in diese
Richtig gehen, was auf naturrechtlicher Grundlage zu verurteilen ist. Doch wie
ist dies nun auf eine Pandemie anwendbar? Auch hier müssen, so viel ist klar,
die staatlichen Maßnahmen so ein, dass sie die Bürger und die Gemeinschaften in
die Lage versetzen, selbständig in der Lage sind, ihre Gesundheit zu bewahren.
Dies geschieht z.B. durch klare und verständliche Aufklärung über alle
relevanten Erkenntnisse über die Pandemie, über die Art der Ausbreitung, die
Symptome, den Verlauf, die Behandlung etc. Darüber hinaus kann der Staat
Maßnahmen ergreifen, die dazu führen, dass ausreichend Mittel zur Behandlung
und Therapie der Pandemie bereitgestellt werden, u.a. auch Impfstoffe, sofern
diese vorhanden sind. Selbstverständlich kommt es auch dem Staat zu, die
Zuverlässigkeit und Verträglichkeit der Medikamente und Impfstoffe prüfen zu
lassen und ggf. über die Gefahren und Nebenwirkungen aufzuklären. Wichtig ist in
diesen Zusammenhang eine offene Debatte mit allen Wissenschaftlern, insbesondere
auch solchen, die gegenteilige Ergebnisse ihrer Forschungen präsentieren. In
der Wissenschaft gibt es keine Dogmen, sondern empirische Erkenntnisse, die
immer nur Wahrscheinlichkeiten liefern und durch weitere Erkenntnisse in Frage
gestellt werden können. Werden solche wissenschaftlichen Debatten unterdrückt
oder eingeschränkt, ist dies sicher nicht im Sinne des Gemeinwohls.
Es kann auch eine Situation eintreten,
bei der eine Endemie derartig gravierende Folgen hat, dass direkte Eingriffe
des Staates in die Freiheitsrechte erforderlich werden und dazu kann auch ein
massiver Lockdown gehören, wie wir ihn gerade in Deutschland und vielen anderen
Ländern erleben. Es geht also nicht um die Frage, ob ein Lockdown grundsätzlich
von Seiten des Staates verordnet werden darf oder nicht. Es geht vielmehr um
die Frage der Angemessenheit oder Verhältnismäßigkeit solcher einschneidender
Maßnahmen, die unter anderem grundlegende Prinzipien der Gesellschaft außer
Kraft setzen. Und genau an dieser Stelle beginnen die entscheidenden Kontroversen.
Zu Beginn der Pandemie vor mehr als
einem Jahr konnte man nicht absehen, wie schwerwiegend eine Infektion mit dem
COVID-19 Virus ist und welchen Folgen dies haben wird. Die ersten Infektionen
und die extrem schnelle Ausbreitung des Virus weltweit konnten zu
Überreaktionen Anlass geben, was dann auch in vielen Ländern geschehen ist, zumal
die Medien hier eine sehr unerfreuliche Rolle gespielt haben und die Ereignisse
oftmals massiv aufgebauscht haben. Ein öffentlich-rechtliches Medium, dass von
den Bürgern bezahlt wird, hätte die Aufgabe eines sachlichen und nüchternen
Aufklärung gehabt, was man zumindest beim deutschen ÖRR nicht kennengelernt
hat. Jedenfalls sind unter solchen Bedingungen Überreaktionen des Staates und
seiner Organe verständlich und somit war auch der erste Lockdown zumindest
verständlich, da man die Folgen der Pandemie nicht realistisch abschätzen
konnte.
Nehmen wir zur Verdeutlichung der
Frage nach der Verhältnismäßigkeit der ergriffenen Mittel des Staates einmal
zwei verschiedene Szenarien. Nehmen wir an, dass sich ein Virus von der Art des
Ebola-Virus oder der Pest mit hoher Geschwindigkeit weltweit ausbreitet. Schon
in den ersten vier Wochen sterben allein in Deutschland über 80.000 Menschen im
Zusammenhang mit dem Virus und die Sterbezahlen nehmen immer weiter zu. In
einer solchen Situation sind die Eingriffe des Staates in die bisherige Ordnung
der Gesellschaft, wie beim aktuellen Lockdown, wohl unumstritten angemessen.
Vor dem ersten Lockdown gab es solche Szenarien – auch von Seiten renommierter
Wissenschaftler – die dann zum Lockdown geführt haben.
