Samstag, 5. April 2014

Tagungsband erschienen

Regelmäßige Leser meines Blogs erinnern sich noch an die erste Tagung zur neuen Scholastik im 21. Jahrhundert in Deutschland in Köln am Ende des vergangenen Jahres. Durch die fleißige Arbeit der Vortragenden und des Verlags editiones scholasticae, der Mitveranstalter und Promoter der Tagung war, ist der Tagungsband bereits erschienen. Der Band enthält alle Beiträge der Tagung und wurde von Rafael Hüntelmann, dem Verleger und Johannes Hattler, dem Direktor des Instituts herausgegeben.


Der Titel des Tagungsbandes lautet fast identisch wie das Tagungsthema „New Scholasticism Meets Analytic Philosophy“, hat einen Umfang 128 Seiten, gebunden in Hardcover und kostet 69,00 Euro.

Der Band enthält die überarbeiteten Beiträge von

Uwe Meixner: Remarks an the Matter of Materiality
Edward Feser: The Scholastic Principle of Causality and the Rationalist Principle of Sufficient Reason
Erwin Tegtmeier: Possiblity
David Oderberg: The Metaphysics of Privation
Edmund Runggaldier: Causa formalis and Downward Causation
Stephan Mumford | Rani Lill Anjum: The Irreducibility of Dispositionality


Zudem gibt es seine kurze und eher formale Einleitung der beiden Herausgeber.

Ich möchte wenigstens einige kurze Stichpunkte zu jedem Beitrag nennen, damit Sie wissen, um was es geht.

Uwe Meixner, einer der renommiertesten deutschen analytischen Metaphysiker, vertritt eine rationalistische, an Leibnitz orientierte Ontologie und er verteidigt in seinem Aufsatz eine ebensolche Auffassung der Materie. Wie bei Meixner üblich ist die Argumentation streng logisch, klar und durchsichtig aufgebaut. Neu erscheint mir sein Ansatz eines Hylemorphismus, der sich allerdings stark vom klassischen, d.h. aristotelisch-thomistischen Hylemorphismus unterscheidet und dem es deshalb m.E. auch nicht gelingt, den Dualismus von Geist und Materie zu überwinden.

Edwards Fesers Aufsatz ist gewissermaßen eine Kurzfassung des zweiten Kapitels des im gleichen Verlag vor wenigen Wochen erschienenen Buches Scholastic Metaphysics. A Contemporary Introduction. Er zeigt in diesem Beitrag den Unterschied, den Zusammenhang und die Gemeinsamkeiten zwischen den scholastischen Kausalprinzip und dem rationalistischen, auf Leibnitz zurückgehenden Prinzip vom zureichenden Grund auf und beschäftigt sich vor allem sehr eingehend mit den aktuellen Einwänden gegen das Kausalprinzip.

Erwin Tegtmeier, ein selbstständiger Denker, der eine besondere, von David Armstrong verschiedene Sachverhaltsontologie vertritt, die auf Gustav Bergmann und Reinhardt Grossmann zurückgeht, argumentiert gegen ein ontologisches Verständnis (sogenannte de re Modalität) von Möglichkeit und verteidigt die Auffassung von Parmenides gegen die Möglichkeit. Er versucht zu zeigen, dass Aristoteles‘ Argumente gegen Parmenides nicht haltbar sind, da sie so etwas wie „Halbexistenz“ voraussetzen. Demgegenüber verteidigt Tegtmeier seinen strikten univoken Existenzbegriff (etwas existiert oder es existiert nicht, tertium non datur). Im Unterschied zu Parmenides bestreitet Tegtmeier nicht, dass es Veränderung gibt, erklärt diese allerdings über sogenannte „zeitliche Teile“.

David Oderberg Beitrag, der längste in diesem Buch, ist, wie fast immer bei Oderberg, very sophisticated, wie die Engländer sagen. Seine Analyse der Privation, also von dem, was nicht ist, wie Löcher, das Fehlen von etwas, Verneinung, der Mangel oder auch das Böse, ist eine Vertiefung und Weiterentwicklung der thomistischen Theorie, in dessen Rahmen sie voll und ganz verbleibt, dabei allerdings Zusammenhänge aufdeckt, die bisher (zumindest mir) nicht so klar herausgearbeitet wurden.

Edmund Runggaldier, emeritierter Professor an der Universität Innsbruck und Jesuit hat einen hervorragenden Beitrag über den Zusammenhang der heute viel diskutierten Downward Kausalität mit der causa formalis im Sinne von Suarez vorgelegt. Suarez war Jesuit, dessen spätscholastische Philosophie sich in einigen zentralen Punkten von Thomas von Aquin deutlich unterscheidet. Runggaldiers Beitrag ist schon allein deshalb interessant, weil man hier einiges über die Philosophie Suarez erfährt und zwar nicht im Sinne einer historisch interessanten Position, sondern als Beitrag zu aktuellen Auseinandersetzungen in der analytischen Philosophie. Runggaldier dürfte einer der ganz wenigen Gegenwartsphilosophen sein, der Suarez für gegenwärtige philosophische Debatten fruchtbar macht. Er verteidigt zunächst eine pluralistische Kausalauffassung, wie sie in der scholastischen Philosophie üblich ist (Final-, Formal-, Material- und Wirkursache) und zeigt dann, dass z.B. bei biologischen Prozessen die Formalursache zentral für das Verständnis solcher Prozesse ist, bei der das Ganze auf die einzelnen Teil wirkt.

Stephen Mumford und Rani Lill Anjum (die bei der Tagung selbst nicht anwesend war) verteidigen in ihrem Beitrag ihre an Aristoteles orientierte Theorie der Dispositionen. Ihre Theorie besagt, dass alle Kausalität auf Dispositionen zurückführbar ist, also auf das, was die aristotelische Scholastik üblicherweise als aktive Potenz bezeichnet. Dieser neue Ansatz ist durchaus interessant, wenn er auch mit einigen erheblichen Problemen zu kämpfen hat.

Alles in allem also ein gelungener und spannender Band dem man viele Leser, vor allen aus der analytischen Philosophie in Deutschland wünschen möchte.

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