Bei einem anderen Szenarium betrachten
wir eine ganz normale Grippewelle, vielleicht mit einer geringeren Zahl von Erkrankten
und Toten, z.B. wie im Winter 2018, bei dem es etwa 25.000 Tote gegeben haben
soll, und ohne jegliche Übersterblichkeit im Jahresvergleich. Wenn die
Regierung in einer solchen Situation einen Lockdown verordnet hätte, wäre dies
sicherlich unangemessen gewesen, denn die Folgen des Lockdowns wären erheblich
schwerwiegender gewesen als die Erkrankung mit dem Grippevirus und die üblichen
Maßnahmen zur Bekämpfung einer Grippe hätten ausgereicht, besonders wenn man
sich auf die gefährdeten Personengruppen konzentriert und diese vor einer
Infektion bewahrt.
Nun ist die Covid-19 Pandemie irgendwo
in der Mitte zwischen diesen beiden Extremen. Sie ist nicht annähernd so
schlimm wie die im ersten Szenarium beschriebene Endemie, aber deutlich
gefährlicher als ein durchschnittliche Grippeendemie. Dies war im Grunde nach
dem ersten Lockdown im Hochsommer und Herbst des Jahres 2020 weitgehend klar. Alle
wesentliche Erkenntnisse über das neue Virus lagen vor und waren bekannt. Man
kannte die Personengruppen, die besonders gefährdet waren und die
Risikofaktoren, die einen schweren Krankheitsverlauf wahrscheinlich machen.
Daher konnte man jetzt gezielte Maßnahmen ergreifen, um diese Personenkreise zu
schützen. Eine Ausbreitung des Virus grundsätzlich zu verhindern, galt bereits
damals als unmöglich (wenn man mal von einigen Ideologen der „Zero-Covid
Bewegung“ absieht).
Wenn man nun unter diesen Bedingungen
die Verhältnismäßigkeit eines zweiten oder dritten Lockdowns vergleicht mit gezielten
Maßnahmen zum Schutz der gefährdeten Personenkreise, so ist offensichtlich –
zumindest bin ich nach diesen Überlegungen dieser Überzeugung – dass ein zweiter
Lockdown unverhältnismäßig und unangemessen ist und keinen wirklich
zusätzlichen Nutzen mit sich bringt. Stattdessen wird die ganze Gesellschaft in
Mitleidenschaft gezogen und sehr schwere Schäden sind entstanden, die bislang
noch gar nicht absehbar sind. Das dies zutrifft, beweist unter anderem Schweden
und andere Länder, die keinen zweiten Lockdown hatten und im Vergleich zu
Deutschland nicht schlechter dastehen.
Dies ist eine rein rationale und
sachliche Überlegung, die ohne Vorurteile oder ideologische Hintergründe von
jedem nachvollzogen werden kann. Da diese Informationen auch den Regierenden
schon früh bekannt waren (wie gesagt, im Sommer 2020), sind die weiteren, noch
verschärften Maßnahmen nicht zu entschuldigen. In gewisser Weise war dies den
Regierenden wohl auch irgendwie bewusst, denn die Begründungen für die weiteren
Lockdowns wurden verändert und diese Begründungen waren viel zu schwach, um die
noch verschärften Maßnahmen zu rechtfertigen. Viele Menschen spekulieren
deshalb, dass diese Maßnahmen im Zusammenhang mit dem zweiten Lockdown einen
anderen Hintergrund haben und eigentlich nichts mit der Pandemie zu tun haben.
Ich möchte mich hier nicht an diesen Spekulationen beteiligen.
Allerdings bin ich der Überzeugung,
dass die weiteren Lockdowns und die Fortsetzung derselben einen massiven
Angriff auf das Gemeinwohl Deutschlands darstellen und insbesondere die damit
verbundene weitgehende Aufhebung der Subsidiarität, besonders bei dem
Infektionsschutzgesetz, einen schwerwiegenden Angriff auf das Naturrecht und
die natürliche Ordnung der Gesellschaft darstellt. Ein Staat der so weit geht,
dass er bewusst das Gemeinwohl und die wichtigsten Prinzipien des Naturrechts
außer Kraft setzt, kann von seinen Bürgern nicht mehr erwarten, dass sie ihm
künftig noch vertrauen.
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